CETA-Verfassungsbeschwerde

I Es wird beantragt,

1. festzustellen, daß eine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland durch das zuständige Regierungsmitglied zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und deren Zustimmung zur vorläufigen Anwendung dieses Abkommens im Rat der Europäischen Union gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG und den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

2. der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, im Rat der Europäischen Union durch das zuständige Regierungsmitglied dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens zuzustimmen, weil eine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) im Rat der Europäischen Union gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG, und den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

3. für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, festzustellen, daß das Unterlassen der Bundesregierung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, insbesondere eine Staatenklage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Union zur Klärung der Vertragswidrigkeit des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, und auch dessen vorläufige Anwendbarkeit zu betreiben, entgegen ihrer Schutzpflicht zugunsten des Beschwerdeführers gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG, und den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

4. für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, insbesondere eine Staatenklage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Union zur Klärung der Vertragswidrigkeit des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, und auch dessen vorläufige Anwendbarkeit zu betreiben, weil sie sonst entgegen ihrer Schutzpflicht zugunsten des Beschwerdeführers gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG, und den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

II. Es wird beantragt,

1. durch einstweilige Anordnung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, im Rat der Europäischen Union durch das zuständige Regierungsmitglied dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens zuzustimmen, bevor nicht durch das Bundesverfassungsgericht geklärt ist, daß eine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) im Rat der Europäischen Union und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG verstößt und den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

2. für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, durch einstweilige Anordnung die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, bis durch das Bundesverfassungsgericht geklärt ist, daß der Beschluß des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) im Rat der Europäischen Union und der Beschluß der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens nicht gegen das Grundgesetzgegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere nicht gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG, nicht gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, nicht gegen Art. 146 GG sowie nicht gegen Art. 23 Abs. 1 GG, und den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

III. Es wird beantragt, der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Ver­fahrens aufzuerlegen.

Teil 1

Sachverhalt

Die Europäische Union hat mit Kanada ein Freihandelsabkommen ausgehandelt, das Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA. Es soll, wenn es in die Sprachen der Mitgliedstaaten der Union übersetzt ist, von der Kommission der Europäischen Union dem Rat derselben zur Beschlußfassung vorgelegt werden. Zuvor soll das Europäische Parlament über das Abkommen beschließen. Die Mitgliedstaaten, jedenfalls einige von diesen, berühmen sich des Rechts, daß ihre Parlamente dem Abkommen zustimmen müssen, bevor es in Kraft treten kann. Die Kommission bestreitet die Zustimmungsbefugnis der mitgliedstaatlichen Parlamente. Das Abkommen ist bislang nur in englischer Sprache veröffentlicht. Teile des Abkommens sind in der Fassung vom 26. September 2014 für die Bundestagsfraktion Die Linke in das Deutsche übersetzt. Eine amtliche Übersetzung des Abkommens steht bisher nicht zur Verfügung, jedenfalls nicht der Öffentlichkeit.

Der Rat der Europäischen Union wird, soweit bekannt ist, am 5. Juli 2016 über das weitere Vorgehen in Sachen CETA beraten und über das weitere Verfahren entscheiden. Die Kommission wird in dieser Ratssitzung, heißt es, dem Rat das Abkommen und die Übersetzung desselben in den Amtssprachen der Europäischen Union unterbreiten. Es ist möglich, daß der Rat bereits in dieser Sitzung gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV die vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens beschließt. Viele Beobachter und auch der Beschwerdeführer, Abgeordneter des Europäischen Parlaments, erwarten diese Vorgehensweise. Klarheit über den Verfahrensablauf besteht nicht. Die Kommission verfährt denkbar intransparent. Der Rat sorgt auch nicht für Transparenz der Vorgehensweise. Das schafft eine erhebliche Rechtsschutznot, weil die vorläufige Anwendbarkeit praktisch die Wirkung der Inkraftsetzung des Abkommens im ordentlichen Vertragsverfahren haben wird. Zum richtigen Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde unter diesen Umständen wird im Teil 2 zu H Stellung genommen.

Das Abkommen regelt in Art. 30. 7, 30. 8 Paragraph 1 bis 4 und 30. 9:

“Article 30.7

Entry into force and provisional application

1. The Parties shall approve this Agreement in accordance with their respective internal requirements and procedures.

2. This Agreement shall enter into force on the first day of the second month following

the date the Parties exchange written notifications certifying that they have completed their respective internal requirements and procedures or on such other date as the Parties may agree.

3. (a) The Parties may provisionally apply this Agreement from the first day of the month following the date on which the Parties have notified each other that their respective internal requirements and procedures necessary for the provisional application of this Agreement have been completed or on such other date as the Parties may agree.

(b) If a Party intends not to provisionally apply a provision of this Agreement, it shall first notify the other Party of the provisions that it will not provisionally apply and shall offer to enter into consultations promptly. Within 30 days of the notification, the other Party may either object, in which case this Agreement shall not be provisionally applied, or provide its own notification of equivalent provisions of this Agreement, if any, that it does not intend to provisionally apply. If within 30 days of the second notification, an objection is made by the other Party, this Agreement shall not be provisionally applied. The provisions that are not subject to a notification by a Party shall be provisionally applied by that Party from the first day of the month following the later notification, or on such other date as the Parties may agree, provided the Parties have exchanged notifications under sub-paragraph(a).

(c) A Party may terminate the provisional application of this Agreement by written notice to the other Party. Such termination shall take effect on the first day of the second month following that notification.

(d) If this Agreement, or certain provisions of this Agreement, is provisionally applied, the Parties shall understand the term “entry into force of this Agreement” as meaning the date of provisional application. The CETA Joint Committee and other bodies established under this Agreement may exercise their functions during the provisional application of this Agreement. Any decisions adopted in the exercise of their functions will cease to be effective if the provisional application of this Agreement is terminated under subparagraph (c).

4. Canada shall submit notifications under this Article to the General Secretariat of the Council of the European Union or its successor. The European Union shall submit notifications under this Article to Canada’s Department of Foreign Affairs, Trade and Development or its successor”.

“Article 30.8

Termination, suspension or incorporation of other existing agreements

1. The agreements listed in Annex 30-A shall cease to have effect, and shall be replaced and superseded by this Agreement. Termination of the agreements listed in Annex 30-A shall take effect from the date of entry into force of this Agreement.

2. In the event of the provisional application of Chapter Eight (Investment) in accordance with Article 30.7.3(a), the agreements listed in Annex 30-A, as well as the rights and obligations derived therefrom shall be suspended as of the date of provisional application. In the event the provisional application is terminated, the suspension of the agreements listed in Annex 30-A shall cease.

3. Notwithstanding paragraphs 1 and 2, a claim may be submitted under an agreement listed in Annex 30-A in accordance with the rules and procedures established in the agreement if:

(a) the treatment that is object of the claim was accorded when the agreement was

not suspended or terminated; and

(b) no more than three years have elapsed since the date of suspension or termination of the agreement.

4. Notwithstanding paragraphs 1 and 2, if the provisional application of this Agreement is terminated and this Agreement does not enter into force, a claim may be submitted under Section F of Chapter Eight (Investment) within a period no longer than three years following the date of termination of the provisional application, regarding any matter arising during the provisional application of this Agreement, in accordance with the rules and procedures established in this Agreement”.

“Article 30.9

Termination

1. A Party may denounce this Agreement by giving written notice of termination to the General Secretariat of the Council of the European Union and the Department of foreign Affairs, Trade and Development Canada, or their respective successors. This Agreement shall be terminated 180 days after the date of that notice. The Party giving a notice of termination shall also provide the CETA Joint Committee with a copy of the notice.

2. Notwithstanding paragraph 1, in the event that this Agreement is terminated, the provisions of Chapter Eight (Investment) shall continue to be effective for a period of 20 years after the date of termination of this Agreement in respect of investments made before that date. This paragraph shall not apply in the case of provisional application of this Agreement“.

Das Freihandelsabkommen senkt weitestgehend die Zölle zwischen den Vertragspartnern und trifft weitgehende Regelungen des Handelsverkehrs derselben. Viele Regelungen gehen über Gegenstände des Handels hinaus.

Die Section D Investment protection und die Section E Co-Operation sowie die Chapter 17 und 18 des Abkommens werden im Folgenden geschlossen wiedergegeben.

Die für diese Verfassungsbeschwerde einschlägigen Kapitel und Artikel sind in den einzelnen Teilen der Beschwerde erneut zitiert.

SECTION D

Investment protection

Article 8.9

Investment and regulatory measures

1. For the purpose of this Chapter, the Parties reaffirm their right to regulate within their territories to achieve legitimate policy objectives, such as the protection of public health, safety, the environment or public morals, social or consumer protection or the promotion and protection of cultural diversity.

2. For greater certainty, the mere fact that a Party regulates, including through a modification to its laws, in a manner which negatively affects an investment or interferes with an investor’s expectations, including its expectations of profits, does not amount to a breach of an obligation under this Section.

3. For greater certainty, a Party’s decision not to issue, renew or maintain a subsidy:

(a) in the absence of any specific commitment under law or contract to issue, renew, or maintain that subsidy; or

(b) in accordance with any terms or conditions attached to the issuance, renewal or maintenance of the subsidy, does not constitute a breach of the provisions of this Section.

4. For greater certainty, nothing in this Section shall be construed as preventing a Party

from discontinuing the granting of a subsidy7 or requesting its reimbursement where such measure is necessary in order to comply with international obligations between the Parties or has been ordered by a competent court, administrative tribunal or other competent authority8, or requiring that Party to compensate the investor therefor.

Article 8.10

Treatment of investors and of covered investments

1. Each Party shall accord in its territory to covered investments of the other Party and

to investors with respect to their covered investments fair and equitable treatment and full protection and security in accordance with paragraphs 2 through 6.

2. A Party breaches the obligation of fair and equitable treatment referenced in paragraph 1 if a measure or series of measures constitutes:

(a) denial of justice in criminal, civil or administrative proceedings;

(b) fundamental breach of due process, including a fundamental breach of transparency, in judicial and administrative proceedings;

In the case of the European Union, “subsidy” includes “state aid” as defined in its law.

In the case of the European Union, “competent authority” is the European Commission, in accordance with Article 108 of the Treaty on the Functioning of the European Union.

(c) manifest arbitrariness;

(d) targeted discrimination on manifestly wrongful grounds, such as gender, race or religious belief;

(e) abusive treatment of investors, such as coercion, duress and harassment; or

(f) a breach of any further elements of the fair and equitable treatment obligation

adopted by the Parties in accordance with paragraph 3 of this Article.

3. The Parties shall regularly, or upon request of a Party, review the content of the obligation to provide fair and equitable treatment. The Committee on Services and

Investment, established under Article 26.2.1(b) (Specialised committees), may develop recommendations in this regard and submit them to the CETA Joint Committee for decision.

4. When applying the above fair and equitable treatment obligation, a Tribunal may take into account whether a Party made a specific representation to an investor to induce a covered investment, that created a legitimate expectation, and upon which the investor relied in deciding to make or maintain the covered investment, but that the Party subsequently frustrated.

5. For greater certainty, “full protection and security” refers to the Party’s obligations

relating to the physical security of investors and covered investments.

6. For greater certainty, a breach of another provision of this Agreement, or of a separate international agreement does not establish a breach of this Article.

7. For greater certainty, the fact that a measure breaches domestic law does not, in and

of itself, establish a breach of this Article. In order to ascertain whether the measure

breaches this Article, a Tribunal must consider whether a Party has acted inconsistently with the obligations in paragraph 1.

Article 8.11

Compensation for losses

Notwithstanding Article 8.15.5(b), each Party shall accord to investors of the other Party, whose covered investments suffer losses owing to armed conflict, civil strife, a state of emergency or natural disaster in its territory, treatment no less favourable than that it accords to its own investors or to the investors of a third country, whichever is more favourable to the investor concerned, as regards restitution, indemnification, compensation or other settlement.

Article 8.12

Expropriation

1. A Party shall not nationalise or expropriate a covered investment either directly, or indirectly through measures having an effect equivalent to nationalisation or expropriation (“expropriation”), except:

(a) for a public purpose;

(b) under due process of law;

(c) in a non-discriminatory manner; and

(d) on payment of prompt, adequate and effective compensation.

For greater certainty, this paragraph shall be interpreted in accordance with Annex 8- A.

2. The compensation referred to in paragraph 1 shall amount to the fair market value of

the investment at the time immediately before the expropriation or the impending expropriation became known, whichever is earlier. Valuation criteria shall include going concern value, asset value including the declared tax value of tangible property, and other criteria, as appropriate, to determine fair market value.

3. The compensation shall also include interest at a normal commercial rate from the date of expropriation until the date of payment and shall, in order to be effective for the investor, be paid and made transferable, without delay, to the country designated by the investor and in the currency of the country of which the investor is a national or in any freely convertible currency accepted by the investor.

4. The affected investor shall have the right, under the law of the expropriating Party, to

a prompt review of its claim and of the valuation of its investment, by a judicial or other independent authority of that Party, in accordance with the principles set out in this Article.

5. This Article does not apply to the issuance of compulsory licences granted in relation

to intellectual property rights, to the extent that such issuance is consistent with the

TRIPS Agreement.

6. For greater certainty, the revocation, limitation or creation of intellectual property rights, to the extent that these measures are consistent with the TRIPS Agreement and Chapter Twenty (Intellectual Property), do not constitute expropriation. Moreover, a determination that these measures are inconsistent with the TRIPS Agreement or Chapter Twenty (Intellectual Property) does not establish an expropriation.

Article 8.13

Transfers

1. Each Party shall permit all transfers relating to a covered investment to be made without restriction or delay in a freely convertible currency and at the market rate of

exchange applicable on the date of transfer. Such transfers include:

(a) contributions to capital, such as principal and additional funds to maintain,

develop or increase the investment;

(b) profits, dividends, interest, capital gains, royalty payments, management fees, technical assistance and other fees, or other forms of returns or amounts derived from the covered investment;

(c) proceeds from the sale or liquidation of the whole or a part of the covered

investment;

(d) payments made under a contract entered into by the investor or the covered

investment, including payments made pursuant to a loan agreement;

(e) payments made pursuant to Articles 8.11 and 8.12;

(f) earnings and other remuneration of foreign personnel working in connection

with an investment; and

(g) payments of damages pursuant to an award issued under Section F.

2. A Party shall not require its investors to transfer, or penalise its investors for failing

to transfer, the income, earnings, profits or other amounts derived from, or attributable to, investments in the territory of the other Party.

3. Nothing in this Article shall be construed to prevent a Party from applying in an equitable and non-discriminatory manner and not in a way that would constitute a

disguised restriction on transfers, its laws relating to:

(a) bankruptcy, insolvency or the protection of the rights of creditors;

(b) issuing, trading or dealing in securities;

(c) criminal or penal offences;

(d) financial reporting or record keeping of transfers when necessary to assist law

enforcement or financial regulatory authorities; and

(e) the satisfaction of judgments in adjudicatory proceedings.

Article 8.14

Subrogation

If a Party, or an agency of a Party, makes a payment under an indemnity, guarantee or

contract of insurance that it has entered into in respect of an investment made by one of its investors in the territory of the other Party, the other Party shall recognise that the Party or its agency shall be entitled in all circumstances to the same rights as those of the investor in respect of the investment. These rights may be exercised by the Party or an agency of the Party, or by the investor if the Party or an agency of the Party thereof so authorises.

SECTION E

Reservations and exceptions

Article 8.15

Reservations and exceptions

1. Articles 8.4 through 8.8 do not apply to:

(a) an existing non-conforming measure that is maintained by a Party at the level of:

(i) the European Union, as set out in its Schedule to Annex I;

(ii) a national government, as set out by that Party in its Schedule to Annex I;

(iii) a provincial, territorial, or regional government, as set out by that Party in

its Schedule to Annex I; or

(iv) a local government.

(b) the continuation or prompt renewal of a non-conforming measure referred to in

subparagraph (a); or

(c) an amendment to a non-conforming measure referred to in subparagraph (a) to the extent that the amendment does not decrease the conformity of the measure, as it existed immediately before the amendment, with Articles 8.4 through 8.8.

2. Articles 8.4 through 8.8 do not apply to a measure that a Party adopts or maintains

with respect to a sector, subsector or activity, as set out in its Schedule to Annex II.

3. Without prejudice to Articles 8.10 and 8.12, a Party shall not adopt a measure or series of measures after the date of entry into force of this Agreement and covered by

its Schedule to Annex II, that require, directly or indirectly an investor of the other

Party, by reason of nationality, to sell or otherwise dispose of an investment existing

at the time the measure or series of measures become effective.

4. In respect of intellectual property rights, a Party may derogate from Articles 8.5.1(f),

8.6, and 8.7 if permitted by the TRIPS Agreement, including any amendments to the TRIPS Agreement in force for both Parties, and waivers to the TRIPS Agreement

adopted pursuant to Article IX of the WTO Agreement.

5. Articles 8.4, 8.6, 8.7 and 8.8 do not apply to:

(a) procurement by a Party of a good or service purchased for governmental purposes and not with a view to commercial resale or with a view to use in the supply of a good or service for commercial sale, whether or not that procurement is “covered procurement” within the meaning of Article 19.2 (Scope and coverage); or

(b) subsidies, or government support relating to trade in services, provided by a

Party.

Article 8.16

Denial of benefits

A Party may deny the benefits of this Chapter to an investor of the other Party that is an

enterprise of that Party and to investments of that investor if:

(a) an investor of a third country owns or controls the enterprise; and

(b) the denying Party adopts or maintains a measure with respect to the third country

that:

(i) relates to the maintenance of international peace and security; and

(ii) prohibits transactions with the enterprise or would be violated or circumvented

if the benefits of this Chapter were accorded to the enterprise or to its investments.

Article 8.17

Formal requirements

Notwithstanding Articles 8.6 and 8.7, a Party may require an investor of the other Party, or its covered investment, to provide routine information concerning that investment solely for informational or statistical purposes, provided that those requests are reasonable and not unduly burdensome. The Party shall protect confidential or protected information from any disclosure that would prejudice the competitive position of the investor or the covered investment. This paragraph does not prevent a Party from otherwise obtaining or disclosing information in connection with the equitable and good faith application of its laws.

SECTION F

Resolution of investment disputes between investors and states

Article 8.18

Scope

1. Without prejudice to the rights and obligations of the Parties under Chapter Twenty-

Nine (Dispute Settlement), an investor of a Party may submit to the Tribunal constituted under this Section a claim that the other Party has breached an obligation under:

(a) Section C, with respect to the expansion, conduct, operation, management,

maintenance, use, enjoyment and sale or disposal of its covered investment; or

(b) Section D:

where the investor claims to have suffered loss or damage as a result of the alleged breach.

2. Claims under subparagraph 1(a) with respect to the expansion of a covered investment may be submitted only to the extent the measure relates to the existing business operations of a covered investment and the investor has, as a result, incurred loss or damage with respect to the covered investment.

3. For greater certainty, an investor may not submit a claim under this Section if the

investment has been made through fraudulent misrepresentation, concealment, corruption, or conduct amounting to an abuse of process.

4. A claim with respect to restructuring of debt issued by a Party may only be submitted

under this Section in accordance with Annex 8-B.

5. A Tribunal constituted under this Section shall not decide claims that fall outside of

the scope of this Article.

Article 8.19

Consultations

1. A dispute should as far as possible be settled amicably. Such a settlement may be agreed at any time, including after the claim has been submitted pursuant to Article 8.23. Unless the disputing parties agree to a longer period, consultations shall be held within 60 days of the submission of the request for consultations pursuant to paragraph 4.

2. Unless the disputing parties agree otherwise, the place of consultation shall be:

(a) Ottawa, if the measures challenged are measures of Canada;

(b) Brussels, if the measures challenged include a measure of the European Union; or

(c) the capital of the Member State of the European Union, if the measures challenged are exclusively measures of that Member State.

3. The disputing parties may hold the consultations through videoconference or other

means where appropriate, such as in the case where the investor is a small or medium-sized enterprise.

4. The investor shall submit to the other Party a request for consultations setting out:

(a) the name and address of the investor and, if such request is submitted on behalf of a locally established enterprise, the name, address and place of incorporation of the locally established enterprise;

(b) if there is more than one investor, the name and address of each investor and, if there is more than one locally established enterprise, the name, address and place of incorporation of each locally established enterprise;

(c) the provisions of this Agreement alleged to have been breached;

(d) the legal and the factual basis for the claim, including the measures at issue; and

(e) the relief sought and the estimated amount of damages claimed.

The request for consultations shall contain evidence establishing that the investor is

an investor of the other Party and that it owns or controls the investment including, if

applicable, that it owns or controls the locally established enterprise on whose behalf

the request is submitted.

5. The requirements of the request for consultations set out in paragraph 4 shall be met

with sufficient specificity to allow the respondent to effectively engage in consultations and to prepare its defence.

6. A request for consultations must be submitted within:

(a) three years after the date on which the investor or, as applicable, the locally established enterprise, first acquired or should have first acquired, knowledge of the alleged breach and knowledge that the investor or, as applicable, the locally established enterprise, has incurred loss or damage thereby; or

(b) two years after an investor or, as applicable, the locally established enterprise, ceases to pursue claims or proceedings before a tribunal or court under the law of a Party, or when such proceedings have otherwise ended and, in any event, no later than 10 years after the date on which the investor or, as applicable, the locally established enterprise, first acquired or should have first acquired knowledge of the alleged breach and knowledge that the investor has incurred loss or damage thereby.

7. A request for consultations concerning an alleged breach by the European Union or a

Member State of the European Union shall be sent to the European Union.

8. In the event that the investor has not submitted a claim pursuant to Article 8.23 within 18 months of submitting the request for consultations, the investor is deemed to have withdrawn its request for consultations and, if applicable, its notice requesting a determination of the respondent, and shall not submit a claim under this Section with respect to the same measures. This period may be extended by agreement of the disputing parties.

Article 8.20

Mediation

1. The disputing parties may at any time agree to have recourse to mediation.

2. Recourse to mediation is without prejudice to the legal position or rights of either

disputing party under this Chapter and is governed by the rules agreed to by the disputing parties including, if available, the rules for mediation adopted by the Committee on Services and Investment pursuant to Article 8.44.3(c).

3. The mediator is appointed by agreement of the disputing parties. The disputing parties may also request that the Secretary-General of ICSID appoint the mediator.

4. The disputing parties shall endeavour to reach a resolution of the dispute within 60

days from the appointment of the mediator.

5. If the disputing parties agree to have recourse to mediation, Articles 8.19.6 and 8.19.8 shall not apply from the date on which the disputing parties agreed to have recourse to mediation to the date on which either disputing party decides to terminate the mediation. A decision by a disputing party to terminate the mediation shall be transmitted by way of a letter to the mediator and the other disputing party.

Article 8.21

Determination of the respondent for disputes with the European Union or its Member States

1. If the dispute cannot be settled within 90 days of the submission of the request for

consultations, the request concerns an alleged breach of the Agreement by the European Union or a Member State of the European Union and the investor intends to submit a claim pursuant to Article 8.23, the investor shall deliver to the European Union a notice requesting a determination of the respondent.

2. The notice under paragraph 1 shall identify the measures in respect of which the

investor intends to submit a claim.

3. The European Union shall, after having made a determination, inform the investor as

to whether the European Union or a Member State of the European Union shall be

the respondent.

4. In the event that the investor has not been informed of the determination within 50

days of delivering its notice requesting such determination:

(a) if the measures identified in the notice are exclusively measures of a Member

State of the European Union, the Member State shall be the respondent.

(b) if the measures identified in the notice include measures of the European Union, the European Union shall be the respondent.

5. The investor may submit a claim pursuant to Article 8.23 on the basis of the determination made pursuant to paragraph 3, and, if no such determination has been

communicated to the investor, on the basis of the application of paragraph 4.

6. If the European Union or a Member State of the European Union is the respondent,

pursuant to paragraph 3 or 4, neither the European Union, nor the Member State of

the European Union may assert the inadmissibility of the claim, lack of jurisdiction

of the Tribunal or otherwise object to the claim or award on the ground that the

respondent was not properly determined pursuant to paragraph 3 or identified on the

basis of the application of paragraph 4.

7. The Tribunal shall be bound by the determination made pursuant to paragraph 3 and,

if no such determination has been communicated to the investor, the application of

paragraph 4.

Article 8.22

Procedural and other requirements for the submission of a claim to the Tribunal

1. An investor may only submit a claim pursuant to Article 8.23 if the investor:

(a) delivers to the respondent, with the submission of a claim, its consent to the

settlement of the dispute by the Tribunal in accordance with the procedures set out in this Section;

(b) allows at least 180 days to elapse from the submission of the request for consultations and, if applicable, at least 90 days to elapse from the submission of the notice requesting a determination of the respondent;

(c) has fulfilled the requirements of the notice requesting a determination of the

respondent;

(d) has fulfilled the requirements related to the request for consultations;

(e) does not identify a measure in its claim that was not identified in its request for consultations;

(f) withdraws or discontinues any existing proceeding before a tribunal or court under domestic or international law with respect to a measure alleged to constitute a breach referred to in its claim; and

(g) waives its right to initiate any claim or proceeding before a tribunal or court under domestic or international law with respect to a measure alleged to constitute a breach referred to in its claim.

2. If the claim submitted pursuant to Article 8.23 is for loss or damage to a locally

established enterprise or to an interest in a locally established enterprise that the investor owns or controls directly or indirectly, the requirements in subparagraphs 1(f) and (g) apply both to the investor and the locally established enterprise).

3. The requirements of subparagraphs 1(f) and (g) and paragraph 2 do not apply in

respect of a locally established enterprise if the respondent or the investor’s host state

has deprived the investor of control of the locally established enterprise, or has otherwise prevented the locally established enterprise from fulfilling those requirements.

4. Upon request of the respondent, the Tribunal shall decline jurisdiction if the investor

or, as applicable, the locally established enterprise fails to fulfil any of the requirements of paragraphs 1 and 2.

5. The waiver provided pursuant to subparagraph 1(g) or paragraph 2 as applicable shall cease to apply:

(a) if the Tribunal rejects the claim on the basis of a failure to meet the requirements of paragraph 1 or 2 or on any other procedural or jurisdictionalgrounds;

(b) if the Tribunal dismisses the claim pursuant to Article 8.32 or Article 8.33; or

(c) if the investor withdraws its claim, in conformity with the applicable rules under Article 8.23.2, within 12 months of the constitution of the division of the Tribunal.

Article 8.23

Submission of a claim to the Tribunal

1. If a dispute has not been resolved through consultations, a claim may be submitted

under this Section by:

(a) an investor of a Party on its own behalf; or

(b) an investor of a Party, on behalf of a locally established enterprise which it

owns or controls directly or indirectly.

2. A claim may be submitted under the following rules:

(a) the ICSID Convention and Rules of Procedure for Arbitration Proceedings;

(b) the ICSID Additional Facility Rules if the conditions for proceedings pursuant

to paragraph (a) do not apply;

(c) the UNCITRAL Arbitration Rules; or

(d) any other rules on agreement of the disputing parties.

3. In the event that the investor proposes rules pursuant to subparagraph 2(d), the

respondent shall reply to the investor’s proposal within 20 days of receipt. If the

disputing parties have not agreed on such rules within 30 days of receipt, the investor

may submit a claim under the rules provided for in subparagraph 2(a), (b) or (c).

4. For greater certainty, a claim submitted under subparagraph 1(b) shall satisfy the

requirements of Article 25(1) of the ICSID Convention.

5. The investor may, when submitting its claim, propose that a sole Member of the

Tribunal should hear the claim. The respondent shall give sympathetic consideration

to that request, in particular if the investor is a small or medium-sized enterprise or

the compensation or damages claimed are relatively low.

6. The rules applicable under paragraph 2 that are in effect on the date that the claim or

claims are submitted to the Tribunal under this Section, subject to the specific rules

set out in this Section and supplemented by rules adopted pursuant to Article 8.44.3(b).

7. A claim is submitted for dispute settlement under this Section when:

(a) the request under Article 36(1) of the ICSID Convention is received by the Secretary-General of ICSID;

(b) the request under Article 2 of Schedule C of the ICSID Additional Facility

Rules is received by the Secretariat of ICSID;

(c) the notice under Article 3 of the UNCITRAL Arbitration Rules is received by

the respondent; or

(d) the request or notice initiating proceedings is received by the respondent in

accordance with the rules agreed upon pursuant to subparagraph 2(d).

8. Each Party shall notify the other Party of the place of delivery of notices and other

documents by the investors pursuant to this Section. Each Party shall ensure this

information is made publicly available.

Article 8.24

Proceedings under another international agreement

Where a claim is brought pursuant to this Section and another international agreement and:

(a) there is a potential for overlapping compensation; or

(b) the other international claim could have a significant impact on the resolution of the

claim brought pursuant to this Section, the Tribunal shall, as soon as possible after hearing the disputing parties, stay its proceedings or otherwise ensure that proceedings brought pursuant to another international agreement are taken into account in its decision, order or award.

Article 8.25

Consent to the settlement of the dispute by the Tribunal

1. The respondent consents to the settlement of the dispute by the Tribunal in accordance with the procedures set out in this Section.

2. The consent under paragraph 1 and the submission of a claim to the Tribunal under

this Section shall satisfy the requirements of:

(a) Article 25 of the ICSID Convention and Chapter II of the ICSID Additional

Facility Rules regarding written consent of the disputing parties; and,

(b) Article II of the New York Convention for an agreement in writing.

Article 8.26

Third party funding

1. Where there is third party funding, the disputing party benefiting from it shall disclose to the other disputing party and to the Tribunal the name and address of the third party funder.

2. The disclosure shall be made at the time of the submission of a claim, or, if the financing agreement is concluded or the donation or grant is made after the submission

of a claim, without delay as soon as the agreement is concluded or the donation or grant is made.

Article 8.27

Constitution of the Tribunal

1. The Tribunal established under this Section shall decide claims submitted pursuant to

Article 8.23.

2. The CETA Joint Committee shall, upon the entry into force of this Agreement, appoint fifteen Members of the Tribunal. Five of the Members of the Tribunal shall be

nationals of a Member State of the European Union, five shall be nationals of Canada9

and five shall be nationals of third countries.

3. The CETA Joint Committee may decide to increase or to decrease the number of the

Members of the Tribunal by multiples of three. Additional appointments shall be made

on the same basis as provided for in paragraph 2.

4. The Members of the Tribunal shall possess the qualifications required in their respective countries for appointment to judicial office, or be jurists of recognized competence. They shall have demonstrated expertise in public international law. It is desirable that they have expertise in particular, in international investment law, in international trade law and the resolution of disputes arising under international investment or international trade agreements.

5. The Members of the Tribunal appointed pursuant to this Section shall be appointed for a five-year term, renewable once. However, the terms of seven of the 15 persons appointed immediately after the entry into force of the Agreement, to be determined by lot, shall extend to six years. Vacancies shall be filled as they arise. A person appointed to replace a Member of the Tribunal whose term of office has not expired shall hold office for the remainder of the predecessor’s term. In principle, a Member of the Tribunal serving on a division of the Tribunal when his or her term expires may continue to serve on the division until a final award is issued.

Either Party may instead propose to appoint up to five Members of the Tribunal of any nationality. In this case, such Members of the Tribunal shall be considered to be nationals of the Party that proposed his or her appointment for the purposes of this Article.

6. The Tribunal shall hear cases in divisions consisting of three Members of the Tribunal, of whom one shall be a national of a Member State of the European Union, one a national of Canada and one a national of a third country. The division shall be chaired by the Member of the Tribunal who is a national of a third country.

7. Within 90 days of the submission of a claim pursuant to Article 8.23, the President of

the Tribunal shall appoint the Members of the Tribunal composing the division of the

Tribunal hearing the case on a rotation basis, ensuring that the composition of the divisions is random and unpredictable, while giving equal opportunity to all Members

of the Tribunal to serve.

8. The President and Vice-President of the Tribunal shall be responsible for organisational issues and will be appointed for a two-year term and shall be drawn by lot from among the Members of the Tribunal who are nationals of third countries. They shall serve on the basis of a rotation drawn by lot by the Chair of the CETA Joint Committee. The Vice-President shall replace the President when the President is unavailable.

9. Notwithstanding paragraph 6, the disputing parties may agree that a case be heard by a sole Member of the Tribunal to be appointed at random from the third country nationals. The respondent shall give sympathetic consideration to a request from the claimant to have the case heard by a sole Member of the Tribunal, in particular where the claimant is a small or medium-sized enterprise or the compensation or damages claimed are relatively low. Such a request shall be made before the constitution of the

division of the Tribunal.

10. The Tribunal may draw up its own working procedures.

11. The Members of the Tribunal shall ensure that they are available and able to perform the functions set out under this Section.

12. In order to ensure their availability, the Members of the Tribunal shall be paid a

monthly retainer fee to be determined by the CETA Joint Committee.

13. The fees referred to in paragraph 12 shall be paid equally by both Parties into an

account managed by the ICSID Secretariat. In the event that one Party fails to pay the

retainer fee the other Party may elect to pay. Any such arrears by a Party will remain

payable, with appropriate interest.

14. Unless the CETA Joint Committee adopts a decision pursuant to paragraph 15, the

amount of the fees and expenses of the Members of the Tribunal on a division constituted to hear a claim, other than the fees referred to in paragraph 12, shall be those determined pursuant to Regulation 14(1) of the Administrative and Financial Regulations of the ICSID Convention in force on the date of the submission of the claim and allocated by the Tribunal among the disputing parties in accordance with Article 8.39.5.

15. The CETA Joint Committee may, by decision, transform the retainer fee and other

fees and expenses into a regular salary, and decide applicable modalities and conditions.

16. The ICSID Secretariat shall act as Secretariat for the Tribunal and provide it with

appropriate support.

17. If the CETA Joint Committee has not made the appointments pursuant to paragraph 2 within 90 days from the date that a claim is submitted for dispute settlement, the Secretary General of ICSID shall, at the request of either disputing party appoint a division consisting of three Members of the Tribunal, unless the disputing parties have

agreed that the case is to be heard by a sole Member of the Tribunal. The Secretary General of ICSID shall make the appointment by random selection from the existing nominations. The Secretary-General of ICSID may not appoint as chair a national of either Canada or a Member State of the European Union unless the disputing parties agree otherwise.

Article 8.28

Appellate Tribunal

1. An Appellate Tribunal is hereby established to review awards rendered under this

Section.

2. The Appellate Tribunal may uphold, modify or reverse a Tribunal’s award based on:

(a) errors in the application or interpretation of applicable law;

(b) manifest errors in the appreciation of the facts, including the appreciation of

relevant domestic law;

(c) the grounds set out in Article 52(1) (a) through (e) of the ICSID Convention, in so far as they are not covered by paragraphs (a) and (b).

3. The Members of the Appellate Tribunal shall be appointed by a decision of the CETA Joint Committee at the same time as the decision referred to in paragraph 7.

4. The Members of the Appellate Tribunal shall meet the requirements of Articles

8.27.4 and comply with Article 8.30.

5. The division of the Appellate Tribunal constituted to hear the appeal shall consist of

three randomly appointed Members of the Appellate Tribunal.

6. Articles 8.36 and 8.38 shall apply to the proceedings before the Appellate Tribunal.

7. The CETA Joint Committee shall promptly adopt a decision setting out the following

administrative and organisational matters regarding the functioning of the Appellate

Tribunal:

(a) administrative support;

(b) procedures for the initiation and the conduct of appeals, and procedures for referring issues back to the Tribunal for adjustment of the award, as appropriate;

(c) procedures for filling a vacancy on the Appellate Tribunal and on a division of the Appellate Tribunal constituted to hear a case;

(d) remuneration of the Members of the Appellate Tribunal;

(e) provisions related to the costs of appeals;

(f) the number of Members of the Appellate Tribunal; and

(g) any other elements it determines to be necessary for the effective functioning of the Appellate Tribunal.

8. The Committee on Services and Investment shall periodically review the functioning

of the Appellate Tribunal and may make recommendations to the CETA Joint Committee. The CETA Joint Committee may revise the decision referred to in paragraph 7, if necessary.

9. Upon adoption of the decision referred to in paragraph 7:

(a) a disputing party may appeal an award rendered pursuant to this Section to the

Appellate Tribunal within 90 days after its issuance;

(b) a disputing party shall not seek to review, set aside, annul, revise or initiate any

other similar procedure as regards an award under this Section;

(c) an award rendered pursuant to Article 8.39 shall not be considered final and

no action for enforcement of an award may be brought until either:

(i) 90 days from the issuance of the award by the Tribunal has elapsed and

no appeal has been initiated;

(ii) an initiated appeal has been rejected or withdrawn; or

(iii) 90 days have elapsed from an award by the Appellate Tribunal and the Appellate Tribunal has not referred the matter back to the Tribunal;

(d) a final award by the Appellate Tribunal shall be considered as a final award for the

purposes of Article 8.41; and

(e) Article 8.41.3 shall not apply.

Article 8.29

Establishment of a multilateral investment tribunal and appellate mechanism

The Parties shall pursue with other trading partners the establishment of a multilateral

investment tribunal and appellate mechanism for the resolution of investment disputes. Upon establishment of such a multilateral mechanism, the CETA Joint Committee shall adopt a decision providing that investment disputes under this Section will be decided pursuant to the multilateral mechanism and make appropriate transitional arrangements.

Article 8.30

Ethics

1. The Members of the Tribunal shall be independent. They shall not be affiliated with

any government.10 They shall not take instructions from any organisation, or government with regard to matters related to the dispute. They shall not participate in the consideration of any disputes that would create a direct or indirect conflict of interest. They shall comply with the International Bar Association Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration or any supplemental rules adopted pursuant to Article 8.44.2. In addition, upon appointment, they shall refrain from acting as counsel or as party-appointed expert or witness in any pending or new investment dispute under this or any other international agreement.

2. If a disputing party considers that a Member of the Tribunal has a conflict of interest,

it shall send to the President of the International Court of Justice a notice of challenge to the appointment. The notice of challenge shall be sent within 15 days of the date on which the composition of the division of the Tribunal has been communicated to the disputing party, or within 15 days of the date on which the relevant facts came to its knowledge, if they could not have reasonably been known at the time of composition of the division. The notice of challenge shall state the grounds for the challenge.

3. If, within 15 days from the date of the notice of challenge, the challenged Member of

the Tribunal has elected not to resign from the division, the President of the International Court of Justice shall, after hearing the disputing parties and after providing the Member of the Tribunal an opportunity to submit any observations, issue a decision within 45 days of receipt of the notice of challenge and notify the disputing parties and the other Members of the division. A vacancy resulting from the disqualification or resignation of a Member of the Tribunal shall be filled promptly. For greater certainty, the fact that a person receives remuneration from a government does not in itself make that person ineligible.

4. Upon a reasoned recommendation from the President of the Tribunal, or on their joint initiative, the Parties, by decision of the CETA Joint Committee, may remove a Member from the Tribunal where his or her behaviour is inconsistent with the obligations set out in paragraph 1 and incompatible with his or her continued membership of the Tribunal.

Article 8.31

Applicable law and interpretation

1. When rendering its decision, the Tribunal established under this Section shall apply

this Agreement as interpreted in accordance with the Vienna Convention on the Law

of Treaties, and other rules and principles of international law applicable between the

Parties.

2. The Tribunal shall not have jurisdiction to determine the legality of a measure, alleged to constitute a breach of this Agreement, under the domestic law of the disputing Party. For greater certainty, in determining the consistency of a measure with this Agreement, the Tribunal may consider, as appropriate, the domestic law of the disputing Party as a matter of fact. In doing so, the Tribunal shall follow the prevailing interpretation given to the domestic law by the courts or authorities of that Party and any meaning given to domestic law by the Tribunal shall not be binding upon the courts or the authorities of that Party.

3. Where serious concerns arise as regards matters of interpretation that may affect

investment, the Committee on Services and Investment may, pursuant to Article 8.44.3(a), recommend to the CETA Joint Committee the adoption of interpretations

of this Agreement. An interpretation adopted by the CETA Joint Committee shall be

binding on a Tribunal established under this Section. The CETA Joint Committee may decide that an interpretation shall have binding effect from a specific date.

Article 8.32

Claims manifestly without legal merit

1. The respondent may, no later than 30 days after the constitution of the division of the

Tribunal, and in any event before its first session, file an objection that a claim is manifestly without legal merit.

2. An objection shall not be submitted under paragraph 1 if the respondent has filed an

objection pursuant to Article 8.33.

3. The respondent shall specify as precisely as possible the basis for the objection.

4. On receipt of an objection pursuant to this Article, the Tribunal shall suspend the proceedings on the merits and establish a schedule for considering such an objection consistent with its schedule for considering any other preliminary question.

5. The Tribunal, after giving the disputing parties an opportunity to present their

observations, shall at its first session or promptly thereafter, issue a decision or award

stating the grounds therefor. In doing so, the Tribunal shall assume the alleged facts to be true.

6. This Article shall be without prejudice to the Tribunal’s authority to address other

objections as a preliminary question or to the right of the respondent to object, in the

course of the proceeding, that a claim lacks legal merit.

Article 8.33

Claims unfounded as a matter of law

1. Without prejudice to a Tribunal’s authority to address other objections as a preliminary question or to a respondent’s right to raise any such objections at an appropriate time, the Tribunal shall address and decide as a preliminary question any objection by the respondent that, as a matter of law, a claim, or any part thereof, submitted pursuant to Article 8.23 is not a claim for which an award in favour of the claimant may be made under this Section, even if the facts alleged were assumed to be true.

2. An objection under paragraph 1 shall be submitted to the Tribunal no later than the

date the Tribunal fixes for the respondent to submit its counter-memorial.

3. If an objection has been submitted pursuant to Article 8.32, the Tribunal may, taking

into account the circumstances of that objection, decline to address, under the procedures set out in this Article, an objection submitted pursuant to paragraph 1.

4. On receipt of an objection under paragraph 1, and, if appropriate, after rendering a decision pursuant to paragraph 3, the Tribunal shall suspend any proceedings on the merits, establish a schedule for considering the objection consistent with any schedule it has established for considering any other preliminary question, and issue a decision or award on the objection stating the grounds therefor.

Article 8.34

Interim measures of protection

A Tribunal may order an interim measure of protection to preserve the rights of a disputing party or to ensure that the Tribunal’s jurisdiction is made fully effective, including an order to preserve evidence in the possession or control of a disputing party or to protect the Tribunal’s jurisdiction. A Tribunal shall not order attachment or enjoin the application of the measure alleged to constitute a breach referred to in Article 8.23. For the purposes of this Article, an order includes a recommendation.

Article 8.35

Discontinuance

If, following the submission of a claim under this Section, the investor fails to take any steps in the proceeding during 180 consecutive days or such periods as the disputing parties may agree, the investor is deemed to have withdrawn its claim and to have discontinued the proceeding. The Tribunal shall, at the request of the respondent, and after notice to the disputing parties, in an order take note of the discontinuance. After the order has been rendered the authority of the Tribunal shall lapse.

Article 8.36

Transparency of proceedings

1. The UNCITRAL Transparency Rules, as modified by this Chapter, shall apply in

connection with proceedings under this Section.

2. The request for consultations, the notice requesting a determination of the respondent, the notice of determination of the respondent, the agreement to mediate, the notice of intent to challenge a Member of the Tribunal, the decision on challenge to a Member of the Tribunal and the request for consolidation shall be included in the list of documents to be made available to the public under Article 3(1) of the UNCITRAL Transparency Rules.

3. Exhibits shall be included in the list of documents to be made available to the public

under Article 3(2) of the UNCITRAL Transparency Rules.

4. Notwithstanding Article 2 of the UNCITRAL Transparency Rules, prior to the constitution of the Tribunal, Canada or the European Union as the case may be shall make publicly available in a timely manner relevant documents pursuant to paragraph 2, subject to the redaction of confidential or protected information. Such documents may be made publicly available by communication to the repository.

5. Hearings shall be open to the public. The Tribunal shall determine, in consultation with the disputing parties, the appropriate logistical arrangements to facilitate public access to such hearings. If the Tribunal determines that there is a need to protect confidential or protected information, it shall make the appropriate arrangements to hold in private that part of the hearing requiring such protection.

6. Nothing in this Chapter requires a respondent to withhold from the public information required to be disclosed by its laws. The respondent should apply those laws in a manner sensitive to protecting from disclosure information that has been designated as confidential or protected information.

Article 8.37

Information sharing

1. A disputing party may disclose to other persons in connection with the proceedings,

including witnesses and experts, such unredacted documents as it considers necessary in the course of proceedings under this Section. However, the disputing party shall ensure that those persons protect the confidential or protected information contained in those documents.

2. This Agreement does not prevent a respondent from disclosing to officials of, as

applicable, the European Union, Member States of the European Union and subnational

governments, such unredacted documents as it considers necessary in the course of proceedings under this Section. However, the respondent shall ensure that those officials protect the confidential or protected information contained in those documents.

Article 8.38

Non-disputing Party

1. The respondent shall, within 30 days after receipt or promptly after any dispute concerning confidential or protected information has been resolved, deliver to the non-disputing Party:

(a) a request for consultations, a notice requesting a determination of the respondent, a notice of determination of the respondent, a claim submitted pursuant to Article 8.23, a request for consolidation, and any other documents that are appended to such documents;

(b) on request:

(i) pleadings, memorials, briefs, requests and other submissions made to the Tribunal by a disputing party;

(ii) written submissions made to the Tribunal pursuant to Article 4 of the UNCITRAL Transparency Rules;

(iii) minutes or transcripts of hearings of the Tribunal, if available; and

(iv) orders, awards and decisions of the Tribunal; and

(c) on request and at the cost of the non-disputing Party, all or part of the evidence that has been tendered to the Tribunal, unless the requested evidence is publicly available.

2. The Tribunal shall accept or, after consultation with the disputing parties, may invite,

oral or written submissions from the non-disputing Party regarding the interpretation of the Agreement. The non-disputing Party may attend a hearing held under this Section.

3. The Tribunal shall not draw any inference from the absence of a submission pursuant

to paragraph 2.

4. The Tribunal shall ensure that the disputing parties are given a reasonable

opportunity to present their observations on a submission by the non-disputing Party

to this Agreement.

Article 8.39

Final award

1. If the Tribunal makes a final award against the respondent, the Tribunal may only

award, separately or in combination:

(a) monetary damages and any applicable interest;

(b) restitution of property, in which case the award shall provide that the respondent may pay monetary damages representing the fair market value of the property at the time immediately before the expropriation, or impending expropriation became known, whichever is earlier, and any applicable interest in lieu of restitution, determined in a manner consistent with Article 8.12.

2. Subject to paragraphs 1 and 5, if a claim is made under Article 8.23.1(b):

(a) an award of monetary damages and any applicable interest shall provide that the sum be paid to the locally established enterprise;

(b) an award of restitution of property shall provide that restitution be made to the locally established enterprise;

(c) an award of costs in favour of the investor shall provide that it is to be made to the investor; and

(d) the award shall provide that it is made without prejudice to a right that a person, other than a person which has provided a waiver pursuant to Article 8.22, may have in monetary damages or property awarded under a Party’s law.

3. Monetary damages shall not be greater than the loss suffered by the investor or, as

applicable, the locally established enterprise, reduced by any prior damages or compensation already provided. For the calculation of monetary damages, the Tribunal shall also reduce the damages to take into account any restitution of property or repeal or modification of the measure.

4. The Tribunal shall not award punitive damages.

5. The Tribunal shall order that the costs of the proceedings be borne by the unsuccessful disputing party. In exceptional circumstances, the Tribunal may apportion costs between the disputing parties if it determines that apportionment is appropriate in the circumstances of the claim. Other reasonable costs, including costs of legal representation and assistance, shall be borne by the unsuccessful disputing party, unless the Tribunal determines that such apportionment is unreasonable in the circumstances of the claim. If only parts of the claims have been successful the costs shall be adjusted, proportionately, to the number or extent of the successful parts of the claims.

6. The CETA Joint Committee shall consider supplemental rules aimed at reducing the

financial burden on claimants who are natural persons or small and medium-sized”

CHAPTER SEVENTEEN

COMPETITION POLICY

Article 17.1

Definitions

For the purposes of this Chapter:

anti-competitive business conduct means anti-competitive agreements, concerted practices or arrangements by competitors, anti-competitive practices by an enterprise that is dominant in a market, and mergers with substantial anti-competitive effects; and,

service of general economic interest means, for the European Union, a service that cannot be provided satisfactorily and under conditions, such as price, objective quality

characteristics, continuity, and access to the service, consistent with the public interest, by an undertaking operating under normal market conditions. The operation of a service of general economic interest must be entrusted to one or more undertakings by the state by way of a public service assignment that defines the obligations of the undertakings in question and of the state.

Article 17.2

Competition policy

1. The Parties recognise the importance of free and undistorted competition in their trade relations. The Parties acknowledge that anti-competitive business conduct has

the potential to distort the proper functioning of markets and undermine the benefits

of trade liberalisation.

2. The Parties shall take appropriate measures to proscribe anti-competitive business

conduct, recognising that such measures will enhance the fulfilment of the objectives

of this Agreement.

3. The Parties shall cooperate on matters relating to the proscription of anti-competitive

business conduct in the free trade area in accordance with the Agreement between the European Communities and the Government of Canada Regarding the Application of their Competition Laws, done at Bonn on 17 June 1999.

4. The measures referred to in paragraph 2 shall be consistent with the principles of transparency, non-discrimination, and procedural fairness. Exclusions from the application of competition law shall be transparent. A Party shall make available to the other Party public information concerning such exclusions provided under its competition law.

Article 17.3

Application of competition policy to enterprises

1. A Party shall ensure that the measures referred to in Article 17.2.2 apply to the

Parties to the extent required by its law.

2. For greater certainty:

(a) in Canada, the Competition Act, R.S.C. 1985, c. C-34 is binding on and applies to an agent of Her Majesty in right of Canada, or of a province, that is a corporation, in respect of commercial activities engaged in by the corporation in competition, whether actual or potential, with other persons to the extent that it would apply if the agent were not an agent of Her Majesty. Such an agent may include state enterprises, monopolies, and enterprises granted special or exclusive rights or privileges; and

(b) in the European Union, state enterprises, monopolies, and enterprises granted special rights or privileges are subject to the European Union’s rules on competition. However, enterprises entrusted with the operation of services of general economic interest or having the character of a revenue-producing monopoly are subject to these rules, in so far as the application of these rules does not obstruct the performance, in law or in fact, of the particular tasks assigned to them.

Article 17.4

Dispute settlement

Nothing in this Chapter shall be subject to any form of dispute settlement pursuant to this Agreement.

CHAPTER EIGHTEEN

STATE ENTERPRISES, MONOPOLIES, AND

ENTERPRISES GRANTED SPECIAL RIGHTS OR PRIVILEGES

Article 18.1

Definitions

For the purposes of this Chapter:

covered entity means:

(a) a monopoly;

(b) a supplier of a good or service, if it is one of a small number of goods or services

suppliers authorised or established by a Party, formally or in effect, and the Party

substantially prevents competition among those suppliers in its territory;

(c) any entity to which a Party has granted, formally or in effect, special rights or

privileges to supply a good or service, substantially affecting the ability of any other

enterprise to supply the same good or service in the same geographical area under

substantially equivalent conditions, and allowing the entity to escape, in whole or in

part, competitive pressures or market constraints;or

(d) a state enterprise;

designate means to establish or authorise a monopoly, or to expand the scope of a monopoly to cover an additional good or service;

in accordance with commercial considerations means consistent with customary business practices of a privately held enterprise in the relevant business or industry; and

non-discriminatory treatment means the better of national treatment and most- favourednation treatment as set out in this Agreement.

Article 18.2

Scope

1. The Parties confirm their rights and obligations under Articles XVII:1 through

XVII:3 of the GATT 1994, the Understanding on the Interpretation of Article XVII

of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994, and Articles VIII:1 and VIII:2

of GATS, all of which are hereby incorporated into and made part of this Agreement.

2. This Chapter does not apply to the procurement by a Party of a good or service

purchased for governmental purposes and not with a view to commercial resale or with a view to use in the supply of a good or service for commercial sale, whether or

24 For greater certainty, the granting of a licence to a limited number of enterprises in allocating a scarce

resource through objective, proportional and non-discriminatory criteria is not in and of itself a special

right.

not that procurement is a “covered procurement” within the meaning of Article 19.2

(Scope and coverage).

3. Articles 18.4 and 18.5 do not apply to the sectors set out in Article 8.2 (Scope) and

Article 9.2 (Scope).

4 Articles 18.4 and 18.5 do not apply to a measure of a covered entity if a reservation

of a Party, taken against a national treatment or most-favoured nation treatment

obligation, as set out in that Party’s Schedule to Annex I, II, or III, would be applicable if the same measure had been adopted or maintained by that Party.

Article 18.3

State enterprises, monopolies and enterprises granted special rights or privileges

1. Without prejudice to the Parties’ rights and obligations under this Agreement, nothing in this Chapter prevents a Party from designating or maintaining a state

enterprise or a monopoly or from granting an enterprise special rights or privileges.

2. A Party shall not require or encourage a covered entity to act in a manner inconsistent with this Agreement.

Article 18.4

Non-discriminatory treatment

1. Each Party shall ensure that in its territory a covered entity accords nondiscriminatory

treatment to a covered investment, to a good of the other Party, or to a service supplier of the other Party in the purchase or sale of a good or service.

2. If a covered entity described in paragraphs (b) through (d) of the definition of “covered entity” in Article 18.1 acts in accordance with Article 18.5.1, the Party in whose territory the covered entity is located shall be deemed to be in compliance

with the obligations set out in paragraph 1 in respect of that covered entity.

Article 18.5

Commercial considerations

1. Each Party shall ensure that a covered entity in its territory acts in accordance with

commercial considerations in the purchase or sale of goods, including with regard to

price, quality, availability, marketability, transportation, and other terms and

conditions of purchase or sale, as well as in the purchase or supply of services,

including when such goods or services are supplied to or by an investment of an investor of the other Party.

2. Provided that a covered entity’s conduct is consistent with Article 18.4 and Chapter

Seventeen (Competition Policy), the obligation contained in paragraph 1 does not

apply:

(a) in the case of a monopoly, to the fulfilment of the purpose for which the

monopoly has been created or for which special rights or privileges have been granted, such as a public service obligation or regional development; or,

(b) in the case of a state enterprise, to the fulfilment of its public mandate.

SECTION E

Co-operation

Article 20.50

Co-operation

1. Each Party agrees to co-operate with the other Party with a view to supporting the

implementation of the commitments and obligations undertaken under this Chapter.

Areas of co-operation include exchanges of information or experience on the following:

(a) the protection and enforcement of intellectual property rights, including

geographical indications; and

(b) the establishment of arrangements between their respective collecting societies.

2. Pursuant to paragraph 1, each Party agrees to establish and maintain an effective

dialogue on intellectual property issues to address topics relevant to the protection and enforcement of intellectual property rights covered by this Chapter, and any other relevant issue.

CHAPTER TWENTY-ONE

REGULATORY COOPERATION

Article 21.1

Scope

This Chapter applies to the development, review and methodological aspects of regulatory measures of the Parties’ regulatory authorities that are covered by, among others, the TBT Agreement, the SPS Agreement, the GATT 1994, the GATS, and Chapters Four (Technical Barriers to Trade), Five (Sanitary and Phytosanitary Measures), Nine (Cross-Border Trade in Services), Twenty-Two (Trade and Sustainable Development), Twenty-Three (Trade and Labour) and Twenty-Four (Trade and Environment).

Article 21.2

Principles

1. The Parties reaffirm their rights and obligations with respect to regulatory measures

under the TBT Agreement, the SPS Agreement, the GATT 1994 and the GATS.

2. The Parties are committed to ensure high levels of protection for human, animal and

plant life or health, and the environment in accordance with the TBT Agreement, the

SPS Agreement, the GATT 1994, the GATS, and this Agreement.

3. The Parties recognise the value of regulatory cooperation with their relevant trading

partners both bilaterally and multilaterally. The Parties will, whenever practicable

and mutually beneficial, approach regulatory cooperation in a way that is open to

participation by other international trading partners.

4. Without limiting the ability of each Party to carry out its regulatory, legislative and

policy activities, the Parties are committed to further develop regulatory cooperation

in light of their mutual interest in order to:

(a) prevent and eliminate unnecessary barriers to trade and investment;

(b) enhance the climate for competitiveness and innovation, including by pursuing

regulatory compatibility, recognition of equivalence, and convergence; and

(c) promote transparent, efficient and effective regulatory processes that support

public policy objectives and fulfil the mandates of regulatory bodies, including

through the promotion of information exchange and enhanced use of best practices.

5. This Chapter replaces the Framework on Regulatory Co-operation and Transparency

between the Government of Canada and the European Commission, done at Brussels

on 21 December 2004, and governs the activities previously undertaken in the context of that Framework.

6. The Parties may undertake regulatory cooperation activities on a voluntary basis. For

greater certainty, a Party is not required to enter into any particular regulatory

cooperation activity, and may refuse to cooperate or may withdraw from cooperation.

However, if a Party refuses to initiate regulatory cooperation or withdraws from

cooperation, it should be prepared to explain the reasons for its decision to the other

Party.

Article 21.3

Objectives of regulatory cooperation

The objectives of regulatory cooperation include to:

(a) contribute to the protection of human life, health or safety, animal or plant life or

health and the environment by:

(i) leveraging international resources in areas such as research, pre-market review

and risk analysis to address important regulatory issues of local, national and

international concern; and

(ii) contributing to the base of information used by regulatory departments to

identify, assess and manage risks;

(b) build trust, deepen mutual understanding of regulatory governance and obtain from

each other the benefit of expertise and perspectives in order to:

(i) improve the planning and development of regulatory proposals;

(ii) promote transparency and predictability in the development and establishment

of regulations;

(iii) enhance the efficacy of regulations;

(iv) identify alternative instruments;

(v) recognise the associated impacts of regulations;

(vi) avoid unnecessary regulatory differences; and

(vii) improve regulatory implementation and compliance;

(c) facilitate bilateral trade and investment in a way that:

(i) builds on existing cooperative arrangements;

(ii) reduces unnecessary differences in regulation; and

(iii) identifies new ways of working for cooperation in specific sectors; or

(d) contribute to the improvement of competitiveness and efficiency of industry in a way that:

(i) minimises administrative costs whenever possible;

(ii) reduces duplicative regulatory requirements and consequential compliance

costs whenever possible; and

(iii) pursues compatible regulatory approaches including, if possible and

appropriate, through:

(A) the application of regulatory approaches which are technology-neutral;

and

(B) the recognition of equivalence or the promotion of convergence.

Article 21.4

Regulatory cooperation activities

The Parties endeavour to fulfil the objectives set out in Article 21.3 by undertaking regulatory cooperation activities that may include:

(a) engaging in ongoing bilateral discussions on regulatory governance, including to:

(i) discuss regulatory reform and its effects on the Parties’ relationship;

(ii) identify lessons learned;

(iii) explore, if appropriate, alternative approaches to regulation; and

(iv) exchange experiences with regulatory tools and instruments, including regulatory impact assessments, risk assessment and compliance and enforcement strategies;

(b) consulting with each other, as appropriate, and exchanging information throughout

the regulatory development process. This consultation and exchange should begin as

early as possible in that process;

(c) sharing non-public information to the extent that this information may be made

available to foreign governments in accordance with the applicable rules of the Party

providing the information;

(d) sharing proposed technical or sanitary and phytosanitary regulations that may have

an impact on trade with the other Party at the earliest stage possible so that comments

and proposals for amendments may be taken into account;

(e) providing, upon request by the other Party, a copy of the proposed regulation, subject to applicable privacy law, and allow sufficient time for interested parties to provide comments in writing;

(f) exchanging information about contemplated regulatory actions, measures or

amendments under consideration, at the earliest stage possible, in order to:

(i) understand the rationale behind a Party’s regulatory choices, including the

instrument choice, and examine the possibilities for greater convergence between the Parties on how to state the objectives of regulations and how to define their scope. The Parties should also address the interface between regulations, standards and conformity assessment in this context; and

(ii) compare methods and assumptions used to analyse regulatory proposals, including, when appropriate, an analysis of technical or economic practicability and the benefits in relation to the objective pursued of any major alternative regulatory requirements or approaches considered. This information exchange may also include compliance strategies and impact assessments, including a comparison of the potential cost-effectiveness of the regulatory proposal to that of major alternative regulatory requirements or approaches considered;

(g) examining opportunities to minimise unnecessary divergences in regulations through

means such as:

(i) conducting a concurrent or joint risk assessment and a regulatory impact

assessment if practicable and mutually beneficial;

(ii) achieving a harmonised, equivalent or compatible solution; or

(iii) considering mutual recognition in specific cases;

(h) cooperating on issues that concern the development, adoption, implementation and

maintenance of international standards, guides and recommendations;

(i) examining the appropriateness and possibility of collecting the same or similar data

about the nature, extent and frequency of problems that may potentially give rise to

regulatory action when it would expedite making statistically significant judgments

about those problems;

(j) periodically comparing data collection practices;

(k) examining the appropriateness and the possibility of using the same or similar

assumptions and methodologies that the other Party uses to analyse data and assess the underlying issues to be addressed through regulation in order to:

(i) reduce differences in identifying issues; and

(ii) promote similarity of results;

(l) periodically comparing analytical assumptions and methodologies;

(m) exchanging information on the administration, implementation and enforcement of

regulations, as well as on the means to obtain and measure compliance;

(n) conducting cooperative research agendas in order to:

(i) reduce duplicative research;

(ii) generate more information at less cost;

(iii) gather the best data;

(iv) establish, when appropriate, a common scientific basis;

(v) address the most pressing regulatory problems in a more consistent and

performance-oriented manner; and

(vi) minimise unnecessary differences in new regulatory proposals while more

effectively improving health, safety and environmental protection;

(o) conducting post-implementation reviews of regulations or policies;

(p) comparing methods and assumptions used in those post-implementation reviews;

(q) when applicable, making available to each other summaries of the results of those

post-implementation reviews;

(r) identifying the appropriate approach to reduce adverse effects of existing regulatory

differences on bilateral trade and investment in sectors identified by a Party,

including, when appropriate, through greater convergence, mutual recognition,

minimising the use of trade and investment distorting regulatory instruments, and the

use of international standards, including standards and guides for conformity assessment; or

(s) exchanging information, expertise and experience in the field of animal welfare in

order to promote collaboration on animal welfare between the Parties.

Article 21.5

Compatibility of regulatory measures

With a view to enhancing convergence and compatibility between the regulatory measures of the Parties, each Party shall, when appropriate, consider the regulatory measures or initiatives of the other Party on the same or related topics. A Party is not prevented from adopting different regulatory measures or pursuing different initiatives for reasons including different institutional or legislative approaches, circumstances, values or priorities that are particular to that Party.

Article 21.6

The Regulatory Cooperation Forum

1. A Regulatory Cooperation Forum (“RCF”) is established, pursuant to Article 26.2.1(h) (Specialised committees), to facilitate and promote regulatory cooperation

between the Parties in accordance with this Chapter.

2. The RCF shall perform the following functions:

(a) provide a forum to discuss regulatory policy issues of mutual interest that the

Parties have identified through, among others, consultations conducted in accordance with Article 21.8;

(b) assist individual regulators to identify potential partners for cooperation activities and provide them with appropriate tools for that purpose, such as model confidentiality agreements;

(c) review regulatory initiatives, whether in progress or anticipated, that a Party considers may provide potential for cooperation. The reviews, which will be carried out in consultation with regulatory departments and agencies, should support the implementation of this Chapter; and

(d) encourage the development of bilateral cooperation activities in accordance with Article 21.4 and, on the basis of information obtained from regulatory departments and agencies, review the progress, achievements and best practices of regulatory cooperation initiatives in specific sectors.

3. The RCF shall be co-chaired by a senior representative of the Government of Canada

at the level of a Deputy Minister, equivalent or designate, and a senior representative

of the European Commission at the level of a Director General, equivalent or designate, and shall comprise relevant officials of each Party. The Parties may by mutual consent invite other interested parties to participate in the meetings of the RCF.

4. The RCF shall:

(a) adopt its terms of reference, procedures and work-plan at its first meeting after the entry into force of this Agreement;

(b) meet within one year from the date of entry into force of this Agreement and at

least annually thereafter, unless the Parties decide otherwise; and

(c) report to the CETA Joint Committee on the implementation of this Chapter, as

appropriate.

Article 21.7

Further cooperation between the Parties

1. Pursuant to Article 21.6.2(c) and to enable monitoring of forthcoming regulatory projects and to identify opportunities for regulatory cooperation, the Parties shall

periodically exchange information of ongoing or planned regulatory projects in their

areas of responsibility. This information should include, if appropriate, new technical

regulations and amendments to existing technical regulations that are likely to be proposed or adopted.

2. The Parties may facilitate regulatory cooperation through the exchange of officials

pursuant to a specified arrangement.

3. The Parties endeavour to cooperate and to share information on a voluntary basis in

the area of non-food product safety. This cooperation or exchange of information may in particular relate to:

(a) scientific, technical, and regulatory matters, to help improve non-food product safety;

(b) emerging issues of significant health and safety relevance that fall within the scope of a Party’s authority;

(c) standardisation related activities;

(d) market surveillance and enforcement activities;

(e) risk assessment methods and product testing; and

(f) coordinated product recalls or other similar actions.

4. The Parties may establish reciprocal exchange of information on the safety of consumer products and on preventive, restrictive and corrective measures taken. In

particular, Canada may receive access to selected information from the European

Union RAPEX alert system, or its successor, with respect to consumer products as

referred to in Directive 2001/95/EC of the European Parliament and of the Council of

3 December 2001 on general product safety. The European Union may receive early

warning information on restrictive measures and product recalls from Canada’s

consumer product incident reporting system, known as RADAR, or its successor,

with respect to consumer products as defined in the Canada Consumer Product

Safety Act, S.C. 2010, c. 21 and cosmetics as defined in the Food and Drugs Act,

R.S.C. 1985, c. F-27. This reciprocal exchange of information shall be done on the

basis of an arrangement setting out the measures referred to under paragraph 5.

5. Before the Parties conduct the first exchange of information provided for under

paragraph 4, they shall ensure that the Committee on Trade in Goods endorse the

measures to implement these exchanges. The Parties shall ensure that these measures

specify the type of information to be exchanged, the modalities for the exchange and

the application of confidentiality and personal data protection rules.

6. The Committee on Trade in Goods shall endorse the measures under paragraph 5

within one year from the date of entry into force of this Agreement unless the Parties

decide to extend the date.

7. The Parties may modify the measures referred to in paragraph 5. The Committee on

Trade in Goods shall endorse any modification to the measures.

Article 21.8

Consultations with private entities

In order to gain non-governmental perspectives on matters that relate to the implementation of this Chapter, each Party or the Parties may consult, as appropriate, with stakeholders and interested parties, including representatives from academia, think-tanks, non-governmental organisations, businesses, consumer and other organisations. These consultations may be conducted by any means the Party or Parties deem appropriate.

Article 21.9

Contact points

1. The contact points for communication between the Parties on matters arising under

this Chapter are:

(a) in the case of Canada, the Technical Barriers and Regulations Division of the

Department of Foreign Affairs, Trade and Development, or its successor; and

(b) in the case of the European Union, the International Affairs Unit of the Directorate-General for Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs, European Commission, or its successor.

2. Each contact point is responsible for consulting and coordinating with its respective

regulatory departments and agencies, as appropriate, on matters arising under this Chapter.

CHAPTER TWENTY-TWO

TRADE AND SUSTAINABLE DEVELOPMENT

Article 22.1

Context and objectives

1. The Parties recall the Rio Declaration on Environment and Development of 1992, the

Agenda 21 on Environment and Development of 1992, the Johannesburg Declaration on Sustainable Development of 2002 and the Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development of 2002, the Ministerial Declaration of the United Nations Economic and Social Council on Creating an environment at the national and international levels conducive to generating full and productive employment and decent work for all, and its impact on sustainable development of 2006, and the ILO Declaration on Social Justice for a Fair Globalisation of 2008. The Parties recognise that economic development, social development and environmental protection are interdependent and mutually reinforcing components of sustainable development, and reaffirm their commitment to promoting the development of international trade in such a way as to contribute to the objective of sustainable development, for the welfare of present and future generations.

2. The Parties underline the benefit of considering trade-related labour and

environmental issues as part of a global approach to trade and sustainable development. Accordingly, the Parties agree that the rights and obligations under Chapters Twenty-Three (Trade and Labour) and Twenty-Four (Trade and Environment) are to be considered in the context of this Agreement.

3. In this regard, through the implementation of Chapters Twenty-Three (Trade and

Labour) and Twenty-Four (Trade and Environment), the Parties aim to:

(a) promote sustainable development through the enhanced coordination and

integration of their respective labour, environmental and trade policies and measures;

(b) promote dialogue and cooperation between the Parties with a view to developing their trade and economic relations in a manner that supports their respective labour and environmental protection measures and standards, and to upholding their environmental and labour protection objectives in a context of trade relations that are free, open and transparent;

(c) enhance enforcement of their respective labour and environmental law and respect for labour and environmental international agreements;

(d) promote the full use of instruments, such as impact assessment and stakeholder

consultations, in the regulation of trade, labour and environmental issues and encourage businesses, civil society organisations and citizens to develop and implement practices that contribute to the achievement of sustainable development goals; and

(e) promote public consultation and participation in the discussion of sustainable

development issues that arise under this Agreement and in the development of relevant law and policies.

Article 22.2

Transparency

The Parties stress the importance of ensuring transparency as a necessary element to promote public participation and making information public within the context of this Chapter, in accordance with the provisions of this Chapter and Chapter Twenty-Seven (Transparency) as well as Articles 23.6 (Public information and awareness) and 24.7 (Public information and awareness).

Article 22.3

Cooperation and promotion of trade supporting sustainable development

1. The Parties recognise the value of international cooperation to achieve the goal of

sustainable development and the integration at the international level of economic,

social and environmental development and protection initiatives, actions and measures. Therefore, the Parties agree to dialogue and consult with each other with regard to trade-related sustainable development issues of common interest.

2. The Parties affirm that trade should promote sustainable development. Accordingly,

each Party shall strive to promote trade and economic flows and practices that

contribute to enhancing decent work and environmental protection, including by:

(a) encouraging the development and use of voluntary schemes relating to the

sustainable production of goods and services, such as eco-labelling and fair trade schemes;

(b) encouraging the development and use of voluntary best practices of corporate

social responsibility by enterprises, such as those in the OECD Guidelines for

Multinational Enterprises, to strengthen coherence between economic, social and environmental objectives;

(c) encouraging the integration of sustainability considerations in private and public consumption decisions; and

(d) promoting the development, the establishment, the maintenance or the

improvement of environmental performance goals and standards.

3. The Parties recognise the importance of addressing specific sustainable development

issues by assessing the potential economic, social and environmental impacts of possible actions, taking account of the views of stakeholders. Therefore, each Party

commits to review, monitor and assess the impact of the implementation of this Agreement on sustainable development in its territory in order to identify any need

for action that may arise in connection with this Agreement. The Parties may carry

out joint assessments. These assessments will be conducted in a manner that is adapted to the practices and conditions of each Party, through the respective participative processes of the Parties, as well as those processes set up under this Agreement.

Article 22.4

Institutional mechanisms

1. The Committee on Trade and Sustainable Development, established under Article

26.2.1(g) (Specialised committees), shall be comprised of high level representatives

of the Parties responsible for matters covered by this Chapter and Chapters Twenty-

Three (Trade and Labour) and Twenty-Four (Trade and Environment). The Committee on Trade and Sustainable Development shall oversee the implementation of those Chapters, including cooperative activities and the review of the impact of this Agreement on sustainable development, and address in an integrated manner any

matter of common interest to the Parties in relation to the interface between economic development, social development and environmental protection. With regard to Chapters Twenty-Three (Trade and Labour) and Twenty-Four (Trade and Environment), the Committee on Trade and Sustainable Development can also carry

out its duties through dedicated sessions comprising participants responsible for any

matter covered, respectively, under these Chapters.

2. The Committee on Trade and Sustainable Development shall meet within the first

year of the entry into force of this Agreement, and thereafter as often as the Parties

consider necessary. The contact points referred to in Articles 23.8 (Institutional

mechanisms) and 24.13 (Institutional mechanisms) are responsible for the communication between the Parties regarding the scheduling and the organisation of

those meetings or dedicated sessions.

3. Each regular meeting or dedicated session of the Committee on Trade and Sustainable Development includes a session with the public to discuss matters relating to the implementation of the relevant Chapters, unless the Parties decide otherwise.

4. The Committee on Trade and Sustainable Development shall promote transparency

and public participation. To this end:

(a) any decision or report of the Committee on Trade and Sustainable Development shall be made public, unless it decides otherwise;

(b) the Committee on Trade and Sustainable Development shall present updates on

any matter related to this Chapter, including its implementation, to the Civil Society Forum referred to in Article 22.5. Any view or opinion of the Civil Society Forum shall be presented to the Parties directly, or through the consultative mechanisms referred to in Articles 23.8.3 (Institutional mechanisms) and 24.13 (Institutional mechanisms). The Committee on Trade and Sustainable Development shall report annually on the follow-up to those communications;

(c) the Committee on Trade and Sustainable Development shall report annually on any matter that it addresses pursuant to Article 24.7.3 (Public information and awareness) or Article 23.8.4 (Institutional mechanisms).

Article 22.5

Civil Society Forum

1. The Parties shall facilitate a joint Civil Society Forum composed of representatives

of civil society organisations established in their territories, including participants in

the consultative mechanisms referred to in Articles 23.8.3 (Institutional mechanisms)

and 24.13 (Institutional mechanisms), in order to conduct a dialogue on the sustainable development aspects of this Agreement.

2. The Civil Society Forum shall be convened once a year unless otherwise agreed by

the Parties. The Parties shall promote a balanced representation of relevant interests,

including independent representative employers, unions, labour and business organisations, environmental groups, as well as other relevant civil society

organisations as appropriate. The Parties may also facilitate participation by virtual means“.

Teil 2

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

A

Grundrechteverletzung durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Handelspolitik

Der Beschwerdeführer wird durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß der Handelsabkommen und damit durch die Zustimmung der Bundesregierung zum Abkommen und zu dessen vorläufigen Anwendbarkeit oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, durch das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, in seinen Grundrechten auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG und auf politische Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Die Souveränitäts-, Demokratie- und Identitätsverletzung durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß der Handelsabkommen und damit auch für das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, sind im Teil 3 A zu I 1 ff. dargelegt. Die schwerwiegenden Verfassungsverletzungen, die die Nichtigkeit der Zuständigkeitsordnung des Vertragstextes des Arbeitsvertrages der Europäischen Union ausmachen, verletzen auch die Grundrechte des Beschwerdeführers, nämlich dessen Recht auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG und dessen politische Freiheit, geschützt durch Art. 2 Absatz 1 GG.

1. Das Recht auf Demokratie[1] aus Art. 38 Absatz 1 GG gibt dem Beschwerdeführer das Recht auf Ausübung der Staatsgewalt und somit seiner Souveränität als Bürger zusammen mit allen Bürgern Deutschlands, der deutschen Bürgerschaft als des Volkes unmittelbar durch Wahlen und Volksabstimmungen oder mittelbar durch Organe der Bundesrepublik Deutschland, seines Staates. Die Souveränität ist die politische Freiheit der Bürger, ihr Leben in Gemeinschaft mit den anderen Bürgern des Staates nach Maßgabe der Verfassung und des Verfassungsgesetzes staatlich und privat zu gestalten. Das setzt voraus, daß der Staat als die Organisation der Bürgerschaft für die gemeinschaftliche Ausübung der Souveränität in Vertretung des ganzen Volkes die Staatsgewalt als Souveränität wahrnimmt und nicht in einem Umfang aus der Hand gibt, die mit dem Souveränitätsprinzip nicht vereinbar ist, weil für das Gemeinwesen existentielle Politiken von dem Staat als existentieller Organisation des Volkes eigenständig bewältigt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat u. a. im Lissabon-Urteil zu den Randnummern 248 f. wesentliche Bereiche derartiger Politiken, die durch diesen Souveränitätsvorbehalt vor der Übertragung der Hoheitsrechte auf die Europäische Union geschützt sind, aufgeführt. Diese werden im Teil 3 zu II zitiert[2].

Das Recht auf Demokratie wird weiterhin im Kern verletzt, weil die Souveränität des Volkes in der Handelspolitik nicht hinreichend demokratisch legalisiert ausgeübt wird. Die Ausübung der deutschen Hoheitsrechte darf nur auf die Europäische Union übertragen werden, wenn dadurch das gebotene demokratische Legitimationsniveau, wie das Bundesverfassungsgericht zu sagen pflegt[3], gewahrt wird. Das verlangt die Beachtung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, das mißachtet wird, wenn die Ermächtigung derart weit gefaßt ist, daß der deutsche Gesetzgeber die Politik der Europäischen Union nicht verantworten kann, weil er diese nicht voraussehen kann. Die vertragstextliche Ermächtigung der Union, Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen, ist geradezu ohne materielle Grenzen. Allein die freihändlerische Zielsetzung des Art. 206 AEUV gibt eine Orientierung, die im übrigen einseitig ist und die Schutzbedürftigkeit von Volkswirtschaften außer acht läßt. Von einer Begrenzung der Ermächtigung im Vertragstext kann keine Rede sein. Weder an der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 207 Absatz 2 AEUV noch an der Aushandlung und dem Abschluß der Abkommen sind die nationalen Parlamente und sind damit der Deutsche Bundestag und der Bundesrat beteiligt. Dieses Verfahren entbehrt hinreichender demokratischer Legalität. Die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und die, wie im Teil 3 zu A I 5 j dargelegt wird, fragwürdige Beteiligung desselben an dem Abschluß der Abkommen nach Art. 218 in Verbindung mit Art. 207 Absatz 3 AEUV genügt dem gebotenen demokratischen Legitimationsniveau nicht, weil das Europäische Parlament die nationale Legitimation einer unionalen Politik stützen mag[4], aber allein nicht ausreicht, um einer Unionspolitik demokratische Legalität zu verschaffen.

Durch die Zuständigkeitsregelung, die der Vertragstext des Art. 207 AEUV für die Handelspolitik trifft, wird das Grundgesetz im für die Politik nicht verfügbaren Kern verletzt, also die Identität der Verfassung der Deutschen mißachtet. Auch darauf hat der Beschwerdeführer ein durch Art. 38 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 146 GG geschütztes Recht. Zur Identität der Verfassung Deutschlands gehört der nicht zur gemeinsamen Ausübung auf die Europäische Union übertragbare Kern der Souveränität genauso wie das gebotene „demokratische Legitimationsniveau“. Sowohl der Kern der Souveränität der Deutschen wie das gebotene demokratische Legitimationsniveau, sprich die hinreichende Beachtung des Prinzips demokratischer Legalität der Politik, werden durch die Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik mißachtet.

Die Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik verletzt somit in dreifacher Weise das Recht des Beschwerdeführers auf Demokratie.

2. Die zu 1. angesprochenen und im Teil 3 A zu I näher dargelegten Verfassungsverstöße der Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik verletzen auch das Grundrecht der politische Freiheit und damit der Souveränität des Beschwerdeführers aus Art. 2 Absatz 1 GG.

Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht nur ein Grundrecht einer allgemeinen Handlungsfreiheit der Menschen als Untertanen der Obrigkeit, wie das der Sache nach die liberalistische Freiheitslehre dogmatisiert[5], sondern auch und vor allem das Grundrecht der politischen Freiheit der Bürger[6]. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Der Bürger entfaltet seine Persönlichkeit in einem freiheitlichen Gemeinwesen, in der Republik[7]. Als solcher entfaltet er sich vor allem durch seine Teilhabe an der politischen und damit staatlichen Willensbildung. Sonst wäre die freie Entfaltung der Persönlichkeit auf den nichtstaatlichen, den sogenannten gesellschaftlichen, den privaten Bereich beschränkt. Die politische Freiheit findet in besonderen Grundrechten, wie vor allem dem Recht der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG, aber auch in dem Recht, den Deutschen Bundestag zu wählen und durch den Deutschen Bundestag vertreten zu werden, das Art. 38 Abs. 1 GG regelt, eine besondere Ausgestaltung. Das verdrängt aber nicht das allgemeine Recht der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Freiheit verwirklicht sich wesentlich im Staat und damit nach Maßgabe des den Staat verfassenden Verfassungsgesetzes. Gerade als politische Freiheit materialisiert Art. 2 Abs. 1 GG das Recht der Menschenwürde, die sich nur in einem freiheitlichen Gemeinwesen, einer Republik, welche durch die Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, aber auch durch Menschenwürde und Menschenrechte definiert ist, zu entfalten vermag[8]. Die Verweigerung eines Grundrechtsschutzes der politischen Freiheit ist die Trennung der Politischen Klasse, der Obrigkeit, von den Gewaltunterworfenen, den Untertanen, die Bürger genannt werden[9]. Der Dualismus von grundrechtlicher Freiheit und demokratischer Herrschaft verkennt die Republikanität des Grundgesetzes[10]. Herrschaftlichkeit ist menschheitlich und menschenrechtlich nicht begründbar[11]. Das erweist das Weltrechtsprinzip des Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die politische Freiheit verwirklicht sich zunächst und vor allem im Verfassungsgesetz, das die mit dem Menschen geborenen Rechte, die sich in der Trias von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erweisen[12], materialisiert[13]. Wie jede verfassungswidrige Gesetzgebung, welche den Menschen belastet, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt[14], so beeinträchtigt und verletzt den Menschen und Bürger erst recht ein Verfassungsvertrag, wie es der Vertrag von Lissabon der Sache nach ist, der die existentielle Staatlichkeit des durch das Verfassungsgesetz verfaßten existentiellen Staates und damit die Souveränität der Bürger im existentiellen Bereich einschränkt und verletzt. Ebenso wird die politische Freiheit verletzt, wenn die Ausübung wesentlicher Politikbereiche wie die Handelspolitik aus der Hand gegeben werden und auf Organe der Europäischen Union übertragen werden, deren Handeln, wie zu 1 angesprochen ist, der demokratischen Legalität entbehren. Nicht anders ist die Mißachtung der Verfassungsidentität eine Verletzung der politischen Freiheit der Bürger und damit des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er ist Bürger Deutschlands und müßte ein Handelsabkommen hinnehmen, das nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen wurde, weil der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Ausübungshoheit der deutschen Staatsgewalt, also die Zuständigkeit, nicht wirksam übertragen worden ist. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

B

Grundrechteverletzung durch den im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Investitionsschutz

Der Beschwerdeführer erleidet durch den im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Investitionsschutz und damit durch die Zustimmung der Bundesregierung zum Abkommen und zu dessen vorläufigen Anwendbarkeit oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, durch das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, Verfassungsidentitäts-, Souveränitäts-, Demokratie- und Rechtsstaatsverletzungen, die sein Grundrecht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG, seine politische Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG mißachten.

Die Souveränitäts-, Demokratie-, Rechtsstaats- und Identitätsverletzung durch die Investitionsschutzvereinbarungen des im CETA sind im Teil 3 A zu I 5 e, f, h näher dargelegt. Die schwerwiegenden Verfassungsverletzungen, die die Regelung des Investitionsschutzes im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada ausmachen, verletzen die Grundrechte des Beschwerdeführers, nämlich dessen Recht auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG, dessen politische Freiheit, geschützt durch Art. 2 Absatz 1 GG, und dessen Grundrecht auf Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 Absatz 1 GG.

1. Art. 38 Absatz 1 GG schützt mit dem demokratischen Prinzip auch die Souveränität des Beschwerdeführers als eines Deutschen in deren freiheitlichen und demokratischen Kern. Diese gehört zur Verfassungsidentität des Grundgesetzes, die jedenfalls im Rahmen des Rechts auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsbeschwerdefähig ist. Die Souveränität als die Freiheit wird in demokratischen Verfahren der politischen und damit staatlichen Willensbildung und des Handelns in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verwirklicht. Es gibt keine Demokratie ohne Rechtsstaat, aber auch keine Rechtsstaat ohne Demokratie[15]. Das demokratische Prinzip, welches Art. 38 Absatz 1 GG als grundrechtsgleiches Recht schützt, ist unverzichtbar, um die Freiheit jedes einzelnen Bürgers in seiner Gemeinschaft mit allen Bürgern zu verwirklichen. Nur unter dem allgemeinen Gesetz als dem Gesetz aller Bürger ist jeder einzelne Bürger frei; denn Freiheit heißt, unter dem eigenen Gesetz zu leben. Gesetze sind aber ihrem Begriff nach allgemein. Weil alles Handeln Wirkung auf andere, genauer auf alle Menschen, hat, bedarf es, wenn es niemanden verletzen soll, deren Zustimmung. Die gibt das allgemeine Gesetz. Das ist der freiheitliche Grund des demokratischen Prinzips[16]. Die Staaten müssen im Frieden miteinander leben, der die Selbstbestimmung der Völker und deren Souveränität sichert. Damit sind die Rechtsordnungen der Staaten, soweit diese sich in den Grenzen des zwingenden Völkerrechts halten, gegenseitig anerkannt[17]. Die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens ist somit die verwirklichte Freiheit. Die Gesetze müssen freilich dem Recht genügen, dem Recht, das mit den Menschen geboren ist und die Verfassung der Menschheit des Menschen ausmacht. Aber ohne Gesetzlichkeit gibt es keinen Rechtsstaat[18]. Folglich gibt es auch ohne demokratische Willensbildung keinen Rechtsstaat. Der Rechtsstaat bedarf der rechtsstaatlichen Verfahren, die bestmöglich die Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens staatlich und privat sichern. Diese Verfahren richtet das Verfassungsgesetz, in Deutschland das Grundgesetz, ein. Diese Verfahren sind Verwirklichung der Freiheit der Bürger als deren Souveränität[19]. Das gilt für die Rechtsetzung, den Rechtsvollzug und die Rechtsklärung. Das alles ist Verfassungsidentität des Grundgesetzes.

Die substantiellen Elemente dieser Rechtsverwirklichungsverfahren, wie sie im Grundgesetz institutionalisiert sind, sind Teil der Souveränitätsverwirklichung des Volkes, der nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers oder gar von Handelsabkommen einer völkerrechtlichen Organisation, der Deutschland angehört, die die Europäische Union, mit dritten Staaten steht. Verfassungsidentität ist: Die Souveränität der Bürger verwirklicht sich durch Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens, Rechtlichkeit aber ist Zweck des demokratischen Prinzips. Jede Mißachtung der wesentlichen rechtsstaatlichen Einrichtungen des Gemeinwesens ist eine Verletzung des demokratischen Prinzips und damit auch der Souveränität der Bürger und damit der Verfassungsidentität des Grundgesetzes[20]. Dagegen schützt Art. 38 Absatz 1 GG (in Verbindung mit Art. 146 GG) jeden Bürger und auch den Beschwerdeführer. Das hat das Bundesverfassungsgericht, wie unten im Teil 3 zu A II 1 zitiert, der Sache nach ausgesprochen. Zur Verfassungsidentität als Emanation des souveränen Selbstbestimmungsrechts der Deutschen gehören u. a. das demokratische Prinzip und die Einrichtungen des Rechtsstaates, soweit diese durch Art. 79 Absatz 3 GG vor Änderungen durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geschützt sind. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung[21]. Es hat als dahingehendes Verfahren ausdrücklich die Verfassungsbeschwerde genannt. Folglich ist die Europäische Union nicht befugt, unterstellt, daß sie überhaupt zuständig ist, ein Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen, das Verbindlichkeiten für Deutschland enthält, die mit der Verfassungsidentität des Grundgesetzes und mit der Souveränität der Deutschen nicht vereinbar sind, und damit auch nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip, soweit die Einrichtungen des Rechtsstaates gemäß Art. 79 Absatz 3 GG nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers und damit auch nicht zur Disposition der Unionsverträge und somit schließlich nicht zur Disposition der Handelsabkommen der Europäischen Union mit dritten Staaten steht.

2. Das Rechtsschutzsystem des Grundgesetzes ist Essentialium des Rechtsstaates Deutschland. Seine Relativierung durch den Investitionsschutz des CETA verletzt mit dem Rechtsstaatsprinzip auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG. Der Investitionsschutz schafft Schadenersatzansprüche von Unternehmern eines Drittstaats gegen Deutschland entgegen dem deutschen Recht, gegebenenfalls sogar auf Grund von rechtmäßigen Maßnahmen Deutschlands, über die zudem ein Gericht entscheiden soll, das nicht zur Gerichtsbarkeit Deutschlands gehört und das ohne jede demokratische Legalität agieren können soll. Das ist im Teil 3 zu B näher dargelegt.

Es ist darauf hingewiesen, daß das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip eine Einheit sind. Wenn das System des Rechtsschutzes im Kern entgegen der Verfassungsidentität verändert, also verletzt wird, ist das auch eine Verletzung des demokratischen Prinzips, das der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit als der Souveränität der Bürger dient.

3. Die Investitionsschutzregelungen des CETA verletzten den Beschwerdeführer auch in seiner durch Art. 2 Absatz 1 GG geschützten politische Freiheit als seiner Souveränität. Die Begründung dieser Grundrechtsverletzung ist keine andere als die für die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 38 Absatz 1 GG auf Demokratie. Das Grundrecht der politischen Freiheit schützt die Souveränität des Bürgers, aus der das Recht auf ein staatliches Rechtsschutzsystem erwächst, wie es das Grundgesetz verwirklicht hat. Zugleich ist die rechtsstaatliche Verfassungsidentität Deutschlands verletzt, die zu wahren der Beschwerdeführer wie jeder Deutsche in Verbindung mit Art. 146 GG das durch Art. 2 Absatz 1 GG geschützte Grundrecht der politischen Freiheit hat.

4. Der Investitionsschutz, den das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada vereinbart, verletzt den Beschwerdeführer auch in der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit seinem Recht auf Wahrung der Verfassungsidentität gemäß Art. 146 GG und seiner Souveränität. Die Verletzung der Eigentumsgewährleistung ist im Teil 3 zu B II 4 näher erörtert. Die Eigentumsverfassung des Grundgesetzes, die in ihren wesentlichen Institutionen zur Verfassungsidentität Deutschlands gehört, wird von dem Abkommen substantiell verändert. Als Bürger hat der Beschwerdeführer ein Recht auf den Bestand der grundgesetzlichen Eigentumsverfassung in deren Kern; denn die Eigentumsverfassung schützt auch das Gemeinwohl und damit den Staat als die Organisation der Bürger für die Verwirklichung des allgemeinen Wohls, des bonum commune.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verfassungsverletzungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er müßte als Bürger Deutschlands einen Investitionsschutz, der dem demokratischen Rechtssystems Deutschlands und damit der Identität seiner Verfassung widerspricht, hinnehmen. Dieses wurde nicht nur nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen, zumal der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Zuständigkeit nicht wirksam übertragen worden ist und entgegen der Souveränität der Deutschen nicht übertragen werden konnte, sondern das durch einen staatswidrigen Schadensersatzanspruch wegen investitionsschädigenden Maßnahmen Deutschlands, sogar wegen Gesetzen, die zu Lasten von kanadischen Investoren gehen, gekennzeichnet ist, über den obendrein nicht demokratisch legalisierte Investitionsgerichte in erster und zweiter Instanz ohne die Möglichkeit der Überprüfung der Urteile durch staatliche deutsche Gerichte zu befinden haben. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

C

Grundrechtsverletzung der „regulatorischen Zusammenarbeit“ nach dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, vereinbart eine regulatorische Zusammenarbeit. Diese wird dazu führen, daß die Verkehrsfähigkeit der Produkte des jeweils anderen Vertragspartners, Kanadas einerseits und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten andererseits, anerkannt werden wird, wenn die Produkte im Hoheitsbereich des jeweils anderen Vertragspartners den vereinbarten Regularien genügen, sei es ihrer Beschaffenheit nach, sei es nach ihrer Herstellungsweise, sei es nach dem jeweiligen Arbeitsrecht im jeweiligen Hoheitsgebiet. Die Regelung des Kapitels 21 des Abkommens wird im Teil 3 C näher erörtert. Die regulatorische Zusammenarbeit nähert sich dem Herkunftslandprinzip der Europäischen Union. Sie ist ohne hinreichende demokratische Legalität ein Verstoß gegen den in Art. 38 Ansatz 1 GG geschützten Anspruch der Bürger auf Demokratie, gegen die in Art. 2 Absatz 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität der Bürger und gegen die durch beide Grundrechte in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, auf die sich die Bürger Deutschlands berufen können. Die Zustimmung der Bundesregierung zum Abkommen und zu dessen vorläufigen Anwendbarkeit oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, ist auch wegen der geregelten regulatorischen Zusammenarbeit ein Verstoß gegen die genannten Grundrechte des Beschwerdeführers.

Das Regulatorische Kooperationsforum ist ein Exekutivgremium. Wiederum schafft das Abkommen, das die Europäische Union schließen will, eine Institution außerhalb der Union, die auf die Union erhebliche politische Wirkung, weitgehend auf Grund der Politikmechanismen der Union verbindliche Wirkung zu entfalten vermag. Die Organisation der regulatorischen Zusammenarbeit entbehrt jeden Ansatzes demokratischer Legalität. Auch der im Teil 3 zu C skizzierte Mechanismus der Wirkungsweise der Koordinationsergebnisse durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, der die Mitgliedstaaten, die die Grundfreiheiten durch Produktregelungen beeinträchtigen, unter Rechtfertigungszwang setzt, ist nicht demokratisch legalisiert, sondern Ergebnis einer die Grundfreiheiten extensiv und zudem entgegen deren völkerrechtlichen Status praktizierenden Judikatur[22]. Die Verordnungen der Union verlieren ihren äußerst schwachen Rest an demokratischer Legalität, wenn der Verordnungsgeber, Rat und Europäisches Parlament, sich an den Koordinierungsergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit ausrichtet. Ohne Vorschlag der Kommission gibt es keine Rechtsakte der Union. Deren Vorschläge aber folgen im Zweifel den Ergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit, auf die die Lobby bestens Einfluß nehmen kann.

Der durch Art. 38 Absatz 1 GG geschützte Anspruch des Beschwerdeführers auf Demokratie, dessen in Art. 2 Absatz 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität und die durch beide Grundrechte des Beschwerdeführers in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, werden durch die im CETA vereinbarte regulatorische Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Umsetzungsmechanismen derartiger Koordinierung der Europäischen Union, zumal dem Regulatorischen Kooperationsforum verletzt.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verfassungsverletzungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er müßte als Bürger Deutschlands das demokratie- und freiheitswidrige Regulierungssystem des CETA, das insbesondere zu dem ebenso demokratie- und freiheitswidrigen binnenmarktlichen Herkunftsland führt, das dem demokratischen Rechtssystems Deutschlands und damit der Identität der Verfassung der Deutschen widerspricht, hinnehmen. Dieses wurde nicht nur nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen, zumal der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Zuständigkeit nicht wirksam übertragen worden ist und entgegen der Souveränität der Deutschen nicht übertragen werden konnte, sondern ist durch eine neoliberale, einem überzogenen Kapitalismus verpflichtete Nivellierung der Standards im Lebensmittelrecht und im Umweltschutz gekennzeichnet. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

D

Grundrechtsverletzung durch Mißachtung des Vorsorgeprinzips als ultra vires – Maßnahme der Europäischen Union

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada bringt das Vorsorgeprinzip nicht zur Geltung und verändert damit die Vertragslage in der Europäischen Union, aber auch die Verfassungslage Deutschlands wesentlich. Damit handelt die Europäische Union mit dem Vertragsschluß mit Kanada entgegen ihren Kompetenzen, also ultra vires. Die Zustimmung der Bundesregierung zu diesen Regelungen des CETA oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG, seiner politischen Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und seinem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Art. 2 Abs. 2 GG, aber auch Art. 1 Abs. 2 GG schützen.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verfassungsverletzungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt. Es schleift insbesondere das Vorsorgeprinzip zugunsten der Unternehmerinteressen und gefährdet damit demokratie- und souveränitätswidrig das Leben und die Gesundheit der Bürger Deutschlands (wie aller Unionsbürger). Diese Regelung, die ultra vires getroffen werden soll, mißachtet auch insofern die Freiheit und Souveränität der Deutschen und somit auch die des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

E

Grundrechtswidrige Verfassungsidentitäts-, Souveränitäts- , Demokratie- und Rechtsstaatsverletzung der im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen

Der Beschwerdeführer wird durch Zustimmung der Bundesregierung zu der im CETA ausgehandelten Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen und zu deren vorläufigen Anwendbarkeit oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, durch das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, in seinem Recht auf Verfassungsidentität, auf Souveränität, auf Demokratie und Rechtsstaat verletzt. Die im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen und damit durch die Zustimmung der Bundesregierung zum Abkommen und zu dessen vorläufigen Anwendbarkeit oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern, verletzt somit den Beschwerdeführer in dem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG und in der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Das Recht auf Demokratie des Beschwerdeführers, jedenfalls gestützt auf den Grundrechtsschutz der politischen Freiheit der Bürger und damit deren Souveränität und Selbstbestimmungsrecht, des Beschwerdeführers umfaßt auch das Recht darauf, daß Bund, Länder und Gemeinden über die Gestaltung der gemeinsamen Lebensbewältigung der Bürger entscheiden können. Dazu gehört substantiell die Entscheidung, eine Aufgabe der gemeinsamen Lebensbewältigung staatlich einschließlich kommunal wahrzunehmen. Es ist ein elementarer Unterschied, ob eine Aufgabe, die das Gemeinwohl durchzuführen gebietet, staatlich gestaltet wird oder privat. Staatlich muß nicht nur die Übernahme der Aufgabenbewältigung demokratisch legalisiert sein, sondern auch die Art und Weise der Aufgabenerledigung muß den staatsrechtlichen Prinzipien genügen, vor allem der Zuständigkeitsordnung von Bund, Ländern und Gemeinden, der Bestimmung der Verfahren und Mittel, der Finanzierung, der Teilhabe der Bürger, den Grundrechten usw. Die private Aufgabenbewältigung folgt den privaten Maximen, regelmäßig den privatwirtschaftlichen Maximen und damit vornehmlich der Gewinnmaxime. Insbesondere gilt für privatmäßige Tätigkeit das Wettbewerbsprinzip. Somit kommt auch die Betätigung kanadischer Unternehmer in Betracht, soweit das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada das erlaubt. Das führt zu Investitionen kanadische Unternehmer, die den Investitionsschutz des Handelsabkommens beanspruchen können, aber auch die Verbindlichkeit der Regulierungen der regulatorischen Zusammenarbeit durchzusetzen mittels dem Prinzip der Inländergleichbehandlung und dem der Nichtdiskriminierung in die Lage versetzt werden. Dadurch wird eine Gestaltung der Aufgabendurchführung nach dem Willen der Bürger in Bund, Ländern oder Gemeinden so gut wie ausgeschlossen. So mag es sein, daß die Bürger einer Gebietskörperschaft eine Energiegewinnung durch Fracking ablehnen. Sie können diese verhindern, wenn die Energiegewinnung in der Hand etwa ihres Landes oder ihrer Kommune liegt, indem sie eine solche nicht beschließen. Ist die privatwirtschaftliche Energiegewinnung erlaubt und das Fracking durch Bundesgesetz erlaubt (Art. 74 Nr. 11 GG), können die jeweiligen Bürger diese in ihrem Lebensbereich nicht verhindern. Ansonsten steht ihnen auf Landesebene, aber auch im kommunalen Bereich außer der Politik der Repräsentationsorgane vor allem die plebiszitäre Rechtsetzung zur Verfügung, nämlich Volks- und Bürgerentscheide. Auch die Dienstverhältnisse der Aufgabendurchführung müssen den Prinzipien des Staatlichen genügen, also denen des öffentlichen Dienstes. Das gilt auch und insbesondere für die Entgelte für die Leistungen. Die öffentliche Hand ist an das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip gebunden und darf keinesfalls ein Gewinninteresse verfolgen, ganz im Gegensatz zur privatwirtschaftlichen Betätigung. Die Verhältnisse der Aufgabenbewältigung sind somit, je nachdem ob sie staatlich oder privat durchgeführt werden, durch und durch unterschiedlich. Im Rahmen des Privatheitsprinzips (Subsidiaritätsprinzips) hat jeder Bürger nicht nur ein Interesse an der jeweiligen Form der Aufgabenerfüllung, sondern auch ein Recht darauf, diese mit den anderen Bürgern seiner Körperschaft zu bestimmen. Das gehört zu seinem politischen Status als Bürger und ist somit durch das Grundrecht auf Demokratie geschützt. Durch Abkommen mit dritten Staaten darf dieser demokratische Status des Bürgers und damit der des Beschwerdeführers nicht geschmälert werden.

Die Einbeziehung der öffentlichen Unternehmen in die Wettbewerbspolitik des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada in Art. 17 f. des Abkommens verletzt auch das Grundrecht des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Freiheit wird verletzt, wenn die Organisation der Ausübung der Staatsgewalt die Verfassungsidentität, mißachtet. Dazu gehören insbesondere das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Die Verletzung dieser Prinzipien wird zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde dargetan. Die Bürger in Bund, Ländern und Gemeinden werden durch das Abkommen, das sich die für die Begründung der Verfassungsbeschwerde zu D II dargelegten Verfassungsverletzungen des Unionsrechts in Art. 106 AEUV zu eigen macht und deren Geltungsbereich und Wirksamkeit auf Kanada (und demnächst wohl auch die USA) ausweitet, in ihrer politischen Freiheit verletzt, die Bewältigung des gemeinsamen Lebens durch die öffentliche Hand zu organisieren, auch durch unternehmensartige Verwaltungen. Derartige Verwaltungen unterscheiden sich essentiell von privaten Unternehmen, die durch ihre Privatheit, vor allem durch die Gewinnmaxime, aber auch durch die Wettbewerblichkeit, bestimmt sind. Staatliche Agenden sind nicht wettbewerbsfähig, weil sie nicht der Verdrängung vom Markt durch private Unternehmen ausgesetzt werden dürfen, insgesamt, weil sie den privaten Unternehmen in jeder Weise ungleich sind. Staatlichkeit und Privatheit sind wesensverschieden. Staatlichkeit ist allgemeinbestimmt, nämlich durch die Gesamtheit der Bürger, vornehmlich durch Gesetze, Privatheit im Rahmen der Gesetze alleinbestimmt durch die jeweiligen Akteure. Staatlichkeit ist ausschließlich gemeinwohlverpflichtet, Privatheit im Rahmen der Gesetze am jeweils Eigenen orientiert, meist am Gewinn, an der Bereicherung auf Kosten anderer. Der Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen scheitert bereits an der Heterogenität der Handlungsmaximen und Handlungsordnungen. Er ist mit dem freiheitlichen demokratischen Prinzip der Gemeinwohlverwirklichung unvereinbar. Privatheit verträgt keine demokratische Bestimmung des Handelns, Staatlichkeit keine Privatmäßigkeit. Staatliche Agenda im Wettbewerb mit privaten Unternehmen ist ein Widerspruch zur Republikanität des Staates, die durch das demokratische Prinzip der Willensbildung des Volkes als der Bürgerschaft, des Souveräns also, gekennzeichnet ist. Dieser Widerspruch zur Republikanität wird durch die Ausdehnung auf fremde überseeische Staaten in einen unter dem Grundgesetz nicht hinnehmbaren Umfang verbösert, wenn er auch schon in der Europäischen Union untragbar ist. Das Rechtsprinzip als Kern des Rechtsstaates verbietet es, dem Staat unter die Zwänge eines durch und durch privattypischen Prinzips zu stellen, nämlich dem Wettbewerbsprinzip. Das ist kein Prinzip, das dem Staat das Recht zu geben vermag. Staatliche Lebensbewältigung unterliegt dem Privatheitsprinzip, das privater Lebensbewältigung den Vorrang vor der staatlichen Lebensbewältigung einräumt[23]. Diese Subsidiarität muß jeweils demokratisch, also durch Gesetze, verwirklicht werden. Die entsprechenden Entscheidungen sind allenfalls in äußersten Grenzen judiziabel. Eine privatmäßige Verwirklichung staatlicher Lebensbewältigung jedoch ist ein Widerspruch zum Staatsprinzip und im Rechtsstaat untragbar. Politische Freiheit gibt dem Bürger das Recht, daß sein Staat demokratisch und rechtsstaatlich organisiert ist. Folglich ist dieses Grundrecht der politischen Freiheit des Beschwerdeführers, wie aller Bürger Deutschlands, durch die Ausdehnung der demokratie- und rechtsstaatswidrigen Politik auf Kanada tief verletzt.

Der Beschwerdeführer ist durch die Wettbewerbspolitik im CETA unmittelbar, persönlich und gegenwärtig verletzt. Andere Rechtschutzmöglichkeiten als diese Verfassungsbeschwerde stehen ihm nicht zur Verfügung.

F Vorläufige Inkraftsetzung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada CETA

Die vorläufige Inkraftsetzung unterscheidet sich verfassungsschutzrechtlich und damit zulässigkeitsrechtlich nicht wesentlich von der Inkraftsetzung im ordentlichen Verfahren. Die „vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten“ wird der Praxis gemäß ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments und der Parlamente der Mitgliedstaaten vom Rat der Europäischen Union gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV beschlossen werden. Damit sind zumindest die Teile des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada anwendbar, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. Diese Teile mußten eigentlich definiert werden. Das ist schwierig, aber man wird sich mit einer abstrakten Bestimmung der Teile begnügen. Die vorläufige Anwendung wird nach verbreiteter Auffassung erst beendet, wenn die Mitgliedstaaten die Ratifikation des Abkommens verweigern. Das wird im Zweifel nicht geschehen und wenn, lange auf sich warten lassen. Bis dahin wird das Abkommen praktiziert werden und die Verhältnisse in Deutschland umwälzen. Insbesondere wird bis dahin im Zweifel durch den Europäischen Gerichtshof entschieden sein, daß weder das Europäische Parlament noch die Parlamente der Mitgliedstaaten dem Abkommen zustimmen müssen. Das vermeintliche Zustimmungserfordernis des Europäischen Parlaments besteht nach überwiegender Auffassung nicht. Man läßt, wohlwissend, daß es zustimmen wird, aus Gründen des demokratischen Scheins das Europäische Parlament zustimmen, ohne daß dafür eine Rechtsgrundlage besteht. Die Zustimmung der Mitgliedstaaten halten viele, auch die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag für erforderlich, weil das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada CETA ein gemischtes Abkommen sei, das auch Regelungen enthalte, für die die Europäische Union keine Zuständigkeit habe, weil ihr dahingehende Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten nicht (zur gemeinschaftlichen Ausübung) übertragen seien. Das mag für die jeweiligen materiellen Agenden unionsintern zutreffen, nicht aber, wenn diese Politiken im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik betrieben werden. Der Text des Arbeitsvertrages der Europäischen Union gibt das nicht her, wie unten im Teil 3 zu A I, insbesondere zu 4. und 5. näher ausgeführt werden wird. Das Institut des gemischten Vertrages gibt es im Unionsrecht nicht mehr. Die grenzenlose Weite der vertraglichen Ermächtigung der Europäischen Union in der Handelspolitik ist zwar mit der Souveränität der Mitgliedstaaten und jedenfalls mit der Verfassungsidentität Deutschlands und somit mit dessen demokratischen Prinzip schlechterdings unvereinbar, aber das durch das Bundesverfassungsgericht verbindlich feststellen zu lassen, ist ein wesentliches Anliegen dieser Verfassungsbeschwerde. Die Union wird zur Geltung zu bringen wissen, daß ihre Zuständigkeit das gesamte Vertragswerk umfaßt, und sie bestreitet denn auch die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, an der Verabschiedung des CETA mitwirken zu dürfen und zu müssen. Sie hat insofern recht, als es gemischte Abkommen nicht (mehr) gibt. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil verkannt. Im Ergebnis wird die vorläufige Inkraftsetzung des Abkommens der Union mit Kanada durch den Rat die endgültige Inkraftsetzung sein. Die geplante Maßnahme gebietet, schon die vorläufige Inkraftsetzung verfassungsrechtlich zu verhindern.

Es sei die Skizze von Wolfgang Weiß vom 15. März 2016 zur vorläufigen Anwendung von EU-Freihandelsabkommen, zumal dem CETA, zitiert:

„Verfassungsprobleme der vorläufigen Anwendung von EU-Freihandelsabkommen

I.

Die Figur der vorläufigen Anwendung Die EU schließt ihre Freihandelsabkommen wie zuletzt das im Dezember 2015 in Kraft getretene Abkommen mit Südkorea als sogenannte gemischte Abkommen ab. Abkommen mit einem Drittstaat wie Südkorea werden von der EU und ihren Mitgliedstaaten gemeinsam ausgehandelt und vereinbart. Parteien des Abkommens sind dann die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten einerseits und der Drittstaat andererseits. Die neuen Freihandelsabkommen der EU erfassen ein breites Spektrum an Sachthemen, weil sie eine vertiefte und umfassende Handelsliberalisierung anstreben. Das überschreitet die Zuständigkeiten der EU und erfasst auch Bereiche, für die die Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen nicht vollumfänglich abgegeben haben. Der Abschluss als gemischte Abkommen hat zur Folge, dass die Ratifikationsverfahren sehr lange dauern. Das Freihandelsabkommen mit Südkorea musste in insgesamt 30 Parlamenten behandelt werden und insgesamt 29 nationale Regierungen und die EU mussten ihre Ratifikation erklären, ehe das Abkommen in Kraft treten konnte. Die Ratifikation nahm daher zwischen der Unterzeichnung im Mai 2011 und dem Inkrafttreten am 13.12.2015 annähernd fünf Jahre in Anspruch. Da die Vertragsinhalte mit der Unterzeichnung des Abkommens durch alle Parteien feststehen, wird es als misslich angesehen, dass bis zum Inkrafttreten noch Jahre vergehen können. Daher sieht das Verfassungsrecht der EU vor, dass der Ministerrat in Brüssel mit dem Beschluss über die Unterzeichnung des Abkommens zugleich seine vorläufige Anwendung bestimmen kann. Das geschieht in der Praxis regelmäßig. Die Parteien legen im Abkommenstext die näheren Voraussetzungen für die vorläufige Anwendung fest , die so mit auf eine völkerrechtlich bindende Vereinbarung der Verhandlungsparteien zurückgeht. Die Parteien können sie jederzeit widerrufen. Die vorläufige Anwendung erfasst in der Regel nicht alle Teile des Abkommens, da die vorläufige Anwendung nur für die Bestimmungen des Abkommens gelten kann, die von der alleinigen Zuständigkeit der EU abgedeckt sind. Denn die vorläufige Anwendung erfolgt allein durch einen Beschluss des Ministerrates, der als Organ der EU keine Zuständigkeit hat, auch die vorläufige Anwendung von Bestimmungen festzulegen, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind. Für das Freihandelsabkommen mit Südkorea hat der Rat in seinem Beschluss deshalb die Bestimmungen über die strafrechtliche Durchsetzung des geistigen Eigentums und einige Bestimmungen über die kulturelle Zusammenarbeit von der vorläufigen Anwendung ausgenommen.

II.

Das Verfahren zur vorläufigen Anwendung

Das Verfahren, mit dem die vorläufige Anwendung eines Abkommens in Gang gesetzt wird, unterscheidet sich von dem der endgültigen Inkraftsetzung. Während das endgültige Inkrafttreten die Ratifikation durch alle Parteien erfordert (wofür die Zustimmung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments nötig ist), wird die vorläufige Anwendung eines Abkommens auf Exekutivebene vereinbart. Zunächst legen die Verhandlungsführer der Parteien, also für die EU die Kommission und für den Drittstaat dessen Verhandlungsbeauftragter, die näheren Usancen der vorläufigen Anwendung fest. Für das Freihandelsabkommen mit Südkorea wie auch in dem mit Kanada (CETA) kam man überein, dass die vorläufige Anwendung am ersten Tag des Monats greift, der auf die Mitteilung der Parteien folgt, dass sie ihre dafür notwendigen Verfahren abgeschlossen haben. In dem Abkommen mit Südkorea ist festgelegt, dass die Parteien dabei die Bestimmungen bezeichnen, die von der vorläufigen Anwendung ausgenommen sind. Im CETA ist dafür zusätzlich ein Mechanismus vereinbart, der für eine Einigung der Parteien darüber sorgt, welche Bestimmungen aus der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen werden. Auf Seiten der EU ist alleine der Rat zuständig, die vorläufige Anwendung und die Ausnahmen davon zu beschließen. Das Europäische Parlament ist daran nicht beteiligt. Es wird nur informiert. Die für den Abschluss des Abkommens notwendige Zustimmung des Europäischen Parlaments ist für die vorläufige Anwendung nicht vorgeschrieben. Das gleiche gilt für den Deutschen Bundestag. Er wird über die beabsichtigte vorläufige Anwendung nur dadurch informiert, dass die Bundesregierung ihm den Kommissionentwurf für den dahingehenden Ratsbeschluss mitteilt. Obschon eine Zustimmung des Parlaments zur vorläufigen Anwendung nicht vorgesehen ist, erfolgt in der jüngeren Praxis der EU-Organe eine vorläufige Anwendung erst nach Zustimmung durch das Europäische Parlament. So erfolgte die vorläufige Anwendung des Abkommens mit Südkorea nach dem Ratsbeschluss vom 6.10.2010 erst zum 1.7.2011, nachdem das Europäische Parlament in einer parlamentarischen Entschließung – wie auch das Parlament Südkoreas – seine Zustimmung zu dem Abkommen erteilt hatte. Das für Handel zuständige Kommissionsmitglied Cecilia Malmström hat im Europäischen Parlament bekundet, dass sie daran für politisch wichtige Handelsabkommen im Grundsatz festhalten will. Die vorläufige Anwendung kommt somit anders als das endgültige Inkrafttreten ohne parlamentarische Zustimmung aus. Die nationalen Parlamente wirken nicht mit. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist nicht erforderlich; dass sie eingeholt wird, ist eine bloße Praxis von Rat und Kommission. Das rechtliche Ergebnis einer vorläufigen Anwendung ist annähernd gleich zur endgültigen Anwendung nach ordnungsgemäßer Ratifikation: Die Bestimmungen des Abkommens werden wechselseitig angewendet und umgesetzt. Der Unterschied liegt in der jederzeitigen Widerrufbarkeit der vorläufigen Anwendung durch jede Partei und in der möglichen gegenständlichen Begrenzung.

III.

Die verfassungsrechtlichen Problemlagen

Diese Skizze des Verfahrens lässt die verfassungsrechtlichen Probleme der vorläufigen Anwendung deutlich werden: Obschon die Ratifikation noch aussteht, treten die Wirkungen des Abkommens bereits ein, noch ehe eine Zustimmung der Parlamente hierzu erfolgen muss (nachfolgend 2). Dem vorgelagert ist die Problematik, dass die EU bei ihrer Entscheidung über die vorläufige Anwendung ihre Kompetenzen überschreitet, wenn sie Abkommensteile vorläufig in Kraft setzt, die unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen (nachfolgend 1).

Ferner zieht ein Freihandelsabkommen in vorläufiger Anwendung die gleichen Bedenken auf sich wie nach der endgültigen Ratifikation. Verfassungsrechtliche Einwände gegen Bestimmungen eines Abkommens greifen schon bei auch nur vorübergehender Anwendung. Dies betrifft insbesondere die Übertragung verbindlicher Entscheidungszuständigkeiten auf die Organe eines Freihandelsabkommens (nachfolgend 3). Die vorläufige Anwendung wirft damit verfassungsrechtlich Zuständigkeitsfragen und zwei grundlegende demokratische Probleme auf.

1. Zuständigkeitsfragen

Da alleine der Rat sich mit dem Drittstaat über die vorläufige Anwendung einigt, kann die davon ausgehende Bindung auch nur die Abkommensteile betreffen, die unter die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen. Da umfangreiche Freihandelsabkommen aber – in unterschiedlichem Ausmaß – Regeln enthalten, die die EU gerade nicht abschließen darf, kann sie insoweit auch nicht über die vorläufige Anwendung entscheiden. Der Rat muss verfassungsrechtlich zwingend in seinem Beschluss über die vorläufige Anwendung alle Bestimmungen, für die die EU nicht allein zuständig ist, davon ausnehmen. Diese theoretische Unterscheidung wirft für die Umsetzung in der Praxis aber erhebliche Schwierigkeiten auf. Denn der Grenzverlauf zwischen nationalen und EU Zuständigkeiten ist nicht einfach zu ziehen. Gerade deshalb werden diese Abkommen als gemischte Abkommen abgeschlossen. Dieselbe Abgrenzungsproblematik stellt sich bei der vorläufigen Anwendung in gleicher Weise. Die Pflicht zur Ausnahme von Bestimmungen von der vorläufigen Anwendung betrifft beim CETA den Investitionsschutz. Der bezieht sich nicht nur auf Direktinvestitionen, für die die EU zweifelsfrei allein zuständig ist, sondern auch auf Portfolioinvestitionen, die Angelegenheit der Mitgliedstaaten sind. Die Kommission bestreitet dies. Ein weiterer Bereich im CETA, der von einer vorläufigen Anwendung ausgenommen werden müsste, ist die gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen, soweit sich das nicht allein auf Dienstleistende bezieht. Ebenso fallen die CETA – Regelungen über den Arbeitsschutz nicht unter die alleinige Zuständigkeit der EU. Trotzdem wurden bzw. werden solche Bestimmungen vorläufig angewendet, etwa bei den Freihandelsabkommen mit Südkorea oder mit Kolumbien und Peru. Damit hat die EU ihre Kompetenzen überschritten. Das steht auch für CETA zu befürchten.

2.

Völkerrechtliche Bindung ohne Parlamente

Die zweite Problematik betrifft die vorläufige Inkraftsetzung durch den Rat ohne zwingende Parlamentarische Zustimmung. Das berührt grundlegende demokratische Anforderungen. Das geltende Verfassungsrecht der EU weist allein dem Rat die Entscheidung über die vorläufige Anwendung zu. Wird sie – wie verfassungsrechtlich geboten – allein auf die Vertragsteile unter ausschließlicher Zuständigkeit der EU beschränkt, kann die fehlende Mitwirkung des Deutschen Bundestags unter Zuständigkeitsaspekten zunächst nicht kritisiert werden. Allerdings bleibt die Problematik des fehlenden Einbezugs des Europäischen Parlaments. Nach dem Verfassungsrecht der EU muss es nur informiert werden; es kann dann die Abkommensinhalte und ihre vorläufige Anwendung zum Gegenstand einer politischen

Debatte machen. Es kann jedoch dem Rat die vorläufige Anwendung weder ganz noch teilweise untersagen. Dass die neuere Praxis auf eine vorherige Zustimmung des Europäischen Parlamentes achtet, hilft diesem Mangel nicht ab. Die Praxis steht im Belieben von Rat und Kommission. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch des Parlaments. Die Praxis Ist einmal durch eine interinstitutionelle Vereinbarung abgesichert. Es mag politischer Klugheit entsprechen, kein Abkommen vorläufig in Kraft zu setzen, dem das Parlament seine Zustimmung verweigern wird, doch gibt es dafür keine verfassungsrechtliche Sicherung. Es widerspricht daher dem im Vertrag aus Gründen demokratischer Legitimation vorgesehenen parlamentarischen Zustimmungsvorbehalt für den Abschluss von Freihandelsabkommen, wenn die vorläufige Inkraftsetzung am Parlament vorbei möglich ist. An der vorläufigen Anwendung des EU – Freihandelsabkommens wirkt im Rat auch der deutsche Regierungsvertreter mit. Insoweit sollte auch der Deutsche Bundestag eine Stellungnahme dazu abgeben, welche Position im Rat zu vertreten ist. Für rechtlich wirksame Entscheidungen des Rats verankert das Grundgesetz ein Recht des Bundestags auf eine allerdings die Regierung nicht strikt bindende Stellungnahme. Von diesem Recht hat der Bundestag verantwortlich Gebrauch zu machen. Schließlich entscheidet der Rat durch seine Festlegung der Reichweite der vorläufigen Anwendung auch über die verfassungsrechtlich und – praktisch grundlegende Frage der Kompetenzverteilung in der EU. Eine zu weite Kompetenzbeanspruchung berührt die nationale Zuständigkeit und damit den Entscheidungsraum des deutschen Gesetzgebers. Auch sind die umfangreichen Freihandelsabkommen der neuen Generation von hoher politischer Bedeutung, weil die darin verankerte Handelsliberalisierung sich nicht nur auf Zollfragen und andere klassische Handelsthemen beschränkt, sondern die Handelsbeziehungen auf eine neue Grundlage stellt, die sich selbst dynamisch fortentwickeln soll und auch gesetzgeberische Maßnahmen als Handelshemmnisse in den Blick nimmt. Diese grundlegenden politischen und verfassungsrechtlichen Dimensionen der Freihandelsabkommen der neuen Generation verdichten das Stellungnahmerecht des Bundestags zu einer Befassungspflicht. Eine Erörterung im Bundestag trägt notwendig zur demokratischen Legitimation auch des unionalen Handelns im Rat bei. Insgesamt ist es verfassungsrechtlich wie demokratiepolitisch unakzeptabel, dass die vorläufige Anwendung eines Abkommens an den Parlamenten vorbei erfolgt.

3.

Parlamentsentmachtung durch Vertragsorgane

Die Freihandelsabkommen der neuen Generation setzen vertragliche Gremien wie Haupt- oder Fachausschüsse ein, die eigenständige Zuständigkeiten ausüben und in bestimmten Fällen verbindliche Entscheidungen treffen dürfen, ohne dass es dafür stets einer parlamentarischen Zustimmung bedarf. Im CETA Abkommen betrifft das die Änderung des Abkommens und seiner Anhänge, verbindliche Auslegungen, die Anwendung mancher Ausnahmen, oder das vereinfachte Aushandeln von gegenseitigen Anerkennungsabkommen. Wieweit diese Befugnisse reichen, ist nicht immer vorhersehbar. Diese Ausschüsse üben daher bedeutsamere Funktionen als die bloße Umsetzung des Abkommens durch Konkretisierung der Details aus. Das führt die Gefahr herauf, dass die Parlamente sich ihrer eigenen Zuständigkeiten in der Gesetzgebung und der Eingehung völkerrechtlicher Pflichten begeben. Zwar soll durch die Vertragsorgane die Fortentwicklung des Abkommens erleichtert werden. Doch kann das keine Selbstentmachtung der Parlamente bei grundlegenden Aufgaben rechtfertigen, die im Interesse demokratischer Rückbindung weiterhin den Parlamenten zukommen müssen. Die verfassungsrechtliche Problematik stellt sich im Hinblick auf die demokratische Verantwortung von Hoheitsausübung durch Vertragsorgane. Das Europäische Parlament würde sein gerade errungenes Zustimmungsrecht zu Freihandelsabkommen aus der Hand geben, wenn wichtige Änderungen und Festlegungen an ihm vorbei erfolgen könnten. Das gilt auch für den Deutschen Bundestag, weil die Vertragsorgane sich nicht auf Materien beschränken, die unter die alleinige Zuständigkeit der EU fallen. Schon unionsrechtlich ist die Befugnis der EU, so weitgehende und in ihrer konkreten Gestalt wenig bestimmte Entscheidungszuständigkeiten auf neue völkerrechtliche Institutionen zu übertragen, nicht legitimiert. Eine eindeutige unionsrechtliche Grundlage für die Übertragung rechtserheblicher Entscheidungen auf Vertragsorgane, die klare Vorgaben für die Reichweite übertragbarer Zuständigkeiten formuliert, existiert nicht. Das widerspricht dem unionalen Grundsatz begrenzter Einzelermächtigung, wonach die EU nur über die Zuständigkeiten verfügt, die ihr ausdrücklich übertragen wurden. Das Demokratieprinzip auf EU – Ebene verbietet ferner eine Übertragung parlamentarischer Zuständigkeiten ohne jedwede parlamentarische Kontrolle. Auch dem Europäischen Parlament ist keine Selbstentmachung erlaubt. Das Fehlen einer klar bestimmten Grundlage für eine EU- Zuständigkeit, ihre Hoheitsrechte weiter zu delegieren an völkerrechtliche Gremien, ist gleichfalls bedenklich im Hinblick auf die Grenzen der Hoheitsrechtsübertragung im Grundgesetz. Der Bundestag darf keine Blankettermächtigungen an die EU erteilen. Die auf die EU übertragenen Zuständigkeiten müssen hinreichend bestimmt sein. Die Zuständigkeit der EU, ihre Kompetenzen auf völkerrechtliche Gremien weiter zu delegieren, ist nicht bestimmt, zumal wenn man die teilweise wenig konkreten, aber ins Grundsätzliche reichenden Zuständigkeiten der Vertragsorgane gemäß CETA in den Blick nimmt. Die wenig begrenzte Möglichkeit der EU, ihre Zuständigkeiten an neue völkerrechtliche Gremien zu übertragen, dürfte eine verfassungswidrige Blankettermächtigung darstellen. Selbst wenn man sie für bestimmt genug hielte oder zurückhaltend auslegte, was bei der Auslegungspraxis des EuGH alles andere als sicher ist, bleibt immer noch das Gebot der Respektierung der Integrationsverantwortung des Deutschen Bundestags. Die vom BVerfG betonte Verantwortung des Bundestags für die Entwicklung der Europäischen Integration erfordert seine Beteiligung bei der Ausübung wenig bestimmter EU – Zuständigkeiten. Diese Beteiligung muss wegen ihrer rechtlichen Wirkungen schon bei der deutschen Beteiligung im Rat an der vorläufigen Anwendung des Abkommens ansetzen. Damit spricht die verfassungsrechtliche Integrationsverantwortung für die neuen Freihandelsabkommen nicht nur für die Notwendigkeit einer Stellungnahme des Bundestags, sondern sogar für einen Zustimmungsvorbehalt: Der deutsche Vertreter im Rat darf der vorläufigen Anwendung jedenfalls nur zustimmen, wenn er dafür eine Zustimmung des Deutschen Bundestags hat“.

G Zulässigkeit der Beschwerdegegenstände

1 a) Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA und insbesondere gegen die Zustimmung der Bundesregierung zu diesem Abkommen im Rat der Europäischen Union durch das zuständige Regierungsmitglied, aber auch gegen die vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens (Anträge zu I 1 und 2). Das Abkommen wie dessen vorläufige Anwendbarkeit bedürfen der Zustimmung Deutschlands.

Die Zustimmungsbedürftigkeit durch Deutschlands, nämlich die aller Ratsmitglieder, folgt aus Art. 207 Abs. 4 AEUV, ergibt sich aber wegen existentiellen Relevanz des CETA für Deutschland wie für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus dem Grenzen des Mehrheitsprinzips, die das Bundesverfassungsgericht schon im Maastricht-Urteil in dogmatischer Materialisierung des Luxemburger Kompromisses als Vetorecht gegen Maßnahmen der Union herausgestellt (BVerfGE 89, 155 (184))[24] und im OMT-Programm-Urteil vom 21. Juni 2016 in Rn. 171 als Instrument zum Grundrechtsschutz der Bürger und damit des Beschwerdeführers gegen eine verfassungswidrige Integrationspolitik der europäischen Organe angesprochen hat.

b) Für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, ergibt das Unterlassen der Bundesregierung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, den Beschwerdegegenstand (Antrag zu I 3). Insbesondere kommt eine Staatenklage Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Union zur Klärung der Vertragswidrigkeit des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, in Betracht. Auch die drohende vorläufige Anwendbarkeit nicht zu verhindern, wäre eine pflichtwidrige Unterlassung der Bundesregierung, weil ihre Schutzpflicht gegenüber den Bürgern und damit gegenüber dem Beschwerdeführer ihr gebietet, dafür Sorge zu tragen, daß er nicht entgegen dem Grundgesetz, insbesondere entgegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, entgegen Art. 2 Abs. 1 GG, entgegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, entgegen Art. 146 GG sowie entgegen Art. 23 Abs. 1 GG durch das Freihandelsabkommen CETA in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt wird.

c) Für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, ist die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, insbesondere eine Staatenklage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Union zur Klärung der Vertragswidrigkeit des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, und auch gegen dessen vorläufige Anwendbarkeit zu betreiben (Antrag zu I 4). Dahingehend hat jeder Bürger und somit auch der Beschwerdeführer einen Schutzanspruch aus seinen Grundrechten, nämlich aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG. Dieser Schutzanspruch ist ein tauglicher Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Sowohl das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada CETA als auch dessen vorläufige Anwendbarkeit verstoßen gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG.

2. Der Senat hat im Urteil vom 7. September 2011 in Sachen 2 BvR 987/10, 1485/10, 1099/10 in Absatz 116 (BVerfGE 129, 124 (175 f.) den Satz aufgenommen: „Die Rügen der Beschwerdeführer, ihre Grundrechte würden unmittelbar durch…den Aufkauf von Staatsanleihen Griechenlands und anderer Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes durch die Europäische Zentralbank verletzt, sind unzulässig, weil ihnen keine tauglichen Beschwerdegegenstände zugrunde liegen. Bei den angegriffenen Akten handelt es sich – unbeschadet anderweitiger Überprüfungsmöglichkeiten auf ihre Anwendbarkeit in Deutschland hin (vgl. BVerfGE 89, 155 <175>; 126, 286 <302 ff.>) – nicht um von den Beschwerdeführern angreifbare Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG“.

Nur gegen „Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt“ also würden Verfassungsbeschwerden erhoben werden können. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ermöglicht zwar die Verfassungsbeschwerde, „die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrecht oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenden Rechte verletzt zu sein“. § 90 Abs. 1 BVerfGG folgt dieser Formulierung. Die Maßnahmen der Europäischen Union, allemal die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union sind „öffentliche Gewalt“ und im übrigen Hoheitsakte. Daran hat das Bundesverfassungsgericht nie Zweifel gelassen. Diese Maßnahmen sind schließlich keine privaten Handlungen.

Der Senat hat im Urteil vom 7. September 2011 wie schon im Lissabon-Urteil in Absatz 179 das Element „deutscher“ hinzugefügt. Richtig ist, daß die deutschen Grundrechte, nämlich die durch das Grundgesetz geschützten Grundrechte verletzt sein müssen und das diese Verletzung entweder in Deutschland oder von Deutschland erfolgen muß, weil sonst der territoriale Bezug fehlt. Deutschland und damit das Bundesverfassungsgericht können sich nicht die Befugnis anmaßen, Maßnahmen dritter Staaten in deren Hoheitsbereich an den deutschen Grundrechten als Unrecht zu verwerfen. Aber die Souveränität, die Staatsgewalt und damit Hoheit in Deutschland hat allein Deutschland. In Deutschland aber sollen die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte jedermanns den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor der öffentlichen Gewalt haben. Im Lissabon-Verfahren ging es um das deutsche Zustimmungsgesetz zum Lissabon-Vertrag, fraglos ein Hoheitsakt deutscher öffentlicher Gewalt. Damit ist aber nicht klargestellt, welche Maßnahmen, die in Deutschland Wirkung entfalten, keine mit der Verfassungsbeschwerde rügbaren Hoheitsakte „deutscher öffentlicher Gewalt“ sind. Im Urteil vom 7. September 2011 sind aus dem Adjektiv „deutsche“ die Hoheitsakte der Europäischen Union ohne jede staatsrechtliche oder völkerrechtliche Begriffserläuterung ausgeklammert worden, zudem in Abweichung von den Erkenntnissen des Maastricht- und des Lissabon-Urteile. Das ist nicht begründbar, weil diese Maßnahmen Akte der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne des Art. 93 Abs.1 Nr. 4a GG und im übrigen auch der im Rechtsstaat unverzichtbaren Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, welche denselben Passus „öffentliche Gewalt“ enthält, sind und in Deutschland wirken, nämlich die Geldstabilität in Deutschland betreffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Maastricht –Urteil, Absatz 70 (BVerfGE 89, 155 (175)), ausgeführt:

„Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet durch seine Zuständigkeit (vgl. BVerfGE 37, 271 [280 ff.]; 73, 339 [376 f.]), daß ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht sichert so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 73, 339 [386]). Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27]). Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem „Kooperationsverhältnis“ zum Europäischen Gerichtshof aus, in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]) beschränken kann“.

Von ‚deutscher öffentlicher Gewalt‘ ist dort keine Rede, sondern von „Grundrechtsberechtigten in Deutschland“ und von „Grundrechtschutz in Deutschland“ sowie von „der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation“. Letzteres ist auch der Fall, wenn die öffentliche Gewalt gemeinschaftlich, unional ausgeübt wird, einschließlich der öffentlichen Gewalt Deutschlands.

Richtigerweise sind Maßnahmen der Europäischen Union zugleich deutsche Maßnahmen. Deutschland ist nämlich in die Europäische Union integriert. Deutschland ist mit den anderen Mitgliedstaaten die Europäische Union. Unionsakte sind sowohl deutsche wie französische, italienische, spanische, griechische usw. Akte. Es sind Gemeinschafts- oder eben Unionsakte. Das folgt daraus, daß Hoheitsakte ausschließlich Akte eines Volkes sind, das entweder unmittelbar oder mittelbar handelt, mittelbar durch die Vertreter des Volkes in den Organen des Staates, jedenfalls nach dem Grundgesetz und damit für Deutschland; denn „alle Staatsgewalt“ wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“. Eine andere, von Dritten ausgeübte Staatsgewalt darf es in Deutschland nicht geben und gibt es richtigerweise auch nicht. Art. 20 Abs. 2 GG kann auch nicht durch das Integrationsprinzip des Art. 23 GG relativiert werden, wie Art. 79 Abs. 3 GG erweist. Die Europäische Union hat keine eigenständige Hoheitsgewalt, keine originäre Staatsgewalt; denn sie organisiert kein Volk, etwa ein Volk der Unionsbürger, als Staat, sie hat anders formuliert, keine eigenständige demokratische Legitimation. Vielmehr übt sie als Organisation der Mitgliedstaaten deren Hoheitsgewalt gemeinschaftlich, unional aus. Zu diesem Zweck werden ihr begrenzt Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten übertragen. Damit geben die Mitgliedstaaten ihre Hoheit nicht auf, sondern ordnen im gemeinschaftlichen Interesse mit den anderen Unionsmitgliedern ihre Staatsorganisation. Andernfalls würden die Mitgliedstaaten die Souveränität ihrer Völker, genauer ihrer Bürger, übertragen; denn die Souveränität ist die Staatsgewalt, wie das auch das Bundesverfassungsgericht erkannt hat (Lissabon-Urteil, BVerfGE 123, 267, Absätze 208, 298). Es spricht auch von „souveräner Staatsgewalt“ (BVerfGE 123, 267, Absatz 299). Die Völker können die Souveränität der Bürger nicht übertragen, weil diese nichts anderes ist als die Freiheit der Bürger. Souverän ist, wer frei ist. Die Freiheit, die ausweislich Art. 1 AEMR mit dem Menschen geboren ist, ist die Würde des Menschen, die Menschheit des Menschen, die schlechterdings nicht übertragen, also abgegeben oder aufgegeben werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat richtig die Souveränität mit dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes identifiziert (Lissabon-Urteil, BVerfGE 123, 267, Abs. 224), das Grundlage des Völkerrechts ist (Art. 1 Nr. 2 UN-Charta). Selbstbestimmung des Volkes ist die Willensautonomie der Bürger, deren Freiheit, die demokratisch verwirklicht wird und nur demokratisch verwirklicht werden kann. Jede Verletzung des demokratischen Prinzips ist eine Verletzung der Freiheit der Bürger und der Souveränität des Volkes[25].

Die Unionsverträge ordnen somit die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt oder eben Hoheitsgewalt und dürfen und können rechtens nichts anderes ordnen. Die Organe der Europäischen Union sind in die Organisation der Mitgliedstaaten integriert und damit auch Organe jedes Mitgliedstaates oder eben dessen Volkes, die dessen Staatsgewalt ausübt. Anders kann die Integration freiheitlicher demokratischer Staaten, von Republiken, nicht dogmatisiert werden. Die Dogmatik ist aber folgenreich, wie sich im Grundrechtsschutz beschränkenden Begriff der „deutschen öffentlichen Gewalt“ im Urteil des Senats vom 7. September 2011 zeigt.

Dieser Dogmatik widerspricht die Erkenntnis nicht, daß die Europäische Union längst funktional und institutionell ein Staat, ein Bundesstaat, ist. Das ergibt sich aus ihrer Organisation und ihren Aufgaben und Befugnissen und hängt nicht von ihrer Souveränität oder originären Hoheitsgewalt, die nur ein Volk hat, ab. Ihr mangelt die demokratische Legitimation. Sie ist demzufolge ein Staat ohne Legitimation, der rechtlos ist. Rechtens ist die Union nur insoweit, als sie im Rahmen der demokratisch vertretbaren Befugnisse bleibt, als im Rahmen der begrenzten Einzelermächtigungen. Darüber gehen ihre Aufgaben und Befugnisse längst hinaus, allemal aber Maßnahmen, die keine Grundlage in den Verträgen haben. Vor allem geht das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada weit über eine verfassungsgemäße begrenzte Ermächtigung hinaus; denn das Abkommen wälzt die Lebensverhältnisse in Deutschland und Europa um und mißachtet die Souveränität der Bürger und damit auch deren Recht auf Demokratie, insgesamt deren Freiheit.

Hinzu kommt, daß die Verletzung des grundrechtsgleichen Wahlrechts aus Art. 38 Abs. 1 GG wie auch des Rechts der Bürger auf Verfassungsidentität oder, was darin eingeschlossen ist, auf Souveränität oder politische Freiheit, das Recht auf Recht, gegenüber souveränitäts- und demokratiewidrigen Maßnahmen der Europäischen Union schutzlos wäre, weil die Union keine Grundrechtsverfassungsbeschwerde kennt und zudem das Recht auf nationale Demokratie, das der Würde und Freiheit der Bürger erwächst, kein Grundrecht der Grundrechtecharta der Europäischen Union ist.

Auch die Kooperation, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sein Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof bestimmt, nimmt den Unionsmaßnahmen nicht die Eigenschaft, Hoheitsakte der deutschen öffentlichen Gewalt zu sein. Auch der Europäische Gerichtshof übt Staatsgewalt Deutschlands aus, wiederum gemeinsam mit der Staatsgewalt der andren Mitgliedstaaten. Das Nebeneinander der Gerichte bedarf der Zuständigkeitsverteilung. Der Grundrechtsschutz ist jedenfalls insoweit Sache des Bundesverfassungsgerichts, als der Europäische Gerichtshof zum Grundrechtsschutz nicht berufen ist, wie für den Schutz des nationalen Wahlrechts als Emanation des demokratischen Prinzips der Republik und den Schutz der Souveränität der Bürger vor Befugnisüberschreitungen durch die Unionsorgane, also vor Ultra vires- Maßnahmen, ausbrechenden Rechtsakten, wie sie das Abkommen der Union mit Kanada ist. Das wird in der Begründung dieser Verfassungsbeschwerde erörtert. Selbst wenn der Europäische Gerichtshof Grundrechtsschutz nach der Grundrechtecharta gibt, die er zu verantworten hat, bleibt das Recht auf Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht unberührt, soweit die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs die deutschen Grundrechte nicht „im wesentlich gleich“ verwirklicht wie das Bundesverfassungsgericht, wie sich aus Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ergibt. Das kommt aber für den Schutz der in diesem Verfahren geltend gemachten Grundrechte nicht in Betracht. Keinesfalls darf der Grundrechtsschutz im Verfassungsstaat substantiell verkürzt werden. Das widerspräche dem Rechtsprinzip, das Art. 20 GG mit dem Rechtsstaats-, aber auch dem demokratischen Prinzip als Fundamentalprinzip Deutschlands der Disposition der Politik, auch der Integrationspolitik, wie Art. 23 Abs. 1 GG erweist, entzieht. Es widerspräche darüber hinaus der unantastbaren Menschenwürde, die vor allem als Freiheitsprinzip materialisiert ist. Die Freiheit findet ihre Wirklichkeit im Recht, zu dem der effiziente Rechtsschutz essentiell gehört.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den demokratierechtlichen Schutz der Bürger aus Art. 38 Abs.1 GG gegen evident ausbrechende Rechtsakte oder Maßnahmen ultra vires der Europäischen Union nicht von Rechtsklärungsbefugnissen des Europäischen Gerichtshofs abhängig gemacht (Maastricht-Urteil BVerfGE 89, 155 (188); Lissabon-Urteil, Absätze 240 f.; BVerfGE 123, 267 (335 ff.); Mangold/Honeywell BVerfGE 126, 286 (302 ff.)). Das entspricht dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, weil außerhalb der ihr übertragenen Befugnisse die Union die Staatsgewalt der Mitgliedstaaten nicht auszuüben vermag, gewissermaßen keine Existenz hat, sodaß ihre Rechtsakte in Deutschland nicht anwendbar sind.

Auch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs, über Klagen von Mitgliedstaaten oder von Unionsorganen gegen vertragswidrige Maßnahmen der Organe zu entscheiden, vermag das Recht auf Grundrechtsschutz aus den deutschen Grundrechten nicht zu schmälern, schon gar nicht den des Wahlrechts der Bürger und den ihres Rechts auf Verfassungsidentität oder Souveränität. Zum einen können die Bürger die Verletzung ihrer Rechte nicht vor dem Europäischen Gerichtshof geltend machen. Art. 263 Abs. 4 AEUV gibt dafür keine Klagebefugnis. Selbst das Recht der Bürger aus Art. 38 Abs. 1 GG darauf, daß die Bundesregierung in Vertretung Deutschlands den Europäischen Gerichtshof anruft, um die Vertragstreue des Rates wie der anderen Organe der Union durchzusetzen, vermag den Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht nicht zu ersetzen. Zum einen ist der Bürger nicht an dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof beteiligt, zum anderen leistet der Europäische Gerichtshof nicht den Schutz des Art. 38 Abs. 1 GG im Sinne des deutschen Verständnisses des Wahlrechts und der Verfassungsidentität sowie der Souveränität Deutschlands. Das vermag nur das Bundesverfassungsgericht, das spezifisch vom Grundgesetz für diesen Rechtsschutz eingerichtet ist. Ein Unionsgericht hat eine Besetzung aus allen Mitgliedstaaten und eine unionshafte Dogmatik, in die unvermeidlich die Unionsinteressen einfließen. Der Europäische Gerichtshof betreibt seit Beginn seiner Tätigkeit eine betont integrationistische Judikatur, die erhebliche Bedenken an der Rechtlichkeit seiner Erkenntnisse auslöst. Zudem mangelt diesem Gerichtshof die demokratische Legalität[26]. Eigentlich erfüllt er die Anforderungen an ein Gericht nicht. Allenfalls in engen Grenzen kann sein Grundrechtsschutz wegen des Integrationsprinzips an die Stelle des nationalen Grundrechtschutzes treten, nicht aber beim politischen Bürger- und Souveränitätsschutz, weil das letzte Wort dabei ein nationales Gericht haben muß, wenn nicht die Freiheit und die Souveränität einem Organ ausgeliefert werden soll, in dem allenfalls ein Richter von 27 Richtern vom betroffenen Volk legalisiert, oder, wenn man so will, legitimiert ist und das noch durch die Regierung, die ein Einvernehmen mit den Regierungen der anderen Mitgliedstaaten über den deutschen Richter, der in das Unionsgericht einziehen soll, erzielen mußte. Regierungen sind denkbar ungeeignet, die Richter zu bestimmen, welche die Bürger vor dem Unrecht, für das spezifisch die Regierungen die Verantwortung tragen, zu schützen, sittlich befähigt sind. Völkerrechtliche Legitimität kann dem Europäischen Gerichtshof allenfalls als Streitschlichtungsorgan zugesprochen werden, nicht als Grundrechtsgericht.

Auch am Mangold/Honeywell-Beschluß, der sich freilich allzuviel Zurückhaltung auferlegt und die Befugniskontrolle auf offensichtliche und kompetenziell gewichtige Überschreitungen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung beschränkt (BVerfGE 89, 155 (188); 123, 267, LS 4 und Abs. 240 f.; 126, 286, Abs. 55 ff. (302 ff.)), scheitert jedenfalls nicht die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen des der Union wie das großangelegte Abkommen mit Kanada, das CETA. Die nähere Gestaltung der Kooperation des Bundesverfassungsgerichts mit dem Europäischen Gerichtshof berührt den Rechtscharakter dieser Maßnahmen als „öffentliche Gewalt“ nicht und auch nicht den als Hoheitsakte der „deutschen öffentlichen Gewalt“.

Leitsatz 4 des Lissabon-Urteils:

„Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon ) in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten (vgl. BVerfGE 58, 1 <30 f.>; 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>: dort zum ausbrechenden Rechtsakt). Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist (vgl. BVerfGE 113, 273 <296>). Die Ausübung dieser verfassungsrechtlich radizierten Prüfungskompetenz folgt dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, und sie widerspricht deshalb auch nicht dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV-Lissabon); anders können die von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV-Lissabon anerkannten grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen souveräner Mitgliedstaaten bei fortschreitender Integration nicht gewahrt werden. Insoweit gehen die verfassungs- und die unionsrechtliche Gewährleistung der nationalen Verfassungsidentität im europäischen Rechtsraum Hand in Hand“.

In dem Urteil zur Griechenlandhilfe und zum vorläufigen Rettungsschirm vom 7. September 2011 (2 BvR 987, 1485, 1099/10) hat der Erkennende Senat, eher einschränkend, in den Absätzen 99 ff. ausgeführt:

„ (2) Aus diesem materiellen Schutzgehalt des Art. 38 GG folgt regelmäßig kein Recht der Bürger, demokratische Mehrheitsentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin durch das Bundesverfassungsgericht kontrollieren zu lassen. Das Wahlrecht dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet. Als Grundrecht auf Mitwirkung an der demokratischen Selbstherrschaft des Volkes verleiht Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis gegen Parlamentsbeschlüsse, insbesondere Gesetzesbeschlüsse.

(a) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht seit dem Urteil zum Maastrichter Unionsvertrag anerkannt, wenn aufgrund völkervertraglich vereinbarter Verlagerungen von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages eine Entleerung der von der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung gewährleisteten politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Parlaments zu befürchten ist (vgl. BVerfGE 89, 155 <172>). Das durch das Wahlrecht geschützte Prinzip der repräsentativen Volksherrschaft kann danach verletzt sein, wenn die Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit ein Substanzverlust demokratischer Gestaltungsmacht für dasjenige Verfassungsorgan eintritt, das unmittelbar nach den Grundsätzen freier und gleicher Wahl zustande gekommen ist (vgl. BVerfGE 123, 267 <341>). Eine solche Rügemöglichkeit beschränkt sich auf Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge, wie sie etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union eintreten können.

Diese über die Grundrechtsrüge eines jeden Bürgers eröffnete Kontrolle der öffentlichen Gewalt hat bereits anlässlich des Maastricht-Urteils Kritik erfahren (es folgen Hinweise, KASch) Der Senat hält indes an seiner Auffassung fest. Der letztlich in der Würde des Menschen wurzelnde Anspruch des Bürgers auf Demokratie (vgl. BVerfGE 123, 267 <341>) wäre hinfällig, wenn das Parlament Kernbestandteile politischer Selbstbestimmung aufgäbe und damit dem Bürger dauerhaft seine demokratischen Einflussmöglichkeiten entzöge. Das Grundgesetz hat den Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Staatsgewalt in Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG für unantastbar erklärt (vgl. BVerfGE 89, 155 <182>; 123, 267 <330>). Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat bei der Neufassung des Art. 23 GG deutlich gemacht, dass der Auftrag zur Entwicklung der Europäischen Union an die dauerhafte Einhaltung bestimmter verfassungsrechtlicher Strukturvorgaben gebunden ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) und dass hier durch Art. 79 Abs. 3 GG eine absolute Grenze zum Schutz der Identität der Verfassung gesetzt ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG), die jedenfalls insoweit nicht etwa erst in Fällen einer drohenden totalitären Machtergreifung überschritten ist. Gegen eine mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbare Entäußerung von Kompetenzen durch das Parlament muss sich der Bürger verfassungsgerichtlich zur Wehr setzen können. Ein weitergehendes Rügerecht sieht das Grundgesetz nicht vor.

Die abwehrrechtliche Dimension des Art. 38 Abs. 1 GG kommt daher in Konstellationen zum Tragen, in denen offensichtlich die Gefahr besteht, dass die Kompetenzen des gegenwärtigen oder künftigen Bundestages auf eine Art und Weise ausgehöhlt werden, die eine parlamentarische Repräsentation des Volkswillens, gerichtet auf die Verwirklichung des politischen Willens der Bürger, rechtlich oder praktisch unmöglich macht. Die Antragsbefugnis ist folglich nur dann gegeben, wenn substantiiert dargelegt wird, dass das Wahlrecht entleert sein könnte“.

Genau das wird die Wirkung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada sein. Die Union schließt dieses Abkommen nicht nur ohne Zustimmung eines Parlaments, weder des Europäischen Parlaments noch gar der nationalen Parlamente, sondern die Ordnung der Union wird durch das Abkommen in einem Maße entdemokratisiert und rechtsstaatlichen Prinzipien entzogen, daß die Bürger das wegen ihres Rechts auf Freiheit und somit auf Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat und damit mit ihrer bürgerlichen Souveränität nicht hinnehmen können. Die großen Demonstrationen gegen die Freihandelsverträge mit Nordamerika, mit dem TTIP und dem CETA zeigen den Wiederspruch der Bürger in den Ländern der Union in aller Deutlichkeit. Sie versuchen, ihre freiheitliche, rechtliche und soziale Lebensweise zu verteidigen. Allein der Investitionsschutz mit dem untragbaren von einem Vertragsgericht zu judizierenden Schadenersatzanspruch von Investoren gegebenenfalls gegen legale Politiken der Mitgliedstaaten, der Milliardenbeträge erreichen kann, ist grob demokratie- und rechtsstaatswidrig, aber auch insozial. Hinzu kommt die die regulatorische Zusammenarbeit, welche den Raum der Europäischen Union mit dem Kanadas und der Zielsetzung der Union nach mit dem der Vereinigten Staaten von Amerika zu einem kapitalistischen, sozialfernen und ebenso gesundheits- und umweltschutzfernen Wirtschaftsraum umwandeln soll. Das und andere Monita mehr werden in der Begründung dieser Beschwerde ausgeführt.

Dennoch wird nicht die Feststellung des Beschlusses des Rates über das Abkommen und über dessen vorläufige Anwendung mit der Verfassungsbeschwerde zur Rechtklärung gestellt, sondern wegen der Praxis des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nur die Zustimmung Deutschlands im Rat durch den zuständigen Regierungsvertreter.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat seine Rechtsprechung zum Bürgerschutz gegen Verletzungen der Verfassungsidentität und des Integrationsprogramms in die Europäische Union und damit gegen Ultra-vires- Maßnahmen der Unionsorgane in den Randnummern 162 ff. des jüngsten Urteils zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank bestätigt, aber auch in einer Weise präzisiert, die im Regelfall einen relevanten Unterschied zur unmittelbaren verfassungsrechtlichen Überprüfung von Maßnahmen der Organe der Europäischen Union nicht mehr enthält, nämlich:

162 „3. Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die die durch das Integrationsprogramm in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG definierte Grenze überschreiten, haben als Ultra-vires-Akte am Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht teil. Da sie in Deutschland unanwendbar sind, entfalten sie für deutsche Staatsorgane keine Rechtswirkungen. Deutsche Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 126, 286 <302 ff.>; 134, 366 <387 f. Rn. 30>). Sie sind verpflichtet, die Voraussetzungen eines Ultra-vires-Aktes in eigener Verantwortung zu prüfen und haben hierüber gegebenenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen“.

163 „4. Die Verfassungsorgane trifft aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung darüber hinaus eine Verpflichtung, Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die eine Identitätsverletzung bewirken, sowie Ultra-vires-Akten, auch wenn sie nicht den gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG integrationsfesten Bereich betreffen, entgegenzutreten (a). Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dem wahlberechtigten Bürger gegenüber Bundesregierung und Bundestag einen Anspruch darauf, dass diese sich in Ansehung möglicher identitätsverletzender oder Ultra-vires-Akte von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union ein zuverlässiges Urteil über die Reichweite und die Möglichkeiten der Erfüllung ihrer Integrationsverantwortung bilden (b). Bei der Konkretisierung dieser Pflicht kommt den Verfassungsorganen ein weiter politischer Gestaltungsspielraum zu (c)“.

164 „a) Aus der Integrationsverantwortung folgt nicht nur die Pflicht der Verfassungsorgane, bei der Übertragung von Hoheitsrechten und bei der Ausgestaltung von Entscheidungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass sowohl das politische System Deutschlands als auch dasjenige der Europäischen Union demokratischen Grundsätzen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG entsprechen (vgl. BVerfGE 123, 267 <356>; 134, 366 <395 Rn. 48>) und die weiteren Vorgaben des Art. 23 GG eingehalten werden. Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie darüber hinaus, auch bei der Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür Sorge zu tragen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <351 ff., 435>; 129, 124 <180 f.>; 135, 317 <399 ff. Rn. 159 ff.>)“.

165 „Zur Integrationsverantwortung gehört darüber hinaus eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 <352 ff., 389 ff., 413 ff.>; 126, 286 <307>; 129, 124 <181>; 132, 195 <238 f. Rn. 105>; 134, 366 <394 f. Rn. 47>). Diese Verantwortung können die Verfassungsorgane nur wahrnehmen, wenn sie den Vollzug des Integrationsprogramms im Rahmen ihrer Kompetenzen kontinuierlich beobachten. Derartige, auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen bestehende verfassungsrechtliche Beobachtungspflichten (vgl. BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 35, 79 <117>; 49, 89 <130>; 88, 203 <310 f.>; 95, 267 <314 f.>; 110, 141 <158>; 111, 333 <355 f.>; 127, 87 <116>; 130, 263 <300>; 133, 168 <235 f.>) zielen bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder andere supra- oder internationale Einrichtungen auch auf die Sicherung des demokratischen Legitimationszusammenhangs. Dies gilt in gesteigertem Maße dann, wenn öffentliche Gewalt durch Stellen ausgeübt wird, die nur über eine schwache demokratische Legitimation verfügen (vgl. BVerfGE 130, 76 <123 f.>; 136, 194 <266 f.>)“.

166 „b) Die Integrationsverantwortung verpflichtet die Verfassungsorgane – den grundrechtlichen Schutzpflichten nicht unähnlich -, sich dort schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen des Einzelnen zu stellen, wo dieser nicht selbst für ihre Integrität sorgen kann (vgl. allgemein zu Schutzpflichten BVerfGE 125, 39 <78>; stRspr). Der Verpflichtung der Verfassungsorgane zur Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung entspricht daher ein in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankertes Recht des wahlberechtigten Bürgers, dass die Verfassungsorgane dafür sorgen, dass die mit dem Vollzug des Integrationsprogramms ohnehin schon verbundenen Einflussknicke und Einschränkungen seines „Rechts auf Demokratie“ nicht weitergehen, als sie durch die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union gerechtfertigt sind, und er keiner politischen Gewalt unterworfen wird, der er nicht ausweichen kann und die er nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermag (vgl. BVerfGE 123, 267 <341>)“.

167 „Dieser Anspruch richtet sich vor allem gegen die im Bereich der auswärtigen Gewalt mit besonderen Kompetenzen ausgestatteten Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundestag (vgl. BVerfGE 90, 286 <381 ff.>; 121, 135 <156 ff.>; 131, 152 <195 ff.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 23. September 2015 – 2 BvE 6/11 -, juris, Rn. 67 ff.). Sie haben über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und bei Identitätsverletzungen ebenso wie bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen außerhalb des gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG integrationsfesten Bereichs aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinzuwirken (BVerfGE 134, 366 <395 Rn. 49>; Gött, EuR 2014, S. 514 <522 ff.>; Wollenschläger, a.a.O., Art. 23 Rn. 175). In Ansehung solcher Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union haben sie sich daher aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Identität gewahrt oder die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (BVerfGE 134, 366 <397 Rn. 53>)“.

168 „c) Der aus der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane folgenden Reaktionspflicht und dem schutzpflichtähnlichen Anspruch des wahlberechtigten Bürgers steht nicht entgegen, dass dem Grundgesetz in der Regel keine konkreten Handlungsanweisungen zu entnehmen sind“.

169 „aa) So ist für die Grundrechte allgemein anerkannt, dass die zuständigen (Verfassungs-)Organe grundsätzlich in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie die ihnen obliegenden Schutzpflichten erfüllen (zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG BVerfGE 96, 56 <64>; zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG BVerfGE 66, 39 <61>; 77, 170 <214>; 79, 174 <202>; 85, 191 <212>; zu Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG BVerfGE 125, 39 <78>; zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerfGE 92, 26 <47>). Dabei kommt ihnen ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 125, 39 <78>). Solche Gestaltungsspielräume bestehen nicht nur dort, wo es um die Berücksichtigung widerstreitender Grundrechtspositionen geht (BVerfGE 96, 56 <64>). Auch im Bereich der Außenpolitik obliegt es grundsätzlich der pflichtgemäßen politischen Entscheidung und Verantwortung der zuständigen Verfassungsorgane, welche Maßnahmen ergriffen werden. Bestehende Risiken sind in die Erwägungen einzubeziehen und politisch zu verantworten (vgl. BVerfGE 66, 39 <61>; siehe auch BVerfGE 4, 157 <168 f.>; 40, 141 <178>; 53, 164 <182>; 55, 349 <365>; 66, 39 <60 f.>; 68, 1 <97>; 84, 90 <128>; 94, 12 <35>; 95, 39 <46>; 121, 135 <158, 168 f.>). Dies gilt auch für die Frage, in welcher Weise der Schutzpflicht des Staates in Bezug auf Grundrechte im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik gegenüber nicht deutscher Hoheitsgewalt genügt wird (vgl. BVerfGE 53, 164 <182>; 55, 349 <364 f.>; 66, 39 <61>; 92, 26 <47>; 77, 170 <214 f.>; BVerfGK 14, 192 <200 f.>; vgl. auch BVerfGE 131, 152 <195>). Eine Verletzung von Schutzpflichten liegt erst dann vor, wenn überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen werden, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 f.>; 85, 191 <212>; 88, 203 <254 f.>; 92, 26 <46>; 125, 39 <78 f.>)“.

170 „Für die – der Sicherung von Demokratie und Volkssouveränität dienende – Integrationsverantwortung bedeutet dies, dass die Verfassungsorgane im Falle offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Kompetenzüberschreitungen und sonstiger Verletzungen der Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken haben. Sie können Kompetenzüberschreitungen gegebenenfalls zwar nachträglich legitimieren, indem sie eine – die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende – Änderung des Primärrechts anstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 <365>; 134, 366 <395 Rn. 49>) und die ultra vires in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GG förmlich übertragen. Soweit dies jedoch nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie verpflichtet, im Rahmen ihrer Kompetenzen mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie – solange die Maßnahmen fortwirken – geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 <395 f. Rn. 49>). Insoweit sind geeignete Möglichkeiten zu ergreifen, um die Wahrung des Integrationsprogramms sicherzustellen (vgl. BVerfGE 123, 267 <353, 364 f., 389 f., 391 f., 413 f., 419 f.>; 134, 366 <395 f. Rn. 49, 397 Rn. 53>)“.

171 „Dazu zählen mit Blick auf die Bundesregierung insbesondere eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 263 Abs. 1 AEUV), die Beanstandung der fraglichen Maßnahme gegenüber den handelnden und den sie kontrollierenden Stellen, das Stimmverhalten in den Entscheidungsgremien der Europäischen Union einschließlich der Ausübung von Vetorechten und der Berufung auf den Luxemburger Kompromiss (vgl. Streinz, Die Luxemburger Vereinbarung, 1984), Vorstöße zu Vertragsänderungen (vgl. Art. 48 Abs. 2, 50 EUV) sowie Weisungen an nachgeordnete Stellen, die in Rede stehende Maßnahme nicht anzuwenden. Der Deutsche Bundestag kann sich insbesondere seines Frage-, Debatten- und Entschließungsrechts bedienen, das ihm zur Kontrolle des Handelns der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union zusteht (vgl. Art. 23 Abs. 2 GG, BVerfGE 131, 152 <196>), sowie – je nach Angelegenheit – auch der Subsidiaritätsklage (Art. 23 Abs. 1a GG i.V.m. Art. 12 Buchstabe b EUV und Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll), des Enquêterechts (Art. 44 GG) oder des Misstrauensvotums (Art. 67 GG) (vgl. Gött, EuR 2014, S. 514 <527 ff.>)“.

172 „bb) Wie eine grundrechtliche Schutzpflicht kann sich allerdings auch die Integrationsverantwortung unter bestimmten rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zu einer konkreten Handlungspflicht verdichten. Da es im vorliegenden Zusammenhang letztlich auch um eine Berührung des zur Verfassungsidentität des Art. 79 Abs. 3 GG rechnenden Grundsatzes der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) geht, muss der Bundestag unverzüglich jedenfalls nach einer entsprechenden Feststellung des Bundesverfassungsgerichts darüber befinden, wie der in Rede stehenden Maßnahme zu begegnen ist.

173 „Diese Befassung hat grundsätzlich im Plenum zu erfolgen; eine Befassung von – in der Regel nicht öffentlich tagenden – Ausschüssen genügt der Integrationsverantwortung dagegen nicht. Der Deutsche Bundestag ist das unmittelbare Repräsentationsorgan des Volkes. Er besteht aus den als Vertretern des ganzen Volkes gewählten Abgeordneten, die insgesamt die Volksvertretung bilden. Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete repräsentative Status der Abgeordneten (vgl. BVerfGE 4, 144 <149>; 80, 188 <217>) ist Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestages, der als „besonderes Organ“ (Art. 20 Abs. 2 GG) die vom Volk ausgehende Staatsgewalt ausübt (vgl. BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <217>; 130, 318 <342>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015 – 2 BvE 1/11 -, juris, Rn. 91). Seine Repräsentationsfunktion nimmt der Deutsche Bundestag grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahr, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder (vgl. BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; 130, 318 <342>; 131, 230 <235>; 131, 152 <204 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015, a.a.O., Rn. 91), nicht durch einzelne Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit. Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet nicht nur Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, es schafft vor allem auch die Voraussetzungen für eine Kontrolle durch die Bürger (vgl. BVerfGE 40, 237 <249>; 70, 324 <355>; 131, 152 <205>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015, a.a.O., Rn. 92). Entscheidungen von erheblicher Tragweite wie die Entschließung darüber, welche Wege zur Wiederherstellung der Kompetenzordnung beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 <397 Rn. 53>), muss deshalb grundsätzlich ein Verfahren vorausgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 <403 f.>; 95, 267 <307 f.>; 108, 282 <312>; 130, 318 <344>; 131, 152 <205>)“.

3. Die „Rechtmäßigkeit“ der „Handlungen“ der Organe der Europäischen Union, auch und insbesondere des Rates derselben, überwacht nach Art. 263 Abs. 1 AEUV der Europäische Gerichtshof. Klagen können zu diesem Zweck von den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission wegen „Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs“ erhoben werden. Die Handlungen des Rates sind nicht sakrosankt. Vielmehr unterliegen sie dem Recht. Auch auf Grund einer Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV und im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens des Art. 267 AEUV können Handlungen des Rates auf den Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs kommen. Wenn ein Streitfall die Rechtmäßigkeit einer Handlung des Rates aufwirft, kann sogar ein nationales Gericht, auch das Bundesverfassungsgericht, diese prüfen und kann oder muß, je nach Instanz, diese Rechtsfrage, wenn sie noch nicht durch den Gerichtshof geklärt ist, zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorlegen. Das kann auch in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren geboten sein, wenn der Senat die Befugnisüberschreitung nicht als offensichtlich und als eine gewichtige Kompetenzverschiebung erkennt. Das ist sie allerdings.

Eine Klage des Beschwerdeführers nach Art. 263 Abs. 4 AEUV aber kommt nicht in Betracht, weil die Handlungen des Rates nicht „an ihn gerichtet“ sind und ihn auch nicht „unmittelbar und individuell betreffen“. Diese Kriterien praktiziert die Unionsjudikatur eng. An den Beschwerdeführer als solchen ist der Beschluß des Rates über das CETA nicht gerichtet. Es ist insbesondere keine Verfügung. Die Maßnahme betrifft den Beschwerdeführer auch nicht „unmittelbar und individuell“. Darüber hinaus hat sie Wirkung für die gesamte Bevölkerung der Euro-Staaten und weiterhin für alle Menschen in der Union und sogar der Globalität der Wirtschaft insgesamt für alle Welt.

In dieser Rechtsschutzlage hat der Beschwerdeführer darum das Recht gegen Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, die einzig verbleibende Rechtsschutzmöglichkeit zu nutzen, die darin besteht, daß der Bundesregierung untersagt wird, im Rat durch das zuständige Regierungsmitglied dem Beschluß der Annahme des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada und dem der vorläufigen Anwendbarkeit des CETA zuzustimmen oder, wenn das Abkommen der Zustimmung Deutschlands nach Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts nicht bedarf, die Bundesregierung zu verpflichten, das Abkommen und dessen vorläufige Anwendung zu verhindern. Die Zustimmung ist ein deutscher Rechtsakt, der nicht nur dem Recht Deutschlands verpflichtet ist, sondern auch der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Nichts anders gilt rechtsdogmatisch für das Unterlassen der Bundesregierung, das Abkommen der Union mit Kanada zu verhindern, weil das pflichtwidrig ist.

Anders kann der Beschwerdeführer der Verletzung seiner Rechte auf Demokratie, politische Freiheit und Eigentumsgewährleistung nicht entgegenwirken, und seine Freiheit und Souveränität nicht verteidigen. Wegen der Rechtsschutzgarantie des Rechtsstaates, materialisiert in Art. 19 Abs. 4 GG, müssen die Bürger und damit der Beschwerdeführer ihre Rechte, zumal ihre Grundrechte zur Geltung bringen können. Die Beeinträchtigung der genannten Grundrechte ist zu A bis E dargelegt.

Die Bundesregierung unterläßt entgegen ihrer Pflicht, die Bürger in deren Rechten zu schützen, wie das in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG steht, dem fundamentalen Würdeprinzip, aus dem auch das Recht des Bürgers auf demokratische Teilhabe folgt (BVerfGE 123, 267 (341); Urteil vom 7. September 2011, Rn. 101), indem sie die Abstimmung im Rat nicht zu verhindern versucht und sogar gewillt ist, dem CETA und dessen vorläufige Inkraftsetzung zuzustimmen.

Außerdem folgt die Pflicht der Bundesregierung, das demokratische Prinzip, aber auch das soziale Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip sowie das freiheitliche Souveränitätsprinzip als Prinzipien des Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu schützen, auch aus dem Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG, dem den Bürgern und den Beschwerdeführern ein grundrechtsgleiches Recht auf den Schutz der Verfassungsidentität als „dieser Ordnung“ als „andere Abhilfe“ erwächst.

H

Frist und Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde

1. Die Rechtzeitigkeit der Verfassungsbeschwerde ist ausweislich des § 93 Abs. 3 BVerfGG fraglos.

2. Der jetzige Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde ist nicht zu rügen, weil die Intransparenz der Vorgehensweise der Kommission und das Rates eine andere Art, den Grundrechtschutz des Beschwerdeführers zu suchen, nicht zuläßt. Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada soll baldmöglichst in Kraft gesetzt werden, möglichst in vorläufiger Anwendung. Wenn das nicht am 5. Juli 2016 durch Beschluß des Rates geschieht, dann baldmöglichst in der darauffolgenden Zeit. Dem Beschwerdeführer bleibt keine andere Wahl, als jetzt die Verfassungsbeschwerde einzulegen und den Anträge auf einstweilige Anordnung zu stellen, durch die der Bundesregierung untersagt wird, durch den zuständigen Bundesminister dem Abkommen oder dessen vorläufiger Anwendung zuzustimmen. Er kann nicht darauf warten, daß in der Öffentlichkeit oder auch nur im Europäischen Parlament transparent gemacht wird, in welcher Sitzung der Rat den maßgeblichen Beschluß treffen wird. Möglicherweise wird das überhaupt nicht bekanntgegeben. Schon weil die Erörterung der Vorgehensweise zur Inkraftsetzung des CETA auf der Tagesordnung der Ratssitzung vom 5. Juli 2016 steht, ist es ohne weiteres möglich, daß der Rat sich entschließt, die vorläufige Anwendung zu beschließen. Die Tagesordnung kann auch kurzfristig ergänzt werden. In Art. 3 Paragraph 4 der Geschäftsordnung des Rates auf Grund des Beschlusses des Rates vom 22. März 2004 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung steht zwar:

„ (1) Unter Berücksichtigung des Jahresprogramms des Rates stellt der Präsident die vorläufige Tagesordnung jeder Tagung auf. Diese wird den anderen Ratsmitgliedern und der Kommission spätestens 14 Tage vor Beginn der Tagung übersandt.

(2) Die vorläufige Tagesordnung enthält die Punkte, für die der Aufnahmeantrag eines Ratsmitglieds oder der Kommission und gegebenenfalls die hierauf bezüglichen Unterlagen dem Generalsekretariat spätestens 16 Tage vor Beginn der betreffenden Tagung zugegangen sind. In der vorläufigen Tagesordnung ist ferner durch ein Sternchen vermerkt, über welche Punkte der Vorsitz, ein Ratsmitglied oder die Kommission eine Abstimmung verlangen können. Solch ein Vermerk erfolgt, wenn alle Verfahrensvorschriften der Verträge erfüllt sind.

(4) In die vorläufige Tagesordnung können nur die Punkte aufgenommen werden, für welche die Unterlagen den Ratsmitgliedern und der Kommission spätestens am Tag der Übersendung dieser Tagesordnung übermittelt werden“.

Aber in Paragraph 7 heißt es:

„(7) Der Rat setzt die Tagesordnung zu Beginn jeder Tagung fest. Für die Aufnahme von Punkten, die nicht auf der vorläufigen Tagesordnung stehen, ist Einstimmigkeit im Rat erforderlich. Zu den dieserart aufgenommenen Punkten kann eine Abstimmung erfolgen, wenn alle Verfahrensvorschriften der Verträge erfüllt sind“.

Ob „alle Verfahrensvorschriften der Verträge erfüllt sind“ entscheidet der Rat selbst. Folglich kann der Rat noch am 5. Juli 2016 entscheiden, über die vorläufige Anwendung des CETA zu beschließen. Es liegt nahe, daß er so vorgehen wird, weil der internationale Druck, das Abkommen schnellstens in Kraft zu setzen, groß ist, auch aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Nur wenn jetzt die Verfassungsbeschwerde erhoben wird, hat auch das Bundesverfassungsgericht genügend Zeit, über den Antrag auf einstweilige Anordnung zu befinden und der Bundesregierung die Zustimmung jedenfalls zur vorläufigen Anwendung des Abkommens zu untersagen, bis die Rechtlage verbindlich geklärt ist.

Wenn der Rat die vorläufige Anwendung des Abkommens beschlossen hat, ist wirksamer Rechtsschutz gegen das Abkommen nicht mehr möglich. Ein nachträglicher Rechtsschutz durch Verfassungsbeschwerde würde ins Leere gehen, weil durch den Beschluß des Rates das Abkommen völkerrechtlich verbindlich vorläufig angewandt werden könnte wäre. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zustimmung der Bundesregierung zu dem Abkommen würde an der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Beschlusses nichts ändern. Im übrigen würde ein nachträgliches Rechtsklärungsverfahren viele Jahre in Anspruch nehmen, weil auch der Europäische Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren einbezogen werden müßte, soweit es um die Auslegung des Unionsrechts geht, wie in diesem Rechtsstreit weitestgehend. Das Abkommen würde gegebenfalls jahrelang praktiziert werden. Der Beschwerdeführer stünde einem Fait accompli gegenüber, das nicht wieder gutzumachen wäre, wie rechtswidrig das CETA und dessen Vereinbarung durch die Europäische Union auch immer sein mögen. Die Intransparenz der Beschlußtermine steht somit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers mit den Anträgen, die er stellt und zu stellen genötigt ist, nicht entgegen. Sonst hätte Deutschland aufgegeben, ein Verfassungs- und Rechtsstaat zu sein.

Teil 3

Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

A

Grundrechtsverletzungen durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß von Handelsabkommen, insbesondere das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Canada, CETA

Die Europäische Union ist für die Aushandlung und den Abschluß des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada mit dem Vertragsinhalt von CETA nicht zuständig.

I

Problem der Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß von Handelsabkommen

1. Äußerung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Lissabon- Urteil (BVerfGE 123, 267 ff.) zur Handelspolitik der Europäischen Union geäußert und im Vertrag von Lissabon, der diese neu geregelt hat, keine Verletzung oder Gefährdung der Souveränität Deutschlands erkannt. Es heißt zu den Randnummern 371 bis 381:

371) „cc) Der Vertrag von Lissabon ändert ferner die Bestimmungen über die Gemeinsame Handelspolitik. Dies betrifft insbesondere ausländische Direktinvestitionen sowie den Handel mit Dienstleistungen und die Handelsaspekte des geistigen Eigentums (Art. 207 Abs. 1 AEUV)“.

372) „Die Gemeinsame Handelspolitik, das heißt die handelspolitische weltweite Außenvertretung des Binnenmarktes, zählt bereits nach geltendem Gemeinschaftsrecht zum ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaft (EuGH, Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, I-5267 Rn. 22 ff.). Dies schließt bislang allerdings nicht die ausländischen Direktinvestitionen, den Handel mit Dienstleistungen und die Handelsaspekte des geistigen Eigentums ein. Für die Direktinvestitionen besitzt die Europäische Gemeinschaft bislang keine und für den Handel mit Dienstleitungen und für die Handelsaspekte des geistigen Eigentums nur eine konkurrierende Zuständigkeit (Art. 133 Abs. 5 EGV). Dies soll sich mit dem Vertrag von Lissabon ändern. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e) AEUV in Verbindung mit Art. 207 Abs. 1 AEUV soll künftig die Europäische Union für die Gemeinsame Handelspolitik unter Einschluss der genannten Bereiche ausschließlich zuständig sein“.

373) „(1) Der ausschließlichen Zuständigkeit der Union unterfallen danach unter anderem Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) wie das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und das Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS). Damit entfällt die Grundlage für die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, nach der wegen der insoweit bislang gemischten Zuständigkeit das Übereinkommen über die Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Übereinkommen) vom 15. April 1994 (ABl 1994 Nr. L 336/3) als sogenanntes gemischtes Abkommen sowohl von der Europäischen Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten zu schließen und zu ratifizieren war (vgl. EuGH, Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, S. I-5267 Rn. 98 und 105; zum Status eines völkerrechtlichen Vertrags als gemischtes Abkommen vgl. auch EuGH, Gutachten 1/78 vom 4. Oktober 1979, Slg. 1979, S. 2871 Rn. 2; EuGH, Gutachten 2/91 vom 19. März 1993, Slg. 1993, S. I-1061 Rn. 13 und 39)“.

374) „Für den Abschluss und die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik, einschließlich solcher zu den in Art. 207 Abs. 1 AEUV neu aufgenommenen Bereichen, soll danach künftig ausschließlich die Union zuständig sein; die Notwendigkeit und die Möglichkeit des Vertragsschlusses (auch) durch die Mitgliedstaaten und die damit verbundene Beteiligung der mitgliedstaatlichen Parlamente gemäß deren verfassungsrechtlichen Vorschriften (Art. 59 Abs. 2 GG) entfällt. Die Rolle des Europäischen Parlaments, das nach den derzeit geltenden Bestimmungen beim Abschluss von Verträgen im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik nicht einmal angehört werden muss, wird demgegenüber gestärkt. Ein Rahmen für die Umsetzung der Gemeinsamen Handelspolitik wird gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV durch Verordnung im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gesetzt. Vertragsschlüssen muss das Europäische Parlament nach Maßgabe des Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 Buchstabe a Nr. v AEUV zustimmen (vgl. zum noch ungeklärten Umfang der Zustimmungsbedürftigkeit Krajewski, Das institutionelle Gleichgewicht in den auswärtigen Beziehungen, in: Herrmann/Krenzler/Streinz, Die Außenwirtschaftspolitik der Europäischen Union nach dem Verfassungsvertrag, 2006, S. 63 <69 ff.>)“.

375) „Mit der dargestellten ausschließlichen Kompetenz wächst der Union die alleinige Dispositionsbefugnis über internationale Handelsabkommen zu, von denen wesentliche Umgestaltungen der inneren Ordnung der Mitgliedstaaten ausgehen können. Die dargestellte Kompetenzverschiebung durch den Vertrag von Lissabon betrifft die Mitgliedstaaten über den Verlust der eigenen Kompetenz zum Abschluss internationaler Handelsabkommen – und die damit verbundene Ausschaltung der gesetzgeberischen Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat nach Art. 59 Abs. 2 GG – hinaus auch insofern, als die Mitgliedschaft der Mitgliedstaaten in der Welthandelsorganisation dadurch auf einen nur noch formellen Status reduziert werden könnte. Das Stimmrecht in den Organen der Welthandelsorganisation würde nur noch von der Europäischen Union ausgeübt werden können. Darüber hinaus würden die Mitgliedstaaten in den Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation ihre formelle Parteifähigkeit verlieren. Die Mitgliedstaaten würden zudem von den globalen Verhandlungen über neue oder geänderte Übereinkommen im Rahmen der erweiterten gemeinsamen Handelspolitik – den sogenannten Welthandelsrunden – ausgeschlossen (vgl. zu den Einzelheiten Tietje, Das Ende der parallelen Mitgliedschaft von EU und Mitgliedstaaten in der WTO?, in: Herrmann/Krenzler/Streinz, Die Außenwirtschaftspolitik der Europäischen Union nach dem Verfassungsvertrag, 2006, S. 161 <171 ff.>)“.

376) „Es kann offenbleiben, ob und inwieweit die Mitgliedschaft der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Welthandelsorganisation nicht mehr substantiell-materiell, sondern nur noch institutionell-formell bestehen würde. Jedenfalls kann der Vertrag von Lissabon die Mitgliedstaaten nicht zur Aufgabe ihres Mitgliedsstatus zwingen. Das gilt insbesondere für die Verhandlungen über multilaterale Handelsbeziehungen im Sinne des Art. III Abs. 2 WTO-Übereinkommen, deren möglicher zukünftiger Inhalt durch das Recht der Europäischen Union nicht bestimmt wird und für die sich daher in Zukunft – je nach dem Verlauf zukünftiger Handelsrunden – eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ergeben kann. Zu einer unzulässigen Einschränkung der vom Grundgesetz vorausgesetzten und geschützten Staatlichkeit und des Prinzips der Volkssouveränität durch einen Verlust der Handlungsfähigkeit in nicht unwesentlichen Teilbereichen des internationalen Staatenverkehrs kann es daher nicht kommen. Die Welthandelsorganisation ist weiterhin das zentrale Forum für den weltweiten Dialog über Handelsfragen und das Aushandeln entsprechender Handelsübereinkommen. Auch wenn die Mitgliedstaaten in der Praxis sich regelmäßig durch die Kommission vertreten lassen, ist ihre rechtliche und diplomatische Präsenz zudem die Voraussetzung dafür, am Diskurs über gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitische Grundfragen teilzunehmen und die Argumente und die Ergebnisse dann auf nationaler Ebene verständlich zu machen und zu debattieren. Wenn die Bundesregierung den Deutschen Bundestag und den Bundesrat über die Themen der Welthandelsrunden und die vom Rat festgelegten Verhandlungsrichtlinien (Art. 218 Abs. 2 AEUV) unterrichtet und ihm dadurch die Prüfung der Einhaltung des Integrationsprogramms durch die Europäische Union und die Kontrolle der Tätigkeit der Bundesregierung ermöglicht, handelt es sich nicht nur um die selbstverständliche Wahrnehmung ihrer allgemeinen Informationsaufgabe (vgl. BVerfGE 57, 1 <5>; 70, 324 <355>; 105, 279 <301 ff.>; 110, 199 <215>); sie ist hierzu angesichts der gemeinsamen Integrationsverantwortung und der gewaltenteilenden Aufgabendifferenzierung unter den Verfassungsorganen auch verfassungsrechtlich verpflichtet“.

377) „Die Vorstellung eines allmählichen Zurücktretens der Rechtssubjektivität der Mitgliedstaaten in den auswärtigen Beziehungen zugunsten einer immer deutlicher staatsanalog auftretenden Europäischen Union entspricht auch keineswegs einem voraussehbaren und durch den Vertrag von Lissabon unumkehrbar gemachten Trend im Sinne einer jedenfalls faktisch notwendigen Bundesstaatsbildung. Die bislang vollzogene Entwicklung einer kooperativ gemischten und parallel wahrgenommenen Mitgliedschaft könnte im Gegenteil sogar ein Modell für andere internationale Organisationen und für andere Staatenverbindungen sein. Sofern jedoch auf der Grundlage des insofern entwicklungsoffenen Vertrags von Lissabon die staatsanaloge Entwicklung der Europäischen Union fortgesetzt würde, geriete dies in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Grundlagen. Ein solcher Schritt ist aber mit dem Vertrag von Lissabon nicht gemacht“.

378) „(2) Auf einer anderen rechtlichen Grundlage ist der Rahmen für ausländische Direktinvestitionen zu beurteilen. Der völkerrechtliche Investitionsschutz ist eine eigenständige Kategorie des internationalen Rechts, für den der welthandelsrechtliche Kontext nur am Rande von Bedeutung ist (vgl. das Abkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen, ABl 1994 Nr. L 336/100). In der institutionellen Eigenständigkeit spiegeln sich die Meinungsverschiedenheiten über den Eigentumsschutz auf internationaler Ebene wider (vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, 2008, S. 11 ff.). Über die sozial- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Freiheitsgrundrechts auf Eigentum bestanden über Jahrzehnte weitreichende ideologisch motivierte Gegensätze (vgl. BVerfGE 84, 90 ff.; 94, 12 ff.; 112, 1 ff.)“.

379) „Zahlreiche Staaten haben auf bilateraler Ebene völkerrechtliche Verträge geschlossen, die den Eigentumsschutz des Auslandsvermögens zum Gegenstand haben. Dieses Auslandsvermögen, das für die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 5.004 Milliarden Euro betrug (Bundesbank, Das deutsche Auslandsvermögen seit Beginn der Währungsunion: Entwicklung und Struktur, Monatsbericht 10.2008, S. 19 ), fällt weit überwiegend in den Anwendungsbereich von derzeit 126 in Kraft getretenen bilateralen Investitionsschutzverträgen (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Übersicht über die bilateralen Investitionsförderungs- und -schutzverträge der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 27. Mai 2009). Weltweit bestanden Ende des Jahres 2007 insgesamt 2.608 bilaterale Investitionsschutzverträge (vgl. UNCTAD, World Investment Report 2008, Transnational Corporations, and the Infrastructure Challenge, S. 14)“.

380) „Mit der Erweiterung der gemeinsamen Handelspolitik auf „ausländische Direktinvestitionen“ (Art. 207 Abs. 1 AEUV), wird der Europäischen Union auch für diesen Bereich eine ausschließliche Kompetenz zugewiesen. Allerdings spricht vieles dafür, dass der Begriff „ausländische Direktinvestitionen“ nur diejenigen Investitionen umfasst, die dem Kontrollerwerb eines Unternehmens dienen (vgl. Tietje, Die Außenwirtschaftsverfassung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, 2009, S. 15 f.). Dies hätte zur Folge, dass die ausschließliche Kompetenz nur für Investitionen dieses Typs besteht, während darüber hinausgehende Investitionsschutzverträge als gemischte Abkommen geschlossen werden müssten“.

381) „Der rechtliche Fortbestand der bereits geschlossenen Verträge ist nicht gefährdet. Völkerrechtliche Verträge der Mitgliedstaaten, die vor dem 1. Januar 1958 geschlossen wurden, bleiben vom Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft grundsätzlich unberührt (Art. 307 Abs. 1 EGV; Art. 351 Abs. 1 AEUV). Diese Regelung ist zwar vielfach nicht unmittelbar anwendbar, weil bilaterale Investitionsschutzverträge regelmäßig jüngeren Datums sind, allerdings ist der Vorschrift der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass ein rechtstatsächlicher Zustand in den Mitgliedstaaten durch einen späteren Integrationsschritt grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird (vgl. Bernhardt, Die Europäische Gemeinschaft als neuer Rechtsträger im Geflecht der traditionellen zwischenstaatlichen Beziehungen, EuR 1983, S. 199 <205>; Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 307 EGV Rn. 5). Mit Blick auf die gemischte Zuständigkeit in Investitionsfragen sind die bestehenden Investitionsschutzverträge der Mitgliedstaaten seitens der Europäischen Union zu genehmigen (vgl. Entscheidung des Rates 2001/855/EG vom 15. November 2001 zur Genehmigung der stillschweigenden Verlängerung oder der Aufrechterhaltung derjenigen Bestimmungen von Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträgen sowie Handelsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern, deren Gegenstand unter die gemeinsame Handelspolitik fällt, ABl Nr. L 320/13). Dies entspricht der derzeit – ausdrücklich erklärten oder stillschweigend geübten – Praxis in Bezug auf die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge der Mitgliedstaaten“.

2. Kritik der Äußerung des Bundesverfassungsgerichts

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts überzeugen nicht. Das Gericht stellt fest, daß „die Gemeinsame Handelspolitik, das heißt die handelspolitische weltweite Außenvertretung des Binnenmarktes, bereits nach geltendem Gemeinschaftsrecht zum ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaft zählt“. Es stützt diese Feststellung auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs. Diese war jedoch vertragswidrig ultra vires. Die Vertragsverletzung war evident und hat die Strukturen der Zuständigkeitsordnung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten substantiell verändert. Erst durch den Vertrag von Lissabon ist die „gemeinsame Handelspolitik“ der ausschließlichen Zuständigkeit der Union übertragen worden. Aus den früheren Verträgen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union ließ sich weder eine Zuständigkeit der Europäischen Union und schon gar nicht deren ausschließliche Zuständigkeit für die Aushandlung und den Abschluß von Handelsverträgen wie das CETA herleiten. Jetzt mißachtet eine Zuständigkeit der Europäischen Union für das CETA die Souveränität der Mitgliedstaaten der Union, insbesondere die Deutschlands, aber auch das demokratische Prinzip, soweit dieses zur Identität der Verfassung der Deutschen, des Grundgesetzes, gehört und nicht zur Disposition der Politik der Staatsorgane steht.

Für die „gemeinsame Handelspolitik“ weist Art. 3 Absatz 1 lit e AEUV der Union die ausschließliche Zuständigkeit zu. Der Gegenstand der gemeinsamen Handelspolitik muß unter Beachtung der Souveränität der Völker aus dem Vertrag im übrigen bestimmt werden. Nicht all und jede Politik kann der gemeinsamen Handelspolitik zugeordnet werden. Verträge mit fremden Staaten könnten derart umfassend die Politik der Mitgliedstaaten determinieren, daß die Souveränität der Mitgliedstaaten und auch das Zuständigkeitsgefüge der Europäischen Union unterlaufen wären. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die mitgliedstaatliche Souveränität gebieten ein restriktives Verständnis der Zuständigkeit der Union für „gemeinsame Handelspolitik“. So können die Strukturen der politischen Willensbildung eines Volkes und die Organisation des Staates nicht Gegenstand der Handelspolitik sein.

Fraglos gehören die „einheitlichen Grundsätze“ der „gemeinsamen Handelspolitik“, die Art. 207 Absatz 1 AEUV regelt, zur „gemeinsamen Handelspolitik“. Die ausschließliche Zuständigkeit für diese gemeinsamen Grundsätze ergibt sich in der Tat aus der Natur der Sache. Kein einzelner Mitgliedstaat der Union kann die gemeinsamen Grundsätze für die Gemeinschaft festlegen. Das wären dann Grundsätze für alle Mitgliedstaaten, aber keine gemeinsamen Grundsätze derselben. Es ist auch sachgerecht, einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik festzulegen, weil die Europäischen Union einen Binnenmarkt geschaffen hat, für den ein in den Grundsätzen abgestimmte Handelspolitik hilfreich ist. Auch diese einheitlichen Grundsätze müssen freilich die Souveränität der Mitgliedstaaten, die Identität des Verfassungsgesetzes und das demokratische Prinzip deren Staatsordnung achten.

Der Gegenstand der Grundsätze ist in Art. 207 Absatz 1 S. 1 AEUV geregelt. Nicht jede Politik gehört dazu, sondern trotz des Wortes „insbesondere“ im Wesentlichen nur die, die der Satz explizit benennt oder die im sachlichen Zusammenhang mit diesen Politiken stehen. Es müssen Handelspolitiken sein, wie sie sich aus der handelspolitischen Praxis ergeben, die freilich auch weiterentwickelt werden kann. Das gebieten wiederum das demokratisch gebotene Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Souveränität der mitgliedstaatlichen Völker.

Über die Festlegung der gemeinsamen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik und eine gewisse Mitwirkung an der Aushandlung der Handelsverträge der Mitgliedstaaten geht die Zuständigkeit der Europäischen Union nach der Rechtslage jedoch nicht hinaus.

3. Judikatur des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof hat für die Europäische Union seit der AETR- Judikatur eine ausschließliche Zuständigkeit für die Handelspolitik in Anspruch genommen[27]. Auf diese Judikatur stützt das Bundesverfassungsgericht sein Verständnis der Regelung der gemeinsamen Handelspolitik im Vertrag von Lissabon, die es mit der Souveränität Deutschlands, der Identität des Grundgesetzes und mit dem demokratischen Prinzip für vereinbar hält. Die Akzeptanz der AETR-Judikatur erscheint für die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts tragend zu sein. Die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs war jedoch von vornherein unbegründet, evident vertragswidrig und ultra vires und hat die Zuständigkeitsordnung der Union und der Mitgliedstaaten strukturell verändert. Sie hat kein Gewohnheitsrecht der Union begründet. Sie war nicht nur stets streitig, sondern hat auch zu einschränkenden Korrekturen der Vertragspartner geführt. Auf die AETR-Judikatur läßt sich eine ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union für die Handelspolitik außer der für die einheitlichen Grundsätze, die aus den Verträgen folgte und folgt, nicht herleiten. Trotz seiner Regelungsversuche hat auch der Vertrag von Lissabon eine Zuständigkeit der Union für die Handelspolitik nicht zu begründen vermocht, außer eben der für die einheitlichen Grundsätze.

4. Vertragsgeschichte der Zuständigkeit für die Handelspolitik

Im Folgenden wird die Vertragsgeschichte der Zuständigkeit für die Handelspolitik der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union dargelegt, um das Argument des Bundesverfassungsgerichts zu entkräften, daß die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs der Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages von Lissabon entsprach. Dieses Argument impliziert nämlich, daß der Vertrag von Lissabon keine wesentlichen Entwicklung der gemeinsamen Handelspolitik gebracht hat und damit nicht viel mehr als den Stand der Dinge, den acquis communautaire (abgesehen von der Änderung der Zuständigkeit für den Bereich der bisherigen gemischten Zuständigkeit) in den Text des Vertrages geschrieben hat.

a) Der Europäische Gerichtshof hat die ausschließliche Zuständigkeit in ständiger Rechtsprechung auf Art. 133 EGV gestützt und diese integrationistisch mit einem Postulat, nämlich dem, daß die handelspolitischen Außenbefugnisse mit den Innenbefugnissen im Gemeinsamen Markt, insbesondere dem Binnenmarkt, übereinstimmen müßten, damit die Handelspolitik einheitlich und störungsfrei betrieben werden könne, begründet[28]. Diese Judikatur war und ist reine Usurpation von Macht, die mit dem fragwürdigsten aller Argumente, „der Natur der Sache“[29], zu begründen versucht wurde. Um eine textabhängige Erkenntnis der Zuständigkeitsordnung in der gemeinsamen Handelspolitik hat sich der Gerichtshof nicht einmal bemüht. Der Fehlgriff des Europäischen Gerichtshofs hat ihn genötigt, seinen Griff zur Macht zu lockern, also die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft gegenständlich zu relativieren[30]. Insbesondere mußte für die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft (nicht die externe als solche[31]) die interne Zuständigkeit tatsächlich von der Gemeinschaft ausgeübt sein[32]. Dienstleistungen, die im Rahmen des GATS als „Auslandserbringung“, „gewerbliche Niederlassung“ und „Niederlassung natürlicher Personen“ bezeichnet werden, sollten nicht unter die gemeinsame Handelspolitik fallen[33]. Ähnlich hat der Gerichtshof den Begriff der gemeinsamen Handelspolitik für das TRIPS restriktiv an der Nähe zum Warenhandel orientiert[34]. Schlimmer noch, die Mitgliedstaaten als die „Herren der Verträge[35] haben bei jeder Vertragsänderung seit dem Maastricht-Vertrag den Vertragstext des Art. 133 EGV wesentlich verändert und zu verändern müssen gemeint, um die verfehlte Judikatur des Gerichtshofs zu korrigieren. Das hat freilich nicht zur Klarheit der Kompetenzlage beigetragen. Der Vertrag von Lissabon will in Art. 207 Abs. 3 und 4 AEUV wieder ein wenig mehr Klarheit über die Befugnis des Rates, Abkommen mit dritten Ländern oder internationalen Organisationen zu schließen, schaffen, die bis zum Vertrag von Maastricht durch Art. 114 EWGV bestand, abgesehen von der gewichtigen Frage, ob die Abkommen auf „einheitliche Grundsätze“ der gemeinsamen Handelspolitik im Sinne des Art. 113 Abs. 1 EWGV bzw. 207 Abs. 1 S. 1 AEUV beschränkt sind; denn die ausschließliche Zuständigkeit der Union nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV für die gemeinsame Handelspolitik wird in Art. 206 f. AEUV materialisiert, so daß der „Umfang der Zuständigkeit der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung“ sich aus dieser Regelung ergeben (Art. 2 Abs. 6 AEUV).

b) Art. 131 Abs. 1 EGV sprach gegen eine Befugnis der Gemeinschaft, handelspolitische Abkommen zu schließen. Er enthielt eine Absichtserklärung der Mitgliedstaaten, „durch die Schaffung einer Zollunion“ „im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen“. Diese Vereinbarung begründete die Bereitschaft, allenfalls die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine derartige Politik zu unterstützen, deren Grundlage die Zollunion gemäß Art. 25 ff. EGV ist. Die Akteure der gemeinsamen Handelspolitik sollten nach dem klaren Wortlaut des Art. 131 EGV die Mitgliedstaaten sein, nicht die Gemeinschaft, wie das praktiziert und fast ausschließlich gelehrt wird[36]. Der Gemeinschaftsvertrag pflegte die Akteure der verschiedenen Politiken zu benennen, etwa Art. 125 EGV im Bereich der Beschäftigungspolitik die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft, Art. 126 EGV die Mitgliedstaaten, Art. 127 die Gemeinschaft, Art. 136 Abs. 1 und 2 EGV für die Sozialpolitik die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten, Art. 137 EGV für die Zusammenarbeit in sozialen Fragen die Gemeinschaft, Art. 157 Abs. 1 EGV für die Industriepolitik die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten, Absatz 2 die Mitgliedstaaten und Absatz 3 die Gemeinschaft, usw. Die jeweils befugten Akteure bestimmten sich und bestimmen sich nach dem Gegenstand der Politik und dem Gegenstand der Ermächtigungen.

c) Die Zuständigkeitsteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, aber auch die Organisation der Gemeinschaftsbefugnisse für die gemeinsame Handelspolitik traf Art. 133 EGV, der durch Art. 300 EGV, der allgemeinen Regelung des „Abschlusses von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen“, ergänzt wurde. Art. 133 EGV hat im Laufe der Vertragsgeschichte immer wieder mehr oder weniger weitgehende, aber auch tiefgreifende Änderungen erfahren. Art. 113 EWGV enthielt die ersten vier Absätze des Art. 133 EGV, die um Satz 2 der Unterabsatzes 1 des Absatzes 3, wonach „es Sache des Rates und der Kommission“ war, „dafür zu sorgen, daß die ausgehandelten Abkommen mit den internen Politiken und Vorschriften der Gemeinschaft vereinbar“ waren, aber auch um Unterabsatz 3 des Absatzes 3, wonach „die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 Anwendung finden“, ergänzt worden sind. Allerdings kannte der Vertrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Art. 114, welcher dem Rat die Befugnis gab, die „in Art. 113 vorgesehenen Abkommen“ „im Namen der Gemeinschaft“ zu schließen, „während der beiden ersten Stufen einstimmig, danach mit qualifizierter Mehrheit“. Diese Vertragsbestimmung ist durch die Novellierung des Vertragswerks im Vertrag von Maastricht entfallen. Dafür hat der Vertrag von Maastricht die genannte Regelung des Art. 133 Abs. 3 UAbs. 3 (der damals auf Art. 228, dann Art. 300, verwiesen hat) aufgenommen. Nach einer Ermächtigung der Gemeinschaft durch einen neuen Absatz 5 des Art. 133 EGV, „die Anwendung der Absätze 1 bis 4 auf internationale Verhandlungen und Übereinkünfte über Dienstleistungen und Rechte des geistigen Eigentums auszudehnen, soweit sie durch diese Absätze nicht erfaßt sind“, im Vertrag von Amsterdam, sind durch den Vertrag von Nizza dem Art. 133 die Absätze 5 und 6 mit insgesamt sieben Unterabsätzen hinzugefügt worden. Der Absatz 7 ist der diesen Änderungen angepaßte (reduzierte) Absatz 5 des Vertrages von Amsterdam.

Der Vertrag von Lissabon regelt wie schon der Verfassungsvertrag (Art. III-315) die Nachfolgebestimmungen in Art. 207 AEUV erneut anders, enthält in Absatz 4 Unterabsatz 1 aber die Regelung, daß „über die Aushandlung und den Abschluß der in Absatz 3 genannten Abkommen der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließt“. Auch Absatz 3 handelt schon vom Aushandeln und Beschließen von Abkommen.

d) Art. 133 Abs. 1 EGV stand einer Befugnis der Gemeinschaft, jedwedes Handelsabkommen auch nur im Bereich des Warenhandels zu schließen, entgegen. Diese grundlegende Vereinbarung der gemeinsamen Handelspolitik lautete:

„Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet; dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, den Abschluß von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen“.

„Einheitliche Grundsätze“ der gemeinsamen Handelspolitik sind nicht die vielen Regelungen, welche in Handelsabkommen geschlossen werden, sondern eben nur die Grundsätze, nach denen die Handelspolitik gestaltet wird, etwa die Grundsätze des General Agreement of Tariffs and Trade (GATT), wie der Grundsatz der Meistbegünstigung und der Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Man kann auch von Prinzipien sprechen, wie der englische und der französische Text des Gemeinschaftsvertrages (principal bzw. principe). Das primäre Unionsrecht kannte (und kennt) an verschiedenen Stellen den Begriff des Grundsatzes, etwa in Art. 6 Abs. 1 EUV, die „Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie der Rechtsstaatlichkeit“, „Grundsätze“, die alle Mitgliedstaaten gemeinsam sind, in Art. 13 Abs. 1 EUV, wonach der „Europäische Rat die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik … bestimmt“, in Art. 4 Abs. 1 und 2 EGV und Art. 98 EGV und Art. 105 Abs. 1 EGV den “Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, in Art. 4 Abs. 3 EGV die „richtungsweisenden Grundsätze“: „stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz“, in Art. 71 Abs. 2 EGV „die Grundsätze der Verkehrsordnung …“, Art. 98 EGV und Art. 105 EGV sprechen von den „in Artikel 4 genannten Grundsätzen“ usw. Der Begriff Grundsatz ist jeweils mit Bedacht gewählt und zielt nicht auf Einzelregelungen. Grundsätze sind wie Prinzipien durch weitere Regelungen zu materialisieren. Sie müssen dabei mit anderen Grundsätzen oder Prinzipien durch Abwägung zum Ausgleich gebracht werden[37]. Es kann Abkommen mit dritten Ländern oder anderen Organisationen über Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik geben, ohne daß diese Grundsätze Einzelregelungen treffen, wie das das GATT zeigt. Der substantielle Aspekt des Art. 133 Abs. 1 EGV war (und der des Art. 207 Abs. 1 AEUV ist es), daß die Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik „einheitlich“ sein sollen, wie das für eine Wirtschaftsgemeinschaft, welche sich zur gemeinsamen Handelspolitik verpflichtet, nicht anders sein kann, weil sonst die Handelspolitik keine gemeinsame Handelspolitik wäre. Es versteht sich, daß die „einheitlichen Grundsätze“ „gemeinsamer Handelspolitik“ gemeinsam festgelegt werden müssen. Die Befugnis, diese einheitlichen Grundsätze festzulegen, können nur alle Mitgliedstaaten gemeinsam haben. Dafür haben sie die Gemeinschaft gebildet. Also ist es naheliegend, daß Gemeinschaftsorgane diese Befugnis haben, obwohl der Vertrag auch andere Formen gemeinschaftlichen Handelns kennt, wie das gegenseitige Einvernehmen der Regierungen der Mitgliedstaaten. Demgemäß beschloß der Rat nach Art. 133 Abs. 4 EGV mit qualifizierter Mehrheit aufgrund der Vorschläge der Kommission nach Art. 133 Abs. 2 EGV über die „einheitlichen Grundsätze“ der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 133 Abs. 1 EGV. „Die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik“ nach Art. 133 Abs. 2 EGV kann nur die Umsetzung der einheitlichen Grundsätze für die in Absatz 1 des Art. 133 EGV aufgezählten Handlungsbereiche der gemeinsamen Handelspolitik sein, weil andere Befugnisse den Text in seiner Fassung bis zum Nizza-Vertrag nicht zu entnehmen waren, wenn auch einzuräumen ist, daß „Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik“ auch Einzelregelungen meinen kann. Dann hätte sich allerdings ein Widerspruch zwischen den Absätzen 1 und 2 des Art. 133 EGV ergeben, weil die wortreiche Vereinbarung des Absatzes 1 überflüssig wäre, wenn die Gemeinschaft zu jedweder gemeinsamer Handelspolitik aufgrund des Begriffs der Durchführung desselben befugt gewesen wäre. Das entsprach keinesfalls der handelspolitischen Lage der Mitgliedstaaten, als 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde. Aber die Regelung des Art. 133 Abs. 2 EGV stand bereits im Art. 113 EWGV. Allerdings hat Art. 114 EWGV dem Rat die Befugnis gegeben, Abkommen im Namen der Gemeinschaft zu schließen, aber doch nur Abkommen, die in Art. 113 EWGV vorgesehen waren, also nur Abkommen, welche Grundsätze der Handelspolitik festlegen. Eine andere Interpretation war weder mit dem Wortlaut der Vorschriften damals und später vereinbar, noch mit der handelspolitischen Lage der damaligen Zeit und erst recht nicht mit demokratischen Legitimationsprinzipien, auf die noch einzugehen sein wird (zu k) oder mit der Souveränität der Mitgliedstaaten. Demgemäß wurde bis zu den Judikaten des Europäischen Gerichtshofs, die eine ausschließliche Befugnis, handelspolitische Abkommen über Waren und durchaus auch Dienstleistungen zu schließen, deklariert haben[38], Art. 113 EWG insbesondere von dem Richter des Europäischen Gerichtshofs Ulrich Everling interpretiert[39]. Der Begriff der Durchführung bezieht sich auf die Umsetzung einer Politik in der Gemeinschaft, also vor allem in den Mit­gliedstaaten, wie die Benutzung des Begriffs Durchführung in anderen Vorschriften des Vertrages zeigte, etwa in Art. 202 Teilstr. 3, wonach der Rat der Kommission die „Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erläßt“, übertragen konnte (vgl. auch Art. 211 Teilstr. 4 EGV). Durchführung ist vor allem der Verwaltungsvollzug, aber auch die einheitlichen Grundsätze müssen gegenüber den Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Abkommen mit dritten Staaten oder internationalen Organisationen auszuhandeln und abzuschließen umfaßt der Begriff der Durchführung nicht, auch schon deswegen nicht, weil die Aushandlung der Abkommen in Art. 113 Abs. 3 und der Abschluß der Abkommen in Art. 114 EWGV (seit dem Vertrag von Maastricht EGV), aber seit dem Vertrag von Nizza auch in Absatz 5 und Absatz 6 des Art. 133 EGV ihre Regelung gefunden hatten.

Einheitliche Grundsätze waren und sind auch für die Änderung von Zollsätzen, den Abschluß von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen gegen Dumping und Subventionen sinnvoll, nicht anders für die „Handelsaspekte des geistigen Eigentums, die ausländischen Direktinvestitionen, die in Art. 207 Abs. 1 AEUV dazugekommen sind. Die Aufzählung dieser Politiken ergab und ergibt keine Befugnis zum Abschluß von Handelsabkommen, welche diese Gegenstände im Einzelnen regelt. Vielmehr soll die Änderung von Zollsätzen usw. nach „einheitlichen Grundsätzen“ gestaltet werden. Wie gesagt, ist es der Natur der Sache nach ausschließlich Sache der Gemeinschaft, diese Grundsätze festzulegen.

Art. 133 EGV kannte in Absatz 6 UAbs. 2 S. 2 unter UAbs. 3 auch den Begriff der Aushandlung. Die Verhandlungen der Gemeinschaftsorgane können auch Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten sein, welche die Abkommen auszuhandeln und abzuschließen vorhaben. Dafür sprach auch der im Nizza-Vertrag eingeführte Satz 2 des Unterabsatzes 1 von Art. 133 Abs. 3 EGV, wonach Rat und Kommission dafür Sorge zu tragen hatten, daß die ausgehandelten Abkommen mit den internen Politiken und Vorschriften der Gemeinschaft vereinbar waren. Diese Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane zu nennen, hatte nur Sinn, wenn die Abkommen von den Mitgliedstaaten ausgehandelt wurden, so daß deren Vereinbarkeit mit den internen Politiken und den Vorschriften der Gemeinschaft Sorge machen kann. Die Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane auf das Gemeinschaftsrecht war selbstverständlich und bedurfte keiner eigenen Hervorhebung. Es ging in diesem Satz um eine Befugnis der Gemeinschaftsorgane gegenüber den Mitgliedstaaten bei deren Handelspolitik. Die genannte Sorgepflicht war auch erst mit dem Vertrag von Nizza in die Ordnung der gemeinsamen Handelspolitik aufgenommen worden, nachdem im Vertrag von Maastricht die Ermächtigung des Art. 114 EWGV, Abkommen zu schließen, aufgehoben war. Ohne Art. 114 EWGV bot Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV, vormals Art. 113 Abs. 1 bis 4 EWGV, kein tragfähiges Argument für eine andere Ordnung der Handelspolitik als die, daß die Mitgliedstaaten die Abkommen aushandeln und abschließen und die Gemeinschaft die einheitlichen Grundsätze bestimmt und durchführt, zumal die Mitgliedstaaten an Abkommen mit dritten Staaten gebunden waren, die aufzuheben oder auch nur zu ändern, die Gemeinschaft völkerrechtlich nicht befugt war. Das dürfte einer von mehreren Gründen gewesen sein, warum die Verträge über die Welthandelsorganisation und deren Unterverträge, insbesondere das GATT, sowohl von der Gemeinschaft als auch den Mitgliedstaaten geschlossen worden sind[40]. Der argumentative Kreis schließt sich: Nach Art. 133 Abs. 3 EGV hatte die Gemeinschaft keine Befugnis, Handelsabkommen zu schließen, nicht einmal diese auszuhandeln.

e) Art. 134 EGV gab ein starkes Argument für die Befugnis der Mitgliedstaaten, handelspolitische Abkommen auszuhandeln und zu schließen, ja darüber hinaus ein Argument gegen eine solche Befugnis der Gemeinschaft. Um nämlich

„sicherzustellen, daß die Durchführung der von den Mitgliedstaaten im Einklang mit diesem Vertrag getroffenen handelspolitischen Maßnahmen nicht durch Verlagerungen von Handelsströmen verändert wird, oder wenn Unterschiede zwischen diesen Maßnahmen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem oder mehreren Staaten führen, empfiehlt die Kommission die Methoden für die erforderliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten“. „Genügt dies nicht, so kann sie (die Kommission) die Mitgliedstaaten ermächtigen, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, deren Bedingungen und Einzelheiten sie festlegt“.

Die Mitgliedstaaten führten also die handelspolitischen Maßnahmen durch und müßten diese „im Einklang mit diesem Vertrag“ halten. Sie hatten (und haben) also die allgemeinen vertraglichen Verpflichtungen und darüber hinaus die Verpflichtung, die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 133 Abs. 1 EGV einzuhalten. Weil die Mitgliedstaaten die handelspolitischen Maßnahmen trafen, konnte es zu Unterschieden kommen, welche wirtschaftliche Schwierigkeiten in einem oder mehreren Staaten mit sich bringen. Die Kommission sollte dann die erforderliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten steuern. Notfalls konnte die Kommission die Mitgliedstaaten ermächtigen, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, also Schutzmaßnahmen, die von den einheitlichen Grundsätzen abweichen. Die Logik des Art. 134 Abs. 1 EGV war, daß den Mitgliedstaaten die Befugnis/Zuständigkeit zu handelspolitischen Maßnahmen bewahrt hatten[41], auch neben den Maßnahmen der Gemeinschaft, solange diese nach Art. 114 EWGV, also bis zum Maastricht-Vertrag, handelspolitische Abkommen schließen konnte. Art. 134 EGV war wortgleich mit Art. 115 EWGV. Lediglich der zweite Satzteil des Absatzes 3 von Art. 115 EWGV war weggefallen, der um ein Weiteres bestätigt hatte, daß die Mitgliedstaaten trotz des Art. 114 EWGV befugt waren, handelspolitische Maßnahmen zu treffen. Absatz 2 des Art. 134 EGV bestätigte das aus Absatz 1 dieses Artikels gefundene Ergebnis. Beide Absätze regeln eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mit­gliedstaaten und der Kommission und damit der Gemeinschaft, aber eben auf der Grundlage, daß die Mitgliedstaaten handelspolitische Maßnahmen treffen. Nachdem Art. 114 EWGV weggefallen war und die Gemeinschaft die Befugnis, handelspolitische Abkommen zu schließen eingebüßt hatte, hatte das Auswirkungen auf die Interpretation des Art. 134 EGV dahingehend, daß die Kommission zu Schutzmaßnahmen ermächtigen konnte, die in irgendeiner Weise von dem Gemeinschaftsvertrag abweichen, nicht etwa nur von handelspolitischen Rechtssätzen. Dem entsprechend war auch Satz 2 von Absatz 2 des Art. 134 EGV restriktiv zu interpretieren.

f) Bis zum Maastricht-Vertrag hatte Art. 114 EWGV dem Rat die Zuständigkeit zugewiesen „die in Artikel 111 Absatz 2 und in Artikel 113 vorgesehenen Abkommen … im Namen der Gemeinschaft“ zu schließen, und damit die Gemeinschaft die Befugnis zu diesen Abkommen. Art. 111 Absatz 2 EWGV, der Zollverhandlungen gegenüber dritten Ländern über den Gemeinsamen Zolltarif regelt, sprach nicht von Abkommen. Diese waren durch den Text des Art. 114 impliziert. Für die Gemeinsame Handelspolitik ergab Art. 114 EWGV die Befugnis der Gemeinschaft, Handelsabkommen zu schließen und dementsprechend gemäß Art. 113 Abs. 3 EWGV auch auszuhandeln und darüber zu verhandeln. Wegen Art. 113 Abs. 1 EWGV war die Gemeinschafsbefugnis entweder auf die Aushandlung und den Abschluß von Abkommen über einheitliche Grundsätze beschränkt oder sie ging darüber hinaus und umfaßte Abkommen mit Einzelregelungen, etwa von Zollsätzen, Import- und Exportkontingenten u.a. Mehr spricht für die zweite Alternative, weil zum einen Abkommen mit dritten Ländern nicht auf Handelsgrundsätze beschränkt zu sein pflegen und zum anderen die Abkommen in Art. 113 Abs. 3 EWGV nicht differenziert waren. Diese Alternative zwingt aber zu der Annahme, daß neben der Gemeinschaft auch die Mitgliedstaaten zur Aushandlung und zum Abschluß mit dritten Ländern zuständig blieben, weil sonst der erste Teilsatz des Absatzes 1 von Art. 113 EWGV sinnlos würde, nämlich die Verpflichtung zur gemeinsamen Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen. Freilich sind Abkommen allein über Grundsätze der Handelspolitik möglich, wie die wichtigsten Verträge der Welthandelsorganisa­tion, insbesondere das GATT, aber auch das GATS und das TRIPS, zeigen.

Wesentlich ist, daß Art. 114 EWGV im Maastricht-Vertrag aufgehoben worden ist. Damit war die Befugnis der Gemeinschaft, Abkommen der gemeinsamen Handelspolitik zu schließen, entfallen. Wie noch auszuführen ist (f), vermochte Art. 113 Abs. 3 UAbs. 3 EGV, später Art. 133 Abs. 3 UAbs. 3 EGV, die Abschlußbefugnis nicht zu bewahren. Der Verlust der Abschlußbefugnis aus Art. 114 EWGV hatte Rückwirkungen auf die Interpretation des Art. 113 Abs. 3 EGV (Art. 133 Abs. 3 EGV), wie sie zu 4.) dargelegt sind. Die Vertragsänderung mag verwundern, darf aber nicht ignoriert werden. Die politischen Gründe lassen sich nicht hinreichend klären, zumal die Protokolle der Regierungskonferenzen unergiebig zu sein pflegen, aber auch die eigentlichen Gründe für die Textänderung selten offenbaren. Im übrigen haben an den Maastricht-Vertragsverhandlungen zwölf Staaten teilgenommen, welche zur Außenhandelspolitik einen durchaus unterschiedlichen Standpunkt gehabt haben dürften. Der extensiven Auslegung des Art. 113 EGV durch die Kommission und den Gerichtshof der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft, sind die Mehrheit der Mitgliedstaaten, als es um das Abkommen über die Welthandelsorganisation ging, aus mancherlei Gründen entgegengetreten, nämlich Dänemark, Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Niederlande, Portugal und das Vereinigte Königreich[42]. Sie wollten nicht „schleichend entmündigt“ werden. Das hat zum WTO-Gutachten des Europäischen Gerichtshofs vom 15. November 1994 geführt[43]. Die politische Auseinandersetzung um die handelspolitischen Befugnisse und insbesondere deren Reichweite zwischen den Organen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, aber auch zwischen den Mitgliedstaaten, verbietet es, den Wortlaut der Vertragsvorschriften und deren Änderungen außer Acht zu lassen, wenn es gilt, diese Befugnisse, die schließlich übertragene Hoheitsrechte sind, zu bestimmen. Die Berufung auf einen „gemeinschaftlichen Besitzstand“, den aquis communautaire, den die Union ausweislich Art. 2 Abs. 1 Teilstr. 5 EUV zu wahren sich zum Ziel gesetzt hatte und der nach meist vertretener Ansicht nicht nur das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht, sondern auch die Judikate der Europäischen Gerichtsbarkeit umfaßt[44], ist wenig überzeugend, wenn der Wortlaut des Primärrechts geändert wurde. Das stellte auch Art. 47 EUV klar. Die Union des Maastrichter-Vertrages war durch die Erweiterung eine andere als die Gemeinschaft der sechs, die den Römischen Vertrag von 1957 geschlossen hatten. Im übrigen kann eine Judikatur, die den Vertrag fehlerhaft interpretiert hat, nicht zum Besitzstand einer Union gerechnet werden, die sich der „Rechtsstaatlichkeit“ verpflichtet weiß (Art. 6 Abs. 1 EUV a. F., jetzt Art. 2 EUV). Das Argument eines Redaktionsversehens kann angesichts der wirtschaftlich schicksalhaften Relevanz der Handelspolitik über die bedeutsame Textänderung, zumal die Streichung des Artikels, der die Abschlußbefugnis einräumte, schwerlich hinweghelfen.

Der Verweis des Art. 133 Abs. 3 UAbs. 3 EGV auf Art. 300 EGV (dazu i) hatte die weitere Schwäche, daß die Befugnis der Gemeinschaft, handelspolitische Abkommen zu beschließen, ausgerechnet im Maastricht-Vertrag entfallen ist, der in Art. 228 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EGV (später Art. 300 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EGV) die Abkommen im Sinne des Art. 113 Abs. 3 EWGV (später Art. 133 Abs. 3 EGV) erstmals genannt hatte. Diese Ausnahmeklausel kann also nur den anderen, soeben dargelegten Sinn haben. Man kann den Ministerialbeamten, die die Maastricht-Vertrag erarbeitet haben, nicht unterstellen, daß sie die einleitende Formulierung des Art. 228 EGV (Art. 300 EGV) übersehen haben, daß nämlich diese Verfahrensregelung nur greift, „soweit dieser Vertrag den Abschluß von Abkommen der Gemeinschaft zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen vorsieht“. Es wäre unerfindlich, warum entgegen völkervertraglicher Üblichkeit Abkommen der Gemeinschaft in dem neu formulieren Unterabsatz 3 des Art. 133 EGV nicht angesprochen wurden, wenn man doch die Zuständigkeit des Rates, diese Abkommen im Rahmen der Gemeinschaft zu schließen (und zu ratifizieren) beibehalten wollte. Vielleicht hat man sich nicht einigen können und die Politik (wie so oft) der Judikatur des Gerichtshofs überantwortet, demokratisch unverantwortlich, jedenfalls nicht befugnisbegründend. Thomas Oppermann hat „eine Erklärung in der Schlußakte des Maastricht-Vertrages (es ist die 10.), welche auf die „Grundsätze des AETR-Urteils“ verweise, reklamiert, daß diese Rechtsprechung „authentische Vertragsauslegung“ geworden sei (Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK)[45]. Vertragswidrige Praxis wird aber durch Erklärungen, die ausweislich Art. 311 EGV nicht Vertragsbestandteil sind, nicht zum Vertragsinhalt. Die in der 10. Erklärung genannten Regelungen der Art. 109 Abs. 5, Art. 130r Abs. 4 UAbs. 2 und Art. 130 EGV (Maastrichter Fassung) betrafen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten „in internationalen Gremien zu verhandeln und internationale Abkommen zu schließen“ und ließen auf das Gegenteil der AETR-Doktrin schließen.

Das Maastricht-Urteil hat der Mißachtung des Prinzips der „begrenzten Einzelermächtigung“ Grenzen gesetzt[46]. Die Grenzen waren mit der Fortführung der AETR-Doktrin überschritten, weil die Gemeinschaft nach dem veränderten Vertragstext keine handelspolitischen Befugnisse für Abkommen und rechtsetzende Maßnahmen nach außen mehr hatte, sondern nur die „gemeinsamen Grundsätze“ für die Handelspolitik verbindlich machen (Art. 133 Abs. 1 EGV) und in bestimmter Interpretation Abkommen aushandeln durfte (dazu d). Die handelspolitische Sachlage hat ohnehin immer die usurpierte ausschließliche Außenhandelsbefugnis verboten. Demgemäß hatten die Mitgliedstaaten als (immer noch) „Herren der Verträge“[47] den Vertragstext im Vertrag von Maastricht und weiterhin in den Verträgen von Amsterdam und Nizza korrigiert und im Absatz 5 UAbs. 4 die Befugnis der Mitgliedstaaten, „Abkommen beizubehalten und zu beschließen, wenn …“ klargestellt, eine Klarstellung, die zumindest der Sache nach nicht auf die handelspolitischen Randfragen des Absatz 5 von Art. 133 EGV beschränkt werden kann.

Abgesehen davon, daß das Prinzip der begrenzten Ermächtigung einer Befugnis der Gemeinschaft entgegenstand, die im Wortlaut des Vertrages keine Grundlage fand, ein demokratisches Prinzip, war und wäre eine Befugnis der Gemeinschaft, Handelsabkommen zu schließen, demokratisch untragbar, wie noch ausgeführt werden wird (zu k).

g) Das funktionalistische Argument für die Befugnis der Gemeinschaft, Handelsverträge über die Gegenstände abzuschließen, welche Gegenstand der Gemeinschaftsbefugnisse sonst, also der inneren Ordnung des Gemeinsamen Marktes, insbesondere des Binnenmarktes, sind, das der Europäische Gerichtshof zur Rechtfertigung seiner usurpatorischen Machtpolitik gebraucht hat, das Argument der Parallelität der Befugnisse für den Innen- und den Außenhandel[48] somit, gestützt auf den effet utile, das von fast allen Kommentaren und Lehrbüchern mit Eifer aufgegriffen wird, zumal es eigene Interpretationsanstrengungen zu erübrigen scheint, verfängt am wenigsten. Der Gerichtshof mußte denn auch von den Ergebnissen, die das funktionalistische Argument mit sich gebracht hat, mehr und mehr abrücken, insbesondere von einer ausschließlichen Befugnis der Gemeinschaft, Abkommen nicht nur für den Warenhandel, sondern auch für den Handel mit Dienstleistungen zu schließen, unabhängig davon, ob die Gemeinschaft von dieser (vermeintlichen) Befugnis schon Gebrauch gemacht hat. Diese Judikatur hat nicht nur zu Unzuträglichkeiten in der Praxis geführt, sondern auch zur Erweiterung des Art. 133 EGV im Vertrag von Nizza durch die Absätze 5 bis 7, welche (zum Bedauern der Integrationisten[49]) jedenfalls für den Handel mit Dienstleistungen und Handelsaspekte des geistigen Eigentums erhebliche Korrekturen vorgenommen hat.

Die Zollunion, wird argumentiert[50], sei nicht durchführbar, wenn die Mitgliedstaaten unterschiedliche Außenzölle erheben oder sonstige Einfuhrbeschränkungen praktizieren würden, weil Einfuhren in die Mitgliedstaaten mit geringeren Zöllen bzw. weniger Beschränkungen nach der Einfuhr in allen Mitgliedstaaten verkehrsfähig seien und sein müßten (Art. 24 EGV). Für Dienstleistungen ist dieses Argument ohnehin nicht haltbar, weil diese nicht in einen Mitgliedstaat eingeführt werden, um in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt zu werden. Das entspricht nicht der Eigenart von Dienstleistungen, die keinen transportablen Bestand haben. Allemal würden unterschiedliche Verpflichtungen und Zugeständnisse der Mitgliedstaaten dritten Ländern gegenüber der Verwaltung Schwierigkeiten bereiten und gegebenenfalls Grenzkontrollen fordern. Für einheitliche Handelsregelungen der Gemeinschaft spricht die Verwaltungseffizienz. Damit läßt sich aber keine Zuständigkeit begründen, welche nicht im Vertrag vereinbart ist. Die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik sollen solchen Schwierigkeiten entgegenwirken, durchaus auch die Zuständigkeit der Kommission, die Handelsverträge auszuhandeln. Wenn aber Unterschiede unter den Mitgliedstaaten bleiben, welche die sogenannte Innenpolitik der Gemeinschaft aufgrund der Innenbefugnisse erschwert, so muß auf eine solche ‚Innenpolitik‘ verzichtet werden. Das Effizienzprinzip kann nicht über das Prinzip der begrenzten Ermächtigung hinweghelfen. Der Gerichtshof hat denn auch seine extreme AETR-Doktrin einschränken müssen und damit die Schwächen seiner Argumente selbst vor Augen geführt (dazu a)[51]. Hinzu kommt, daß die extensive Handhabung der Grundfreiheiten, welche der Gemeinschaft außerordentlich weite Innenzuständigkeiten verschafft hat, nicht dem Vertrag entspricht, jedenfalls diesem vor den Vertragsänderungen nicht entsprach[52]. Richtigerweise hatten die Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten, völkerrecht­lich verpflichtet, nach Maßgabe ihrer Rechtslage zu verwirklichen und dabei ihre sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten (Art. 307 Abs. 1 EGV). Das hat und hätte keine Widersprüche heraufbeschworen. Es war und ist die integrationistische Binnenmarktdoktrin und die zentralistische Machtusurpation, welche hinter der AETR-Doktrin stehen. Mit Recht hat diese nichts gemein, die Parallelitätsdogmatik nichts mit Logik, aber viel mit dem Willen zum unionären Einheitsstaat, nach innen wie nach außen.

Der Mißbrauch des Imports zu Lasten eines Mitgliedstaates mit Importbeschränkungen oder höheren Zöllen nahm der eingeführten Ware den Status als Gemeinschaftsware im Sinne des Art. 24 EGV. Eine mißbräuchlich eingeführte Ware wurde zur illegalen Ware, welche ihre unionsweite Verkehrsfähigkeit verliert. Die Mißbrauchsmöglichkeit rechtfertigte jedoch nicht die Erweiterung von Gemeinschaftsbefugnissen.

Die Gestaltung des Gemeinsamen Marktes und noch mehr die des Binnenmarktes ist (weitestgehend) Sache der Gemeinschaft und weitgehend verwirklicht, wenn dadurch auch kein Staat mit vollkommener Staatlichkeit entstanden ist. Wesentliche wirtschaftlich bedeutsame Politiken stehen (noch) in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, insbesondere, wenn auch nicht uneingeschränkt, die Sozialpolitik, die Beschäftigungspolitik, die Umweltpolitik, die Wirtschaftspolitik und in (zur Zeit noch) neun der achtundzwanzig Mitgliedstaaten die Währungspolitik. Die Unvollkommenheit der Einheit der Gemeinschafts- oder Unionswirtschaft, welche eben keine Volkswirtschaft eines existentiellen Staates ist, schwächt das funktionalistische Argument der Einheit oder eben Parallelität der Innen- und Außenhandelsbefugnisse, zumal als ein Argument für ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft/Union, das schon deswegen brüchig ist, weil der Vertragstext seit den Änderungen des Vertrages von Nizza die ausschließliche Befugnis für den Handel mit Dienstleistungen und Handelsaspekte des geistigen Eigentums explizit relativiert hat (Art. 133 Abs. 5 UAbs. 1, Abs. 7 EGV), obwohl alle (vier) Formen der Dienstleistungen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 GATS (dazu § 12 VIII 2)[53] in gleicher Weise dem Gemeinschaftsregime unterliegen.

Regelmäßig wird die notwenige Einheit der Zollpolitik nach innen und außen, die Zollunion, als Argument ins Feld geführt, weil diese beschädigt werden würde, wenn die in der Zollunion vereinigten Mitgliedstaaten unterschiedliche Handelspolitik betreiben würden, etwa durch nichttarifäre Handelshemmnisse[54]. Richtig ist, daß der Vertrag in Art. 133 Abs. 1 einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik insbesondere für die Änderung der Zollsätze, den Abschluß von Zollsätzen und Handelsabkommen usw. vorsah und in Art. 207 Ans. 1 AEUV vorsieht. Die einheitlichen Grundsätze dienen der Einheit der Zollunion im Inneren und nach außen. Im übrigen sind „einheitliche Grundsätze“ der gemeinsamen Handelspolitik vereinbart, nicht eine einheitliche Handelspolitik der Gemeinschaft.

Weil die Politik der Gemeinschaft darauf beschränkt war, einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik festzusetzen und durchzuführen, und darauf die Abkommen nach Art. 113 Abs. 3 UAbs. 1 und Art. 114 EWGV, aber auch nach Art. 113 Abs. 3 UAbs. 1 EGV in der Fassung des Vertrages von Maastricht und auch nach Art. 133 Abs. 3 UAbs. 1 EGV in der Fassung von Amsterdam und letztlich trotz der Absätze 5 und 6 auch in der Fassung des Vertrages von Nizza beschränkt waren, hatten (und haben nach dem Vertrag von Lissabon) die Mitgliedstaaten die Befugnis gewahrt, Abkommen auszuhandeln und abzuschließen, welche ihren Außenhandel mit dritten Ländern gestalten, insbesondere die Befugnis zu autonomen Maßnahmen, etwa Zollsätze festzusetzen, Einfuhr- oder Ausfuhrkontingente festzulegen usw. Sie waren und sind verpflichtet, die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik der Gemeinschaft zu beachten. Dazu hatte sie Art. 5 EWGV verpflichtet und verpflichtete sie danach der gleichlautende Art. 10 EGV. Jede Handelspolitik pflegt Grundsätzen zu folgen und jedenfalls sollte sie das, wenn sie nicht reinem Pragmatismus verfallen ist. Wenn die Handelspolitik ausschließlich Befugnis der Gemeinschaft wäre, wäre eine Regelung wie die des Art. 113 Abs. 1 EWGV / Art. 133 Abs. 1 EGV weitestgehend sinnlos. Selbst wenn die Befugnis der Gemeinschaft aus Art. 113 und Art. 114 EWGV, über die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik zu bestimmen, hinausgegangen wäre und die Gemeinschaft zu jedwedem Abkommen des Warenhandels oder auch des Handelns mit Dienstleistungen ermächtigt hätte, hätten die Mitgliedstaaten die handelspolitischen Befugnisse nicht eingebüßt. Vielmehr hätten sie wegen Art. 5 EWGV/Art. 10 EGV die Abkommen der Gemeinschaft respektieren müssen, aber auch nur Abkommen, die die Gemeinschaft geschlossen hat, nicht etwa eine ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft, welche ihnen, den Mitgliedstaaten, die Befugnis zur Handelspolitik nimmt.

h) Ausschließliche Zuständigkeiten, die der (unechte[55]) Bundesstaat kennt (etwa Art. 73 Abs. 1 GG), kannte das Gemeinschaftsrecht nicht, es sei denn, es sind Befugnisse, welche der Sache nach nur die Gemeinschaft wahrnehmen kann, wie auch die Bestimmung einheitlicher Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik. Die Doktrin ausschließlicher Zuständigkeiten widersprach schon der selbst nicht unproblematischen, aber doch gefestigten Doktrin, daß das Gemeinschaftsrecht gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten vorrangig anwendbar sei[56]. Das setzt jedenfalls Gemeinschaftsrecht voraus. Solange die Gemeinschaft kein Recht erlassen hat, sind die Mitgliedstaaten genötigt, selbst das erforderliche Recht zu erlassen. Das gilt auch für die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik, die jedenfalls Rechtssätze sind. Diese, wenn man so will, Logik des Gemeinschaftsrechts hat schließlich auch der Gerichtshof einsehen müssen, der seine Doktrin ausschließlicher Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Handelspolitik schrittweise zurücknehmen mußte[57]. Der Subsidiaritätsartikel Art. 5 Abs. 2 EGV sprach allerdings von der „ausschließlichen Zuständigkeit“ der Gemeinschaft. Einen Katalog ausschließlicher Zuständigkeiten der Gemeinschaft kannte das Gemeinschaftsrecht jedoch nicht[58]. „Ausschließliche Zuständigkeiten“ im Sinne des Subsidiaritätsprinzips des Art. 5 EGV sind nur solche, welche der Sache nach von den Mit­gliedstaaten nicht ausgeübt werden können, weil sie ihrem Begriff nach Gemeinschaftsangelegenheiten sind, Zuständigkeiten der Gemeinschaft also, die es ohne die Gemeinschaft nicht gäbe und die den Mitgliedstaaten keine eigene Zuständigkeit streitig machen, wie eben die einheitlichen Grundsätze der Handelspolitik nach Art. 133 Abs. 1 EGV oder auch der Gemeinsame Zolltarif nach Art. 26 EGV. Zwar können die Mitgliedstaaten eigene Grundsätze ihrer Handelspolitik oder auch eigene Zollsätze bestimmen, nicht aber einheitliche Grundsätze der Handelspolitik oder einen gemeinsamen Zolltarif für die anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, genausowenig wie die Mit­gliedstaaten Rechtsangleichungsrichtlinien nach Art. 94 EGV oder Rechtsangleichungsmaßnahmen nach Art. 95 EGV treffen könnten[59]. Der Begriff der ausschließlichen Zuständigkeit, der erst durch den Maastricht-Vertrag in das Vertragswerk gelangt ist (Art. 3 b EGV), als es bereits die Doktrin des Gerichtshofs von ausschließlichen Zuständigkeiten gab, ist von dem bundesstaatlichen Begriff der ausschließlichen Zuständigkeit zu unterscheiden, der allerdings durch den Vertrag von Lissabon (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 AEUV) und zuvor durch den gescheiterten Verfassungsvertrag (Art. I-12 Abs. 1 und Art. I-13) der maßgebliche Zuständigkeitsbegriff werden sollte. Der Maastrichter Begriff hatte eine rein subsidiaritätsrechtliche Funktion und schließt das Subsidiaritätsprinzips für Maßnahmen der Gemeinschaft aus, wenn Subsidiarität der Sache nach nicht in Betracht kommt, weil die Gemeinschaft eine Befugnis hat, die sie der Sache nach nur allein ausüben kann. Niemand hätte eine Befugnis der Gemeinschaft, die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik festzulegen, wegen des Subsidiaritätsprinzips in Frage gestellt, obwohl die Befugnis ausweislich Art. 133 Abs. 1 EGV (Art. 113 EWGV) der wesentliche Gegenstand der gemeinsamen Handelspolitik war. Das hätte die gemeinsame Handelspolitik überhaupt in Frage gestellt. Insofern ist der Wortlaut des Art. 5 EGV (Art. 3 b EGV in der Maastricht-Verfassung) mißlungen. Es verwundert nicht, daß die europarechtliche Literatur mit dem Begriff der ausschließlichen Kompetenz wenig anfangen konnte[60].

i, aa) Absatz 3 des Art. 133 EGV sprach, wenn auch nicht zwingend, für eine Befugnis der Gemeinschaft, überhaupt Handelsabkommen „mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen“ „auszuhandeln“ und dann auch abzuschließen, obwohl der Wortlaut und auch die Einrichtung des Unterstützungsausschusses nach Unterabsatz 2 dieses Absatzes dafür sprechen, daß die Befugnis der Gemeinschaft auf die Aushandlung der Abkommen beschränkt war. Dafür spricht auch, daß der erst im Vertrag von Nizza hinzugefügte Satz 2 des Absatzes 3 Unterabsatz 1 von Art. 133 EGV nur von den „ausgehandelten Abkommen“ sprach, die „mit den internen Politiken und Vorschriften der Gemeinschaft vereinbar“ zu sein „Sache des Rates und der Kommission“ war. Diesen Zusatz hatte der Vertrag zugleich mit der Ergänzung des Art. 133 EGV durch die Absätze 5 bis 7 aufgenommen, welche sehr genau von der „Aushandlung und dem Abschluß von Abkommen“ handelten, der im Völkerrecht geläufigen Unterscheidung gemäß. Als Rettungsanker für eine Befugnis der Gemeinschaft zum Abschluß von Abkommen nach Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV, also für den Handel mit Waren und auch Dienstleistungen, wurde der Hinweis auf Unterabsatz 3 des Absatzes 3 von Art. 133 EGV geworfen, den der Vertrag von Maastricht als Art. 113 Abs. 3 UAbs. 3 EGV eingeführt hatte, der zugleich Art. 114 EWGV gestrichen hat, welcher von „in Artikel 113 vorgesehenen Abkommen“, die „vom Rat im Namen der Gemeinschaft geschlossen werden“, handelte. Dieser Unterabsatz lautete:

„Die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 (vormals Art. 228) finden Anwendung.“

Art. 300 EGV regelte das Verfahren der Abkommen der Gemeinschaft mit dritten Staaten oder internationalen Organisationen. Art. 300 EGV (vormals Art. 228 EGV) sollte Ermächtigungsgrundlage der Abkommen an Stelle des gestrichenen Art. 114 EWGV sein, zumal Art. 300 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EGV explizit von den „Abkommen im Sinne des Artikels 133 Abs. 3“ handele[61]. Auch Art. 300 Abs. 3 EGV war als Art. 228 Abs. 3 EGV erst mit dem Maastricht-Vertrag in den Gemeinschaftsvertrag aufgenommen worden, vor allem wegen der Beteiligung des Europäischen Parlaments an bestimmten Abkommen. Unterabsatz 3 des Absatzes 3 von Art. 133 EGV bot, nachdem Art. 114 EWGV aufgehoben war, das einzige textbezogene Argument für einen Fortbestand der Befugnis der Gemeinschaft zum Abschluß von Handelsabkommen nach Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV. Es überzeugt aber nicht. Sehr viel gewichtiger ist es, daß die Ermächtigung zum Abschluß von der in Art. 113 EWGV vorgesehenen Abkommen, also der Abkommen nach Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV, nämlich Art. 114 EWGV, aufgehoben worden war. Einzuräumen ist die eher unsorgfältige Redaktion der Gemeinschaftsverträge, die deren Interpretation erschwert. Aber derart schwergewichtige Befugnisse, wie die zum Abschluß von Handelsverträgen, zumal als ausschließliche Zuständigkeit, bedürfen einer Grundlage im Wortlaut und lassen sich nicht auf einen Artikel stützen, dessen Wortlaut mehr gegen als für diese Befugnis spricht. Art. 300 Abs. 1 EGV sagte mit aller Deutlichkeit, daß die Verfahrensregelungen dieser Vorschrift zum Zuge kommen, „soweit dieser Vertrag den Abschluß von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen vorsieht“. Die entsprechende Vertragsvorschrift des Art. 114 EWGV war aber gerade aufgehoben worden. In Art. 170 Abs. 2, Art. 174 Abs. 4 und Art. 181 EGV waren die Abkommen, die nach Art. 300 ausgehandelt und geschlossen werden, jeweils explizit genannt. Art. 111 EGV regelte Vereinbarungen, die abweichend von Art. 300 EGV geschlossen werden können. Art. 133 Abs. 3 EGV ist demgegenüber auffällig unbestimmt formuliert, nämlich:

„sind mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen Abkommen auszuhandeln, …“.

Von wem diese Abkommen zu schließen sind, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Es sind die Vertragsstaaten der gemeinsamen Handelspolitik, also mangels einer Befugnis der Gemeinschaft die Mitgliedstaaten, deren handelspolitische Verträge gemäß Art. 307 Abs. 1 EGV Bestand hatten und haben, zumal die Gemeinschaft nicht Vertragspartei der Handelsabkommen, insbesondere nicht des GATT von 1947, war. Es ist nicht einmal sicher, daß die Begriffe „aushandeln“ und „Verhandlungen“ in Art. 133 Abs. 3 EGV dahin zu verstehen sind, daß die Gemeinschaftsorgane es sein sollen, welche die Abkommen aushandeln.

Der Verweis des Art. 133 Abs. 3 UAbs. 3 EGV auf „die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300“ wurde dadurch nicht gegenstandslos. Zumindest Absatz 6 des Art. 300 EGV, der das gerichtliche Gutachtenverfahren regelte, kam auch für die bloße Aushandlung von Abkommen in Betracht. Auch Absatz 5 des Art. 300 EGV war schon bei der Aushandlung von Abkommen zu beachten, ebenso wie Absatz 1 dieser Vorschrift. Art. 133 Abs. 3 UAbs. 3 EGV beweist somit nichts für die Fortsetzung der Abschlußkompetenz der Gemeinschaft, obwohl diese Abschlußkompetenz, die gerade nach deren extensiver Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof als eine ausschließliche Zuständigkeit, die jedwedes Handelsabkommen für Waren und Dienstleistungen erfaßte, politisch streitig war und mancherlei Initiativen der Mitgliedstaaten, den Vertrag zu novellieren, ausgelöst haben, die schließlich in den Verträgen von Maastricht, von Amsterdam und insbesondere von Nizza, also bei den letzten drei Vertragsänderungen vor dem Lissabon-Vertrag, zu Änderungen geführt hatten. Die Ausnahmeklausel des Art. 300 Abs. 3 S. 1 EGV (Art. 228 Abs. 3 S. 1 EGV) kann verschiedene Gründe haben. Ihr Regelungsgehalt war negativ, nämlich der gänzliche Ausschluß des Europäischen Parlaments, ausgerechnet von „Abkommen im Sinne des Artikels 133 Abs. 3“, also der Handelsabkommen für Waren und Dienstleistungen. Aus einer negativen Klausel auf eine positive Ermächtigung zu Abschlüssen von Abkommen ausgerechnet in dem Politikbereich zu schließen, der eine derartige Abschlußermächtigung nicht vorsieht, sondern in dem diese, nämlich Art. 114 EWGV, aufgehoben wurde, ist wenig einsichtig. Die Ausnahmenklausel des Art. 300 Abs. 3 EGV konnte schlicht dadurch veranlaßt sein, daß die Mitgliedstaaten die Handelsabkommen zu schließen zuständig geblieben waren, so daß das Verfahren der Gemeinschaftsabkommen ohnehin nicht einschlägig war, was diese Klausel noch einmal deklariert, indem sie klarstellt, daß der Rat die Abkommen (in einem bestimmten Verfahren) schließt, der die Abkommen „im Sinne des Art. 133 Abs. 3“ gerade nicht schließt, weil das Sache der Mitgliedstaaten ist. Im übrigen hätte die Befugnis der Gemeinschaft, Abkommen „im Sinne des Artikels 133 Abs. 3“ zu schließen, die Beschränkung der Gemeinschaft auf einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 133 Abs. 1 EGV nicht aufgehoben. Keinesfalls können die kraftlosen Argumente dafür herhalten, der Gemeinschaft für Abkommen des Warenhandels oder auch des Handels mit Dienstleistungen eine ausschließliche Zuständigkeit zuzusprechen.

Die Zollunion umfaßte nach Art. 23 Abs. 1 EGV die „Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern“, und nach Art. 26 EGV legte „der Rat die Gesetze des Gemeinsamen Zolltarifs mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission fest“[62]. Von Zollabkommen war nicht die Rede, obwohl, wenn überhaupt, in diesen Vorschriften eine solche Befugnis hätte stehen müssen. Zölle pflegen nicht einseitig gesenkt zu werden, sondern aufgrund von Handelsabkommen mit anderen Staaten[63]. Auch für die Zollpolitik wird eine ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft, zollrechtliche Handelsabkommen zu schließen, praktiziert[64], ohne Vertragsgrundlage. Auch für die Zollabkommen ist lediglich eine Befugnis der Gemeinschaft, einheitliche Grundsätze festzulegen, im Vertrag zu ermitteln, abgesehen (seit dem Vertrag von Amsterdam) von dem „gemeinsamen Zolltarif“ nach Art. 26 EGV[65].

„Einheitliche Grundsätze“ sind keine Regelungen, sondern Prinzipien. In den Abkommen werden aber regelmäßig Regelungen getroffen. Diese Abkommen der Mitgliedstaaten sollen sich nach den einheitlichen Grundsätzen richten. Sie können von der Kommission ausgehandelt werden, wenn man Art. 133 Abs. 3 EGV so lesen will, nämlich „aushandeln“ mit „Verhandlungen“ begrifflich identifiziert.

bb) Das Argument, die Innen- und Außenbefugnis müsse dem Umfang nach übereinstimmen, ist vor allem deswegen nicht überzeugend, weil die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten heterogen sind. Trotz aller Bemühungen der Integrationspolitik, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen, der mit mancherlei Schäden für die einzelnen Volkswirtschaften erzwungen werden soll, ist eine Gemeinschaftswirtschaft (bisher) nicht entstanden. Die Währungsunion etwa beseitigt die Heterogenität der Volkswirtschaften nicht, sondern verändert diese lediglich, soweit und insoweit die Unmöglichkeit der Aufwertung und Abwertung der Währung zu erheblichen Verzerrungen der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften, zu unmittelbaren und mittelbaren Transferleistungen einiger Volkswirtschaften an andere Volkswirtschaften, aber auch zu verkappter Staatsfinanzierung durch das Zahlungsverrechnungssystem des Eurosystems TARGET 2 und durch mehr oder weniger kaschierte Staatsfinanzierung des Europäischen Systems der Zentralbanken durch den mittelbaren Kauf von Staatsanleihen usw. Auch die Grundfreiheiten führen in der Praxis des Europäischen Gerichtshofs vor allem wegen des (vertragswidrigen) Herkunftslandprinzips[66], dazu, daß die Standards des Arbeitsschutzes, des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes (u.a.) jedenfalls in Deutschland erheblich gesenkt wurden. Sie haben die Lebensverhältnisse verändert, aber nicht zu deren Einheitlichkeit geführt. Die Heterogenität der Volkswirtschaften läßt eine einheitliche Handelspolitik nicht zu, weil die Handelspolitik auf die jeweiligen, sich ändernden Gegebenheiten einer Volkswirtschaft Rücksicht nehmen muß. Eine reine Freihandelspolitik ist schlicht primitiv[67]. Sie liefert einen Staat oder einen Staatenverbund der Politik der Unternehmen aus, die wegen der Gewinnmaxime regelmäßig, wen sie nicht staatlich daran gehindert wird, eine Ausbeutungspolitik ist. Nicht einmal das Gemeinschaftsrecht hat eine reine Freihandelspolitik konzipiert, wie Art. 27 EGV für die Gemeinsame Zollpolitik gezeigt hat. Art. 134 EGV, der im übrigen mit aller Klarheit belegt hat, daß die „handelspolitischen Maßnahmen“ von den Mitgliedstaaten getroffen werden, geht davon aus, daß diese Maßnahmen die Mitgliedstaaten unterschiedlich treffen. Handelspolitik muß auf die wirtschaftliche Lage eines Staates, besser: einer Volkswirtschaft, abgestellt sein, auf deren Gegebenheiten, Stärken und Schwächen. Für ein Agrarland ist eine andere Handelspolitik richtig als für ein Industrieland. Ein Land mit hoher Beschäftigung kann eine andere Handelspolitik machen als ein Land mit hoher Arbeitslosigkeit. Ein Land mit großen Rohstoffvorkommen, etwa Öl, ist nicht auf deren Import angewiesen und muß zur Finanzierung eines Rohstoffimports nicht exportieren, etwa Industrieprodukte, also auch nicht auf Handelsabkommen eingehen, welche die eigenen Unternehmen schädigen. Handelspolitik ist eine Politik der Gegenseitigkeit, des Nehmens und Gebens, zum Vorteil beider Seiten. Eine Theorie des Freihandels in der Annahme, dieser nütze allen, die daran beteiligt sind, ist empirisch jedenfalls für unvollkommene Konkurrenz und allemal für unterentwickelte Länder und Länder mit hoher Arbeitslosigkeit widerlegt. Was für einen Mitgliedstaat der Union nützlich ist, kann für einen anderen schädlich sein. So ist die Wirklichkeit der Europäischen Union. Deutschland etwa hat zurzeit erhebliche Vorteile aus dem freihändlerischen Binnenmarkt, der globale Relevanz hat, zu Lasten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Heterogenität der Volkswirtschaften bringt ähnliche Unzuträglichkeiten einer gemeinsamen Handelspolitik mit sich wie die einheitliche Währung trotz unterschiedlicher Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften, ins­besondere unterschiedlicher Inflationsverhältnisse. Die notwendig spezifische Reaktion der Mitgliedstaaten ist wegen der vernunftwidrigen Wirtschafts- und Währungspolitik der Europäischen Union, zu der die Handelspolitik gehört, nicht möglich. Gerade deswegen haben die Mitgliedstaaten als die Herren der Verträge nach der usurpatorischen Interpretation der handelspolitischen Befugnisse durch den Europäischen Gerichtshof die Befugnisse wieder in die eigenen Hände nehmen müssen und ausweislich der Vertragstexte genommen. Sie haben deswegen den Vertrag verändert, insbesondere Art. 114 EWGV gestrichen. Der Europäische Gerichtshof hat (wie auch sonst) Integrationspolitik betrieben, die ihm nicht zusteht. Die Einheit der Innen- und Außenbefugnis ist ein (Schein)Argument der Kommission und des Gerichtshofs, mit dem entgegen dem Vertrag Befugnisse der Gemeinschaft erobert worden sind, also die Ausweitung der Macht vor allem der Gemeinschaftsorgane, zu Lasten der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten, zu Lasten des Wohlstandes, vor allem aber zu Lasten der Freiheit und des Rechts, die es ohne Demokratie nicht gibt. Die Handelspolitik der Gemeinschaft entbehrt vor allem der demokratischen Legalität und Legitimation (dazu k).

Mit dem funktionalistischen Argument der Einheit von Innen- und Außenbefugnis gar die ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft zur Handelspolitik zu stützen, war einer der umstürzlerischen Akte der Gemeinschaftsorgane. Für eine ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft auch nur zur Handelspolitik im Warenverkehr sprach (und spricht) angesichts des dargelegten Textbefundes nichts.

Das Argument, die handelspolitischen Außenbefugnisse würden den Innenbefugnissen entsprechen müssen, damit die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes und insbesondere des Binnenmarktes nicht durch handelspolitische Maßnahmen oder Abkommen der Mitgliedstaaten beeinträchtigt werde, ist ohne Kraft. Weil der Vorrang des Gemeinschaftsrechts praktiziert wird, mußten und müssen die Mitgliedstaaten bei all ihren Maßnahmen, also auch bei handelspolitischen Abkommen mit Drittstaaten, das Gemeinschafts/Unionsrecht berücksichtigen, das sie allein nicht ändern können. Ihre Rechtsakte sind, wenn sie dem Gemeinschafts/Unionsrecht widersprechen, zwar nicht unwirksam, aber doch nicht anwendbar. Völkerrechtliche Bindungen können diesen Vorrang nicht unterlaufen (abgesehen von dem Vorbehalt des Art. 307 EGV), weil die völkerrechtlichen Verträge wegen des jedenfalls in Deutschland praktizierten Dualismus[68] ohnehin nach ihrer Transformation in nationales Recht (gemäß der Vollzugsdoktrin[69]), nur einfachgesetzliche Verbindlichkeit entfalten. Art. 133 Abs. 5 UAbs. 4 EGV hatte die Pflicht der Mitgliedstaaten, das Gemeinschaftsrecht zu beachten, wenn sie handelspolitische Abkommen schließen, noch einmal deklariert. Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Sonderregelungen der Mitgliedstaaten aufgrund von Handelsmaßnahmen oder Handelsabkommen hätten nur in Ausnahmefällen eine Rechtfertigungschance gehabt, wenn nämlich Gründe des Allgemeininteresses, etwa eine Versorgungskrise, einen Mitgliedstaat zu dem Sonderweg, der von den „einheitlichen Grundsätzen“ abweicht, zwingen. Richtigerweise ergeben die Grundfreiheiten entgegen der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs kein Herkunftsland-, sondern ein Bestimmungslandprinzip. Wenn handelspolitische Maßnahmen oder Abkommen eines Mitgliedstaates die Rechtslage in dessen Land verändern würden, würde das für alle Mitgliedstaaten ohne Unterschied bedeutsam sein. Ein Vertragsverstoß wäre es nicht. Mit der Gefahr, die Mitgliedstaaten könnten ihre gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzen, läßt sich die Befugnis der Gemeinschaft, Handelsabkommen abzuschließen oder auch handelspolitische Maßnahmen zu treffen, nicht begründen, schon gar nicht eine ausschließliche derartige Befugnis.

cc) Die gegen das funktionalistische Argument angeführten Gesichtspunkte stehen auch der sogenannten AETR-Doktrin entgegen. Seit dem Urteil vom 31. März 1971 in Sachen AETR praktiziert, wie zu a berichtet, der Europäische Gerichtshof eine sogar ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft/Union zur Handelspolitik, also auch zur Aushandlung und zum Abschluß von Handelsabkommen, in den Politiken, in denen die Gemeinschaft für den inneren Bereich Befugnisse hat, weil nur dadurch die Politik im Inneren sichergestellt werden könne. Diese unhaltbare Praxis hat der Gerichtshof, wie zu a gesagt, einschränken müssen und die handelspolitische Befugnis der Mitgliedstaaten davon abhängig gemacht, daß die Gemeinschaft ihre innere Befugnis ausgeübt habe. Diese stillschweigende Außenkompetenz, ein Anwendungsfall der Implied-powers-Doktrin, soll die Einheit zwischen Innen- und Außenkompetenz herstellen, ist aber nichts anderes als eine Selbstermächtigung der Gemeinschaft ultra vires, so daß die auf diese (vermeintliche) Befugnis gestützten Rechtsakte der Gemeinschaft rechtens keine Wirkung zu entfalten vermögen, jedenfalls nicht in Deutschland[70]. Thomas Oppermann, der die AETR-Doktrin als „plausiblen Grundsatz“ akzeptiert, ohne auch nur ein Wort zur staatswissenschaftlichen Problematik der Handelspolitik zu verlieren, spricht von einer „gelockerten AETR-Doktrin“, seit der Europäische Gerichtshof diese revidiert hat. Immerhin sieht Oppermann, daß die „EG-Außenkompetenzen über die AETR-Doktrin hinaus grundsätzlich nicht mit Hilfe von Art. 308 (ex 235) EGV erweitert werden“ könne[71], weil „diese dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten zu sehr widersprechen würde“[72]. Wenn aber die Binnenkompetenz von der Gemeinschaft genutzt worden sei, sei die „potentielle EG-Außenzuständigkeit“ „als nachträglich ausschließlich“ zu begreifen[73] – eine bemerkenswerte Dogmatik, welche selbst über eine integrationistische Pflichterfüllung hinaus geht. Allenfalls hindert doch eine abschließende Ordnung eines Wirtschaftsbereichs im Innern, etwa durch Richtlinien oder Verordnungen, eine eigenständige Politik der Mitgliedstaaten wegen der AETR-Doktrin auch im Außenverhältnis, weil sich eine solche Politik wegen des Vorrangs des Gemeinschafts/Unionsrechts nicht durchzusetzen vermag. „Nachträglich“ kann eine Befugnis nicht geschaffen werden, schon gar nicht eine ausschließliche. Dadurch würde den Mitgliedstaaten die Befugnis/Zuständigkeit für ihre Handelsmaßnahmen rückwirkend genommen werden, so daß ihre Rechtsakte nichtig würden. Die Rechtsakte der Gemeinschaft/Union können aber allenfalls Vorrang beanspruchen. Mehr folgte auch nicht aus Art. 300 Abs. 7 EGV, wonach die nach Art. 300 geschlossenen Abkommen nicht nur für die Organe der Gemeinschaft, sondern auch für die Mitgliedstaaten verbindlich waren[74].

j, aa) Die Textlage hatte sich durch den Vertrag von Nizza, der dem Art. 133 EGV die Absätze 5 bis 7 hinzugefügt hat, erheblich verändert. Die Neuregelungen reagierten im Wesentlichen auf das Hin und Her der AETR-Judikatur und respektierten in gewissem Maß (auf Initiative Frankreichs) die kulturelle Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten. Nach Absatz 5 Unterabsatz 1 „gelten die Absätze 1 bis 4 unbeschadet des Absatzes 6 auch für die Aushandlung und den Abschluß von Abkommen betreffend den Handel mit Dienstleistungen und Handelsaspekte des geistigen Eigentums, soweit diese Abkommen nicht von den genannten Absätzen erfaßt sind“. Unterabsatz 2 und 3 des Absatzes 5 änderten die Abstimmungsmodi des Rates unter bestimmten Voraussetzungen. Unterabsatz 4 von Absatz 5 stellte klar, daß „dieser Absatz nicht das Recht der Mitgliedstaaten, mit dritten Ländern oder mit internationalen Organisationen Abkommen beizubehalten und zu schließen, berührt, soweit diese Abkommen mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und anderen einschlägigen internationalen Abkommen im Einklang stehen“. Absatz 1 Unterabsatz 1 schränkte die Befugnis des Rates, Abkommen zu schließen ein, wenn das Abkommen „Bestimmungen enthält, die die internen Zuständigkeiten in der Gemeinschaft überschreiten würden, insbesondere dadurch, daß sie eine Harmonisierung der Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem Bereich zur Folge hätten, in dem dieser Vertrag eine solche Harmonisierung ausschließt.“ Unterabsatz 2 von Absatz 6 schaffte eine „gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten“ für den „Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, die Dienstleistungen im Bereich der Bildung sowie in den Bereichen Soziales und Gesundheitswesen“ und regelte näher die Aushandlung solcher Abkommen und deren Abschluß[75]. Unterabsatz 3 des Absatzes 6 traf eine Sonderregelung für die Aushandlung und den Abschluß internationaler Abkommen im Verkehrsbereich. Absatz 7 erlaubte es der Gemeinschaft die Anwendung der Absätze 1 bis 4 des Art. 133 EGV auf internationale Verhandlungen und Abkommen über geistiges Eigentum auszudehnen, soweit sie durch Absatz 5 nicht erfaßt waren[76]. Diese durchaus schwer zu lesenden Absätze erwiesen und erweisen das Dilemma des Art. 133 EGV, nämlich die Auseinandersetzungen um die Zuständigkeiten in der gemeinsamen Handelspolitik, die Verzerrungen des Vertrages durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und die darauf reagierenden kompromißhaften Regelungen der Vertragspartner[77]. Insbesondere die Verweise auf die Absätze 1 bis 4 des Art. 133 EGV in den Absätzen 5 Unterabsatz 1 und auch Absatz 7 verstärkten die Verwirrung, weil die Regelungen der Absätze 1 bis 4 streitig und vor allem streitbar waren und sind. Die Neuregelungen des Nizza-Vertrages sollten die Außenkompetenzen in Reaktion auf die restriktive Zuständigkeitszumessung des Europäischen Gerichtshofs im Gutachten zur WTO 1/94 dem multilateralen Welthandelsrecht anpassen[78], was in keiner Weise gelungen ist.

Bemerkenswert ist zunächst, daß die neuen Absätze ausdrücklich von der „Aushandlung und dem Abschluß von Abkommen“ handeln, diese also unterscheiden, wie das auch allgemein richtig ist. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, daß Auswirkungen der neuen Absätze auf die Materie der alten Absätze 1 bis 4 des Art. 133 EGV den Handlungen der Gemeinschaft vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Nizza am 1. Februar 2003 nicht nachträglich eine Ermächtigungsgrundlage zu verschaffen vermochte. Eine Heilung von Rechtsakten ohne Ermächtigungsgrundlage gibt es jedenfalls im Integrationsrecht nicht, weil die Europäische Gemeinschaft nur insoweit existierte (und die Union existiert), als ihr Hoheitsrechte von den Mitgliedstaaten übertragen worden sind. Handlungen außerhalb der Ermächtigungen entfalten (jedenfalls in Deutschland) keine Wirkung[79]. Unter dem Mangel an Handlungsbefugnissen leidet auch die Mitgliedschaft der Europäischen Gemeinschaft/Union in der Welthandelsorganisation und die verpflichtende Wirkung der mit dieser verbundenen Verträge. Allerdings ist dieses Vertragswerk auch von den Mitgliedstaaten eigenständig geschlossen worden[80] und bindet darum die Mitgliedstaaten.

Die neuen Absätze 5 bis 7 des Art. 133 EGV sprachen mehrfach von der „Aushandlung und dem Abschluß von Abkommen“ und ließen keinen Zweifel daran, daß damit Abkommen der Gemeinschaft geregelt sind, weil der Rat zu beschließen hat (Absatz 5 Unterabsatz 2 und 3, Absatz 6 Unterabsatz 1). Im Falle der gemischten Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Absatz 6 Unterabsatz 2 war die Befugnis der Gemeinschaft neben der der Mitgliedstaaten fraglos. Wenn nach Unterabsatz 4 des Absatzes 5 das Recht der Mitgliedstaaten, Abkommen beizubehalten oder zu schließen unberührt blieb, folgte daraus, daß auch die Gemeinschaft Abkommen zu schließen befugt war. Diese Befugnisse der Gemeinschaft, Abkommen in dem Bereich des Handels mit Dienstleistungen und Handelsaspekte des geistigen Eigentums, der nicht von den Absätzen 1 bis 4 erfaßt war (Absatz 5 Unterabsatz 1), Abkommen auszuhandeln und abzuschließen, schien klarzustellen, daß die Gemeinschaft auch für den Warenhandel und den Handel mit Dienstleistungen ohne grenzüberschreitenden Personenverkehr[81] befugt war, Abkommen auszuhandeln und abzuschließen. Es wäre wenig konsistent, daß die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft handelspolitische Befugnisse in den Randbereichen des Handels mit Dienstleistungen und der Handelsaspekte des geistigen Eigentums, aber auch des Handelns mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich der Bildung sowie in den Bereichen Soziales und Gesundheitswesen übertragen, nicht aber in den Hauptbereichen der Handelspolitik, nämlich den Warenhandel und den Handel mit Dienstleistungen ohne grenzüberschreitenden Personenverkehr. Die Befugnis der Gemeinschaft, für den Warenhandel Abkommen auszuhandeln und abzuschließen, war auch politisch so gut wie unstreitig. Dennoch ist die Übertragung der Hoheitsrechte mißlungen und bewirkt nichts. Es bedurfte einer Revision des Art. 133 EGV, wenn die Gemeinschaft handelspolitische Befugnisse haben sollte, welche über die Festlegung der einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik im Sinne des Art. 133 Abs. 1 EGV hinausgingen.

Die Befugnis der Gemeinschaft, Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten gemeinschaftlich auszuüben, bedurfte und die der Union bedarf eines Übertragungsaktes, der im Wortlaut des Vertrages nachzuweisen ist. Argumente mit dem Sinn von Textpassagen, die keine sinnvolle Aussage ergeben, geraten allzuleicht zu Spekulationen.

bb) Der Vertrag von Nizza hatte den Text des Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV nur im Unterabsatz 1 des Absatzes 3 um den Satz 2 ergänzt, wonach es

„Sache des Rates und der Kommission ist, dafür zu sorgen, daß die ausgehandelten Abkommen mit den internen Politiken und Vorschriften der Gemeinschaft vereinbar sind“.

Dieser Zusatz war ein Argument dafür, daß die Abkommen von den Mitgliedstaaten ausgehandelt und auch geschlossen wurden, weil, wie schon zu 4. ausgeführt wurde, eine Sorgepflicht der Gemeinschaftsorgane für Gemeinschaftsmaßnahmen nicht genannt werden müßte. Der Zusatz sprach vielmehr dafür, daß die Verhandlungen nach Art. 133 Abs. 3 EGV Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten sind, welche Handelsabkommen aushandeln. Hinzugekommen war auch Satz 2 des Unterabsatzes 2 von Absatz 3 des Art. 133 EGV, der die Interpretation stärkt, daß die Kommission mit den Mitgliedstaaten verhandelt, wenn auch der Satz einen Sinn behielt, wenn die Kommission über den Stand der Verhandlungen mit dritten Ländern oder internationalen Organisationen berichtete oder wenn Verhandlungen sowohl mit dritten Ländern als auch mit Mitgliedstaaten Gegenstand der Berichtspflicht waren. Wesentlich ist, daß der Vertrag von Nizza die Absätze 1 bis 4 des Art. 133 EGV nicht der Judikatur es Europäischen Gerichtshofs angepaßt hat. Vielmehr war es abgesehen von den soeben (zu aa) genannten Ergänzungen bei dem Wortlaut geblieben, dem eine Befugnis der Gemeinschaft, Abkommen zu schließen oder auch nur auszuhandeln, nicht abgewonnen werden konnte und kann. Diese Absätze 1 bis 4 sollten aber gerade nach dem neuen Absatz 5 Unterabsatz 1 des Art. 133 EGV auch auf die Gegenstände der Handelspolitik Anwendung finden, die nach der Praxis des Gerichtshofs von der gemeinsamen Handelspolitik im Sinne des Art. 133 Abs. 1 EGV nicht erfaßt waren. Die Gemeinschaftsbefugnis konnte das über die bisherigen Befugnisse auch Art. 133 Abs. 1 bis 4 nicht erweitern. Es blieb somit bei den Einflußmöglichkeiten der Gemeinschaft auf die handelspolitischen Abkommen der Mitgliedstaaten, wenn auch einzusehen ist, daß die Materie des Absatzes 5 eine andere wäre, wenn die Judikatur des Gerichtshofs zu Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV als authentische Interpretation des Vertrages zugrunde gelegt wird. Eine solche Wirkung hat aber eine vertragswidrige Judikatur nicht. Sie vermag den Vertrag der Mitgliedstaaten nicht zu ändern und vermag nicht die Hoheitsbefugnisse der Gemeinschaft/Union über die Hoheitsrechte, die ihr übertragen wurde, hinaus zu erweitern. In Sachen Handelspolitik geht es nicht um eine pragmatische Abrundung der Befugnisse der Gemeinschaft/Union, wie sie der Doktrin vom effet utile genügen mag, sondern um die essentielle und existentielle außenwirtschaftliche Hoheit der Mitgliedstaaten, darum nämlich, ob handelspolitische Abkommen von der Gemeinschaft/Union oder von den Mitgliedstaaten ausgehandelt und abgeschlossen werden, eine Hoheit, welche für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten schicksalhaft sein kann und meist ist.

cc) Der Widerspruch der neuen Absätze 5 bis 7 und der alten Absätze 1 bis 4 des Art. 133 EGV legte vielmehr die Interpretation nahe, eine Abschlußbefugnis der Gemeinschaft insgesamt, also auch aufgrund der neuen Absätze für den begrenzten handelspolitischen Bereich, abzulehnen, zumal der Vertrag von Nizza lediglich die extensive Praxis der handelspolitischen Befugnisse der Gemeinschaft, die ohnehin dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung widersprach, korrigieren, diese also einschränken, nicht aber eine Abschlußbefugnis begründen wollte. Eine solche bestand nicht, so daß die Vertragsgrundlage der Vertragsänderung von Nizza fehlte. Die allgemeine Rechtsfolge eines solchen Irrtums ist die Unverbindlichkeit des Rechtsaktes[82].

dd) Wer die „Abkommen“ schließt wurde durch den Unterabsatz 1 des Absatzes 5 von Art. 133 EGV nicht klarer als in den Absätzen 1 bis 4 dieser Vorschrift, weil auch im Absatz 1 und Absatz 3 von „Abkommen“ die Rede war, ohne daß dadurch eine Befugnis der Gemeinschaft, Abkommen zu schließen oder auch nur auszuhandeln, begründet worden wäre. Absatz 5 Unterabsatz 1 klärte oder, wenn man so will, erweiterte den Gegenstand der gemeinsamen Handelspolitik um bestimmte Dienstleistungen (die drei Formen mit Grenzübertritt[83]) und um Handelsaspekte des geistigen Eigentums, soweit diese nicht ohnehin Gegenstand der Handelspolitik waren. Es geht wiederum (nur) um die „einheitlichen Grundsätze“ für die Abkommen und deren Aushandlung, die von den Mitgliedstaaten abzuschließen sind. Unterabsatz 2 des Absatzes 5 von Art. 133 EGV freilich gab dem Rat in einem bestimmten Bereich des Unterabsatzes 1 die Befugnis, Abkommen auszuhandeln und abzuschließen, wenn nämlich „für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erforderlich ist oder wenn ein derartiges Abkommen einen Bereich betrifft, in dem die Gemeinschaft bei der Annahme interner Vorschriften ihre Zuständigkeiten nach diesem Vertrag noch nicht ausgeübt hat“. Der Regelungsgehalt war, daß in diesen handelspolitischen Bereichen der Rat abweichend von Absatz 4 nicht mit qualifizierter Mehrheit, sondern einstimmig zu beschließen hatte. Diese Sonderregelung zur Ergänzung des Absatzes 5 Unterabsatz 1 war von der gleichen Kraftlosigkeit wie die gesamte Ergänzung des Vertrages von Nizza, weil die Grundlage für die Änderung des Vertrages fehlte. Die gleiche Überlegung nahm dem Unterabsatz 3 des Absatzes 5 wie dem Unterabsatz 1 des Absatzes 6 die Kraft. Absatz 6 Unterabsatz 1 wandte sich gegen eine ausufernde handelspolitische Befugnis der Gemeinschaft, die noch über deren „internen Zuständigkeiten“ hinausgegangen wäre, insbesondere die vertraglichen Harmonisierungsverbote mißachtet hätte. Eine solche Grenzziehung kann Befugnisse, Abkommen in dem Bereich interner Zuständigkeiten zu schließen, wie sie die AETR-Doktrin reklamiert (dazu a und i, bb), nicht begründen.

ee) Handelspolitische Abkommen können weite Gegenstände haben, auch Gegenstände, welche die „internen Zuständigkeiten der Gemeinschaft/Union überschreiten“, so daß Handlungszwänge für die Mitgliedstaaten entstehen würden, welche ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften harmonisieren müßten, obwohl sie dazu nach dem Gemeinschaftsvertrag nicht verpflichtet sind. Auch derartige Abkommen der Gemeinschaft wollte Absatz 6 Unterabsatz 1 abwehren[84]. Derartige Abkommen konnten selbst nach dem Text des Unterabsatzes 1 von Absatz 6 nur die Mitgliedstaaten schließen. Freilich lief auch diese Begrenzung von Gemeinschaftsabkommen ins Leere, weil die Gemeinschaft die allgemeine Befugnis zum Abschluß handelspolitischer Abkommen nicht hatte. Die Mitgliedstaaten wollten auch durch diesen Passus im Vertrag von Nizza unerträgliche Machtverschiebungen zu ihren Lasten abwehren. Auf die textliche Verankerung einer allgemeinen Befugnis der Gemeinschaft, handelspolitische Abkommen auszuhandeln und zu schließen, konnten sich die Vertragspartner augenscheinlich nicht einigen, sondern nur auf die Formulierung negativer Kompetenzen. Diese aber können positive Kompetenzen nicht begründen, zumal Hoheitsrechte nicht implizit übertragen werden können, weder stillschweigend noch als implide powers. Derartige Usurpationsdoktrinen mißachten jedenfalls Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG. Die Hoheitsrechte kann in Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG der Bund durch Gesetz übertragen. Diese Übertragung der Ermächtigungen muß bestimmt und damit ausdrücklich sein[85]. Im übrigen muß der Bundesrat dem Gesetz zustimmen, gegebenenfalls nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG beide Organe mit Zweidrittelmehrheit. Der Bundestag und der Bundesrat müssen die Politik des Vertrages verantworten können, also zumindest wissen, was sie tun. Das schließt die genannten Doktrinen aus[86], abgesehen davon, daß die Zuständigkeitsordnung des Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV ohne Abschlußbefugnis der Gemeinschaft für handelspolitische Abkommen nicht, wie es die Implide powers-Doktrin voraussetzt, „sinnlos wäre oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnte“[87].

ff) Unterabsatz 4 des Absatzes 5 von Art. 133 EGV stellte seit dem Vertrag von Nizza klar, daß die Mitgliedstaaten berechtigt sind, handelspolitische Abkommen beizubehalten und zu schließen. Freilich müßten diese Abkommen die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften, aber auch andere einschlägige internationale Abkommen respektieren. Letzteres folgte und folgt schon aus der allgemeinen Treuepflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 EGV. Zumindest war durch diesen Unterabsatz geklärt, daß die Mitgliedstaaten in einem engen Bereich neben der Gemeinschaft die Befugnis, Abkommen zu schließen, haben, wenn man den Begriff „dieser Absatz“ eng auf die Befugnisse des Absatzes 5 begrenzt[88]. Man kann diesen Unterabsatz auch so lesen, daß auch dieser Absatz die handelspolitischen Befugnisse der Mitgliedstaaten nicht schmälert, die schließlich durch Art. 133 Abs. 1 bis 4 EGV unberührt geblieben waren, so daß lediglich in dem besonderen Bereich, den Absatz 5 regelte, ein Nebeneinander handelspolitischer Befugnisse der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten bestehen sollte. Eine solche Lesweise wäre durch die neue Einrichtung der „gemischten Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten“ nach Absatz 6 Unterabsatz 2 des Art. 133 EGV bestätigt worden.

k) Das gewichtigste Argument gegen eine Befugnis der Gemeinschaft und damit des Rates (nach Vorarbeit der Kommission), Handelsabkommen zu schließen, war und ist die mit der Verfassung der Menschheit des Menschen und dem Verfassungsgesetz[89], jedenfalls dem Grundgesetz Deutschlands, unvereinbare Mißachtung des demokratischen Prinzips durch das Verfahren, das Art. 300 EGV, wenn dieses die Befugnis der Gemeinschaft, handelspolitische Abkommen zu schließen, hätte ergeben sollen (dagegen h) und damit das Verfahren der Abkommen geordnet hätten. Nicht nur die nationalen Parlamente wären aus dem Willensbildungs-, Legalisierungs- und Legitimationsprozeß ausgeschlossen gewesen, sondern sogar das Europäische Parlament, das ohnehin im Regelfall nach Art. 300 Abs. 3 UAbs. 1 EGV auf die Anhörung beschränkt ist. Die Handelsabkommen bestimmen in der globalisierten Wirtschaft das wirtschaftliche Schicksal der Völker tiefgreifend, insbesondere das Schicksal der Industrien derselben und damit weitgehend der Arbeitsverhältnisse. Die Handelspolitik bedarf der demokratischen Legalisierung und Legitimation durch die nationalen Parlamente. Die außenwirtschaftliche Hoheit der Europäischen Gemeinschaft zu übertragen, wäre ohne nähere Bestimmung der Handelspolitik unverantwortlich gewesen. Zumindest hätte der gemeinschaftlichen Handelspolitik Einstimmigkeit im Rat vorgeschrieben werden müssen. Die gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten des Art. 133 Abs. 6 UAbs. 2 EGV ging in die richtige Richtung. Wenn durch ausschließliche Befugnisse der Gemeinschaft in der Handelspolitik den Mitgliedstaaten handelspolitisch die Hände gebunden gewesen sein sollten, wäre das demokratierechtlich nicht hinzunehmen gewesen, weil die existentielle Staatlichkeit der Mitgliedstaaten verletzt worden wäre. Wenn aber der Gemeinschaftsvertrag derart vergewaltigt wurde, wie das die Kommission und der Gerichtshof praktizieren und noch verheerender praktiziert haben, bis sie zum Einlenken gezwungen wurden, war die Handelspolitik im Wesentlichen, zumal im Warenhandel, ausschließlich den Exekutivorganen, der Kommission und dem Rat, überantwortet. Der Rat entschied meist mit qualifizierter Mehrheit (Art. 133 Abs. 4 EGV). Das war handelspolitische Diktatur. Diese kam (und kommt) im Verbund mit der globalen Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EGV vornehmlich der Kapitalverwertung zugute und diente (und dient) der Ausbeutung der Völker, der Völker der Europäische Union wie auch der Völker der handelspolitischen Vertragspartner. An einer solchen Union darf Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG und nach Art. 20 Abs. 1 GG wegen des demokratischen, des sozialen und des Rechtsprinzips nicht mitwirken.

Mit der Souveränität der Deutschen war eine derart entdemokratisierte Handelspolitk keinesfalls vereinbar. Das wird später für die gegenwärtige Vertragslage näher erörtert.

l) Zusammengefaßt: Die Gemeinschaft hatte aus Art. 133 Abs. 1 EGV die Befugnis, einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik zu bestimmen und diese nach Absatz 2 dieser Vorschrift durchzuführen. Sie konnte sich nach Absatz 3 dieser Vorschrift in das Verfahren der Aushandlung handelspolitischer Abkommen einschalten, um die einheitlichen Grundsätze zur Geltung zu bringen. Art. 133 Abs. 5 EGV begründete wegen des substantiellen Verweises auf die Absätze 1 bis 4 keine weiteren Befugnisse der Gemeinschaft, handelspolitische Abkommen auszuhandeln oder abzuschließen. Absatz 6 Unterabsatz 2 begründete eine gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten für Abkommen im Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich Bildung sowie im Bereich Soziales und Gesundheitswesen. Nach Absatz 7 des Art. 133 EGV konnte die Gemeinschaft ihre Befugnis, einheitliche Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik zu bestimmen, auf internationale Verhandlungen und Abkommen über geistiges Eigentum ausdehnen. Dieser eher schmale Befund der handelspolitischen Befugnisse der Gemeinschaft verträgt sich mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes, aber auch mit dessen Sozialprinzip, das ruinösen Entwicklungen der markt­lichen Sozialwirtschaft Deutschlands durch die europäische Integration entgegensteht, wie sie mit Befugnissen der Gemeinschaft, Handelspolitik im weitesten Umfang auch für Deutschland zu betreiben, verbunden gewesen wäre und weiter wäre. Nur dieses Ergebnis war wegen des Textes des Art. 133 EGV, aber auch des Textes des Art. 300 EGV mit dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung und dem Prinzip existentieller Staatlichkeit der Mitgliedstaaten oder eben deren Souveränität, die zwar Hoheitsrechte zur gemeinsamen Ausübung auf die Gemeinschaft übertragen können, dies aber nur durch hinreichend bestimmte Vertragstexte, vereinbar.

Nur wer alle Rechtsprinzipien außer dem der europäischen Integration beiseite schiebt, nur wer die Texte der Verträge wie der Europäische Gerichtshof ignoriert, nur wer sich über die Rechtssätze, die er abschreibt, keine Gedanken macht, nur wer übersieht, daß die Mitgliedstaaten sich nicht auf eine Ordnung der gemeinsamen Handelspolitik über eine Verantwortung der Gemeinschaft, die über die einheitlichen Grundsätze derselben hinausgeht, einigen konnten, wird der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs folgen und damit diesen zum Herren der Verträge befördern.

5. Gemeinsame Handelspolitik im Vertrag von Lissabon

a) Der Vertrag von Lissabon regelt die gemeinsame Handelspolitik zum einen in Art. 3 Abs. 1 lit. E AEUV, welcher der Union die ausschließliche Zuständigkeit (u.a.) im Bereich „gemeinsame Handelspolitik“ zuspricht, und in Art. 206 f. AEUV, den Nachfolgevorschriften der Art. 131 bis 134 EGV. Art. 206 AEUV stimmt mit Art. 131 Abs. 1 EGV überein. Der eher propagandistische Absatz 2 des Art. 131 EGV ist nicht wiederaufgegriffen, genausowenig Art. 132 und Art. 134 EGV. Art. 133 EGV ist wesentlich verändert, ohne daß die Neuregelung wirklich Klarheit schaffen würde. Doch klargestellt ist durch die Erweiterung des Absatzes 1 S. 1 des Art. 207 AEUV, daß die einheitlichen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik den gesamten Handel mit Waren und Dienstleistungen, aber auch die Handelsaspekte des geistigen Eigentums und ausländische Direktinvestitionen u. a betreffen. Die differenzierende Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zu dem Handel mit Dienstleistungen und den Handelsaspekten des geistigen Eigentums (dazu 4a) wäre damit vertraglich erledigt[90]. Die Frage, welchen Gegenstand die Abkommen der gemeinsamen Handelspolitik haben dürfen, ob nur die „einheitlichen Grundsätze“ oder auch jedwede handelspolitische Regelung, bleibt insofern unklar, als Art. 207 Abs. 1 S. 1 AEUV diesbezüglich Art. 133 Abs. 1 EGV nicht ändert. Dieser vertragsgeschichtliche Aspekt läßt weiterhin im Unklaren, ob die Mitgliedstaaten die Abkommen schließen (dürfen) oder (nur) die Union. Der neue Absatz 2 des Art. 207 AEUV, wonach das Europäische Parlament und der Rat durch Verordnungen gemäß den ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen, „mit denen der Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik bestimmt wird“, spricht dafür, daß die gemeinsame Handelspolitik entweder von den Mitgliedstaaten oder auch oder gar nur von der Union umgesetzt werden darf und soll. Der Verweis des Absatz 3 Unterabsatz 1 auf Artikel 218 AEUV, der „vorbehaltlich der besonderen Bestimmung dieses Artikels“ Anwendung finden soll, wenn mit einem oder mehreren Drittländern oder internationalen Organisationen Abkommen auszuhandeln und zu schließen sind, ergibt die Befugnis der Union Handelsabkommen nicht nur auszuhandeln, sondern auch zu schließen. Damit ist jedoch der Gegenstand dieser Abkommen nicht wirklich geklärt. Es können alle Abkommen sein, welche in der Union auszuhandeln und zu schließen sind oder nur bestimmte, die nach irgendeinem Kriterium gemeinsame Handelspolitik sind. Das würde aber bedeuten, daß für die Abkommen der einzelnen Mitgliedstaaten der „Rahmen“ für die „gemeinsame Handelspolitik“ gemäß Absatz 2 des Art. 207 AEUV nicht mehr maßgeblich wäre. Das vermag nicht zu überzeugen. Aufrechterhalten ist die (seltsame) Regelung, daß der Rat und die Kommission dafür Sorge zu tragen haben, „daß die ausgehandelten Abkommen mit der internen Politik und den internen Vorschriften der Union vereinbar sind“ (Art. 207 Abs. 3 Uabs. 2 S. 2 AEUV). Diese Regelung kann ihren Sinn darin finden, daß Abkommen von den Mitgliedstaaten beschlossen werden, jedenfalls auch von den Mitgliedstaaten. Die Einstimmigkeit, welche Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV für die Aushandlung und den Abschluß eines Abkommens über den Dienstleistungsverkehr, über Handelsaspekte des geistigen Eigentums oder über ausländische Direktinvestitionen vorschreibt, wenn das betreffende Abkommen Bestimmungen enthält, bei denen für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erforderlich ist, spricht durchaus dafür, daß jedenfalls derartige Abkommen nicht auf „einheitliche Grundsätze“ beschränkt sind. Das gleiche gilt für das Einstimmigkeitserfordernis des Unterabsatz 3 des Absatzes 4 für die dort genannten Bereiche (Handel mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen und Handel mit Dienstleistungen des Sozial-, des Bildungs- und des Gesundheitssektors, jeweils unter bestimmten Voraussetzungen). Beide Regelungen sprechen jedoch ebenso deutlich dafür, daß auch in diesen Bereichen die Mitgliedstaaten Aushandlungs- und Abschlußbefugnisse behalten, weil das Einstimmigkeitserfordernis sonst handelspolitische Verträge ausschließen würde, wenn auch nur einer der (derzeit) 28 Mitgliedstaaten nicht einstimmt. Eine solche Regelung wäre absurd. Dem steht nicht etwa die ausschließliche Zuständigkeit der Union für den Bereich gemeinsame Handelspolitik nach Art. 3 Abs. 1 lit. E AEUV entgegen. Diese Zuständigkeit bezieht sich eben nur auf den Bereich „gemeinsame Handelspolitik“. Der aber wird durch Art. 206 f. AEUV geregelt, der gemäß Art. 2 Abs. 6 AEUV den Umfang der Zuständigkeit der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung bestimmt. Mitgliedstaaten können keine gemeinsame Handelspolitik betreiben. Die ausschließliche Zuständigkeit ergibt sich für die gemeinsame Handelspolitik, wie schon gesagt, aus der Natur der Sache. Den Vereinbarungen ist aber nicht zu entnehmen, daß die Handelspolitik ausschließlich eine gemeinsame Sache sei, daß also die Mitgliedstaaten von der Aushandlung und dem Abschluß von Handelsabkommen gänzlich ausgeschlossen seien. Eine solche Dogmatik wäre nicht nur volkswirtschaftlich und insbesondere demokratierechtlich untragbar, sie wird auch durch den Wortlaut selbst der Neuregelung des Art. 207 AEUV nicht klargestellt. Souveränitätsrechtlich wäre sie gänzlich abzuweisen. Der Text schafft, wenn die Vertragsgeschichte berücksichtigt wird, nach den bisherigen Überlegungen keine Klarheit.

b) Wenn die Union handelspolitische Abkommen aushandelt oder schließt, ist das logisch gemeinsame Handelspolitik. Der Begriff des „gemeinsamen Handelspolitik“ spricht, wenn er nicht ein Wesensmerkmal der Handelspolitik ansprechen soll, nämlich das, gemeinsam zu sein, dafür, daß es auch eine andere als die gemeinsame Handelspolitik gibt, nämlich die Handelspolitik der Mitgliedstaaten. Daß Handelspolitik in der Union aber ihrem Wesen nach nur gemeinsam sein könne, ist in der Sache, vertragsgeschichtlich und auch souveränitätsrechtlich abwegig. „Gemeinsame Handelspolitik“ ist somit immer die Handelspolitik der Union. Deren Gegenstand ist freilich auch durch den Vertrag von Lissabon nicht klargestellt. Er kann jedwede Handelspolitik umfassen, welche von der Union betrieben wird, also von den Mitgliedstaaten in deren unionalen Einheit, oder nur die Handelspolitik, die der Union als eigenständigem Völkerrechtssubjekt übertragen ist. Letzterer Gegenstand kann umfassend jede Handelspolitik der unionalen Einheit meinen oder eben nur einen begrenzten Teil derselben. Der Vertragstext ergibt zweierlei Materialisierungen des Begriffs. Einerseits die (weitgefaßten) Gegenstände, für die nach Art. 207 Absatz 1 AEUV einheitliche Grundsätze gestaltet werden sollen. Andererseits die Gegenstände, für die nach Absatz 4 des Art. 207 AEUV Einstimmigkeit im Rat vorgeschrieben ist, nämlich die Aushandlung und der Abschluß von Abkommen „über den Dienstleistungsverkehr, über Handelsaspekte des geistigen Eigentums oder über ausländische Direktinvestitionen, wenn das betreffende Abkommen Bestimmungen enthält, bei denen für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erforderlich ist“, und weiterhin der Abkommen nach Satz 3 des Absatz 4 von Art. 207 AEUV. Für die Abkommen im Bereich des Verkehrs trifft Absatz 5 des Art. 207 AEUV eine Sonderregelung. Die genannten Einstimmigkeit im Rat erfordernden Bereiche der Handelspolitik sind die, deren Zuständigkeit die Mitgliedstaaten nicht gänzlich aus ihren allein zu verantwortenden Befugnissen abgeben wollten. Der weitaus größere andere den Mitgliedstaaten ausweislich des Vertragstextes als weniger empfindlich erschienene Bereich, für den die qualifizierte Mehrheit im Rat für die Aushandlung und Abstimmung der Abkommen genügt, ist nicht eigens aufgeführt. Das spricht dafür, daß alle anderen Bereiche von Handelspolitik als Gegenstände der gemeinsamen Handelspolitik von der Zuständigkeit der Union gemäß Absatz 3 und Absatz 4 Satz 2 des Art. 207 AEUV erfaßt sein sollen. Ein solches Verständnis entspricht der Praxis der Kommission und des Europäischen Gerichtshofs mit seiner AETR-Judikatur, die letzterer ja gerade für die früher umstrittenen Bereiche eingeschränkt hat, die nach dem Vertrag von Lissabon Einstimmigkeit erfordern. Dieses Textverständnis ist den Überlegungen zur vertraglichen Zuständigkeitslage zugrunde zu legen. Das bedeutet zugleich, daß die Union nach dem Vertragstext für jedwede Handelspolitik ausschließlich zuständig ist.

Wenn der Zuständigkeitskatalog für die „einheitlichen Grundsätze“ der „gemeinsamen Handelspolitik“ auch für die Zuständigkeit für die Aushandlung und den Abschluß der Abkommen zugrundegelegt wird, wie das das Bundesverfassungsgericht macht, und dieser Katalog weit ausgelegt wird, was die Worte „insbesondere“ und „zum Beispiel im Fall von“ in Satz 1 zweiter Satzteil des Art. 207 Absatz 1 AEUV nahelegen, bliebe für die Handelspolitik der Mitgliedstaaten auch von daher kein relevanter Bereich übrig. Für diese Überlegung gibt auch die Geschichte des Begriffs der „gemischten Abkommen“ ein Argument, den auch das Bundesverfassungsgericht verwendet und der in früheren Vertragsfassungen stand, nämlich in Art. 133 Unterabsatz 2 von Absatz 6 EGV in der Fassung des Vertrages von Nizza. Der Begriff kommt aber in Lissabon-Vertrag nicht mehr vor. Das zwingt geradezu zu der Einsicht, daß die Mitgliedstaaten keinerlei Befugnisse zur Handelspolitik mehr haben sollen. Das ist denn auch die Auffassung der Kommission. Für diese Auffassung gibt auch Art. 2 Absatz 1 AEUV ein Argument, wonach „nur die Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen kann“, wenn die „Verträge der Union für einen bestimmten Bereich eine ausschließliche Zuständigkeit übertragen“. Das ist für die „gemeinsame Handelspolitik“ in Art. 3 Absatz 1 lit e AEUV geschehen. Aber diese Regelung bleibt, wie ausgeführt, als solche unklar, weil Handelspolitik der Mitgliedstaaten keine gemeinsame Handelspolitik ist. Allerdings ist es selbstverständlich und nicht regelungsbedürftig, daß die „gemeinsame Handelspolitik“ nur die Union durchführen kann. Daraus ließe sich wiederum herleiten, daß es für die Union nur noch gemeinsame Handelspolitik gibt. Der Begriff „gemeinsame Handelspolitik“ wäre danach nur noch plakativ. Er würde die Gemeinsamkeit jeder Handelspolitik der Union, für die der Binnenmarkt essentiell ist, zur Sprache bringen. Der Europäische Gerichtshof hat ja die ausschließliche Zuständigkeit der Union für die Handelspolitik damit begründet, daß nur eine solche mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes vereinbar sei. Eine „geteilte Zuständigkeit“ im Sinne des Art. 2 Absatz 2 AEUV für die Handelspolitik, in deren Bereich „die Union und die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen können“, würde wegen Art. 3 Absatz 1 lit e AEUV eine Unterscheidung der „gemeinsamen Handelspolitik“ von der nichtgemeinsamen Handelspolitik erfordern; denn für die gemeinsame Handelspolitik ist die Union ausschließlich zuständig. Für einen Bereich geteilter Zuständigkeit und damit für eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gibt Art. 207 AEUV jedoch, wie ausgeführt, keinen Anhaltspunkt. Folglich ist auch der Katalog des Art. 207 Absatz 1 AEUV umfassend. Eine restriktive Interpretation der Begriffe dieser Vorschrift würde Randzuständigkeiten für eine geteilte Zuständigkeit übriglassen, wie etwa nach einer Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts im Lissabon-Urteil Portfolio-Investitionen (Rn. 380), vorausgesetzt, daß dieser Katalog nicht auf die Zuständigkeit für einheitliche Grundsätze beschränkt wird.

Die Ausklammerung der Portfolio- Investitionen aus der vertragstextlichen Zuständigkeit der Europäischen Union für die Handelspolitik überzeugt nicht. Während die Direktinvestitionen lange als mitgliedstaatliche Angelegenheit gesehen und gehandhabt wurden, weil sie durch Teilübernahme des Eigentums an den Unternehmen, etwa durch Aktienerwerb, die unmittelbare unternehmerische Beteiligung an nationalen Unternehmen ermöglicht, wenn nicht gar durch vollständige Übernahme der Unternehmen im Land des Mitgliedstaates oder dadurch, daß Unternehmen dort gegründet und betrieben werden, der nationale Einfluß auf die Unternehmen geschmälert werden kann, waren Portfolio-Investitionen durch die Kapitalverkehrsfreiheit, jetzt des Art. 63 AEUV, ohnehin durch weitestgehende Liberalisierung und Deregulierung des globalen Marktes geregelt. Dafür bedurfte es und bedarf es keiner besonderen Regelung in Handelsabkommen. Das Wort „insbesondere“ genügt, um die Portfolio-Investitionen, falls es einen Regelungsbedarf unter den Parteien eines Handelsabkommens gab und gibt und die Kapitalverkehrsfreiheit eine Regelung zuließ und zuläßt, unter die allgemeine Handelspolitik zu ordnen, für die die Union nach dem Vertragstext zuständig ist. Die Besonderheit der Direktinvestitionen und darum das Interesse an der Klarstellung der Zuständigkeit der Union für die Regelung derselben in Handelsabkommen zeigen sich etwa in Art. 64 AEUV.

Bedeutsam ist, daß es nach dem Vertragstext keine gemischte Zuständigkeit mehr gibt, die wegen der inneren Einheit der Handelsabkommen naheliegen würde, wenn es Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten geben sollte. Solche Zuständigkeiten müßten zudem den Mitgliedstaaten vorbehalten sein, weil im Bereich der geteilten Zuständigkeiten auch die Union agieren kann und damit die innere Einheit des Abkommens zu wahren befähigt ist. Eine Unterscheidung der handelspolitischen Zuständigkeiten nach ausschließlichen, geteilten oder den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Zuständigkeiten ist aber nirgends im Vertrag zu erkennen, insbesondere nicht in Absatz 3 des Art. 207 AEUV. Ganz im Gegenteil dieser Absatz kennt, wie ausgeführt, keine Einschränkung und legt in seinem Text und durch den Verweis auf Art. 218 AEUV die Zuständigkeit der Union fest, wenn „Abkommen mit einem oder mehreren Drittländern oder internationalen Organisationen auszuhandeln und zu schließen sind“. Das klingt umfassend und gibt keinen Anhaltspunkt für eine Unterscheidung nach Zuständigkeiten. Im Bereich der den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Handelspolitik, der überhaupt gemischte Zuständigkeiten denkbar macht, wäre schon die Aushandlung der Abkommen durch Organe der Union ultra vires und vertragswidrig. Das wäre nicht durch Zustimmung der nationalen Parlamente zu heilen. Das Abkommen wäre eben entgegen der Zuständigkeitsordnung gemeinsame Handelspolitik und nicht unterschiedliche der Mitgliedstaaten, die entweder in den ihnen vorbehaltenen Gegenständen der Handelspolitik Abkommen schließen wollen oder auch nicht, und wenn mit eigenständigem Inhalt. Die Verhandlungen mit den Vertragspartnern müßten durch die Regierungen der Mitgliedstaaten geführt werden, die Abkommen müßten in jeder Weise als nationale völkerrechtliche Verträge behandelt werden.

Anderes läßt sich auch nicht aus dem wenig klaren Absatz 6 des Art. 207 AEUV herleiten, der von der „Ausübung der durch diesen Artikel übertragenen Zuständigkeiten im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik“ handelt. Daraus könnte man schließen, daß es daneben noch Zuständigkeiten der Handelspolitik gibt, die keine solchen der „gemeinsamen Handelspolitik“ sind. Man könnte aber auch aus dem Satz als solchen schließen, daß es Zuständigkeiten im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik gibt, die durch Art. 207 AEUV nicht übertragen sind. Das wäre augenscheinlich unsinnig. Der Absatz zielt auf die allgemeine innere Zuständigkeitsordnung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und gibt für eine geteilte Zuständigkeit oder den Mitgliedstaaten vorbehaltene Zuständigkeit nichts her. Das Wort „gemeinsame“ erscheint wiederum nur plakativ zu sein. Nach der Textanalyse insgesamt ist somit die gesamte Handelspolitik als gemeinsame Handelspolitik der ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen Union überantwortet. Diese Analyse wird dadurch erhärtet, daß die Differenzierung der Beschlußanforderungen im Rat, qualifizierte Mehrheit oder Einstimmigkeit, den früheren Bereich der gemischten Zuständigkeit dadurch zu befrieden versucht, daß nach Absatz 4 des Art. 207 AEUV Einstimmigkeit für die Beschlüsse über die Aushandlung und den Abschluß der Abkommen erforderlich ist.

c) Das Ergebnis der Textanalyse des Vertrages von Lissabon, die umfassende ausschließliche Zuständigkeiten der Europäischen Union für die Handelspolitik, ist souveränitäts-, identitäts- und demoktratierechtlich für die Völker der Europäischen Union und insbesondere für Deutschland und damit auch für den Beschwerdeführer nicht hinnehmbar.

Die Handelspolitik als Außenwirtschaftspolitik ist ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik eines Landes und gehört zum Kernbereich der Souveränität eines Volkes[91]. Die Wirtschaftspolitik ist im Wesentlichen nach wie vor der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verblieben[92]. In der globalisierten Wirtschaft ist es essentiell für ein Gemeinwesen, die Hoheit über den Außenhandel eigenständig auszuüben. Jede Volkswirtschaft der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist nach wie vor eigenständig. Das ergibt sich bereits aus der Eigenständigkeit der Sozialpolitik. Wirtschafts- und Sozialpolitik und auch die Währungspolitik sind eine untrennbare Einheit. Die Vereinheitlichung der Währung für einen Teil der Mitgliedstaaten der Union hat sich als undurchführbar erwiesen. Sie ist gescheitert[93]. Die Versuche, die Währungseinheit, den Euro, zu verteidigen, zielen mehr und mehr auf eine Sozialunion, zunächst als Finanzunion. Frankreich fordert eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Das erweist diese Einheit von Wirtschaft, Währung und Sozialem, die nur zum Schaden der Gemeinwesen auseinandergerissen werden kann. Solange diese Einheit nicht besteht, muß die Wirtschaftspolitik auf die Besonderheiten der Volkswirtschaft ausgerichtet sein, für die die Politik gemacht wird. Die Einheit herzustellen, nämlich die Politische Union, und damit den Unionsbundesstaat, erfordert, wie das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil klargestellt hat[94], jedenfalls für Deutschland ein neues Verfassungsgesetz, in dem sich Deutschland für einen Unionsbundesstaat öffnet. Das setzt voraus, daß die Deutschen sich nach Art. 146 GG durch einen verfassungsgebenden Akt, der nur mittels Volksentscheid möglich ist, dafür entscheiden. Ein solcher Schritt ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Solange muß die Wirtschaftspolitik im Wesentlichen national bleiben. Die Heterogenität der Volkswirtschaften der Union läßt ökonomisch nichts anderes zu. Eine andere Politik ist der praktischen Vernunft entgegengesetzt und damit grob sachwidrig und somit willkürlich. Bereits der Binnenmarkt, den der Europäische Gerichtshof mit einer vertragswidrigen Judikatur zur radikalen Deregulierung gezwungen hat, hat für die schwächeren Volkswirtschaften existentiellen Schäden und für die stärkeren Volkswirtschaften unverdiente Gewinne herbeigeführt, jeweils wesentlich wegen der globalen Relevanz der politischen Gegebenheiten der Volkswirtschaften. Die Freihandelsdoktrin ist ohne komparative Vorteile für alle beteiligten Staaten ein Mißgriff. Sie schafft unechten Freihandel, der den Einen absolute Vorteile, den Anderen absolute Nachteile bringt[95]. Die Außenwirtschaftspolitik, die Handelspolitik also, gehört essentiell zur Wirtschaftspolitik. Das ist ein Gebot der Volkswirtschaft von existentieller Bedeutung für einen Staat und damit ein Teil der Souveränität. Wirtschaftspolitik und Handelspolitik auseinanderzureißen verletzt die Souveränität existentiell. Zur Identität der Verfassung eines existentiell dem Sozialprinzip des Art. 20 Absatz 1 GG verpflichteten Gemeinwesens[96] gehören die Befugnisse und Zuständigkeiten, welche erforderlich sind, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und damit die der Handelspolitik, die auf die Wirtschaftslage des Landes abgestimmte Handelsabkommen ermöglichen. Eine Handelspolitik der Union kann und muß eine andere sein als eine für Deutschland oder eine für Frankreich, für Italien, Großbritannien oder gar Griechenland. Nichts anderes gebietet das Subsidiaritätsprinzip, das in Art. 23 Absatz 1 S. 1 GG explizit als Verfassungsvoraussetzung einer Vereinigung Europas genannt ist.

d) Der deregulierte Binnenmarkt rechtfertigt die gemeinsame Handelspolitik allenfalls für die Festlegung der einheitlichen Grundsätze. Wie schon gesagt, hat der Binnenmarkt die Heterogenität der Volkswirtschaften nicht behoben. Er hat diese verstärkt. Die erhoffte Konvergenz ist nicht gefördert worden. Es ist somit bei der Notwendigkeit geblieben, daß die Mitgliedstaaten eine Handelspolitik betreiben, die ihren Gegebenheiten gerecht wird. Das ist in der globalisierten Wirtschaft von existentieller Bedeutung. Die Souveränität der Völker läßt es nicht zu, diesen existentiellen Politikbereich aus der eigenständigen Verantwortung zu geben. Die Übertragung der Ausübungshoheit der Handelspolitik auf die Europäische Union gefährdet nicht nur den Wohlstand der Völker, sondern deren wirtschaftliche Existenz. Die heterogene wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beweist diese Lage.

Das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, erweitert den Binnenmarkt der Europäischen Union weitestgehend um Kanada. Wenn noch das Freihandelsabkommen TTIP mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) dazu kommen wird, wird der Binnenmarkt um den größten Markt der Welt erweitert. Es wird ein Binnenmarkt mit gigantischem Ausmaß entstehen. Die Heterogenität wird weiter verstärkt werden. Das folgt daraus, daß wesentlicher Gegenstand dieser Freihandelsabkommen der Grundsatz der Inländergleichbehandlung ist. Die Grundfreiheiten des unionalen Binnenmarktes gelten folglich, vermittelt durch die Freihandelsabkommen, auch für die Kanadier und deren Unternehmen wie in absehbarer Zeit auch für die US-Amerikaner und deren Unternehmen. Damit kommt diesen auch das vom Europäischen Gerichtshof aus den Grundfreiheiten abgeleitete Herkunftslandprinzip zu Gute. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten dann wegen des praktizierten Herkunftslandprinzips[97] nicht nur die 28 Warenordnungen der Mitgliedstaaten, etwa die Lebensmittelordnungen, aber auch die Warenherstellungsordnungen, sondern zusätzlich zunächst die mit der Europäischen Union im Rahmen der Regulativen Zusammenarbeit abgestimmten Kanadas und bald auch die der USA. Die Völker haben aber ein Recht darauf, nach ihrer Ordnung zu leben. Bereits das Herkunftslandprinzip, das jedenfalls den Grundfreiheiten in deren ursprünglichen Rechtsgehalt nicht zu entnehmen war, hat die Souveränität der mitgliedstaatlichen Völker verletzt[98]. Dessen vermittelte Ausweitung auf überseeische Staaten ist mit der Souveränität schlechterdings unvereinbar. Es ist auch mit dem demokratischen Prinzip, das der Souveränität der Bürger und damit der Bürgerschaften als der Völker, erwächst, unvereinbar, wie noch näher dargelegt werden wird.

Der Binnenmarkt ist der Kern der Europäischen Union. Er wird, wie gesagt, zu einem transatlantischen Markt erweitert. Der Sache nach ist das die Ausdehnung der wirtschaftspolitischen Agenda der Europäischen Union auf Kanada und die USA. Diese Politik widerspricht Art. 23 Abs. 1 GG, der ein vereintes Europa zu verwirklichen aufgibt, nicht eine transatlantische Vereinigung. Derart weitreichend kann eine Ermächtigung der Union keinesfalls sein. Das ist schicksalhaft für die Völker der Europäischen Union und damit eine Souveränitätsfrage, die jedes Volk alleine entscheiden muß. Es ist fraglos, daß Handelsabkommen mit überseeischen Staaten geschlossen werden können und vielfach geschlossen worden sind. Aber diese Abkommen haben die Einzelstaaten getroffen und treffen dürfen. Derartige Abkommen, die die Europäische Union ausgehandelt und abgeschlossen hat, waren auch souveränitätswidrig. Aber all diese Abkommen hatten nicht die weitgehenden Gegenstände, wie das CETA und auch das TTIP, die der Sache nach einen einheitlichen transatlantischen Mark, zudem mit außerordentlichen, nicht hinnehmbaren Investitionsschutzrechten, schaffen bzw. schaffen sollen. Für die Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) war demgemäß auch immer streitig, ob die Europäische Union die Zuständigkeit für die Aushandlung und den Abschluß hat oder die Mitgliedstaaten, die zudem ursprüngliche Mitglieder der WTO waren und sind[99]. Darum haben sowohl die Europäischen Union als auch deren Mitgliedstaaten die Abkommen ausgehandelt und abgeschlossen.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob mittels der Grundfreiheiten ein deregulierter Binnenmarkt der Europäischen Union geschaffen werden durfte, wie das die Praxis des Europäischen Gerichtshofs ist, oder ob die Übertragung der Hoheitsrechte und damit die Überantwortung der Außenwirtschaftshoheit zur gemeinsamen Ausübung der mitgliedstaatlichen Souveränität in diesem existentiellen Bereich soweit geht, daß die Union einen transatlantischen Binnenmarkt mit Kanada und den USA einrichten darf. Der unionale Binnenmarkt unterliegt weitestgehend der Ordnungsmacht der Europäischen Union. Das ergibt sich aus deren Befugnissen in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaftspolitik einschließlich der Arbeits-, Sozial- und Umweltpolitik, vor allem aber der Wettbewerbspolitik. Bedeutsam ist insoweit auch und insbesondere die Währungspolitik. Auf all diese Politiken haben die Mitgliedstaaten der Union den in den Gründungsverträgen geregelten Einfluß, insbesondere mittels der Kommission und dem Rat, aber auch mittels des Europäischen Parlaments auf die Gesetzgebung. Aber auch der Europäische Gerichtshof und schließlich auch die nationalen Verfassungsgerichte kontrollieren die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen. Die Regelungen der Europäischen Union sind zwar entgegen der wirtschaftlichen Vernunft für deren Mitgliedstaaten einheitlich, aber immerhin haben letztere den begrenzten Einfluß, denen ihnen eine Union mit 28 Mitgliedstaaten läßt. Vor allem können die Mitgliedstaaten sich rechtens aus der Union lösen, ganz oder zum Teil, in dem sie entweder das Zustimmungsgesetz ganz aufheben[100] oder einschränken. Letzteres gilt jedenfalls für Deutschland, in dem etwa der Lissabon-Vertrag nur nach Maßgabe des restriktiv ausgelegten Zustimmungsgesetzes gilt. Auf die Freihandelsabkommen, einmal von der Europäischen Union abgeschlossen, verlieren die unionalen Mitgliedstaaten so gut wie jeden Einfluß. Wenn sie die Union verlassen, gelten die Abkommen im Zweifel für sie weiter, obwohl man darüber streiten kann. Aber die faktische Bindung ist außerordentliche fest, wenn nur ein Ausscheiden aus der Union eine Lösung von den Freihandelsabkommen wegen deren gegebenenfalls und zu erwartenden verheerenden Wirkungen ermöglicht. Alleine jedenfalls können sie die Abkommen für ihr Land nicht kündigen.

Auf die Politik der transatlantischen Partner der Abkommen, also auf Kanada im Falle des CETA, haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union keinen relevanten Einfluß. Sie können allenfalls Verstöße gegen die Abkommen abzuwehren versuchen. Aber eine Möglichkeit, die Ordnung des Binnenmarktes insgesamt zu verändern, wie in der Union, haben sie nicht. Sie müssen die waren- und produktionsrechtlichen Maßnahmen der transatlantischen Partner hinnehmen und letztlich die Verkehrsfähigkeit deren Waren und Dienstleistungen in ihren Ländern akzeptieren. Es versteht sich, daß dadurch eine (weitere) Nivellierung der Standards und auch Preise bewirkt werden wird, weil alle Unternehmer um Marktanteile kämpfen. Das hat Wirkungen auf die Wettbewerbslage und damit mittelbar auch auf die Arbeitsverhältnisse. Die Freihandelsabkommen werden den Wohlstand nicht fördern, sondern senken, wie das die Erfahrung im unechten Freihandel ist. Die Hoheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird durch Freihandelsabkommen wie CETA (aber auch TTIP) souveränitätswidrig eingeschränkt, die Deutschlands zudem entgegen der Identität des Grundgesetzes und entgegen dem demokratischen Prinzip in dessen Kern. Eine solche Befugnis kann rechtens der Europäischen Union nicht übertragen werden.

e) Kompetenziell umfaßt der Begriff der Direktinvestitionen auch den Schutz derselben. Wie viele andere Freihandelsabkommen vereinbart das mit Kanada, CETA, den Investitionsschutz und stattet diesen mit einem besonderen Schutzverfahren aus. Es räumt den Investoren Schadensersatzansprüche ein, wenn deren Investitionen durch Maßnahmen, die dem Vertragspartner zuzurechnen sind, Schaden erleiden, seien es Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe. Derartige Ansprüche können die Investoren gegen die in Anspruch genommen Staaten vor einem besonderen Investitionsgericht einklagen.

Vereinbarungen über Direktinvestitionen sind zwar Gegenstände von Handelsabkommen und damit von Handelspolitik, aber der Investitionsschutz, wie er im Abkommen der Europäischen Union mit Kanada geregelt ist, ist mit der Verfassungsidentität Deutschlands, mit dessen demokratischen Prinzip und insbesondere dessen Rechtsstaatsprinzip, aber auch mit dem sozialprinzip Deutschlands unvereinbar. Zu Lasten der deutschen Verfassungsidentität kann der Gesetzgeber Deutschlands Hoheitsrechte nicht auf die Europäische Union übertragen. Wenn entgegen der Verfassungsidentität Deutschlands Befugnisse von der Union in Anspruch genommen werden, ist das ultra vires. Dieser Gegenstand des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada ist grob ultra vires. Er verändert das Kompetenzgefüge der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten schwerwiegend und offensichtlich.

Deutschland konnte der Europäischen Union keine Befugnis übertragen, eigenständige, von der Rechtsordnung Deutschlands unabhängige Investitionsschutzverfahren zum Schutze von ausländischen Investitionen in Handelsabkommen zu vereinbaren. Somit ist das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ultra vires. Dafür hat die Union keine Zuständigkeit. Der Investitionsschutz ist ein wesentlicher Teil des Abkommens, wenn nicht der eigentliche Grund für dieses Abkommen. Ein solcher Investitionsschutz verändert das gesamte Verfassungsgefüge der demokratischen Rechtsstaaten und damit Deutschlands, weil er deren Rechtssystem den Geschäftsinteressen ausländischer Investoren ausliefert. Das ist mit der Freiheit der Völker, jedenfalls mit der Freiheit der Deutschen, schlechterdings unvereinbar und somit souveränitätswidrig. Die Europäische Union hat auch wegen des im CETA vereinbarten Investitionsschutzes durch Schadensersatzansprüche wegen investitionsschädigender Enteignung, enteignungsgleichen Eingriffes, über die Vertragsgerichte verbindlich entscheiden sollen, keine Zuständigkeit.

Die Rechtlosigkeit des Investitionsschutzes des CETA wird näher zu B dargelegt. Die Regelung ist aber auch für die Zuständigkeitsproblematik von wesentlicher Relevanz, zumal der Investitionsschutz durch Schadensersatzansprüche der Unternehmer essentielles Element des Freihandelsabkommens der Union mit Kanada ist, ohne daß das Abkommen nicht geschlossen worden wäre.

f) Zuständigkeiten der Europäischen Union, welche die Souveränität der Deutschen verletzen, verletzen zugleich deren Anspruch auf Demokratie und deren Recht auf Identität der Verfassung. Das demokratische Prinzip ist verletzt, wenn die Befugnisse des Volkes oder dessen Parlaments derart verkürzt sind, daß die Souveränität der Bürger nicht mehr von diesen selbst oder von deren unmittelbaren Vertretung, also deren Parlament, ausgeübt werden kann, weil die Ausübung der der Bürgerschaft wegen deren Souveränität vorbehaltenen Ausübungsbefugnisse auf Organe der Europäischen Union übertragen ist. Die Souveränität als die Freiheit der Bürger verbleibt stets der Bürgerschaft, aber deren Ausübung kann in Grenzen nach Art. 23 Abs. 1 GG der Europäischen Union übertragen werden. Dabei sind zum einen die Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität zu beachten, zum anderen die Unübertragbarkeit von Hoheitsrechten, die um der existentiellen Staatlichkeit des Volkes willen von der Bürgerschaft unmittelbar oder mittelbar durch deren nationales Parlament ausgeübt werden müssen. Die Handelspolitik kann allenfalls in deren Grundsätzen im Interesse eines vereinten Europas auf die Europäische Union übertragen werden, wie das durch Art. 207 Abs. 2 AEUV geschehen ist.

Einzelne Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen kann der Union nur in engen Grenzen überantwortet werden, soweit etwa weltweit verbindliche Abkommen geschlossen werden sollen, die ohnehin auf die Besonderheiten der nationalen Volkswirtschaften keine oder allenfalls wenig Rücksicht nehmen können. Das mag für die Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO), etwa das Allgemeinen Zoll- und Handelsübereinkommen von 1994 (GATT 1994) und das Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und auch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)[101], richtig sein. Das mag man mit dem Begriff „gemeinsame Handelspolitik“ verbinden.

Die Heterogenität der Volkswirtschaften läßt es aber nicht zu, daß alle oder fast alle Handelsabkommen und damit die Handelspolitik im Wesentlichen für alle Mitgliedstaaten der Europäische Union von deren Organen ausgehandelt und auch abgeschlossen bzw. betrieben wird. Die Heterogenität läßt es nicht zu, daß mit der Handelspolitik Binnenpolitik betrieben wird, auf die die Mitgliedstaaten nicht den Einfluß haben, den sie um ihrer wirtschaftlichen Existenz willen benötigen. Die Mitgliedstaaten haben nach wie vor die Souveränität, ihre Wirtschaftshoheit im Wesentlichen und die Sozialhoheit so gut wie vollständig allein auszuüben und einige Mitgliedstaaten auch noch die alleinige Ausübungshoheit für die Währung. Die Mitgliedstaaten, die die Ausübung der Währungshoheit vergemeinschaftet haben, haben schwere Schäden ihrer Wirtschaft hinnehmen müssen. Der Euro ist gescheitert. Enge Handelsabkommen, wie sie das CETA vorsieht, zwingen die Mitgliedstaaten ökonomisch zur Anpassung ihrer Wirtschaftsordnung an die durch die Abkommen veränderte Wirtschaftslage, weil die Abkommen der Sache nach den Binnenmarkt erweitern. Daran ändert Absatz 6 des Art. 206 nichts, wonach die Ausübung der Unionszuständigkeiten im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik keine Auswirkungen auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten haben soll und auch nicht zu einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten führen soll, soweit eine solche Harmonisierung in den Verträgen ausgeschlossen wird. Es sind ökonomische Zwänge, die die Anpassung erzwingen. Die Mitgliedstaaten werden durch CETA (und erst recht durch TTIP) gezwungen sein, ihre Wirtschaftsordnung und insbesondere ihre Sozialordnung, aber auch die Daseinsvorsorge und ihre Schul- und Hochschulordnung u. a. m. an die neue Wettbewerbslage anzupassen. Auch eine Zustimmungsbedürftigkeit der Parlamente der Mitgliedstaaten zu Abkommen mit vermeintlichen Gegenständen, die nicht zur Zuständigkeit der Europäischen Union gehören, die insbesondere von Deutschland (zu Unrecht) vertreten wird, ändert an dem existentiellen Dilemma der Mitgliedstaaten nichts. Wenn alle Mitgliedstaaten dem Abkommen zustimmen sollten, bleibt das doch ein Abkommen, das auf die ökonomischen Besonderheiten der Einzelstaaten keine Rücksicht nehmen konnte und keine Rücksicht genommen hat. Jedenfalls können solche Zustimmungen den Zuständigkeitsmangel der Europäischen Union nicht beheben, auch nicht die Zustimmung der nationalen Parlamente. Darauf werde ich zu i eingehen.

g) Das demokratische Prinzip Deutschlands wird im gegen parlamentarische Verfassungsgesetzänderungen geschützten Kernbereich und damit entgegen dem Anspruch der Bürger auf Demokratie auch dadurch verletzt, daß die Handelsabkommen durch die Zuständigkeit der Europäischen Union nicht der Zustimmung des deutschen Gesetzgebers bedürfen, wie das Art. 59 Absatz 2 GG vorsieht, geschweige denn, daß der Bundespräsident das Abkommen gemäß Art. 59 Absatz 1 S. 2 GG schließt. Die grundgesetzliche Regelung des auswärtigen Handelns der Regierung ist demokratisch existentiell. Sie gewährleistet die demokratische Legalisierung der völkerrechtlichen Verträge, die die politischen Verhältnisse des Landes grundlegend verändern können. Das Freihandelsabkommen mit Kanada hat insgesamt einen solchen Vertragsgehalt.

Das ergibt sich aus dem schon kritisierten Investitionsschutz, der die rechtsstaatlichen und auch demokratischen Prinzipien Deutschlands mißachtet, indem er den Rechtsschutz gegen den Staat, der im Rechtsstaat im Wesentlichen Staatsschutz, nämlich demokratisch legalisierter Rechtsschutz durch Gerichte des Staates, sein muß, einem nichtstaatlichen, sondern völkervertraglich begründeten Investitionsgericht überantwortet. Eine Übertragung von Hoheitsrechten zur Rechtsprechung sieht das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada nicht vor. Dafür gäbe es auch keine verfassungsrechtliche Grundlage in Deutschland. Zwar können nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen werden, aber die Europäische Union hat keine Befugnis, diese weiter auf eine von ihr völkervertraglich begründete Einrichtung zu übertragen und damit eine Gerichtsinstanz mit Kanada zu schaffen, die jeder demokratischen Legalität entbehrt, aber verbindliche Entscheidungen zu Lasten Deutschlands treffen können soll. Private Unternehmer mögen Schiedsgerichte vereinbaren, aber der Staat darf sich seiner Verantwortung für die Rechtsprechung nicht entziehen. Im übrigen haben auch private Schiedsgerichte nicht das letzte Wort in Sachen des Rechts in Deutschland. Sie müssen insbesondere den ordre publique wahren. Der Rechtsschutz völkerrechtlicher Verträge ist der Souveränität gemäß in den verschiedenen Streitschlichtungsabkommen etwa der WTO[102] und insbesondere in dem Statut des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen geregelt. Eine Entstaatlichung des Rechtsschutzes, gar mit Schadensersatzansprüchen bewehrt, ist keinesfalls mit der Souveränität und deren demokratischen Verwirklichung zu vereinbaren.

Aber auch die Regulatorische Zusammenarbeit, wie sie im CETA im Kapitel 21, Section E vereinbart wird, die in der Sache zu einer Art Herkunftslandprinzip führt (dazu C), wälzt die politische Lage in Deutschland um, weil es Deutschland in einen Binnenmarkt mit Kanada (bald durch TTIP auch noch mit den USA) integriert, den größten Binnenmarkt der Welt.

Eine solche Politik setzt die unmittelbare Zustimmung des Volkes durch Referendum voraus. Selbst das Volk könnte bestimmte Umwälzungen dieser Handelspolitik nicht rechtens gutheißen, jedenfalls nicht den Investitionsschutz, den CETA vereinbart, der mit fundamentalen Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates unvereinbar ist. Der Rechtsstaat gehört zur Verfassung der Menschheit des Menschen, zur Verfassung die mit dem Menschen geboren ist[103], und steht damit in seinen Fundamenten nicht zur Disposition der Politik[104]. Die Zuständigkeit der Europäischen Union schaltet sogar die nationalen Parlamente aus der Handelspolitik aus, die die verfassungsgesetzliche Lage der Mitgliedstaaten grundlegend verändern können. Die völkerrechtlichen Verträge der Union sind nach Art. 216 Absatz 2 AEUV für die Mitgliedstaaten verbindlich und beanspruchen den Vorrang vor dem nationalen Recht einschließlich der Verfassungsgesetze[105].

h) Von einer Zustimmung der nationalen Parlamente machen Art. 207 und Art. 218 AEUV die Aushandlung und den Abschluß der Handelsverträge nicht abhängig, wie das Bundesverfassungsgericht selbst im Lissabon-Urteil festgestellt hat (Rn. 374). Die nationale Zustimmungsbedürftigkeit und damit eine handelspolitische Zuständigkeit des deutschen Parlaments ergeben sich entgegen der Auffassung des Bundestages, soweit man diese den Medien entnehmen kann, auch nicht daraus, daß das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ein gemischtes Abkommen sei. Es gibt nach dem Vertrag von Lissabon keine gemischten Abkommen mehr, jedenfalls nicht in der Handelspolitik, wenn auch das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil davon gesprochen hat, freilich ohne sich festzulegen (Rnrn. 377, 380). Das wäre auch mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen Union, wie sie, wie dargelegt, der Vertragstext ergibt, unvereinbar. Das Beispiel der Portfolio-Investitionen, das das Bundesverfassungsgericht anführt, überzeugt nicht. Dem steht das „insbesondere“ in Art. 207 Abs. 1 AEUV entgegen. Wenn die Mitgliedstaaten für bestimmte Bereiche der Handelspolitik zuständig geblieben sein sollten, wird dem in keiner Weise durch eine Zustimmungsbedürftigkeit der Mitgliedstaaten zu den Abschlüssen der Europäischen Union Genüge getan. Schon gar nicht können dadurch, daß Randbereiche der Verträge nicht unter die gemeinsame Handelspolitik fallen, die Handelsverträge insgesamt national zustimmungsbedürftig werden, wie das ein Gutachten für den Deutschen Bundestag darzulegen versucht hat[106]. Das würde einerseits die ausschließliche Zuständigkeit der Union für den wesentlichen Teil der Abkommen (diese unterstellt) oder jedenfalls den Teil, für den die Union zuständig sein will, unterlaufen, zumal die Abkommen insgesamt an der Ablehnung eines der 28 Mitgliedstaaten scheitern könnten. Gerade das sollte die umfassende und sogar ausschließliche Zuständigkeit der Union ausschließen. Andererseits kann die Ausübung einer den Mitgliedstaaten verbliebenen Ausübungshoheit nicht davon abhängig gemacht werden, daß sie einen gegebenenfalls umfassenden Vertrag der Union, der für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten soll, ablehnt oder auch annimmt. Die Vertragshoheit der einzelnen Mitgliedstaaten ist dann unvermeidlich von den Vertragsinteressen der anderen Mitgliedstaaten politisch abhängig. Eine derart „koordinierte“ Ausübungshoheit ist eine geschmälerte Hoheit, die nicht mehr eigenständig, legalisiert allein vom Volk des Mitgliedstaates, ausgeübt werden kann. Sie wäre wesentlich der Union überantwortet. Wenn die Mitgliedstaaten noch Resthoheiten zur Ausübung von Handelsabkommen behalten haben sollten, müssen sie die Abkommen alleine in der üblichen Weise aushandeln und abschließen können, jeder für sich und gegebenenfalls mit unterschiedlichen Regelungen der jeweiligen Abkommen. Zu Recht ist insoweit die Kommission anderer Auffassung als Deutschland. Die umfassende Zuständigkeit der Europäischen Union für die Handelspolitik, die nach dem Vertragstext eben nur noch gemeinsame Handelspolitik ist, scheitert nicht in Randbereichen, sondern insgesamt an der Souveränität jedenfalls Deutschlands und an dem demokratischen Prinzip, das eine oder auch eine weitgehende Zuständigkeit der Union für die Handelspolitik wegen deren existentiellen Relevanz zumal für Deutschland als einem weltweit führenden Exportland nicht zuläßt und im Kern, der nicht zur Disposition der Politik steht, durch diese Zuständigkeit verletzt wird.

i) Das unüberwindliche demokratische Defizit der Zuständigkeit der Europäischen Union für die gemeinsame Handelspolitik wird auch nicht dadurch gemindert, daß der Rat den Beschluß über den Abschluß der Übereinkunft in gewissem Umfang auf Grund der Art. 207 Absatz 3 Satz 1 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Absatz 6 lit a Nr. v AEUV nach mancherlei Auffassung erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments erlassen darf, nämlich über „Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt“. Das dürften die meisten Bereiche handelspolitischer Abkommen erfassen, nach Auffassung von Kommentatoren wegen Art. 207 Absatz 2 AEUV die gesamte gemeinsame Handelspolitik, weil das ordentliche Gesetzgebungsverfahren für Verordnungen vorgesehen ist, die Maßnahmen treffen, mit denen der Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik bestimmt werden[107]. Überzeugend ist dieses Argument nicht, weil der „Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik“ nicht schon die Handelsabkommen sind. Der Rahmenbegriff dieser Vorschrift dürfte sich auf die einheitlichen Grundsätze des Absatz 1 von Art. 207 AEUV beziehen. Selbst wenn für den Abschluß aller Handelsabkommen der Union die Zustimmung des Europäischen Parlaments vorausgesetzt wird, gibt das keine demokratische Legalität und stützt auch keine, weil die nationalen Parlamente nicht an dem Verfahren beteiligt sind. Einer demokratischen Legitimationskraft können sich die Kommission und der Rat nicht berühmen, schon gar nicht einer republikanischen Legalität. Keinesfalls genügt die Zuständigkeitsregelung des Arbeitsvertrages der Europäischen Union dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das die Verantwortbarkeit und damit die Voraussehbarkeit der Unionspolitik durch die nationalen Parlamente gebietet[108] oder gar dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 23 Absatz 1 GG.

Die Berufung auf Art. 218 Absatz 6 a Nr. v AEUV, die auch das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil als richtig angesehen hat (Rn. 374), scheitert aber an Art. 218 Absatz 1 AEUV, der den „besonderen Bestimmungen des Artikels 207“ Vorrang vor den Verfahrensbestimmungen des Art. 218 AEUV beläßt. Art. 207 AEUV hat aber lediglich das Europäische Parlament nur nach Absatz 2 an dem Erlaß der Rahmenverordnungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beteiligt und in Absatz 3 Unterabsatz 3 S. 2 eine regelmäßige Berichtspflicht der Kommission über den Stand der Verhandlungen an das Europäische Parlament vorgesehen. Das Verfahren der Aushandlung und der Abschlüsse von Handelsabkommen ist in Art. 207 AEUV in besonderer Weise gegenüber dem Verfahren nach Art. 218 AEUV vollständig geregelt. Es entspricht der Vertragsgeschichte der Handelspolitik der Union. Das Parlament wurde nie an der Aushandlung und dem Abschluß der Abkommen beteiligt. Dabei ist es geblieben. Es ist stärker als je zuvor in die gemeinsame Handelspolitik einbezogen.

II

Die Grundrechteverletzungen des Beschwerdeführers durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß der Handelsabkommen

Die Souveränitäts-, Demokratie- und Identitätsverletzung durch die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Aushandlung und den Abschluß der Handelsabkommen und damit auch für das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, sind zu I 1 ff. dargelegt. Die schwerwiegenden Verfassungsverletzungen, die die Nichtigkeit der Zuständigkeitsordnung des Vertragstextes des Arbeitsvertrages der Europäischen Union ausmachen, verletzen auch die Grundrechte des Beschwerdeführers, nämlich dessen Recht auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG und dessen politische Freiheit, geschützt durch Art. 2 Absatz 1 GG.

Der Beschwerdeführer ist dadurch selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er ist Bürger Deutschlands und müßte ein Handelsabkommen hinnehmen, der nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen wurde, weil der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Zuständigkeit nicht wirksam übertragen worden ist. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

1. Das Bundesverfassungsgereicht hat im Lissabon-Urteil zu den Rnern. 216, 217, 218 klargestellt:

„Das demokratische Prinzip ist nicht abwägungsfähig; es ist unantastbar (vgl. BVerfGE 89, 155 <182>). Die verfassungsgebende Gewalt der Deutschen, die sich das Grundgesetz gab, wollte jeder künftigen politischen Entwicklung eine unübersteigbare Grenze setzen. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie wird die Verfügung über die Identität der freiheitlichen Verfassungsordnung selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Hand genommen. Das Grundgesetz setzt damit die souveräne Staatlichkeit Deutschlands nicht nur voraus, sondern garantiert sie auch.

Ob diese Bindung schon wegen der Universalität von Würde, Freiheit und Gleichheit sogar für die verfassungsgebende Gewalt gilt, also für den Fall, dass das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung, aber in einer Legalitätskontinuität zur Herrschaftsordnung des Grundgesetzes sich eine neue Verfassung gibt (vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 166 Rn. 61 ff.; Moelle, Der Verfassungsbeschluss nach Art. 146 GG, 1996, S. 73 ff.; Stückrath, Art. 146 GG: Verfassungsablösung zwischen Legalität und Legitimität, 1997, S. 240 ff.; vgl. auch BVerfGE 89, 155 <180>), kann offen bleiben. Innerhalb der Ordnung des Grundgesetzes jedenfalls sind die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG, also die Demokratie, die Rechts- und die Sozialstaatlichkeit, die Republik, der Bundesstaat sowie die für die Achtung der Menschwürde unentbehrliche Substanz elementarer Grundrechte in ihrer prinzipiellen Qualität jeder Änderung entzogen.

Die Verletzung der in Art. 79 Abs. 3 GG festgelegten Verfassungsidentität ist aus der Sicht des Demokratieprinzips zugleich ein Übergriff in die verfassungsgebende Gewalt des Volkes. Die verfassungsgebende Gewalt hat insofern den Vertretern und Organen des Volkes kein Mandat erteilt, über die Verfassungsidentität zu verfügen. Keinem Verfassungsorgan ist die Kompetenz eingeräumt, die nach Art. 79 Abs. 3 GG grundlegenden Verfassungsprinzipien zu verändern. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht. Mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie reagiert das Grundgesetz einerseits auf historische Erfahrungen einer schleichenden oder auch abrupten Aushöhlung der freiheitlichen Substanz einer demokratischen Grundordnung. Es macht aber auch deutlich, dass die Verfassung der Deutschen in Übereinstimmung mit der internationalen Entwicklung gerade auch seit Bestehen der Vereinten Nationen einen universellen Grund besitzt, der durch positives Recht nicht veränderbar sein soll“.

Diese Erkenntnisse unterscheiden sich nicht wesentlich von meinem Vortrag, auch nicht von meinem Vortrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen den Vertrag von Lissabon.

Das Gericht hat weiter klargestellt, daß die Verfassungsidentität vom Bundesverfassungsgericht zu gewährleisten ist, auch auf Grund von Verfassungsbeschwerden. Es heißt in Rn. 240 des Lissabon-Urteils:

„Innerhalb der deutschen Jurisdiktion muss es zudem möglich sein, die Integrationsverantwortung im Fall von ersichtlichen Grenzüberschreitungen bei Inanspruchnahme von Zuständigkeiten durch die Europäische Union – dies wurde auch von den Bevollmächtigten des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung betont – und zur Wahrung des unantastbaren Kerngehalts der Verfassungsidentität des Grundgesetzes im Rahmen einer Identitätskontrolle einfordern zu können (vgl. BVerfGE 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>; 113, 273 <296>). Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür bereits den Weg der Ultra-vires-Kontrolle eröffnet, die im Fall von Grenzdurchbrechungen bei der Inanspruchnahme von Zuständigkeiten durch Gemeinschafts- und Unionsorgane greift. Wenn Rechtsschutz auf Unionsebene nicht zu erlangen ist, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 EUV-Lissabon) in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten (vgl. BVerfGE 58, 1 <30 f.>; 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>: dort zum sogenannten ausbrechenden Rechtsakt). Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist (vgl. BVerfGE 113, 273 <296>). Die Ausübung dieser verfassungsrechtlich radizierten Prüfungskompetenz folgt dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, und sie widerspricht deshalb auch nicht dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV-Lissabon); anders können die von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV-Lissabon anerkannten grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen souveräner Mitgliedstaaten bei fortschreitender Integration nicht gewahrt werden. Insoweit gehen die verfassungs- und die unionsrechtliche Gewährleistung der nationalen Verfassungsidentität im europäischen Rechtsraum Hand in Hand. Die Identitätskontrolle ermöglicht die Prüfung, ob infolge des Handelns europäischer Organe die in Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze der Art. 1 und Art. 20 GG verletzt werden. Damit wird sichergestellt, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur kraft und im Rahmen der fortbestehenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung gilt“.

2a) Das Recht auf Demokratie[109] aus Art. 38 Absatz 1 GG gibt dem Beschwerdeführer das Recht auf Ausübung der Souveränität der Bürgerschaft als des Volkes unmittelbar durch Wahlen und Volksabstimmungen oder mittelbar durch Organe der Bundesrepublik Deutschland, seines Staates. Die Souveränität ist die politische Freiheit der Bürger, ihr Leben in Gemeinschaft mit den anderen Bürgern des Staates nach Maßgabe der Verfassung und des Verfassungsgesetzes staatlich und privat zu gestalten. Das setzt voraus, daß der Staat als die Organisation der Bürgerschaft für die gemeinschaftliche Ausübung der Souveränität in Vertretung des ganzen Volkes die Souveränität wahrnimmt und nicht in einem Umfang aus der Hand gibt, die mit dem Souveränitätsprinzip nicht vereinbar ist, weil für das Gemeinwesen existentielle Politiken von dem Staat als existentieller Organisation des Volkes eigenständig bewältigt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Lissabon-Urteil zu den Randnummern 248 f. wesentliche Bereiche derartiger Politiken, die durch diesen Souveränitätsvorbehalt vor der Übertragung der Hoheitsrechte auf die Europäische Union geschützt sind, aufgeführt[110]:

„Die vom Demokratieprinzip im geltenden Verfassungssystem geforderte Wahrung der Souveränität im vom Grundgesetz angeordneten integrationsoffenen und völkerrechtsfreundlichen Sinne, bedeutet für sich genommen nicht, dass eine von vornherein bestimmbare Summe oder bestimmte Arten von Hoheitsrechten in der Hand des Staates bleiben müssten. Die von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG erlaubte Mitwirkung Deutschlands an der Entwicklung der Europäischen Union umfasst neben der Bildung einer Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft auch eine politische Union. Politische Union meint die gemeinsame Ausübung von öffentlicher Gewalt, einschließlich der gesetzgebenden, bis hinein in die herkömmlichen Kernbereiche des staatlichen Kompetenzraums. Dies ist in der europäischen Friedens- und Einigungsidee insbesondere dort angelegt, wo es um die Koordinierung grenzüberschreitender Lebenssachverhalte geht und um die Gewährleistung eines gemeinsamen Wirtschafts- und Rechtsraumes, in dem sich Unionsbürger frei entfalten können (Art. 3 Abs. 2 EUV- Lissabon)“.

„Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf allerdings nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt. Dies gilt insbesondere für Sachbereiche, die die Lebensumstände der Bürger, vor allem ihren von den Grundrechten geschützten privaten Raum der Eigenverantwortung und der persönlichen und sozialen Sicherheit prägen, sowie für solche politische Entscheidungen, die in besonderer Weise auf kulturelle, historische und sprachliche Vorverständnisse angewiesen sind, und die sich im parteipolitisch und parlamentarisch organisierten Raum einer politischen Öffentlichkeit diskursiv entfalten. Zu wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung gehören unter anderem die Staatsbürgerschaft, das zivile und militärische Gewaltmonopol, Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme sowie die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Eingriffstatbestände, vor allem bei intensiven Grundrechtseingriffen wie dem Freiheitsentzug in der Strafrechtspflege oder bei Unterbringungsmaßnahmen. Zu diesen bedeutsamen Sachbereichen gehören auch kulturelle Fragen wie die Verfügung über die Sprache, die Gestaltung der Familien- und Bildungsverhältnisse, die Ordnung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit oder der Umgang mit dem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis“.

Zu diesen Politikbereichen müssen auch die Aushandlung und der Abschluß von handelspolitischen Abkommen geordnet werden, soweit nicht die Natur des Sache die die Einheitlichkeit derselben nahelegt, weil sie wegen der weltweiten Relevanz, wie etwa die Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation, einheitlich materialisiert sein müssen. Das Hoheitsrecht dieser Politik kann nicht ohne Souveränitätsverletzung insgesamt zur Ausübung auf die Europäische Union übertragen werden. Wie dargelegt, ist Deutschland handelspolitisch in einer besonderen Lage, die es nicht zuläßt, daß die Handelspolitik für Deutschland zusammen und einheitlich mit der Handelspolitik für alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrieben wird. Es ist eine Frage der Souveränität, daß Deutschland seine Handelspolitik in einer Weise betreiben kann, die bestmöglich seiner Wirtschaftslage gerecht wird. Deutschland ist ein führendes Exportland in der Welt. Die Handelspolitik hat intensive Wirkung für die Wirtschaft eines Landes. Der Binnenmarkt der Europäischen Union, ohnehin wirtschaftlich fragwürdig, hat die Heterogenität der Volkswirtschaften nicht überwunden. Er hat sie zumal in Verbindung mit der Währungseinheit der Euroländer erheblich verstärkt. Die unionale Handelspolitik kann eine ausgleichende Wirkung auf die Volkswirtschaften der Union nicht entfalten. Sie schadet wegen der systemischen Einheitlichkeit allen Beteiligten Volkswirtschaften, jedenfalls der deutschen existentiell. Eine für Deutschland sachgerechte Handelspolitik ist das keinesfalls für Griechenland, Spanien, Italien, auch nicht Frankreich uns schon gar nicht für Polen, Tschechien, Slowenien und die anderen Transformationsländer. Die Entäußerung der Befugnis, Handelsabkommen eigenständig auszuhandeln und abzuschließen, also die Zuständigkeit insgesamt auf die Europäische Union zu übertragen, gar zur ausschließlichen Zuständigkeit, verletzt mit der Souveränität Deutschlands in deren unübertragbaren Kern auch das Recht des Beschwerdeführers auf Demokratie.

Der Binnenmarkt der Europäischen Union, der durch die Unionsverträge gegründet worden ist, mag auch in seiner Intensität eine Verfassungsgrundlage in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG finden, aber nicht die Befugnis und damit Zuständigkeit der Europäischen Union, den Binnenmarkt um Kanada und demnächst noch die USA zu erweitern. Das aber ist die Substanz des Freihandelsabkommens der Union mit Kanada, CETA. Die vereinbarte Inländergleichbehandlung und das Meistbegünstigungsprinzip in Verbindung mit der regulatorischen Zusammenarbeit (dazu C) und den verschiedenen anderen Vereinbarungen führen zu einem Binnenmarkt, den der Europäische Gerichtshof mittels seiner Cassis-Judikatur durchzusetzen in den Stand gesetzt wird.

b) Das Recht auf Demokratie wird weiterhin im Kern verletzt, weil die Souveränität des Volkes in der Handelspolitik nicht hinreichend demokratisch legalisiert ausgeübt wird. Die Ausübung der deutschen Hoheitsrechte darf nur auf die Europäische Union übertragen werden, wenn dadurch das gebotene demokratische Legitimationsniveau, wie das Bundesverfassungsgericht zu sagen pflegt[111], gewahrt wird. Das verlangt die Beachtung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, das mißachtet wird, wenn die Ermächtigung derart weit gefaßt ist, daß der deutsche Gesetzgeber die Politik der Europäischen Union nicht verantworten kann, weil er diese nicht voraussehen kann. Die vertragstextliche Ermächtigung der Union, Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen, ist geradezu ohne materielle Grenzen. Allein die freihändlerische Zielsetzung des Art. 206 AEUV gibt eine Orientierung, die im übrigen einseitig ist, und die Schutzbedürftigkeit von Volkswirtschaften außer acht läßt. Von einer Begrenzung der Ermächtigung im Vertragstext kann keine Rede sein. Weder an der der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 207 Absatz 2 AEUV noch an der Aushandlung und dem Abschluß der Abkommen sind die nationalen Parlamente und ist damit der Deutsche Bundestag beteiligt. Dieses Verfahren entbehrt hinreichender demokratischer Legalität. Die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und die, wie schon dargelegt, fragwürdige Beteiligung desselben an dem Abschluß der Abkommen nach Art. 218 in Verbindung mit Art. 207 Absatz 3 AEUV genügt dem gebotenen demokratischen Legitimationsniveau nicht, weil das Europäische Parlament die nationale Legitimation einer unionalen Politik stützen mag[112], aber allein nicht ausreicht, um einer Unionspolitik demokratische Legalität zu verschaffen.

c) Durch die Zuständigkeitsregelung, die der Vertragstext des Art. 207 AEUV für die Handelspolitik trifft, wird das Grundgesetz im für die Politik nicht verfügbaren Kern verletzt, also die Identität der Verfassung der Deutschen mißachtet. Auch darauf hat der Beschwerdeführer ein durch Art. 38 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 146 GG geschütztes Recht. Zur Identität der Verfassung Deutschlands gehört der nicht zur gemeinsamen Ausübung auf die Europäische Union übertragbare Kern der Souveränität genauso wie das gebotene „demokratische Legitimationsniveau“. Sowohl der Kern der Souveränität der Deutschen wie das gebotene demokratische Legitimationsniveau, sprich die hinreichende Beachtung des Prinzips demokratischer Legalität der Politik, werden durch die Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik mißachtet, wie zu a und b dargelegt ist.

Die Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik verletzt somit in dreifacher Weise das Recht des Beschwerdeführers auf Demokratie.

3. Die zu 1. und 2. angesprochenen und zu I dargelegten Verfassungsverstöße der Zuständigkeitsregelung des Vertragstextes für die Handelspolitik verletzen auch das Grundrecht der politische Freiheit und damit der Souveränität des Beschwerdeführers aus Art. 2 Absatz 1 GG.

Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht nur ein Grundrecht einer allgemeinen Handlungsfreiheit der Menschen als Untertanen der Obrigkeit, wie das der Sache nach die liberalistische Freiheitslehre dogmatisiert[113], sondern auch und vor allem das Grundrecht der politischen Freiheit der Bürger[114]. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Der Bürger entfaltet seine Persönlichkeit in einem freiheitlichen Gemeinwesen, in der Republik[115]. Als solcher entfaltet er sich vor allem durch seine Teilhabe an der politischen und damit staatlichen Willensbildung. Sonst wäre die freie Entfaltung der Persönlichkeit auf den nichtstaatlichen, den sogenannten gesellschaftlichen, den privaten Bereich beschränkt. Die politische Freiheit findet in besonderen Grundrechten, wie vor allem dem Recht der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG, aber auch in dem Recht, den Deutschen Bundestag zu wählen und durch den Deutschen Bundestag vertreten zu werden, das Art. 38 Abs. 1 GG regelt, eine besondere Ausgestaltung. Das verdrängt aber nicht das allgemeine Recht der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Freiheit verwirklicht sich wesentlich im Staat und damit nach Maßgabe des den Staat verfassenden Verfassungsgesetzes. Gerade als politische Freiheit materialisiert Art. 2 Abs. 1 GG das Recht der Menschenwürde, die sich nur in einem freiheitlichen Gemeinwesen, einer Republik, welche durch die Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit definiert ist, zu entfalten vermag[116]. Die Verweigerung eines Grundrechtsschutzes der politischen Freiheit ist die Trennung der Politischen Klasse, der Obrigkeit, von den Gewaltunterworfenen, den Untertanen, die Bürger genannt werden[117]. Der Dualismus von grundrechtlicher Freiheit und demokratischer Herrschaft verkennt die Republikanität des Grundgesetzes[118]. Herrschaftlichkeit ist menschheitlich und menschenrechtlich nicht begründbar[119]. Das erweist das Weltrechtsprinzip des Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die politische Freiheit verwirklicht sich zunächst und vor allem im Verfassungsgesetz, das die mit dem Menschen geborenen Rechte, die sich in der Trias von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erweisen[120], materialisiert[121]. Wie jede verfassungswidrige Gesetzgebung, welche den Menschen belastet, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt[122], so beeinträchtigt und verletzt den Menschen und Bürger erst recht ein Verfassungsvertrag, wie es der Vertrag von Lissabon der Sache nach ist, der die existentielle Staatlichkeit des durch das Verfassungsgesetz verfaßten existentiellen Staates und damit die Souveränität der Bürger im existentiellen Bereich einschränkt und verletzt. Ebenso wird die politische Freiheit verletzt, wenn die Ausübung wesentlicher Politikbereiche wie die Handelspolitik aus der Hand gegeben werden und auf Organe der Europäischen Union übertragen werden, deren Handeln, wie zu 1 b dargelegt, der demokratischen Legalität entbehren. Nicht anders ist die Mißachtung der Verfassungsidentität eine Verletzung der politischen Freiheit der Bürger und damit des Beschwerdeführers.

B

Grundrechtswidrige Verfassungsidentitäts-, Souveränitäts- , Demokratie- und Rechtsstaatsverletzung des im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Investitionsschutzes

I

Verfassungswidriger Investitionsschutz im CETA

1. Kompetenziell umfaßt der Begriff der Direktinvestitionen auch den Schutz derselben. Wie viele andere Freihandelsabkommen vereinbart das mit Kanada, CETA, den Investitionsschutz und stattet diesen mit einem besonderen Schutzverfahren aus. Es räumt den Investoren Schadensersatzansprüche ein, wenn deren Investitionen durch Maßnahmen, die dem Vertragspartner zuzurechnen sind, Schaden erleiden, seien es Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe. Derartige Ansprüche können die Investoren gegen die in Anspruch genommen Staaten vor einem besonderen Investitionsgericht einklagen.

Das Investitionsgericht ist genausowenig wie die Rechtsmittelinstanz ein Gericht im demokratischen und rechtsstaatlichen Sinne. Es kann keinen demokratischen und rechtsstaatlichen Rechtsschutz leisten. Rechtsschutz ist Staatsschutz, der in der Republik demokratisch legalisiert sein muß.

Dr. Till Patrik Holterhus, Göttingen, berichtet über den Investitionsschutz des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada wie folgt:

„Das CETA-Investitionsschutzkapitel sieht nun die Errichtung eines erstinstanzlichen Investitionsgerichts (Art. 8.27.1, „Tribunal“) nebst Rechtsmittelinstanz (Art. 8.28.1, „Appellate Tribunal“) vor. Der Rechtsmittelinstanz kommt dabei nicht nur die (leicht eingeschränkte) Funktion einer weiteren Tatsacheninstanz, sondern insbesondere auch die Revision fehlerhafter Rechtsanwendung zu (Art. 8.28.2). Die Ernennung der Richter des Investitionsgerichts sowie der Rechtsmittelinstanz erfolgt ausschließlich durch den CETA-Hauptausschuss (Art. 8.27.5). Regierungsnahe oder gleichzeitig als Anwalt in Investitionsschutzstreitigkeiten tätige Personen sind von der Ernennung ausdrücklich ausgeschlossen. Zur Vermeidung sonstiger Interessenkonflikte gelten die „International Bar Association Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration“ (Art. 8.30.1). Darüber hinaus ist ein effektiver Mechanismus zur Stellung von Befangenheitsanträgen vorgesehen (Art. 8.30.2-4).

Sowohl das Investitionsgericht als auch die Rechtsmittelinstanz entscheiden regelmäßig in Spruchkammern von drei Richtern (Art. 8.27.6; 8.28.5), deren Besetzung dabei nicht durch die Streitparteien beeinflusst wird, sondern auf Rotationsbasis allein durch die jeweiligen Gerichtspräsidenten bzw. zufällig vorgenommen („random and unpredictable“) wird (Art. 8.27.7; 8.28.5).

Wie schon im vorherigen Entwurf des CETA-Investitionsschutzkapitels (2014) finden außerdem die neuen UNCITRAL-Transparenzregeln Anwendung (Art. 8.36). Daraus folgen die auch im CETA-Investitionsschutzkapitel selbst noch einmal festgeschriebene (Art. 8.36-38) Veröffentlichung aller Verfahrensdokumente sowie die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlungen. Auch bleibt es bei der Tragung der Prozesskosten durch die unterlegene Partei (Art. 8.39.5).

Die Prüfungskompetenz des CETA-Investitionsgerichtshofs beschränkt sich allein auf die Auslegung und Anwendung des Investitionsschutzkapitels, insbesondere die Rechtmäßigkeit nationaler oder europäischer Rechtsakte ist von der Überprüfung ausgeschlossen. Ist für die investitionsschutzrechtliche Bewertung einer hoheitlichen Maßnahme der konkrete Inhalt einer bestimmten Vorschrift des nationalen oder europäischen Rechts von Relevanz, muss der Gerichtshof sich außerdem ausschließlich auf die Auslegung der nationalen und europäischen Gerichte stützen (Art. 8.31.1-2).

Besonders beachtenswert ist dabei die in Art. 8.9.2 niedergelegte Regelung, welche ausdrücklich festlegt, dass der Umstand staatlicher Regulierung, auch dann, wenn dadurch Investitionen beeinträchtigt werden, für sich allein genommen gerade noch keine Verletzung der materiellen Investorenrechte im Sinne des CETA-Investitionsschutzkapitels darstellt.

Die Verankerung des staatlichen Regulierungsrechts wird flankiert von einer recht strikten Definition des insoweit häufig als zu unbestimmt kritisierten Grundsatzes der fairen und gerechten Behandlung (Art. 8.10). Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Verletzung nationaler Rechtsvorschriften keineswegs automatisch auch zu einer Verletzung des Grundsatzes der fairen und gerechten Behandlung führt (Art. 8.10.7). Hinzu kommt ein den Begriff der indirekten Enteignung definierender Annex (Art. 8.12.1 iVm Annex 8-A) mit erneutem Verweis auf das staatliche Regulierungsrecht (Annex 8-A, Nr. 3)“.

Die Investitionsgerichte sind seit der Neufassung des Abkommens stetige Einrichtungen mit Richtern genannten Entscheidern, die stetig diese Aufgabe wahrnehmen. Es können nicht mehr Schiedsrichter aus der sachkundigen Anwaltschaft von den Streitparteien für den Streitfall ausgewählt werden. Vielmehr werden die fünfzehn Mitglieder des Investitionsgerichts von dem CETA-Hauptausschuß bestimmt.

Es heißt in Artikel 8. 27:

“1. The Tribunal established under this Section shall decide claims submitted pursuant to Article 8.23. 2. The CETA Joint Committee shall, upon the entry into force of this Agreement, appoint fifteen Members of the Tribunal. Five of the Members of the Tribunal shall be nationals of a Member State of the European Union, five shall be nationals of Canadaand five shall be nationals of third countries”.

Die gerichtsähnliche Einrichtung ist aber kein Gericht mit staatsrechtlicher Legalität. Sie ist eine durch völkerrechtlichen Vertrag begründete, also völkerrechtliche Einrichtung zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Investoren einer Vertragspartei und der anderen Vertragspartei des Abkommens. Sie werden durch den Hauptausschuß des CETA besetzt.

Gegenstand der Streitverfahren sind Schadenersatzansprüche der Investoren. Derartige Einrichtungen sind neu. Bislang können auf völkervertraglicher Grundlage abgesehen von bestimmten Menschenrechtsbeschwerden nur Völkerrechtssubjekte, vor allem Staaten, vor völkervertraglichen Streitschlichtungseinrichtungen prozessieren. Die Investoren werden durch die Möglichkeit, Vertragsstaaten etwa, wie das viele Handelsabkommen vorsehen, vor den Schiedsgerichten auf Schadenersatz zu verklagen, nicht schon Völkerrechtssubjekte, aber doch mit subjektiven Rechten des Völkervertragsrechts ausgestattet, gewissermaßen völkervertragliche Drittbegünstigte. Das ist staatswidrig und mit rechtsstaatlichen Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie unvereinbar. Selbst unter Staaten als Völkerrechtssubjekten sind Streitschlichtungen dadurch gekennzeichnet, daß die Erkenntnisse der Streitschlichter keine Verbindlichkeit haben, jedenfalls nicht vollstreckbar sind. Dem steht das völkerrechtliche Gewaltverbot entgegen. Der Staat kann von Unternehmen vor den eigenen Gerichten verklagt werden und von diesen Gerichten auch zum Schadensersatz an Unternehmen verurteilt werden. Die Durchsetzung dieser Urteile ist staatsadäquat moderiert. Dieses Verfahren können jedenfalls Unternehmen, die in Deutschland mit Rechtsfähigkeit agieren, in Anspruch nehmen. Diese Verfahren sind mit der Souveränität der Bürgerschaften und mit dem demokratischen Prinzip vereinbar.

Ein Streitentscheidungsverfahren einer internationalen Einrichtung, das mehr bewirkt als Rechtsklärung, nämlich die vollstreckbare Verbindlichkeit, ist nicht demokratisch legalisiert und verletzt die Souveränität eines Volkes. Es schafft der Sache nach für einen Teilbereich der politischen Befriedung eine gerichtsnahe Einrichtung, welche staatsmäßige Gewalt ausübt. Alle Staatsgewalt muß aber in einer Republik wegen deren demokratischen Prinzips vom Volke ausgeübt werden, wie Art. 20 Abs. 2 GG erweist. Das verlangt nach demokratischer Legalisierung der Richter. Die stetige gerichtsnahe Einrichtung der Neufassung des Abkommens genügt dieser demokratierechtlichen Anforderung noch weniger als die bisher üblichen Schiedsgerichte, auf deren Besetzung der verklagte Staat wenigstens paritätischen Einfluß hatte, wenn nicht der Vorsitzende mangels Einigung der Streitparteien vom ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) bestimmt wurde. Kein Volk kann es um seiner Souveränität willen hinnehmen, daß sein Staat von einer gerichtsnahen internationalen Einrichtung zum Schadensersatz verurteilt wird, die nicht von dem Volk in demokratischen Verfahren legalisiert wurde. Der Staat ist die Organisation des Volkes zur Verwirklichung des Gemeinwohls. Wenn der Staat verurteilt wird, wird das Volk verurteilt, in dessen Namen die Staatsorgane handeln. Das ist Gewaltausübung gegen das Volk, die nicht vom Volk ausgeht. Schließlich werden die Finanzen des Volkes erheblich in Anspruch genommen. Es kann sich um hohe Milliardenbeträge handeln.

Gegebenenfalls führen legale Maßnahmen des Staates zu Schadensersatzansprüchen der Investoren, weil sie deren wirtschaftliche Interessen beinträchtigen. Die Gesetzgebung des Volkes büßt an Unabhängigkeit ein, aber auch der Gesetzesvollzug und sogar die Rechtsprechung. Das ist mit dem demokratischen Prinzip, dem Rechtsstaatsprinzip und somit mit der Souveränität und der Verfassungsidentität jedenfalls Deutschlands unvereinbar. Ein völkerrechtlicher Vertrag vermag das nicht zu tragen. Er darf und kann rechtens die Verfassung eines Volkes nicht ändern, jedenfalls nicht in deren unabänderlichen Prinzipien, der Verfassungsidentität, wie Art. 79 Abs. 3 GG erweist. Art. 24 GG gibt der Regierung und dem Gesetzgeber diese Macht nicht. Erst recht genügt dafür nicht Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, der europapolitische Integrationsartikel. Das CETA ist ein Vertrag zwischen Kanada und der Europäischen Union. Die Union kann nicht ermächtigt sein, auf Grund der ihr zur gemeinschaftlichen Ausübung übertragenen Hoheitsrechte durch Handelsabkommen Einrichtungen mit dritten Staaten zu schaffen, die hoheitlich gegenüber den Mitgliedstaaten agieren können sollen, schon gar nicht mit, wenn man so will, Rechtssprechungsbefugnisse, die sie selbst als solche nicht hat. Sie darf keinesfalls die Souveränität Deutschlands zu beeinträchtigen, wenn das nicht einmal der deutsche Staat, die Bundesrepublik Deutschland, selbst darf.

Von solchen Einrichtungen wie den handelsvertraglich begründeten Investitionsgerichten darf kein Staat sich vorhalten lassen, er habe das Recht verletzt und müsse Schadensersatz leisten. Das verletzt nicht nur das Rechtsstaatsprinzip, sondern, wie schon gesagt, mit dem demokratischen Prinzip die Souveränität. Diese steht nicht zur Disposition des Staates, der sich auf derartige Investitionsschutzverfahren eingelassen hat, sondern ist als unaufhebbare Freiheit der Bürger Teil ihrer Verfassungsidentität.

Es ist eine schwere Souveränitätsverletzung, daß ein Staat, der über die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahmen in eigener Hoheit und in eigenem Verfahren, das wegen der Souveränität jeder andere Staat akzeptieren muß, entscheiden läßt und entscheiden lassen darf und kann, von einem Unternehmer verklagt werden kann, zumal vor einer Einrichtung, die nichts anderes ist als eine Streitschlichtungsstelle, mangels demokratischer Legalität ohne Gerichtsqualität. Daß in vielen Investitionsschutzabkommen, auch von Deutschland, Schiedsverfahren vereinbart sind, deren Schiedsgerichte die Gerichtsqualität noch weniger verwirklichen, macht die Sache nicht besser. Das rechtfertigt schon deswegen nicht ein solches Abkommen mit Kanada (und schon gar nicht mit den USA), weil das Staaten mit anerkannter, jedenfalls rechtsstaatlich tragfähiger Rechtsprechung sind. Diese Abkommen wurden eingesetzt, um einen minimalen gerichtsähnlichen Investitionsschutz, der von in gewisser Weise institutionell unabhängigen Entscheidern ausgeübt wird, gegenüber Staaten zu erreichen, in denen weder Vertragstreue noch Rechtsschutz zu erwarten war. An sich ist eine solche Vertragspolitik mit völkerrechtlicher Souveränität nicht vereinbar und mißachtet die Gleichheit der Staaten, ein Grundprinzip des Völkerrechtsverkehrs (Art. 1 Nr. 2 und Art. 2 Nr. 1 der UNO-Charta). Aber die schwachen Staaten haben sich das vorschreiben lassen, um in den Genuß von Investitionen zu kommen. Die Gegenseitigkeit solcher Abkommen war und ist eine Farce, weil Investitionen meist nur in eine Richtung geflossen sind, von den Unternehmen kapitalstarker Staaten zu den hilfsbedürftigen schwachen Ländern. Warum hätten sich die Unternehmer auf die Investitionen einlassen sollen, wenn sie sich der Willkür eines Staates aussetzen, dessen Rechtssystem rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügt?

Aber die Lage im Falle des CETA (und voraussichtlich des TTIP) ist gänzlich anders. Die beteiligten Staaten bieten den Investoren einen entwickelten Rechtsschutz in vielstufigen, anspruchsvollen Gerichtsverfahren. Vor allem können aber die Staaten ihren Bürgern gegenüber nicht hinnehmen, daß ihr Rechtssystem von nicht demokratisch legalisierten Entscheidungsgremien überlagert, sprich unterminiert wird. Die Staaten müssen auch die Souveränität ihrer Bürger als deren Freiheit schützen. Freiheitlichkeit ist Rechtlichkeit. Die gewährleistet nur die Bürgerschaft selbst, organisiert in ihrem Staat. Alles andere ist Fremdbestimmung gegen die Autonomie des Willens als die Freiheit, die durch Vereinbarungen mit anderen Staaten nicht gerechtfertigt werden kann.

Vereinbarungen über Direktinvestitionen sind zwar Gegenstände von Handelsabkommen und damit von Handelspolitik, aber der Investitionsschutz, wie er im Abkommen der Europäischen Union mit Kanada geregelt ist, ist mit der Verfassungsidentität Deutschlands unvereinbar. Zu Lasten der deutschen Verfassungsidentität kann der Gesetzgeber Deutschlands Hoheitsrechte nicht auf die Europäische Union übertragen. Wenn entgegen der Verfassungsidentität Deutschlands Befugnisse von der Union in Anspruch genommen werden, ist das ultra vires.

2. Der Investitionsschutz durch Investitionsgerichte ist mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem demokratischen Prinzip Deutschlands, auch soweit diese in ihren Kern durch Art. 79 Absatz 3 GG geschützt sind, unvereinbar. Deutschland als Staat kann sich nicht gerichtsähnlichen Entscheidungen unterwerfen, die gegen rechtmäßige oder auch rechtswidrige Maßnahmen des Staates Unternehmern/Investoren Schadensersatz zusprechen dürfen, wenn diese Entscheidungseinrichtungen nicht ausschließlich mit deutschen Entscheidern, sprich Richtern, besetzt sind. Keines der Mitglieder der Investitionsgerichte muß Deutscher sein.

Als investitionsschädigende Maßnahmen kommen auch Gesetze, Verwaltungsakte und Richtersprüche in Betracht. Zwar ist das Investitionsgericht nicht befugt, die Staatsakte der Vertragspartner auf deren Rechtsmäßigkeit zu prüfen.

Article 8.31

“Applicable law and interpretation

1. When rendering its decision, the Tribunal established under this Section shall apply

this Agreement as interpreted in accordance with the Vienna Convention on the Law

of Treaties, and other rules and principles of international law applicable between the

Parties.

2. The Tribunal shall not have jurisdiction to determine the legality of a measure,

alleged to constitute a breach of this Agreement, under the domestic law of the

disputing Party. For greater certainty, in determining the consistency of a measure

with this Agreement, the Tribunal may consider, as appropriate, the domestic law of

the disputing Party as a matter of fact. In doing so, the Tribunal shall follow the

prevailing interpretation given to the domestic law by the courts or authorities of that

Party and any meaning given to domestic law by the Tribunal shall not be binding

upon the courts or the authorities of that Party”.

Article 8.9

“Investment and regulatory measures

2. For greater certainty, the mere fact that a Party regulates, including through a

modification to its laws, in a manner which negatively affects an investment or

interferes with an investor’s expectations, including its expectations of profits, does

not amount to a breach of an obligation under this Section”.

Aber das Investitionsgericht darfden Investoren Schadensersatzansprüche zusprechen. Sie setzen damit die Staatsakte der Vertragspartner ins Unrecht; denn Schadensersatzansprüche setzen Unrecht voraus, wie typisch § 823 BGB erweist. Für rechtsmäßige Maßnahmen des Staates kommen allenfalls Ausgleichsansprüche in Betracht. Dafür geben das Entschädigungsrecht für Enteignungen und Aufopferungen Beispiele. Diese folgen dem Prinzip: Dulde und liquidiere. Der Ausschluß der Rechtsmäßigkeitskontrolle durch die Investitionsgerichte ist eine „Lebenslüge“ des Investitionsschutzes, um dessen Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Es bleibt beim Schadensersatzanspruch, der den Investor zufriedenstellt, aber dem Volk schadet, nämlich immense Kosten auferlegt. Gegen rechtswidrige Maßnahmen des Staates hat Deutschland, wie gesagt, ein umfassendes Rechtsschutzsystem, das auch verschiedenartige Ausgleichsansprüche bereit hält. Den jeweiligen Rechtsschutz kann auch ein ausländischer Investor in Anspruch nehmen. Der Grundrechteschutz ausländischer juristischer Personen ist durch Art. 19 Absatz 3 GG eingeschränkt. Das mindert aber nicht den ordentlichen Rechtsschutz. Die Verurteilung zum Schadensersatz stellt jeweils incidenter die Rechtswidrigkeit des Staatsaktes fest.

Es gehört zu den Essentialia des deutschen Rechtsstaates, daß Rechtsschutz gegen Unrecht des Staates vor Gerichten des deutschen Staates mit deutschen Richtern nach deutschen Prozeßordnungen gesucht werden kann und muß. Nur das genügt dem demokratischen Prinzip.

Insbesondere gerichtlicher Rechtsschutz gegen Gesetze kann nur vor deutschen Gerichten, letztlich im Wege der konkreten Normenkontrolle oder der Verfassungsbeschwerde vor Verfassungsgerichten des Bundes und der Länder, gesucht werden. Die Verfassungsgerichte haben wegen des demokratischen Ranges der Parlamente das Normenverwerfungsmonopol. Enteignungsgesetze müssen in Deutschland bestimmten Formen genügen, insbesondere als solche deklariert sein und die Entschädigung regeln oder sie sind verfassungswidrig (BVerfGE 58, 300, Rnnr. 107 ff.). Diese Verfassungswidrigkeit können verbindlich bei Verletzung des Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht oder bei Verletzung der Landesverfassungen die Landesverfassungsgerichte feststellen. Wenn Gesetze nicht enteignen, sondern enteignende Wirkungen haben, also zu vermeintlich enteignungsgleichen Eingriffen führen, müssen diese ebenfalls rechtswidrig sein. Es ist rechtsstaatlich und demokratierechtlich für Deutschland nicht hinnehmbar, daß über Schädigungen der Investitionen durch Gesetze auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen durch ein von einem vertraglichen, also bilateralen, Hauptausschuß, der zudem nicht von Deutschland, sondern von der Europäischen Union mitbesetzt ist und somit für Deutschland wie für die anderen Mitgliedstaaten keine demokratische Legalität hat, eingesetztes Investitionsgericht entschieden werden darf. Schlimmer noch, daß dieses Gremium den Investoren verbindlich Schadensersatzansprüche zusprechen darf. Der Begriff des Schadens des Schadensersatzrechts setzt Unrecht voraus. Was ein Schaden ist, bestimmen die Gesetze, der volonté générale, lehren schon die Art. 4, 5 und 6 der Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers von 1789[123]. Folglich muß das Investitionsgericht incidenter über die Vertragswidrigkeit und damit eine vertragsspezifische Rechtswidrigkeit des vermeintlich schädigenden Gesetzes befinden. An der Entscheidung ist gegebenenfalls kein Deutscher beteiligt. Nach dem Abkommen hat das Investitionsgericht aber die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes zugrundezulegen. Durch ein solches Gesetz kann ein Schaden nicht ausgelöst werden. Gesetze verwirklichen die allgemeine Freiheit[124]. In der Verwirklichung der Freiheit kann kein Schaden für einen Bürger und folglich auch für keinen ausländischen Investor liegen. Die Mißachtung eines völkerrechtlichen Vertrages ist eben nicht schon als solches staatsrechtliches Unrecht. Der Dualismus oder besser der umgekehrte Monismus von Völkerrecht und Staatsrecht ist durch die Souveränität der Völker begründet[125], die aufgehoben wird, wenn und soweit nichtstaatliche Organe zu Lasten des Staates und damit des souveränen Volkes entscheiden dürfen. Die Gewalt derartiger völkervertraglich gebildeter Organe geht nicht mehr im Sinne der Souveränität vom Volke aus, sondern allenfalls von den Völkern, die den Vertrag geschlossen haben. Es ist durch die Souveränität begründet, daß es Klagemöglichkeiten wie die von Investoren fremder Staaten gegen einen Staat vor nichtstaatlichen Gremien nicht gibt. Soweit solche Verfahren eingerichtet sind, sind sie souveränitätsrechtlich mehr als bedenklich.

Die Investitionsschutzordnung, die das CETA schafft, ignoriert elementare Rechtsprinzipien jedenfalls Deutschlands, die durch die Logik der allgemeinen Freiheit begründet sind. Die allgemeine Freiheit wird durch Gesetze verwirklicht, nicht etwa beschränkt[126]. Mit der Souveränität der Deutschen ist eine derartige Umwälzung der rechtlichen Dogmatik schlechterdings unvereinbar und damit auch nicht mit dem Rechtsstaat in Deutschland und mit dessen demokratischem Prinzip. Der Nachteil, den ein Investor erleidet, ist kein Schaden im staatsrechtlichen Rechtssinne. Er kann nach Art. 14 Abs. 3 GG einen Ausgleichsanspruch begründen. Der muß durch das Enteignungsgesetz geregelt sein (BVerfGE 58, 300, Rnnr. 107 ff.). Über dessen Höhe haben in Deutschland die ordentlichen Gerichte zu befinden. Über Recht und Unrecht des Staates, ob principaliter oder incidenter, entscheiden verbindlich in Deutschland wie in jedem entwickelten Rechtsstaat Gerichte des Staates, die einen demokratischen Status haben. Dieses Prinzip steht nicht zur Disposition von Verträgen mit fremden Staaten, weder von Abkommen, die Deutschland schließt, noch gar von Abkommen, die die Europäische Union schließt. Nicht nur das Rechtsstaatsprinzip wird durch solche Abkommen im Kern verletzt, sondern auch das demokratische Prinzip. Der Gesetzgeber und damit die Gesetze sind demokratisch legalisiert und können damit nur durch Verfassungsorgane gleichen Ranges ins Unrecht gesetzt werden. Darüber hilft auch die Gegenseitigkeit der Abkommen nicht hinweg.

Eine sehr begrenzte Ausnahme vom ausschließlichen Rechtsschutz durch deutsche Gerichte macht der Menschenrechtsschutz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der aber Schutz gegen Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten erst gibt, wenn die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind. Dieser Rechtsschutz ist zudem ein objektives Verfahren zum Schutz der Menschenrechte, nicht aber ein subjektives Verfahren zum Schutz einzelner Betroffener ist (Art. 35 EMRK). Letzteres ist eine Nebenwirkung. Der Gerichtshof kann den Staat, der die Konvention verletzt hat, auch nicht zum Schadensersatz verurteilen, sondern der verletzten Partei nur eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen, auch nur, „wenn das notwendig ist“ (Art. 41 EMRK). Die Schadensersatzansprüche in den Investitionsschutzverfahren können demgegenüber Millionen-, ja Milliardenbeträge ausmachen.

Das Rechtsstaatsprinzip wie auch das Demokratieprinzip schützen in ihrem Kern auch die Verwaltung. Diese vollzieht die Gesetze rechtsstaatlich und demokratisch legalisiert. Wenn ihr Vollzug die Gesetze verfehlt, ist das Unrecht, gegen das Deutschland gut geordneten Rechtsschutz gibt. Auch dieses System steht nicht zur Disposition von Handelsabkommen, weil die Gesetze im Namen des Volkes vollzogen werden und somit jeder Vollzugsakt der Wille des Volkes und somit ein Souveränitätsakt ist. Das gewährleisten die demokratisch legalisierten Verwaltungsverfahren.

Erstrecht gilt das für die Rechtsprechung durch unabhängige Richter, deren Unabhängigkeit verfassungsrangig und durch das Rechtsstaatsprinzip in dessen Kern gesichert durch die grundsätzlich lebenszeitige Anstellung in das Richteramt und sogar durch die grundsätzliche Unversetzbarkeit geschützt ist (Art. 97 GG).

Dieses demokratische und rechtstaatliche Rechtsschutz- und Entschädigungssystem kann nicht durch ein völkervertraglich begründetes Investitionsschutzsystem ersetzt werden, ohne daß die Identität der Verfassung Deutschlands verletzt wird. Daran ändert nichts, daß solche Verfahren, wie erwähnt, bereits in verschiedenen Handelsabkommen vereinbart wurden. Diese Abkommen lösen verfassungsrechtliche Bedenken aus. Demgemäß konnte Deutschland der Europäischen Union keine Befugnis übertragen, derartige Investitionsschutzverfahren zum Schutze von ausländischen Investitionen in Handelsabkommen zu vereinbaren. Somit ist das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ultra vires. Dafür hat die Union keine Zuständigkeit. Der Investitionsschutz ist ein wesentlicher Teil des Abkommens, wenn nicht der eigentliche Grund für dieses Abkommen. Ein solcher Investitionsschutz verändert das gesamte Verfassungsgefüge der demokratischen Rechtsstaaten und damit Deutschlands, weil er deren Rechtssystem den Geschäftsinteressen ausländischer Investoren ausliefert. Das ist mit der Freiheit der Völker, jedenfalls mit der Freiheit der Deutschen, schlechterdings unvereinbar und somit souveränitätswidrig. Die Europäische Union hat auch wegen des im CETA vereinbarten Investitionsschutzes durch Schadensersatzansprüche wegen investitionsschädigender Enteignung, enteignungsgleichen Eingriffes, über die Vertragsgerichte verbindlich entscheiden sollen, keine Zuständigkeit.

Demokratierechtlich und rechtsstaatlich fragwürdig ist es, wenn das Investitionsgericht Schadenersatz für Eigentumsregelungen Deutschlands zuspricht, weil es in diesen enteignungsgleiche Eingriffe in die Investitionen kanadischer Unternehmer sieht, obwohl diese nach Auffassung des Gesetzgebers, der Verwaltung und insbesondere der Rechtsprechung Deutschlands Inhaltsregelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sind, die entweder nicht ausgleichspflichtig sind, weil sie sich im Rahmen der Sozialpflichtigkeit halten, oder auch ausgleichspflichtig sind, weil sie ohne Ausgleich die Sozialpflichtigkeit zu Lasten der Eigentümer überdehnen. Die Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit des Eigentums gewichtet Deutschland. Das ist ein wesentliches Element des eigentumsschützenden Rechtsstaates, dessen eigentumsrechtlichen Maßnahmen demokratisch legalisiert sein müssen, um das rechte Maß für Deutschland zu materialisieren.

Die Europäische Union ist, obwohl bloße völkerrechtliche Organisation, nach den Gründungsverträgen zur für die Mitgliedstaaten verbindlichen Rechtsprechung befugt. Dagegen gibt es erhebliche Bedenken, weil der Europäische Gerichtshof in keiner Weise demokratisch legalisiert ist[127]. Keinesfalls aber ist die Europäische Union befugt, eine Rechtssprechungsbefugnis eines durch einen völkerrechtlichen Vertrag mit einem dritten Staat eingerichteten gerichtsähnlichem Gremium zu schaffen, das verbindlich Investoren des Vertragspartners Schadensersatz gegen Deutschland zusprechen darf. Sie dehnt damit jedenfalls partiell ihren Wirkungsbereich nach Kanada aus und bezieht Kanada insoweit in den Binnenmarkt ein. Sie schafft zudem ein Investitionsschutzinstrument, das es unionsrechtlich für die Unionsunternehmen gegenüber der Europäischen Union oder gegenüber den Mitgliedstaaten nicht gibt. Einen Investitionsschutz gibt es jedenfalls in Deutschland nur nach Maßgabe des deutschen Eigentumsschutzes. Der ist sehr zurückgenommen. Der Goodwill eines Unternehmens und damit der von Investitionen wird im Gegensatz zum Abkommen der Europäischen Union mit Kanada nach der deutschen Rechtsprechung nicht eigentumsrechtlich geschützt (BGH 3, 270 (279); 29, 65 (69); 98, 341 (351 f.)). Die Inländer werden somit diskriminiert. Das Bundesverfassungsgericht gibt den Absatzmöglichkeiten keinen Grundrechtsschutz (BVerfGE 105, 252 (277 ff.)[128]. In deren Verlust liegt aber der wesentliche Schaden der Investoren.

3. Die Schadensersatzansprüche wegen Enteignung von Investitionen und wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Investitionen widersprechen auch der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Sozialverfassung des Grundgesetzes.

Sie setzen Enteignungen nach Art. 14 Absatz 3 GG ins Unrecht, indem sie an diese Schadensersatzansprüche knüpfen, wenn sie kanadische (später gegebenenfalls nach dem TTIP auch US-amerikanische) Investitionen beeinträchtigen, es sei denn, daß die Enteignungen einem öffentlichen Zweck dienen und nach dem Marktwert entschädigt werden. Darüber entscheidet aber das Investitionsgericht, nicht aber die deutschen Gerichte. Die Schäden, die zu ersetzen sind, bestimmen sich nach dem Marktwert, den wiederum das Investitionsgericht bestimmt. Nach Art. 14 Absatz 3 GG kann, wer nach dieser Vorschrift enteignet wurde, nur „Entschädigung“ nach Maßgabe des Enteignungsgesetzes „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“, also nur dem Gemeinwohl angemessenen Ausgleich für seinen Nachteil, verlangen.

Vergesellschaftungen im Sinne des Art. 15 GG von „Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln“ führen ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen kanadischer Investoren, falls diese in diese Objekte investiert haben. Damit können auf Grund des Abkommens mit Kanada auch diese sogenannten Sozialisierungsmaßnahmen schadensersatzpflichtig sein. Das Grundgesetz gesteht aus guten Gründen nach Art. 15 S. 3 in Verb. mit Art. 14 Abs. 3 S. 3 und 4 GG wiederum nur dem Gemeinwohl angemessene Entschädigungen zu, deren Art und Ausmaß der Gesetzgeber bestimmen kann und muß.

Auch Kommunalisierungen oder Rekommunalisierungen privater Unternehmen, etwa von Krankenhäusern, Versorgungs- und Entsorgungswerken, Verkehrsbetrieben u. a., steht der Schutz der Investitionen kanadischer Investoren in die betroffenen Unternehmen vor Schäden an ihren Investitionen entgegen. Das gleiche gilt für Schulen und Hochschulen, nicht anders als für deren Verstaatlichung.

Zu den Produktionsmitteln im Sinne des Art. 15 GG gehören Banken und Versicherungen nicht[129]. Aber Deutschland kann auch die Bank- und/oder die Versicherungsgeschäfte verstaatlichen. Es gibt staatliche Banken und auch staatliche oder staatsähnliche Versicherungen, nämlich die Sozialversicherung. So ist der Bereich der privaten Krankenversicherung mehrfach eingeschränkt worden. Eine Verstaatlichung ist auch die maßgebliche Beteiligung des Staates an einer privatrechtlich organisierten Bank, wie etwa die Beteiligung an der Commerzbank. Derartige Maßnahmen sind an der Unternehmensfreiheit zu messen, aber keine Enteignungen oder Vergesellschaften im Sinne des Art. 14 Absatz 3 GG oder des Art. 15 GG. Grundrechtsschutz ergibt sich entweder aus der Gewerbefreiheit, welche die Praxis durch Art. 12 Absatz 1 GG geschützt sieht, oder richtiger aus der Unternehmensfreiheit, die Art. 14 Absatz 1 GG oder Art. 2 Absatz 1 GG schützen[130]. Wenn das Gemeinwohl derartige Maßnahmen gebietet, sind die Einschränkungen der Unternehmensfreiheit rechtens. Ausgleichsansprüche oder gar Schadensersatzansprüche entstehen nicht. Wegen der Sachwerte wäre gegebenenfalls eine dem Gemeinwohl angemessenen Entschädigung nach Art. 14 GG zu bedenken. Wäre jedoch ein kanadischer Investor geschädigt, weil mit der Verstaatlichung der Bank- und/oder der Versicherungsgeschäfte seine Investitionen beeinträchtigt werden, hätte er, weil derartige Maßnahmen zumindest als enteignungsgleicher Eingriff eingestuft würden, wenn nicht als Enteignung, Schadensersatzansprüche nach dem Verkehrswert. Zum Verkehrswert gehört auch der Goodwill, also der Marktwert eines Unternehmens, der sich wesentlich aus den Gewinnerwartungen ergibt. Derartige Ansprüche würden die Maßnahmen im Regelfall verhindern und sollen das auch. Die Schadensersatzansprüche sind Sanktionen, die einer größtmöglich investitionsoffenen Wirtschaftsordnung der an den Abkommen beteiligten Staaten dienen.

Die genannten Regelungen des Grundgesetzes materialisieren alle das Sozialprinzip, das nach Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht zur Disposition der Politik steht. Sie materialisieren das Sozialprinzip im Kern. Diese Sozialisierungsmöglichkeiten, die es erlauben, die Wirtschaftsordnung Deutschlands wesentlich umzugestalten, sind Teil der Verfassungsidentität Deutschlands. Das Grundgesetz ist wirtschaftspolitisch neutral, pflegt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zu sagen[131], zu Recht. Es ist weder auf eine Markt- und Wettbewerbswirtschaft festgelegt, noch auch nur auf eine sogenannte soziale Markwirtschaft. Die Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes ist vielmehr die der marktlichen Sozialwirtschaft[132]. Dabei ist das Marktprinzip, das notwendig mit dem Wettbewerbsprinzip verbunden ist, als Effizienzprinzip nur soweit geboten als das Gemeinwohl das erfordert. Diese Offenheit für die Wirtschaftsordnung gehört zu den Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und ist, wie gesagt, Teil der Verfassungsidentität. CETA (und noch breitenwirksamer TTIP) werden die Europäische Union und damit auch Deutschland in ein vom Neoliberalismus geprägtes und damit wesentlich kapitalistisches Wirtschaftsgebiet umwandeln und sollen das. Das Sozialprinzip wird dadurch entgegen dessen Kern zurückgedrängt. Das ist mit der Verfassungsidentität Deutschlands unvereinbar. Eine Befugnis, dahingehende Handelsabkommen zu schließen, dürfte Deutschland nicht auf die Europäische Union übertragen und konnte es somit nicht wirksam. Jedenfalls ist ein Abkommen mit Verbindlichkeiten, die gegen die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes verstoßen und die angesprochenen Sozialisierungsmöglichkeiten verschließen, ultra vires. Dafür hat die Union auch aus diesem Grunde keine Zuständigkeit.

II Die Grundrechtsverletzungen durch die Investitionsschutzregelungen des CETA

Die schwerwiegenden Souveränitäts-, Demokratie-, Rechtsstaats- und Identitätsverletzung durch die Investitionsschutzvereinbarungen im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, im CETA verletzen die Grundrechte des Beschwerdeführers, nämlich dessen Recht auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG, dessen politische Freiheit, geschützt durch Art. 2 Absatz 1 GG, und dessen Grundrecht auf Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 Absatz 1 GG.

Der Beschwerdeführer ist dadurch selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er müßte als Bürger Deutschlands einen Investitionsschutz, der dem demokratischen Rechtssystems Deutschlands und damit der Identität seiner Verfassung widerspricht hinnehmen, das nicht nur nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen wurde, weil der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Zuständigkeit nicht wirksam übertragen worden ist, sondern das durch einen staatswidrigen Schadensersatzanspruch wegen investitionsschädigenden Maßnahmen Deutschlands, sogar wegen Gesetzen, die zu Lasten von kanadischen Investoren gehen, gekennzeichnet ist, über den obendrein nicht demokratisch legalisierte Investitionsgerichte in erster und zweiter Instanz ohne die Möglichkeit der Überprüfung der Urteile durch staatliche Gerichte zu befinden haben. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

1a) Art. 38 Absatz 1 GG schützt auch die Souveränität des Beschwerdeführers als eines Deutschen in deren freiheitlichen und demokratischen Kern. Diese gehört zur Verfassungsidentität des Grundgesetzes, die ebenfalls verfassungsbeschwerdefähig ist. Die Souveränität als die Freiheit wird in demokratischen Verfahren der politischen und damit staatlichen Willensbildung und des Handelns in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verwirklicht. Es gibt keine Demokratie ohne Rechtsstaat, aber auch keinen Rechtsstaat ohne Demokratie[133]. Das demokratische Prinzip, welches Art. 38 Absatz 1 GG als grundrechtsgleiches Recht schützt, ist unverzichtbar, um die Freiheit jedes einzelnen Bürgers in seiner Gemeinschaft mit allen Bürgern zu verwirklichen. Nur unter dem allgemeinen Gesetz als dem Gesetz aller Bürger ist jeder einzelne Bürger frei; denn Freiheit heißt, unter dem eigenen Gesetz zu leben. Gesetze sind aber ihrem Begriff nach allgemein. Weil alles Handeln Wirkung auf andere, genauer auf alle Menschen, hat, bedarf es, wenn es niemanden verletzen soll, deren Zustimmung. Die gibt das allgemeine Gesetz. Das ist der freiheitliche Grund des demokratischen Prinzips[134]. Die Staaten müssen im Frieden miteinander leben, der die Selbstbestimmung der Völker und deren Souveränität sichert. Damit sind die Rechtsordnungen der Staaten, soweit diese sich in den Grenzen des zwingenden Völkerrechts halten, gegenseitig anerkannt[135]. Die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens ist somit die verwirklichte Freiheit. Die Gesetze müssen freilich dem Recht genügen, dem Recht, das mit den Menschen geboren ist und die Verfassung der Menschheit des Menschen ausmacht. Aber ohne Gesetzlichkeit gibt es keinen Rechtsstaat[136]. Folglich gibt es auch ohne demokratische Willensbildung keinen Rechtsstaat. Der Rechtsstaat bedarf der rechtsstaatlichen Verfahren, die bestmöglich die Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens staatlich und privat sichern. Diese Verfahren richtet das Verfassungsgesetz, in Deutschland das Grundgesetz, ein. Diese Verfahren sind Verwirklichung der Freiheit der Bürger als deren Souveränität[137]. Das gilt für die Rechtssetzung, den Rechtsvollzug und die Rechtsklärung. Das alles ist Verfassungsidentität des Grundgesetzes.

Die substantiellen Elemente dieser Rechtsverwirklichungsverfahren, wie sie im Grundgesetz institutionalisiert sind, sind Teil der Souveränitätsverwirklichung des Volkes, der nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers oder gar von Handelsabkommen steht. Verfassungsidentität ist: Die Souveränität der Bürger verwirklicht sich durch Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens, Rechtlichkeit aber ist Zweck des demokratischen Prinzips. Jede Mißachtung der wesentlichen rechtsstaatlichen Einrichtungen des Gemeinwesens ist eine Verletzung des demokratischen Prinzips und damit auch der Souveränität der Bürger und damit der Verfassungsidentität des Grundgesetzes[138]. Dagegen schützt Art. 38 Absatz 1 GG (in Verbindung mit Art. 146 GG) jeden Bürger und auch den Beschwerdeführer. Das hat das Bundesverfassungsgericht, wie oben zitiert, der Sache nach ausgesprochen. Zur Verfassungsidentität als Emanation des souveränen Selbstbestimmungsrechts der Deutschen gehören u. a. das demokratische Prinzip und die Einrichtungen des Rechtsstaates, soweit diese durch Art. 79 Absatz 3 GG vor Änderungen durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geschützt sind. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung[139]. Es hat als dahingehendes Verfahren ausdrücklich die Verfassungsbeschwerde genannt. Folglich ist die Europäische Union nicht befugt, unterstellt, daß sie überhaupt zuständig ist, ein Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen, das Verbindlichkeiten für Deutschland enthält, die mit der Verfassungsidentität des Grundgesetzes und mit der Souveränität der Deutschen nicht vereinbar sind, und damit auch nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip, soweit die Einrichtungen des Rechtsstaates gemäß Art. 79 Absatz 3 GG nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers und damit auch nicht zur Disposition der Unionsverträge und somit schließlich nicht zur Disposition der Handelsabkommen der Europäischen Union mit dritten Staaten steht.

b) Rechtsschutz als Staatsschutz ist grundgesetzliches Essentiale der Rechtsordnung Deutschlands[140]. Es gibt unter Privaten Schiedsverfahren, die nicht staatlich sind und in irgendeiner Weise international organisiert sein können, aber nicht zum Rechtsschutz von Privaten gegenüber dem Staat und schon gar nicht gegen Gesetze, Verwaltungsakte oder Richtersprüche des Staates. Abgesehen von dem in den Artikeln 92 ff. GG geregelten System der Rechtsprechung steht nach Art. 19 Abs. 4 GG für jeden, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Das ist der Rechtsweg vor den Gerichten des Staates. Art. 92 GG anvertraut die rechtsprechende Gewalt den Richtern. Es ist eine Gewalt des Volkes und gehört zur Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG. Sie wird durch die Richter ausgeübt, die nach Art. 97 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Die Richter sind grundsätzlich lebenszeitig angestellt, unabsetzbar und unversetzbar. Sie gehören zum öffentlichen Dienst und haben in diesem einen herausragenden staatlichen Status. All diese Merkmale der Rechtsprechung gehören zur Verfassungsidentität des Grundgesetzes. Die Staatsgewalt der Rechtsprechung, die die Richter im Namen des Volkes ausüben, steht ausweislich Art. 79 Abs. 3 GG nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers, schon gar nicht zur Disposition von Handelsabkommen der Europäischen Union zu Lasten der Verfassungsidentität Deutschlands.

Der Europäische Gerichtshof übt öffentliche Gewalt Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus. Auch er ist in keiner Weise demokratisch legalisiert[141]. Dennoch gibt es relevante Unterschiede zum Investitionsgericht des CETA. Der Europäische Gerichtshof kann Mitgliedstaaten nicht zum Schadensersatz an Investoren wegen Verlusten an Investitionen durch legale Maßnahmen eines Mitgliedstaates verurteilen, im übrigen nicht einmal wegen der Schäden durch illegale Maßnahmen. Der Europäische Gerichtshof übt die Staatsgewalt der Mitgliedstaaten gemeinschaftlich aus, weil ihm Hoheitsrechte zu diesem Zweck übertragen sind. Der Europäische Gerichtshof ist als Organ der Europäischen Union auf eine besondere Integrationsverfassung jedenfalls Deutschlands gestützt, nämlich auf Art. 23 Abs. 1 GG. Es gibt kein grundgesetzliches Integrationsprinzip zugunsten eines Binnenmarktes mit Canada, geschweige denn mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Dafür genügt die vom Bundesverfassungsgericht praktizierte „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des Grundgesetzes nicht. Im Europäischen Gerichtshof sitzt ein Richter aus jedem Mitgliedstaat. Das genügt nicht für eine demokratische Legalisierung, aber ist mehr als die des Investitionsgerichts u. a. m.

Nicht nur staatliches Unrecht, gemessen an der Rechtsordnung Deutschlands, wird dem Investitionsschutz und dessen Verfahren nach dem CETA ausgesetzt, sondern auch staatliches Recht, wenn dieses die Interessen der Investoren aus Kanada (bald aller Voraussicht nach auf Grund des TTIP auch der USA) beeinträchtigt. Die Regelung in Artikel 8. 12 lautet:

“Expropriation

1. A Party shall not nationalise or expropriate a covered investment either directly, or

indirectly through measures having an effect equivalent to nationalisation or

expropriation (“expropriation”), except:

(a) for a public purpose;

(b) under due process of law;

(c) in a non-discriminatory manner; and

(d) on payment of prompt, adequate and effective compensation”.

Übersetzt: „ Keine der Vertragsparteien darf eine abgesicherte Investition entweder direkt oder indirekt durch Maßnahmen, die einen der Nationalisierung oder Enteignung gleichwertigen Effekt haben (nachstehend als „Enteignung“ bezeichnet), nationalisieren oder enteignen, außer:

(a) für öffentliche Zwecke;

(b) nach einem ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren;

(c) in nicht diskriminierender Weise; und

(d) gegen Zahlung eines unverzüglichen, angemessenen und effektiven Schadenersatzes“.

Die „Erlaubnis“ zur „Enteignung“ für einen „öffentlichen Zweck“ wird damit von einem „unverzüglichen, angemessenen und effektiven Schadensersatz“ abhängig gemacht. Ein Schadensersatz setzt nach deutschem Rechtsverständnis ein Unrecht voraus. Das vermeintliche Unrecht des staatlichen Rechts liegt danach in der Enteignung der Investitionen oder in dem enteignungsgleichen Eingriff in die Investitionen, über die das Investitionsgericht urteilt. Es erhält durch CETA die Macht, Maßnahmen Deutschlands, sogar Gesetze, die nach deutschem Recht (einschließlich des in Deutschland anwendbaren Rechts der Europäischen Union) rechtens sind, als vertragswidriges Unrecht zu behandeln und mit Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren. Das ist augenscheinlich mit der Staatsgewalt der Deutschen, also mit deren Souveränität, unvereinbar. Enteignungen sind in Deutschland rechtmäßig, wenn sie den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügen. Sie führen nach dieser Vorschrift zu einer gesetzlich zu regelnden „Entschädigung“, die „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“ ist. Der Begriff des „öffentlichen Zwecks“, der zur Voraussetzung der Enteignung oder des enteignungsgleichen Eingriffs gemacht werden soll, ist zudem enger als der Begriff des Wohls des Allgemeinwohls, von dem eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG abhängt. Keinesfalls ist es souveränitäts-, demokratie- und identitätsrechtlich hinnehmbar, daß über dieses Merkmal ein nicht demokratisch legalisiertes Investitionsgericht befindet. Das Wohl der Allgemeinheit zu bestimmen ist ausschließlich Sache des Volkes unmittelbar oder dessen Vertreter in den Organen des Staates. Es gehört zum Kern der Verfassungsidentität und Souveränität und kann nur demokratisch legalisiert werden. Die Entschädigungsregelung des Grundgesetzes bringt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zur Geltung. Diese wird von der Investitionsschutzregelung des CETA ignoriert. Mit dem Investitionsschutz schafft das Handelsabkommen CETA für Deutschland nicht nur eine neue Wirtschaftsordnung, sondern in relevanten Teilen eine neue dem Sozialprinzip Deutschlands widersprechende Verfassungsordnung, ausgerechnet in Teilen, die nicht zur Disposition der Europäischen Union stehen, weil dieser dahingehende Hoheitsrechte zu Lasten des deutschen sozialen Wirtschaftssystems und der deutschen Rechtsschutzsystems nicht übertragen werden konnten. Der Investitionsschutz ist grob verfassungswidrig. Mit ihm maßen sich die Vertragspartner an, rechtmäßiges Handeln Deutschlands mit dem Argument, es sei Enteignung oder habe einen einer Enteignung gleichwertigen Effekt ins Unrecht zu setzen, indem an solche Maßnahmen ein Schadensersatzanspruch geknüpft wird. Demgegenüber ist es belanglos, daß das Investitionsgericht die Staatsakte Deutschlands nicht für nichtig erklären darf. Sie bleiben verbindlich, lösen aber Schadensersatzpflichten gegenüber dem geschädigten Investor aus. Das ist der entscheidende Widerspruch zum Recht, jedenfalls zum Recht der Deutschen, und damit eine Identitätsverletzung der deutschen Verfassung des Rechts, des deutschen Rechtsstaats also.

Derartige Investitionsschutzverfahren verletzen die Souveränität der Bürger Deutschlands. Rechtmäßiges Handeln kann allenfalls nach Maßgabe der Gesetze zu Entschädigung für besondere Nachteile einzelner Bürger führen, der Sache nach eine sekundäre Gleichheitsverwirklichung, nicht aber zum Schadensersatz für erlittenes Unrecht. Die Bürger haben die Ausübung ihrer rechtsprechenden Gewalt den Richtern des Staates anvertraut und lassen dafür im Rechtsschutz gegenüber dem Staat keine Ausnahme zu. Eine Ausnahme würde den Schutz des Rechts, ihres, der Bürger Recht, in von den Bürgern nicht demokratisch legalisierte Hände geben. Das ist souveränitätswidrig im Kern der Souveränität. Es ist staatswidrig.

2. Das Rechtsschutzsystem des Grundgesetzes ist Essentialium des Rechtsstaates Deutschland. Seine dargelegte Relativierung verletzt mit dem Rechtsstaatsprinzip auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf Demokratie aus Art. 38 Absatz 1 GG.

Es ist dargelegt, daß das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip eine Einheit sind. Wenn das System des Rechtsschutzes im Kern entgegen der Verfassungsidentität verändert, also verletzt wird, ist das auch eine Verletzung des demokratischen Prinzips, das der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit als der Souveränität der Bürger dient.

3. Die Investitionsschutzregelungen des CETA verletzten den Beschwerdeführer auch in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten politische Freiheit als seiner Souveränität. Die Begründung dieser Grundrechtsverletzung ist keine andere als die für die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 38 Absatz 1 GG auf Demokratie. Das Grundrecht der politischen Freiheit schützt die Souveränität des Bürgers, aus der das Recht auf ein staatliches Rechtsschutzsystem erwächst, wie es das Grundgesetz verwirklicht hat. Zugleich ist die rechtsstaatliche Verfassungsidentität Deutschlands verletzt, die zu wahren der Beschwerdeführer wie jeder Deutsche in Verbindung mit Art. 146 GG das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der politischen Freiheit hat.

4. Der Investitionsschutz, den das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada vereinbart, verletzt den Beschwerdeführer auch in der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit seinem Recht auf Wahrung der Verfassungsidentität gemäß Art. 146 GG und seiner Souveränität. Die Eigentumsverfassung des Grundgesetzes, die in ihren wesentlichen Institutionen zur Verfassungsidentität Deutschlands gehört, wird von dem Abkommen substantiell verändert. Als Bürger hat der Beschwerdeführer ein Recht auf den Bestand der grundgesetzlichen Eigentumsverfassung in deren Kern; denn die Eigentumsverfassung schützt auch das Gemeinwohl und damit den Staat als die Organisation der Bürger für die Verwirklichung des allgemeinen Wohls, des bonum commune.

Die deutsche Eigentumsverfassung ist durch die Dualität der Privatnützigkeit und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gekennzeichnet[142]. Diese Dualität kommt in der Entschädigungsregelung des Art. 14 Abs. 3 GG für Enteignungen und in der Sozialisierungsklausel des Art. 15 GG zum Ausdruck. Die Investitionsschutzregelung des CETA ist durch die Privatnützigkeit des Eigentums der Investoren bestimmt. Enteignungen sind nach dieser Regelung zwar erlaubnisfähig, aber nach dem Verkehrswert schadensersatzpflichtig. Eigentum wird nach dem CETA nicht mehr so gewährleistet, wie es das Grundgesetz ordnet und in einer durch das Sozialprinzip wesentlich bestimmten Republik ordnen muß, sondern nach neoliberalen Vorstellungen des internationalen Kapitalismus. Der Satz, „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen“ des Absatzes 2 des Art. 14 GG, aber auch die „Interessen der Allgemeinheit“, die Absatz 3 des Art. 14 GG bei der Regelung der Entschädigung von Enteignungen und auch bei Sozialisierungen nach Art. 15 GG zu berücksichtigen haben, werden durch die Investitionsschutzregelungen des CETA beiseite geschoben. Mit den „öffentlichen Zwecken“ des Kapitels 8.12 werden sie nicht erreicht. Das „Wohl der Allgemeinheit“ und die „Interessen der Allgemeinheit“ gehören zum Grundrecht des Art. 14 GG und zwar gehören sie zu dessen Kern. Jedes Grundrecht hat auch eine objektive Dimension, die Grundrechtsmaterie ist, auf die sich jeder Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht berufen kann[143]. Sonst wäre der Grundrechtsschutz unvollständig. Jedenfalls schließt der grundrechtliche Schutz der Souveränität und der Verfassungsidentität die soziale Eigentumsordnung des Grundgesetzes ein. Sie besteht im Interesse der Bürgerschaft und ist Ausdruck der der Souveränität als der Freiheit der Bürger. Darum ist sie Teil der Verfassungsidentität.

C

Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG Grundrechtswidrige „regulatorische Zusammenarbeit“ nach dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA

I

Regulatorische Zusammenarbeit nach dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, vereinbart eine regulatorische Zusammenarbeit. Diese wird dazu führen, daß die Verkehrsfähigkeit der Produkte des jeweils anderen Vertragspartners, Kanadas einerseits und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten andererseits, anerkannt werden wird, wenn die Produkte im Hoheitsbereich des jeweils anderen Vertragspartners den vereinbarten Regularien genügen, sei es ihrer Beschaffenheit nach, sei es nach ihrer Herstellungsweise, sei es nach dem jeweiligen Arbeitsrecht im jeweiligen Hoheitsgebiet. Die Regelung findet sich im Kapitel 21 des Abkommens. Die regulatorische Zusammenarbeit nähert sich dem Herkunftslandprinzip der Europäischen Union. Sie ist ohne hinreichende demokratische Legalität ein Verstoß gegen den in Art. 38 Abs. 1 GG geschützten Anspruch der Bürger auf Demokratie, gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität der Bürger und gegen die durch beide Grundrechte in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, auf die sich die Bürger Deutschlands berufen können und damit ein Verstoß gegen diese Grundrechte des Beschwerdeführers.

Zweck der regulatorischen Zusammenarbeit ist die möglichste Förderung des Handels, des Wettbewerbs und der Investitionen.

So bestimmt

“SECTION E

Cooperation

Article 21.2

Principles

Without limiting the ability of each Party to carry out its regulatory, legislative and policy activities, the Parties commit themselves to further developing their regulatory cooperation in light of their mutual interest in order to: (a) prevent and eliminate unnecessary barriers to trade and investment; (b) enhance the climate for competitiveness and innovation, including through pursuing regulatory compatibility, recognition of equivalence, and convergence; and (c) promote transparent, efficient and effective regulatory processes that better support public policy objectives and fulfil the mandates of regulatory bodies, including through the promotion of information exchange and enhanced use of best practices”.

Übersetzt: „Ohne die Fähigkeit einer jeden Vertragspartei, ihre regulatorischen, legislativen und politischen Aktivitäten durchzuführen, einzuschränken, verpflichten sich die Vertragsparteien, ihre regulatorische Zusammenarbeit angesichts ihrer gegenseitigen Interessen weiterzuentwickeln, um: (a) unnötige Schranken gegenüber Handel und Investitionen zu verhindern und abzubauen; (b) das Klima für Wettbewerb und Innovation zu verbessern, auch durch die Verfolgung einer regulatorischen Vereinbarkeit, Anerkennung von Äquivalenz und Konvergenz; und (c) transparente, effiziente und wirksame regulatorische Prozesse zu fördern, welche die Zielsetzungen der öffentlichen Politik besser unterstützen und die Mandate der Regulierungsbehörden erfüllen; u. a. durch Förderung eines Informationsaustausches und dem verbesserten Einsatz von Best Practices“.

Weiter heißt es:

“Article 21.4

Regulatory cooperation activities

(r) identifying the appropriate approach to reduce adverse effects of existing regulatory

differences on bilateral trade and investment in sectors identified by a Party, including, when appropriate, through greater convergence, mutual recognition, minimising the use of trade and investment distorting regulatory instruments, and the use of international standards, including standards and guides for conformity assessment;

(g) examining opportunities to minimise unnecessary divergences in regulations through

means such as:

(i) conducting a concurrent or joint risk assessment and a regulatory impact assessment if practicable and mutually beneficial;

(ii) achieving a harmonised, equivalent or compatible solution; or

(iii) considering mutual recognition in specific cases”;

Übersetzt: „Ermittlung der angemessenen Ansätze zur Reduzierung jedweder negativer Auswirkungen bestehender regulatorischer Unterschiede auf den bilateralen Handel und Investitionen in von einer Vertragspartei ermittelten Bereichen, darunter auch ggf. durch verbesserte Konvergenz, gegenseitige Anerkennung, Minimierung der Anwendung von handelsverzerrenden regulatorischen Instrumenten und Einsatz internationaler Standards, wie u. a. Normen und Richtlinien für die Konformitätsbeurteilung.“

„Prüfung von Chancen zur Minimierung unnötiger Abweichungen zwischen den Vorschriften durch Mittel wie: (a) Durchführung parallel ablaufender oder gemeinsamer Bewertungen des Risikos sowie regulatorischer Auswirkungen, sofern dies praktikabel ist und zum gegenseitigem Nutzen erfolgt, (b) Erzielung harmonisierter, äquivalenter oder kompatibler Lösungen, oder (c) Erwägung des Einsatzes gegenseitiger Anerkennung in konkreten Fällen“.

Angleichung der Regularien ist durchgehend das durch die regulatorische Zusammenarbeit angestrebte und damit vertragliche Ziel.

Weiter:

“Article 21.5

Compatibility of regulatory measures

With a view to enhancing convergence and compatibility between the regulatory measures of the Parties, each Party shall, when appropriate, consider the regulatory measures or initiatives of the other Party on the same or related topics. A Party is not prevented from adopting different regulatory measures or pursuing different initiatives for reasons including different institutional or legislative approaches, circumstances, values or priorities that are particular to that Party“.

Übersetzt: „Um die Konvergenz und Kompatibilität zwischen regulatorischen Maßnahmen der Vertragsparteien zu verbessern, hat jede Vertragspartei ggf. die regulatorischen Maßnahmen oder Initiativen der jeweils anderen Vertragspartei über die gleichen oder ähnliche Themen zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung hindert keine Vertragspartei daran, unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen oder abweichende Ansätze aus Gründen zu verfolgen, wie beispielsweise unterschiedliche institutionelle und legislative Ansätze oder Tatbestände, Werte oder Prioritäten, die für diejenige Vertragspartei gelten“.

Der Europäische Gerichtshof verfügt über das Instrumentarium, Unterschiede möglichst einzuebnen. Die Wirkungsweise der regulatorischen Zusammenarbeit wird die Folgende sein: Die Unternehmer Kanadas können sich nach dem im CETA vereinbarten Prinzip der Inländergleichbehandlung (für Waren Teil 3 X 4. 2, für die Investoren Teil 10 X 6, durchgehend) genauso auf die Grundfreiheiten des Binnenmarktes berufen wie die Unternehmer der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten behandelt der Europäische Gerichtshof als rechtswidrig, wenn diese nicht ausnahmsweise mit zwingenden Allgemeininteressen gerechtfertigt werden können und zudem verhältnismäßig sind[144]. Ob nationale Maßnahmen vom Allgemeininteresse gefordert sind, beurteilt der Europäische Gerichtshof. Das wird er regelmäßig verneinen, wenn die regulatorische Zusammenarbeit der Union mit Kanada das im Abkommen vereinbarte hohe Schutzniveau der Produkte gesichert hat oder zu haben vorgibt.

Peter-Tobias Stoll, Till Patrik Holterhus, Henner Gött schreiben in ihrem Rechtsgutachten, erstellt im Auftrag der Arbeiterkammer Wien, Juni 2015, noch zum Text des Abkommens von 2014:

„Die geplante Regulierungszusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Kanada sowie den USA nach den Entwürfen von CETA und TTIP“:

„Die Vertragsentwürfe versuchen ferner, Standards durch die Vorgabe eines „hohen Schutzniveaus“ zu schützen.41 Mit einer solchen Zielvorgabe, die an EU-Vorschriften über die Rechtsangleichung im europäischen Binnenmarkt erinnert, soll sichergestellt werden, dass die Regulierungszusammenarbeit nicht zu einer Absenkung des bestehenden Niveaus führt. Allerdings ist auch hier fraglich, inwieweit die in den Vertragsentwürfen konkret vorgesehenen Bestimmungen zur Sicherung europäischer Standards beitragen können, da nicht näher bestimmt wird, was „hohe Schutzstandards“ ausmacht. Zweifel ergeben sich auch aus den konkreten Formulierungen: So sind z.B. nach dem CETA-Regulierungskapitel hohe Schutzstandards nur „in Übereinstimmung mit“ WTO-Regelungen zu verfolgen, die ihrerseits nicht auf ein hohes Schutzniveau ausgerichtet sind. Nach dem CETA-Kapitel zum Umweltschutz heißt es nur vage, die Vertragsparteien müssten sich „bemühen, sicherzustellen, dass ein hohes umweltrechtliches Schutzniveau besteht“. Solche Formulierungen dürften vielfach zu schwach sein, um die Regulierungszusammenarbeit in nennenswertem Maße lenken zu können“.

Mit dem Rechtfertigungsversuch, durch Produktregelungen die Verbraucher, die Umwelt oder die Arbeitnehmer zu schützen, werden sich die Mitgliedstaaten der Union nicht mehr durchzusetzen vermögen. Obwohl also die Koordinierung in den vertraglichen Koordinierungsgremien, des Regulatorisches Kooperationsforums (RKF), keine unmittelbare Verbindlichkeit begründet, entfalten die Koordinierungsmaßnahmen mittels der Grundfreiheitsdogmatik des Europäischen Gerichtshofs die rechtliche Wirkung des Herkunftslandprinzips, vorausgesetzt, Kanada beachtet die Koordinierungsmaßnahmen. Dabei muß die Zusammenarbeit nicht zu einheitlichen Maßstäben geführt haben. Es genügt ein durch das Regulatorisches Kooperationsforum angeglichenes Schutzniveau. Es ist stetige Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, das Allgemeininteresse gemäß bloßen Koordinierungsregelungen, die als solche keinen Gesetzescharakter haben, zu bestimmen[145].

Wenn das Regulatorisches Kooperationsforum die gegenseitige Anerkennung der Vorschriften (X 4, 7, c) beschließt, entfalten diese Entscheidungen eine noch intensivere Wirkung zugunsten der kanadischen Unternehmer.

Peter-Tobias Stoll, Till Patrik Holterhus, Henner Gött schreiben in ihrem Rechtsgutachten:

„Größeres Gewicht hat auf internationaler Ebene eine zweite Methode, bei der die beteiligten Partner ihre Standards beibehalten, aber die Standards der jeweils anderen Seite als gleichwertig anerkennen („mutual recognition of standards“). Dies hat zur Folge, dass Produkte und Dienstleistungen, die dem Dafürhalten nach dem Standard der anderen Vertragspartei entsprechen, so behandelt werden, als ob sie die eigenen Standards erfüllten. Diese Methode verspricht im Hinblick auf die Reduzierung von Handelshemmnissen auf internationaler Ebene schnellen Erfolg, erfordert sie doch keine (häufig politisch nicht opportune) Änderung der heimischen Standards. Aus dem selben Grund birgt diese Methode jedoch gleichzeitig die Gefahr des geräuschlosen Unterlaufens von Standards, da von außen häufig nur schwer einsehbar ist, nach welchem Maßstab und mit welchen Spielräumen unterschiedlich formulierte Standards als gleichwertig angesehen werden“.

Soweit als möglich wird die Europäische Union die regulatorischen Maßnahmen des Regulatorisches Kooperationsforums in seine Rechtsetzung einbringen, die im Produktbereich regelmäßig durch Verordnungen erfolgt. Sie ist dazu durch die Vertragstreue verpflichtet. Wegen des praktizierten Vorranges des Unionsrechts haben die Mitgliedstaaten dann überhaupt keine Möglichkeit mehr, abweichende Schutzmaßnahmen zu treffen.

Durch die regulatorische Zusammenarbeit gewinnt das Regulatorische Kooperationsforum und somit auch Kanada einen großen Einfluß auf die Produktordnung der Europäischen Union und damit der Mitgliedstaaten. Das Regulatorische Kooperationsforum regelt Art. 21.6:

“Article 21.6

The Regulatory Cooperation Forum

3. The RCF shall be co-chaired by a senior representative of the Government of Canada

at the level of a Deputy Minister, equivalent or designate, and a senior representative of the European Commission at the level of a Director General, equivalent or designate, and shall comprise relevant officials of each Party”.

Übersetzt: „Der Vorsitz des RKF wird gemeinsam von einem hohen Vertreter der Regierung Kanadas auf Ebene eines „Deputy Minister“ oder einer entsprechenden oder designierten Position und von einem hohen Vertreter auf Ebene eines Generaldirektors oder einer entsprechenden oder designierten Position der Europäischen Kommission wahrgenommen; das RKF hat aus relevanten Vertretern der Vertragsparteien zu bestehen“.

Das ist ein Exekutivgremium.

Die Organisation der regulatorischen Zusammenarbeit entbehrt somit jeden Ansatzes demokratischer Legalität. Auch der skizzierte Mechanismus der Wirkungsweise der Koordinationsergebnisse durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, der die Mitgliedstaaten, die die Grundfreiheiten durch Produktregelungen beeinträchtigen, unter Rechtfertigungszwang setzt, ist nicht demokratisch legalisiert, sondern Ergebnis einer die Grundfreiheiten extensiv und zudem entgegen deren völkerrechtlichen Status praktizierenden Judikatur[146]. Die Verordnungen der Union verlieren ihren äußerst schwachen Rest an demokratischer Legalität, wenn der Verordnungsgeber, Rat und Europäisches Parlament, sich an den Koordinierungsergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit ausrichtet. Ohne Vorschlag der Kommission gibt es keine Rechtsakte der Union. Deren Vorschläge aber folgen im Zweifel den Ergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit, auf die die Lobby bestens Einfluß nehmen kann.

Der durch Art. 38 Absatz 1 GG geschützte Anspruch des Beschwerdeführers auf Demokratie, dessen in Art. 2 Absatz 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität und die durch beide Grundrechte des Beschwerdeführers in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, werden durch die im CETA vereinbarte regulatorische Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Umsetzungsmechanismen derartiger Koordinierung der Europäischen Union verletzt.

Peter-Tobias Stoll, Till Patrik Holterhus, Henner Gött schreiben in ihrem angeführten Rechtsgutachten:

„Ob die Betonung des „right to regulate“ einen nennenswerten Schutz bringt, ist indes zweifelhaft: Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge, wie z.B. Freihandelsabkommen, ist zwar eine souveräne Entscheidung der beteiligten Staaten, jedoch schränken die vertraglichen Bindungen zugleich die Souveränität der Vertragsparteien ein. Die meisten Verpflichtungen der Vertragsstaaten im Rahmen der Regulierungszusammenarbeit dürften daher schon allein durch ihre Existenz deren Regulierungsautonomie einschränken: Es soll ja gerade nicht jede Partei beliebig regulieren, sondern nur im Rahmen der vertraglichen Vorgaben und in Abstimmung mit der anderen Vertragspartei. Es kann daher nicht um einen vollständigen, absoluten Schutz des „right to regulate“ gehen, sondern vielmehr darum, dieses Recht und die angestrebte Regulierungszusammenarbeit durch entsprechende Vertragsgestaltung in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen. Der in den Vertragsentwürfen offenbar umfassend gemeinte Schutz des „right to regulate“ lässt sich daher kaum in dem Maße durchsetzen, wie das der Vertragstext zuweilen suggeriert. Dementsprechend wird das „right toregulate“ an verschiedenen Stellen in den Entwürfen unter Vorbehalte gestellt:

In den CETA-Arbeits- und Umweltkapiteln wiederum wird das „right to regulate“ gerade gegenüber der Verpflichtung der Vertragsstaaten, hohe Schutzstandards zu erreichen (dazu sogleich), in den Vordergrund gerückt und wirkt dadurch eher wie eine Relativierung des Ziels, ein hohes Schutzniveau zu erreichen bzw. zu erhalten. Insgesamt besteht daher Anlass zu der Annahme, dass die gegenwärtigen Vorschriften über das „right to regulate“ eine Gewährleistung europäischer Schutzstandards nicht in hinreichendem Maße sicherstellen können“.

II

Grundrechtswidrigkeit der „regulatorischen Zusammenarbeit“ nach dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA und Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 146 GG wegen Mißachtung seiner politischen Freiheit und Souveränität, des Rechts auf Demokratie und des Rechts auf Identität der Verfassung.

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, vereinbart eine regulatorische Zusammenarbeit. Diese wird dazu führen, daß die Verkehrsfähigkeit der Produkte des jeweils anderen Vertragspartners, Kanadas einerseits und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten andererseits, anerkannt werden wird, wenn die Produkte im Hoheitsbereich des jeweils anderen Vertragspartners den vereinbarten Regularien genügen, sei es ihrer Beschaffenheit nach, sei es nach ihrer Herstellungsweise, sei es nach dem jeweiligen Arbeitsrecht im jeweiligen Hoheitsgebiet. Die Regelung findet sich im Kapitel 21 des Abkommens. Die regulatorische Zusammenarbeit nähert sich dem Herkunftslandprinzip der Europäischen Union. Sie ist ohne hinreichende demokratische Legalität ein Verstoß gegen den in Art. 38 Abs. 1 GG geschützten Anspruch der Bürger auf Demokratie, gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität der Bürger und gegen die durch beide Grundrechte in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, auf die sich die Bürger Deutschlands berufen können und damit ein Verstoß gegen diese Grundrechte des Beschwerdeführers.

Das Regulatorische Kooperationsforum ist ein Exekutivgremium. Wiederum schafft das Abkommen, das die Europäische Union schließen will, eine Institution außerhalb der Union, die auf die Union erhebliche politische Wirkung, weitgehend auf Grund der Politikmechanismen der Union verbindliche Wirkung zu entfalten vermag. Die Organisation der regulatorischen Zusammenarbeit entbehrt jeden Ansatzes demokratischer Legalität. Auch der zu I skizzierte Mechanismus der Wirkungsweise der Koordinationsergebnisse durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, der die Mitgliedstaaten, die die Grundfreiheiten durch Produktregelungen beeinträchtigen, unter Rechtfertigungszwang setzt, ist nicht demokratisch legalisiert, sondern Ergebnis einer die Grundfreiheiten extensiv und zudem entgegen deren völkerrechtlichen Status praktizierenden Judikatur[147]. Die Verordnungen der Union verlieren ihren äußerst schwachen Rest an demokratischer Legalität, wenn der Verordnungsgeber, Rat und Europäisches Parlament, sich an den Koordinierungsergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit ausrichtet. Ohne Vorschlag der Kommission gibt es keine Rechtsakte der Union. Deren Vorschläge aber folgen im Zweifel den Ergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit, auf die die Lobby bestens Einfluß nehmen kann.

Der durch Art. 38 Absatz 1 GG geschützte Anspruch des Beschwerdeführers auf Demokratie, dessen in Art. 2 Absatz 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität und die durch beide Grundrechte des Beschwerdeführers in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes, werden durch die im CETA vereinbarte regulatorische Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Umsetzungsmechanismen derartiger Koordinierung der Europäischen Union, zumal dem Regulatorischen Kooperationsforum verletzt.

Der Beschwerdeführer ist durch die Verfassungsverletzungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten beeinträchtigt und verletzt; denn er müßte als Bürger Deutschlands das demokratie- und freiheitswidrige Regulierungssystem des CETA, das insbesondere zu dem ebenso demokratie- und freiheitswidrigen binnenmarktlichen Herkunftsland führt, das dem demokratischen Rechtssystems Deutschlands und damit der Identität der Verfassung der Deutschen widerspricht, hinnehmen. Dieses wurde nicht nur nicht rechtens in seiner Vertretung ausgehandelt und abgeschlossen, zumal der Europäischen Union, die das Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt und abgeschlossen hat, die erforderliche Zuständigkeit nicht wirksam übertragen worden ist und entgegen der Souveränität der Deutschen nicht übertragen werden konnte, sondern ist durch eine neoliberale, einem überzogenen Kapitalismus verpflichtete Nivellierung der Standards im Lebensmittelrecht und im Umweltschutz gekennzeichnet. Deutschland darf solchen Regelungen im Rat der Europäischen Union nicht zustimmen, sondern hätte sie verhindern müssen und ist weiter verpflichtet, sie zu unterbinden. Sonst verletzt es die grundrechtlichen Schutzpflichten gegenüber dem Beschwerdeführer, die aus Art. 38 Abs. 1, Art. 146, Art. 2 Abs. 1, aber auch Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG erwachsen. Der Beschwerdeführer hat keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes, insbesondere kann er sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Absatz 4 AEUV wäre unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch das Abkommen nicht „individuell“ betroffen wäre.

D

Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 GG durch Mißachtung des Vorsorgeprinzips als ultra vires – Maßnahme der Europäischen Union

I

Mißachtung des Vorsorgeprinzips

1. Die Regelungen des CETA

Das Vorsorgeprinzip des deutschen und europäischen Umweltrechts wird durch das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada durch den dominanten wissensbasierten Ansatz der Welthandelsorganisation wesentlich relativiert. So regelt das SPS, The WTO Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures (SPS Agreement), in Artikel 2 Nr. 2:

“Basic Rights and Obligations

2. Members shall ensure that any sanitary or phytosanitary measure is applied only to the extent necessary to protect human, animal or plant life or health, is based on scientific principles and is not maintained without sufficient scientific evidence, except as provided for in paragraph 7 of Article 5”.

Peter-Tobias Stoll, Till Patrik Holterhus, Henner Gött schreiben in ihrem Rechtsgutachten:

„Zahlreichen europäischen Regulierungen liegt das sog. Vorsorgeprinzip zugrunde.42 Das Vorsorgeprinzip besagt, dass bei Vorliegen entsprechender Hinweise Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt auch dann getroffen werden können, wenn eine Gefahr noch nicht mit letzter wissenschaftlicher Gewissheit belegt ist. Auch auf internationaler Ebene spielt das Vorsorgeprinzip eine wichtige Rolle. Es findet sich für den Bereich des

40 Siehe Kap. 24 Art. 2 und Kap. 25 Art. X.4 CETA-Entwurf.

41 Siehe Kap. 24 Art. 2, Kap. 25 Art. X.4 und Kap. 26 Art. X.2 Abs. 2 CETA-Entwurf; Art. 1 Abs. 1 lit. a TTIP-Entwurf.

42 Siehe dazu die Mitteilung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM(2000) 1 endg. und Art. 191 Abs. 2 S. 2 AEUV.

Umweltschutzes im Grundsatz 15 der rechtlich nicht verbindlichen Abschlusserklärung

der Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro aus dem Jahre 1992 der besagt: „[z]um Schutz der Umwelt wenden die Staaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten allgemein den Vorsorgegrundsatz an. Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben.“ Entsprechende verbindliche Aussagen enthält das Klimarahmenübereinkommen und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Anwendungsfälle des europäischen Vorsorgeprinzips sind etwa die Verbote bzw. Regulierungen im Hinblick auf hormonbehandeltes Fleisch oder gentechnisch veränderte Organismen, z.B. Nutzpflanzen wie Mais. Im Recht der WTO dominiert besonders in dem Abkommen über sanitäre und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, dem SPS-Übereinkommen der sog. wissenschaftsbasierte Ansatz, der handelsbeschränkende Regulierungen zur Abwehr von Gefahren in der Regel nur dann zulässt, wenn eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage besteht. Im Falle ungenügender wissenschaftlicher Erkenntnisse erlaubt das hier oft einschlägige WTO-SPSÜbereinkommen – ohne den Begriff der Vorsorge anzuführen – nur provisorische Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind zudem an eine Pflicht zur schnellen weiteren Aufklärung geknüpft und müssen innerhalb eines vernünftigen Zeitraums im Lichte weiterer Erkenntnisfortschritte überprüft werden.43 In dem WTO-Streitverfahren über Einfuhrverbote für unter Einsatz von Hormonen erzeugtes Rindfleisch hat die EU sich nicht auf diese Vorschriften der WTO berufen. Stattdessen hat sie – allerdings erfolglos – versucht, ihre Maßnahmen mit einem internationalen Prinzip der Vorsorge zu rechtfertigen.44 Das Vorsorgeprinzip findet in den Vertragsentwürfen keine Erwähnung. Statt dessen werden Vorschriften des WTO-Rechts „bestätigt“45, was nahelegt, dass auch der dort zugrundeliegende wissenschaftsbasierte Ansatz übernommen werden soll. Vorsorglich getroffene Maßnahmen, die nicht auf

43 Siehe Art. 5.7 WTO-SPS-Abkommen.

44 Siehe den Bericht des Panels in EC Measures Concerning Meat and Meat Products

(Hormones) – Complaint by the United States – Report of the Panel, WT/DS26/R/USA vom 18. August 1997, Ziff. 4.108, 4.239, 8.157 ff. und Bericht des Appellate Body, WT/DS26/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziff. 124.

45 Kap. 7 Art. 5 CETA-Entwurf.

einer wissenschaftsorientierten Risikobewertung beruhen, wären demnach höchstens vorübergehend zulässig. Im Bereich des bilateralen Dialogs über Biotechnologie im CETA wird die Förderung von „effizienten wissenschaftsbasierten Genehmigungsverfahren für Biotechnologieprodukte“ sogar als „gemeinsames Ziel“ bezeichnet.46 Gerade an dieser Stelle wäre eine Erwähnung des Vorsorgeprinzips – auch nur als Diskussionspunkt – angemessen gewesen. Dass hier der wissenschaftsbasierte Ansatz des WTO-SPS Übereinkommens übernommen und bestärkt wird, wird im Umkehrschluss auch dadurch deutlich, dass in zwei speziellen Fällen gleichsam als Ausnahme ein anderes, nämlich weiteres Verständnis der Vorsorge zugrunde gelegt wird. Es kommt den europäischen Vorstellungen deutlich näher. Im 24. Kapitel über Handel und Arbeit heißt es, dass im Falle bestehender oder möglicher Umstände und Bedingungen der Mangel vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht dazu Anlass geben soll, kosteneffiziente Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern vor Krankheiten und Verletzungen aufzuschieben. Eine entsprechende Formulierung finden sich im 25. Kapitel über Handel und Umwelt mit Blick auf drohende schwere oder unumkehrbare Umweltschäden.47 Diese beiden besonderen Vorschriften enthalten eine Formulierung, die Grundsatz 15 der oben wiedergegebenen Rio-Erklärung entspricht. Nun könnte man anführen, dass die Thematisierung des Vorsorgeprinzips nach dem CETA-Regulierungskapitel in der Regulierungszusammenarbeit möglich ist, da ausdrücklich vorgesehen ist, dass dabei auch Methoden und Annahmen bei der Bewertung von Problemen behandelt werden können.48 Da allerdings abgesehen von den beiden Ausnahmen das gesamte CETAAbkommen dem eingeschränkten Ansatz der WTO folgt, erscheint es schwer vorstellbar, dass in diesem Rahmen dem Vorsorgeprinzip mehr Raum geschaffen werden kann. All dies lässt die Annahme zu, dass das Vorsorgeprinzip im CETA nicht gestärkt und möglicherweise sogar weiter zugunsten eines wissenschaftsbasierten Ansatzes zurückgedrängt werden wird. Zusammengefasst lässt sich daher feststellen, dass eine auf dem Gedanken der Vorsorge beruhende Regulierung im CETA-Entwurf nur in einzelnen, besonders geregelten Ausnahmefällen zulässig ist, während im Übrigen ein wissenschaftsbasierter

46 Kap. 29 Art. X.03 Abs. 2 CETA Entwurf.

47 Kap. 24 Art. 3 Abs. 3 S. 3 und Kap. 25 Art. X.8 Abs. 2 CETA-Entwurf.

48 Siehe Kap. 26 Art. X.4 Nr. 9 – 12 CETA-Entwurf.

Ansatz zugrunde gelegt wird. Ferner kann man feststellen, dass dies der bisherigen Regulierungskultur der Europäischen Union zuwiderläuft“.

Eine vorsorgeorientierte Regelung findet sich in Art. 23 Paragraph 3 Nr. 3 des CETA

„CHAPTER TWENTY-THREE

TRADE AND LABOUR

Article 23.3

Multilateral labour standards and agreements”

“3. Pursuant to sub-paragraph 2(a), each Party shall ensure that its labour law and practices embody and provide protection for working conditions that respect the health and safety of workers, including by formulating policies that promote basic principles aimed at preventing accidents and injuries that arise out of or in the course of work, and that are aimed at developing a preventative safety and health culture where the principle of prevention is accorded the highest priority. When preparing and implementing measures aimed at health protection and safety at work, each Party shall take into account existing relevant scientific and technical information and related international standards, guidelines or recommendations, if the measures may affect trade or investment between the Parties. The Parties acknowledge that in case of existing or potential hazards or conditions that could reasonably be expected to cause injury or illness to a person, a Party shall not use the lack of full scientific certainty as a reason to postpone cost-effective protective measures”.

Zum Teil übersetzt: Die präventive Sicherheits und Gesundheitskultur soll das Prinzip der Prävention mit der höchsten Priorität übereinstimmen und jede Partei soll die bestehenden relevanten wissenschaftlichen und technischen Informationen und die internationalen Standard, Wegweisungen oder Empfehlungen in Rechnung stellen, wenn die Maßregeln auf den Handel oder die Investitionen zwischen den Parteien einwirken können. Die Parteien anerkennen, daß im Falle von bestehenden oder möglichen Vorfällen oder Verhältnissen, die vernünftigerweise als Ursache einer Verletzung oder einer Krankheit einer Person erwartet werden können, jede Partei den Mangel voller wissenschaftlicher Sicherheit nicht als Grund nutzt, um eine kostenwirksame Schutzmaßnahme zu verschieben.

Die wissenschaftliche Unsicherheit soll somit Schutzregeln nicht behindern. Aber was heißt Mangel voller wissenschaftlicher Sicherheit. Welche Methode der Erkenntnis von Gefahren oder, wenn man so will, von Restrisiko wird zugrunde gelegt? Das ist im Schadensersatzverfahren des Investors gegen den handelnden Staat Sache des Investitionsgerichts. Wenn man dieser Vorschrift überhaupt ein Element des deutschen und unionsrechtlichen Vorsorgeprinzips entnehmen will, so bleibt das im CETA eine Ausnahmeregelung zugunsten der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, aus der im Umkehrschluß folgt, daß das Abkommen ein allgemeines Vorsorgeprinzip nicht kennt.

Ähnlich ist die Vorschrift des Art. 24 Paragraph 8 des CETA:

“CHAPTER TWENTY-FOUR

TRADE AND ENVIRONMENT”

“Article 24.8

Scientific and technical information

1. When preparing and implementing measures aimed at environmental protection that may affect trade or investment between the Parties, each Party shall take into account relevant scientific and technical information and related international standards, guidelines, or recommendations.

2. The Parties acknowledge that where there are threats of serious or irreversible damage, the lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation”.

Diese Regelung folgt der gleichen Maxime wie die des Art. 23 Paragraph 3 CETA und spricht auch gegen ein allgemeines Vorsorgeprinzip im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada.

Gegen ein Vorsorgeprinzip sprechen jedoch die Regelungen des Art. 21. 3 b vi und ii CETA, nämlich:

“The objectives of regulatory cooperation include to:

(b) build trust, deepen mutual understanding of regulatory governance and obtain from each other the benefit of expertise and perspectives in order to:

(vi) avoid unnecessary regulatory differences;

(ii) reduces unnecessary differences in regulation;”

Dadurch wird das Vorsorgeprinzip relativiert. Es rechtfertigt, ja gebietet Schutzmaßnahmen, auch wenn die Schadensverursachung durch den Einsatz eines Stoffes oder einer Technik oder was auch immer an menschlichem Handeln noch nicht restlos geklärt ist. „Unnecessary“ ist eine Regelung, solange die Kausalkette von Handeln und Schaden, also die Gefahr, nicht wissenschaftlich erwiesen ist. Die Verordnungen der Union verlieren ihren äußerst schwachen Rest an demokratischer Legalität, wenn der Verordnungsgeber, Rat und Europäisches Parlament, sich an die Koordinierungsergebnis der regulatorischen Zusammenarbeit ausrichtet. Ohne Vorschlag der Kommission gibt es keine Rechtsakte der Union. Deren Vorschläge aber folgen im Zweifel den Ergebnissen der regulatorischen Zusammenarbeit, auf die die Lobby bestens Einfluß nehmen kann nicht zweifelsfrei ist. Das Vorsorgeprinzip greift aber gerade, wenn die Schadensmöglichkeit nicht widerlegt ist, zumal nicht widerlegt werden kann, weil die erforderlichen Versuche wegen der damit verbundenen Gefahren nicht durchgeführt werden können.

Auch die Regelung des Art. 21. 4 CETA relativiert das Vorsorgeprinzip, nämlich:

4. Without limiting the ability of each Party to carry out its regulatory, legislative and

policy activities, the Parties are committed to further develop regulatory cooperation

in light of their mutual interest in order to:

(a) prevent and eliminate unnecessary barriers to trade and investment;”

“Unnecessary barriers to trade and investment” können Vorsorgemaßnahmen sein, deren Notwendigkeit nicht durch Verifizierung der Gefahr belegt werden kann, wie das das angelsächsische Verständnis von „unnecessary“ impliziert. Das wird dadurch erhärtet, daß nach Art. 21. 2 CETA, der die Prinzipien der regulativen Zusammenarbeit verfaßt, in Paragraph 2 nur von

„high levels of protection for human, animal and plant life or health”

die Rede ist. Das Vorsorgeprinzip bezweckt aber höchste Standards. Die sind wegen Art. 2 Abs. 2 GG, der den Schutz von Leben und Gesundheit gebietet, verfassungsrechtlich als Kern der Menschenrechte um der Menschenwürde willen durch Art. 1 Abs. 2 GG geboten und damit nach Art. 79 Abs. 3 GG vertraglicher Relativierung nicht zugänglich. Zu 3. werden das Vorsorgeprinzip und die gebotenen Erkenntnisweisen dargelegt. Verfassungsgeboten ist der Satz: In dubio pro securitate.

2. Textlage des Primärrechts der Europäischen Union

Zu den Zielen des Vertrages von Lissabon gehört nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EUV eine im hohen Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie „ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“. Der Umweltschutz muß sich somit wie Vollbeschäftigung und sozialer Fortschritt in eine soziale Marktwirtschaft einfügen, in welcher der Wettbewerb Priorität haben soll. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV teilt sich die Union mit den Mitgliedstaaten die Zuständigkeit in dem Hauptbereich „Umwelt“. Art. 11 AEUV enthält (umformuliert) die Querschnittsaufgabe und – befugnis Umweltschutz: „Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden“.

Art. 191 bis Art. 193 AEUV (Titel XX des Dritten Teils) folgt der Regelung der Umwelt der Art. 174 bis Art. 176 EGV, abgesehen von den allgemeinen Änderungen der Entscheidungsverfahren. Allerdings sollen nach Art. 193 Abs. 1 Teilstr. 4 AEUV die „Maßnahmen, die auf internationaler Ebene gefördert werden sollen“ „insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels dienen“. Die Grundrechtecharta wiederholt die umweltpolitische Zielsetzung in Art. 37: „Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden“.

Titel XX des Dritten Teils des Arbeitsvertrages der Europäischen Union regelt in Art. 191 bis 193 die Umwelt. Art. 191 Abs. 1 EGV nennt die (verbindlichen[148]) Ziele, zu denen die Umweltpolitik der Union beiträgt, nämlich: „Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität; Schutz der menschlichen Gesundheit; umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen; Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme und insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels“. Absatz 2 dieser Vorschrift verpflichtet in Unterabsatz 1 Satz 1 die Umweltpolitik der Union auf „ein hohes Schutzniveau“, freilich „unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union“. In Satz 2 dieses Unterabsatzes sind die „Grundsätze“, auf denen die Umweltpolitik beruht, genannt und zwar die der „Vorsorge und Vorbeugung“ und der „Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen“ (Ursprunggrundsatz), sowie das „Verursacherprinzip“. Bei der Erarbeitung der Umweltpolitik soll die Union nach Absatz 3 des Art. 191 AEUV berücksichtigen: „Die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten; die Umweltbedingen in den einzelnen Regionen der Union; die Vorteile und die Belastung aufgrund des Tätigwerdens bzw. eines Nichttätigwerdens; die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Union insgesamt sowie die ausgewogene Entwicklung ihrer Regionen“ (Berücksichtigungsgebote)[149]. Die Umweltpolitik muß somit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen, d.h. die umweltpolitischen Vorteile dürfen nicht im „krassen Mißverhältnis“ zu dem umweltpolitischen Aufwand stehen[150]. Die Union verpflichtet sich und die Mitgliedstaaten durch Absatz 4 Unterabsatz „im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den international zuständigen Organisationen zusammenzuarbeiten“. „Die Einzelheiten der Zusammenarbeit der Gemeinschaft können Gegenstand von Abkommen zwischen dieser und den betreffenden dritten Parteien sein“. Dieser Absatz berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, in „internationalen Gremien zu verhandeln und internationale Abkommen zu schließen“, heißt es in Unterabsatz 2 [151].

Art. 192 AEUV regelt die Rechtsetzungsverfahren und die Finanzierung der Umweltpolitik. Nach Absatz 1 beschließen da Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen „über das Tätigwerden der Union zur Erreichung der in Art. 191 genannten Ziele“. Das befugt zu allen Formen der Rechtsetzung nach Art. 289 AEUV, also zum Erlaß von Richtlinien und Verordnungen oder auch von Beschlüssen, auf Vorschlag der Kommission. Allerdings „erläßt der Rat“ nach Absatz 2 Unterabsatz 1 des Art. 192 AEUV gemäß dem besonderen Gesetzgebungsverfahren (nur) nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen einstimmig a) Vorschriften überwiegend steuerrechtlicher Art; b) Maßnahmen, die die Raumordnung berühren; die mengenmäßige Bewirtschaftung der Wasserressourcen berühren oder die Verfügbarkeit dieser Ressourcen mittelbar oder unmittelbar betreffen; die Bodennutzung mit Ausnahme der Abfallwirtschaft berühren; c) Maßnahmen, welche die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berühren“. Der Rat kann nach Unterabsatz 2 „auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen einstimmig festlegen, dass für die in Unterabsatz 1 genannten Bereiche das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt“. Ebenfalls im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen das Europäischen Parlament und der Rat und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen „allgemeine Aktionsprogramme, in denen die vorrangigen Ziele festgelegt werden“ und „erläßt die zur Durchführung dieser Programme erforderlichen Maßnahmen je nach Fall nach dem in Absatz 1 beziehungsweise Absatz 2 vorgesehenen Verfahren (Art. 192 Abs. 3 AEUV).

Für die Finanzierung und die Durchführung der Umweltpolitik tragen nach Absatz 4 des Art. 192 EGV „unbeschadet bestimmter Maßnahmen der Union“ die Mitgliedstaaten Sorge[152]. „Sofern eine Maßnahme nach Absatz 1 (des Art. 192 AEUV) „mit unverhältnismäßig hohen Kosten für die Behörden eines Mitgliedstaates verbunden ist, werden darin unbeschadet des Verursacherprinzips in dem Rechtsakt zur Annahme dieser Maßnahme geeignete Bestimmungen geeignete Bestimmungen in folgender Form vorgesehen: vorübergehende Ausnahmeregelungen und/oder eine finanzielle Unterstützung aus dem nach Artikel 177 errichteten Kohäsionsfonds“ (Art. 192 Abs. 5 EGV)[153]. Wichtigstes Finanzierungsinstrument für die Umwelt ist LIFE (VO 1659/2000, ABl. L 192/1), das bestimmte prioritäre Umweltprojekte fördert. Auch der Strukturfonds, insbesondere der Regionalfonds, und der Kohäsionsfonds können bestimmte Mitgliedstaaten unterstützen[154].

Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 193 AEUV durch die Schutzmaßnahmen der Gemeinschaft nach Art. 192 AEUV nicht daran gehindert, „verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen“[155]. Allerdings müssen die betreffenden Maßnahmen mit den Verträgen vereinbar sein[156], stoßen also auf die Grenzen, welche die Grundfreiheiten ziehen oder auch auf die Beihilfeverbote. Diese Vorschrift reagiert auf das vergleichsweise geringe Umweltschutzniveau der Union[157]. Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten müssen der Kommission notifiziert werden (Art. 193 S. 3 AEUV).

3. Leiprinzipien des Umweltschutzrechts

Das Umweltschutzrecht ist durch vier Leitprinzipien geprägt, nämlich das Vorsorgeprinzip, das Vorbeugeprinzip, das Ursprungsprinzip und das Verursacherprinzip.

a) Vorsorge- und Vorbeugeprinzip

Die Unterscheidung des Vorsorge- und des Vorbeugeprinzips sind streitig und streitbar. Vorsorgemaßnahmen setzen ein Risiko eines Umweltschadens voraus. Ein Risiko ist eine (un)gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadens[158]. Der Risikobewertung wird ein wissenschaftspraktischer Aspekt zugestanden. Der wissenschaftspraktische Aspekt rechtfertigt Maßnahmen, deren Erforderlichkeit wissenschaftlich noch nicht erwiesen ist, weil die Unsicherheit zu beheben wegen der Datenlage unmöglich ist[159] und nur Ungewißheiten, etwa über die Gefährlichkeit von Lebensmitteln im Rahmen der Gefahrenprognose auf der Grundlage von Erfahrungs-, Statistik- und Regelwissen zu ermitteln sind (Risikoermittlung). Maßnahmen des Risikomanagements, auch Schutzmaßnahmen, sind gerechtfertigt, wenn sie schonend erfolgen (Verhältnismäßigkeitsprinzip) und nicht mit rein hypothetische Betrachtung des Risikos, die auf bloße, wissenschaftlich noch nicht verifizierte Vermutungen, gestützt wird, begründet werden[160]. Die Entscheidung über die Maßnahme muß nicht nur verhältnismäßig sein, sondern auch kohärent wie transparent und darf nicht diskriminieren. Schutzmaßnahmen sind geboten, „wenn aufgrund einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung berechtigter Grund für die Besorgnis besteht, daß die (nur) möglichen Gefahren für die Umwelt und Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht hinnehmbar oder mit dem hohen Schutzniveau der Gemeinschaft unvereinbar sein können“[161].

Das Vorsorgeprinzip geht über das Vorbeugeprinzip hinaus[162]. Vorbeugung (preventive action; action préventive) setzt eine „hinreichend wahrscheinliche drohende oder konkrete Umweltbeeinträchtigung voraus, ist also Gefahrenabwehr[163]. Vorsorge (precaution; précaution) erlaubt weitergehende Risikovorsorge, „vorausschauende Fürsorge“[164]. Diese Unterscheidung (Differenzlehre) wird von denen nicht geteilt, welche die Begriffe Vorsorge und Vorbeugung für synonym erachten, wohl auch der Europäische Gerichtshof[165]. Anstelle „repressiv-medialer“ soll eine „präventiv-antizipatorische“ Umweltpolitik gemacht werden, obwohl die Bewertung unsicher ist[166]. Das Spektrum, Vorsorgemaßnahmen zu rechtfertigen, reicht in der Literatur von einer Orientierung des Umweltschutzes an der klassischen Gefahrenabwehr[167] bis zur bloßen Besorgnis möglicher Umweltbeeinträchtigungen unterhalb der Gefahrenschwelle zur Risikovermeidung, verbunden mit einer Beweislastumkehr[168]. Anlaß zu abstrakter Besorgnis soll genügen, wenn „der Schadenseintritt nicht völlig unwahrscheinlich“ ist[169]. „Handeln unter Unsicherheit“ wird als Vorsorge akzeptiert, wenn auch nicht Handeln „ins Blaue hinein“[170]. Das Restrisiko wird freilich von dem Vorsorgeprinzip nicht erfaßt[171]. Die Unterscheidung von Risiko und Restrisiko wird unter einem Vorsorgebegriff, der sich von den wissenschaftlichen Erkenntnissen einer Schadensmöglichkeit löst, unmöglich. Vorsorge heißt nach Christian Calliess „Schaffung eines Vorrats für die Zukunft durch Verzicht in der Gegenwart“, sparsamer Umgang mit den knappen Ressourcen im Interesse zukünftiger Generationen (Ressourcenvorsorge, Nachhaltigkeit)[172], aber auch „Bewältigung von durch Ungewißheit und Unsicherheit definierten Risikosituationen (Risikovorsorge)[173]. Risiko sei die „reine Möglichkeit von Beeinträchtigungen“, „die abstrakte Besorgnis eines Schadenseintritts“, also „normative Zurechnung“ (Oliver Lepsius)[174]. Schadensmöglichkeit ist die erkannte (theoretisierte) Gefahr eines Schadenseintritts[175]. Zu bewerten sind der Vorsorgeanlaß (Ob-Frage) und die Vorsorgemaßnahme (Wie-Frage)[176]. Muster der Politik sei eine „widerlegliche Gefährlichkeitsvermutung“, die zur Umkehr der Beweislast führe. Der Risikoverursacher habe die Wahrscheinlichkeit der Gefahrlosigkeit seiner Unternehmung begründet darzutun, also den Anlaß der Besorgnis zu erschüttern, weil er aufgrund der Sachnähe einen Wissensvorsprung habe[177].

b) Ursprungsprinzip

Nach dem Ursprungsprinzip (Quellenprinzip, source) trifft die Verantwortung für die Umwelt die Region, Gemeinde oder Gebietskörperschaft, in der die Schutzlage besteht. Die Ortsnähe ist maßgeblich. Das Ursprungsprinzip steht mit den Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe im Einklang, die dem Baseler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle grenzüberschreiender Verbringung und der Beseitigung gefährlicher Abfälle entspricht[178]. Dieses Prinzip geht der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV vor[179]. Die Vorrangklausel gibt den quellenbezogenen Maßnahmen keine Priorität[180], aber besonderes Gewicht.

c) Verursacherprinzip

Der Verursacher der Umweltbelastungen (pollueur-payeur, polluter should pay) muß die Kosten der Schutzmaßnahmen tragen (Kostenzurechnungsprinzip)[181]. Nur hilfsweise kommt das Gemeinlastprinzip zum Tragen, wonach die Allgemeinheit, sprich der Steuerzahler, die Umweltschutzmaßnahmen zu bezahlen hat[182]. Verursacher ist, „wer die Umwelt direkt oder indirekt belastet oder eine Bedingung für die Umweltbelastung setzt“[183]. Das Verursacherprinzip ist bei Distanz- und Summationsschäden (Waldschäden) wegen der vielfältigen Ursachen schwer zu verwirklichen[184]. In Betracht kommt, die Gruppe der Verursacher, evtl. mittels Fonds, verantwortlich zu machen[185]. Umweltschutzbeihilfen konnten bis 2007 durch den auf Art. 87 Abs. 3 EGV gestützten Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 3. Februar 2001 (ABl. 2001 C 37/3) gewährt werden[186].

d) Verbindlichkeit

Die skizzierten Leitprinzipien sind verbindliche, tragende und gestaltende Prinzipien der gemeinschaftlichen Umweltpolitik[187]. Es sind Optimierungsgebote, welche der lagebezogenen Materialisierung bedürfen[188]. Sie müssen bei der jeweiligen politischen Abwägung, insbesondere der Rechtsetzung, berücksichtigt werden, aber es bleibt eine erhebliche Gestaltungsbefugnis[189]. Wenn die Politik von den umweltpolitischen Leitprinzipien abweichen will, ist das begründungsbedürftig[190], zugleich können die Mitgliedstaaten aus diesen Prinzipien Rechtfertigungsgründe für Einschränkungen der Grundfreiheiten gewinnen[191]. Das folgt schon aus der Querschnittsklausel Umweltschutz des Art. 6 EGV.

d) Besondere Probleme der Umweltpolitik

Gegenstand der Umweltpolitik, sei diese national, europäisch oder global, ist die Schadensabwehr in der Gegenwart oder für die Zukunft. Es ist aber nicht immer leicht, die Schadensmöglichkeiten erstens zu erkennen und diese Gefahren abzuwehren. Zweitens kann die Gefahrenabwehr kostspielig sein, ja übermäßige Kosten verursachen und können andere Interessen, sogar rechtlich geschützte Interessen, also subjektive Rechte, dem Umweltschutz entgegenstehen.

aa) Erkennen der Gefahren

Erkennen der Schadensmöglichkeit ist nur wissenschaftlich möglich. Wegen der Unsicherheit des Wissens und der Notwendigkeit gegebenenfalls sofortiger, jedenfalls schneller Abwehr der Gefahr, aber auch weil wissenschaftliche Klärung der Gefahr zu aufwendig sein kann, läßt man in weiten Bereichen der Schadensvorsorge die Gefahreneinschätzung des Alltags genügen, das Wissen der zuständigen Amtswalter, insbesondere das der Polizisten. Aufgabe der Polizei ist die Gefahrenabwehr, also die Verhinderung von Schäden. Schäden sind die (alle) Verletzungen der Rechtsordnung[192]. Die Rechtsordnung schützt die Güter der Menschen und ihres Gemeinwesens, etwa das Leben, die Gesundheit, das Eigentum. Der Staat kann es nicht leisten, alle Schäden zu verhindern. Darum ist die Aufgabe der allgemeinen Polizei darauf reduziert, nur die Schäden abzuwehren, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten werden[193]. Dementsprechend ist der polizeirechtliche Gefahrenbegriff darauf eingeengt, in solchen Fällen einzugreifen. Die je-desto-Formel sagt: je größer der drohende Schaden, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts[194]. Wegen des außerordentlichen Schadenspotentials von Atomkraftwerken durften und dürfen diese in Deutschland nach (dem inzwischen wegen des langfristig völligen Verbots der friedlichen Nutzung der Kernenergie geänderten) § 7 Atomgesetz nur errichtet und betrieben werden, wenn Schadensmöglichkeiten ausgeschlossen waren und sind. Diese Schadensmöglichkeit bestimmt sich nach dem Stand von Wissenschaft und Technik. Eine Theorie der Schadensmöglichkeit stand und steht somit der Errichtung und dem Betrieb eines Atomkraftwerkes entgegen. Theorie ist die wissenschaftliche Erkenntnis der Wirklichkeit. Sie kann irrig sein. Solange sie nicht falsifiziert ist, muß sie den behördlichen Entscheidungen zugrundegelegt werden[195]. Gegenläufige Theorien sind nicht abzuwägen[196]. Maßgeblich ist auch nicht die Auffassung der Mehrheit der Fachleute oder gar die der Politiker und Journalisten, sondern die pessimistische Theorie, die wissenschaftlich sein muß (nicht bloßes Gerede). Über die Wissenschaftlichkeit einer Theorie können nur Wissenschaftler (des einschlägigen Faches) befinden, im Prozeß als Sachverständige. Richtig ist der umweltrechtliche Satz: in dubio pro securitate[197]. Dieser strenge Maßstab folgt aus den Grundrechten, vor allem aus Art. 2 Abs. 2 GG, der das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt und dem Staat eine dahingehende Schutzpflicht auferlegt[198], aber auch aus der Eigentumsgewährleistung. Eine Abwägung der Schadensmöglichkeiten mit anderen Umständen, etwa Interessen, z.B. dem Nutzen kostengünstiger Energiegewinnung, kommt schon gar nicht in Betracht. Rechtlich bedenklich ist es allerdings auch, wenn, etwa aus diffusen Ängsten, unternehmerisches Handeln unterbunden wird, die Schadensmöglichkeiten, also Umweltgefahren, nachgesagt werden, ohne daß diese wissenschaftlich begründet, also theoretisiert sind. Eine solche Politik verläßt die praktische Vernunft, die verfassungsgebotene Sachlichkeit und verletzt die Grundrechte der Unternehmer, die Unternehmensfreiheit. Unsachlichkeit des Staates verletzt das Willkürverbot[199]. Nicht Mehrheiten (im Parlament etwa) bestimmen was richtig und was falsch ist, sondern die Erkennt­nisse (Kognitivismus). Es gibt aber kein Richtiges, also kein Recht, entgegen der Wahrheit. Wahrheit ist die bestmögliche Annährung der Theorie an die Wirklichkeit (Konvergenztheorie der Wahrheit)[200]. Eine Politik, welche der Wahrheit widerspricht, verletzt die Freiheit, nämlich die praktische Vernunft als der Sittlichkeit[201]. Der Politik verbleibt somit ein schmaler Grat, wenn sie sich im Rahmen des Rechts bewegt. Die Verwirklichung des Rechtsprinzips aber ist ihre einzige Aufgabe.

Deutschland betreibt freilich den vollständigen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie, geregelt in Art. 1 des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011.

Wie schmal der politische Spielraum ist, zeigt sich besonders im Umweltrecht, weil die Erkenntnis der Schadensmöglichkeiten in der Zukunft angesichts des tiefen Eingriffs der Menschen in die Natur äußerst problematisch, demgemäß streitig und streitbar, sein kann, ja vielfach ist. Das zeigt sich in der Klimaschutzfrage ebenso wie in den Sorgen um die Gentechnik.

Es ist umstritten, ob die Klimaveränderungen wesentlich oder überhaupt relevant von dem Handeln der Menschen verursacht werden[202]. Klimatische Veränderungen sind naturgegeben. Eiszeiten und Wärmezeiten kommen und gehen. Die Berechnungen des Klimas in der Zukunft sind mehr als prekär. Meist beruhen sie auf ungeeigneten Grundlagen und leiden darunter, daß die zukünftigen Entwicklungen verkannt werden. Jene sind auch mehr als ungewiß. Insbesondere können die Veränderungen der Natur und der Welt, etwa die Sonneneruptionen schlechterdings nicht in Rechnung gestellt werden. Dennoch meint man, die klimatischen Auswirkungen des CO2-Ausstoßes berechnen zu können. Was wäre, als wenn eine Eiszeit bevorsteht, für welche die festgestellte oder auch nur behauptete Erwärmung nach mancher Auffassung eine Vorstufe sein soll? Klimapolitiker machen sich wichtig und finden Aufmerksamkeit. Klimapolitik eignet sich bestens als Alibipolitik. Wegen der Aufgeregtheit, welche die Klimafrage erzeugt, können Klimaforscher beste Forschungsmittel einwerben, insbesondere wenn sie die Sorgen um das Klima erhöhen. Im übrigen hat die Atomwirtschaft durchsichtige Interessen an einer Gefahrentheorie klimaschädlicher Energieerzeugnisse. In diesem politischen Klima hat es die Wissenschaft schwer, Erkenntnisse zu gewinnen. Dennoch muß sie maßgeblich bleiben. Demgemäß müssen die Einrichtungen unabhängig von den wirtschaftlichen und politischen Interessen bleiben, welche über die Wissenschaftlichkeit der Theorie befinden können, die Universitäten und Fakultäten[203]. Darum ist es in Zeiten der (sogar vom Staat provozierten) Drittmittelforschung schlecht bestellt. Objektivität setzt staatlich gewährleistete Unabhängigkeit voraus.

Hinzu kommt, daß Umweltschutz, zumal Klimaschutz, ein wirksamer Hebel ist, die von einflußreichen Kräften angestrebte weltstaatliche Ordnung abzunötigen, eine Ordnung, die das Ende von Freiheitlichkeit und Rechtlichkeit wäre, weil sie schlechterdings nicht demokratisch gestaltet sein kann[204]; denn die Umweltschäden, insbesondere die Klimaschäden, verletzen die gesamte Menschheit und erheischen eine globale Abwehr, die eine Weltregierung besser zu bewerkstelligen vermag als die Vielheit nationaler Regierungen, meint man. Markanter Beweis weltherrschaftlicher Bestrebungen ist die Agenda 21 der Vereinten Nationen von 1992[205], welche ein (erschrecklich) breit angelegtes Szenario einer ökologischen Umgestaltung der alle Staaten erfassenden Weltpolitik unterbreitet hat, die eng mit gesellschaftspolitischen Postulaten verwoben ist, aber keinerlei demokratische Rückstände ausweist. Die Eine-Welt-Politik hat die Agenda 21 keinesfalls aus dem Auge verloren.

Die Gentechnik erlaubt es, tief in die Natur einzugreifen. Ihr Einsatz kann die Lebensverhältnisse unabsehbar verändern, sowohl die Lebensmittel aus der Landwirtschaft als auch die Menschen und Tiere selbst. Letzteres macht augenfällig größte Sorgen und wird (weitgehend) unterbunden. Die genmanipulierte Nahrung wird mehr und mehr durchgesetzt (Genfood), auch mit Hilfe der Gesetzgebung. Wenn man davon ausgeht, daß Schadensmöglichkeiten nicht erkannt, also nicht theoretisiert sind, bleibt immer noch die Sorge, unerkannter Wirkung, jedenfalls Spätwirkung langfristiger Einwirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere, insbesondere gentechnisch manipulierter Nahrung. Vor allem die Querwirkungen erregen Ängste. Viel spricht dafür, daß nur Langzeitversuche und Langzeitstudien die Gefahren erkennen lassen. Menschenversuche sind mehr als bedenklich. Es zeigt sich eines wissenschaftspraktische Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit, die Schadensmöglichkeit zu theoretisieren[206]. Wer sachlich, also praktisch vernünftig, wenn man so will rational, bleiben will, muß vom jeweiligen Stand der Wissenschaft ausgehen, wie auch das Gentechnikgesetz in § 7. Diese Vorschrift lautet:

„Sicherheitsstufen, Sicherheitsmaßnahmen

(1) Gentechnische Arbeiten werden in vier Sicherheitsstufen eingeteilt:

1. Der Sicherheitsstufe 1 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen ist.

2. Der Sicherheitsstufe 2 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem geringen Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist.

3. Der Sicherheitsstufe 3 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem mäßigen Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist.

4. Der Sicherheitsstufe 4 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem hohen Risiko oder dem begründeten Verdacht eines solchen Risikos für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist.

Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Erreichung der in § 1 Nr. 1 genannten Zwecke die Zuordnung bestimmter Arten gentechnischer Arbeiten zu den Sicherheitsstufen zu regeln. Die Zuordnung erfolgt anhand des Risikopotentials der gentechnischen Arbeit, welches bestimmt wird durch die Eigenschaften der Empfänger- und Spenderorganismen, der Vektoren sowie des gentechnisch veränderten Organismus. Dabei sind mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigten, die Bevölkerung, Nutztiere, Kulturpflanzen und die sonstige Umwelt einschließlich der Verfügbarkeit geeigneter Gegenmaßnahmen zu berücksichtigen.

(1a) Bestehen Zweifel darüber, welche Sicherheitsstufe für die vorgeschlagene gentechnische Arbeit angemessen ist, so ist die gentechnische Arbeit der höheren Sicherheitsstufe zuzuordnen. Im Einzelfall kann die zuständige Behörde auf Antrag Sicherheitsmaßnahmen einer niedrigeren Sicherheitsstufe zulassen, wenn ein ausreichender Schutz für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nachgewiesen wird.

(2) Bei der Durchführung gentechnischer Arbeiten sind bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu beachten. Die Bundesregierung regelt nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die unterschiedlichen Sicherheitsstufen nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für den Labor- und Produktionsbereich, für Tierhaltungsräume und Gewächshäuser sowie die Anforderungen an die Auswahl und die Sicherheitsbewertung der bei gentechnischen Arbeiten verwendeten Empfängerorganismen und Vektoren“.

Wenn wissenschaftlich Schadensmöglichkeiten aufgezeigt werden, also derartige Theorien entwickelt werden, die über Sorgen und Ängste hinausgehen, obwohl diese es noch nicht leisten (können), die Schäden oder auch nur deren Wahrscheinlichkeit aufzuweisen, weil diese erst in der Zukunft (wegen Langzeitgebrauch) sichtbar werden können, sind sie relevante Theorien, die nach Rechtsprinzipien, also im Zweifel nach dem Satz in dubio pro securitate (und eben nicht nach dem Satz in dubio pro libertate) zu handhaben sind[207]. Trotz aller grundrechtsgeschützten Unternehmensfreiheit hat das Geschäft (zur Zeit urheberrechtlich geschützt) nicht den Vorrang vor der Gefahrenabwehr. Die Sicherheit ist kein Gegenprinzip zur Freiheit, sondern Teil der Freiheit, aber: „Letzte Sicherheit kann kein rechtliches Ziel sein“ (Oliver Lesius)[208].

bb) Grenzen der Gefahrenabwehr

Freiheit heißt, daß man tun und lassen darf, was man will, wenn man niemandem schadet (Prinzip des neminem laedere). Wille ist richtigerweise das Gesetz, das dem Begriff nach allgemein ist. Freiheit wird somit durch Gesetze verwirklicht, durch Gesetze, die bestimmen, was das Gemeinwesen, die Gesamtheit der Bürger, jeden einzelnen der Bürger an Privatheit (insbesondere Vertragsfreiheit) beläßt und an Staatlichkeit (Gemeinwohlverpflichtetheit) zumutet[209]. Zu diesen Zumutungen gehören auch die Nachteile, wirtschaftliche und auch gesundheitliche, welche die Bürger gegenseitig hinzunehmen bereit sind, in die sie durch ihre Gesetze einwilligen (wenn das demokratische Prinzip gelebt wird). Diese Nachteile sind im Rechtssinne keine Schäden; denn was ein Schaden ist, das bestimmt das Gesetz (Art. 4 der Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers von 1789). Wir muten uns viele Nachteile auch an der Gesundheit zu, um unser Leben zu gestalten, wie wir alle es wollen, etwa den Straßenverkehr mit tausenden Toten und hunterttausenden Verletzten jedes Jahr. Wenn allein Genfood die Ernährung gewährleistet, kann auch deren Gefährdungspotential akzeptiert werden (müssen). Das ist eine Frage der Politik. Auch darum darf Politik keine Fremdbestimmung sein (wie die Politik der Europäischen Union). Art. 2 Abs. 2 GG gibt einer solchen Politik die verfassungsgesetzliche Grundlage, nämlich die Einschränkbarkeit der Rechte auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit durch Gesetz (S. 3). Nichts anderes steht in Art. 14 Abs. 2 GG, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetze bestimmt werden. Freilich muß ein demokratisch legalisierter Gesetzgeber diese Schranken ziehen. Die Bürokratie der Europäischen Union kann durch die weiten und offenen Begriffe des gemeinschaftlichen Umweltrechts zu derartigen Grundrechtsbeschränkungen nicht ermächtigt werden. Das ist das wesentliche Dilemma des flächendeckenden Umweltrechts der Gemeinschaft.

II

Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 GG durch die Mißachtung des Vorsorgeprinzips als Ultra vires – Maßnahme der Europäischen Union

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada bringt das Vorsorgeprinzip nicht zur Geltung und verändert damit die Vertragslage in der Europäischen Union, aber auch die Verfassungslage Deutschlands wesentlich. Damit handelt die Europäische Union mit dem Vertragsschluß mit Kanada entgegen ihren Kompetenzen, also ultra vires. Das verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Demokratie. Deutschland darf einem solchen Abkommen nicht zustimmen. Es ist dem Beschwerdeführer vielmehr aus dessen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, aber auch Art. 20 Abs. 4 GG verpflichtet, es zu verhindern.

Die Europäische Union ist, wie geschildert, dem Vorsorgeprinzip verpflichtet. Abkommen der Union mit dritten Staaten sind an die Verträge gebunden. Das Freihandelsabkommen mit Kanada ist als solches in den Verträgen nicht vorgesehen. Dafür genügt die allgemeine Zielsetzung der Gemeinsamen Handelspolitik des Art. 206 AEUV nicht, „im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau der Zollschranken und anderer Schranken beizutragen“. Das ist insbesondere keine Kompetenznorm allgemeiner Art, sondern bestimmt die welthandelspolitische Zielsetzung der Zollunion nach den Artikeln 28 bis 32. Art. 216 AEUV bindet die Union bei sonstigen Übereinkünften mit Drittländern an die „Politik der Union“, wenn die Übereinkunft „zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgelegten Ziele erforderlich“ ist. Nach Art. 205 AEUV wird das „Handeln der Union auf internationaler Ebene im Rahmen dieses Teils (sc. des auswärtigen Handelns) von den Grundsätzen bestimmt, von den Zielen geleitet und an die allgemeinen Bestimmungen ausgerichtet, die in Titel V Kapitel 1 des Vertrages über die Europäische Union niedergelegt sind“, also in Art. 21 und 22 EUV. Dazu gehören Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden durch CETA weiter geschwächt. Die Grundsätze des Völkerrechts werden mißachtet, wenn Klagen von Unternehmen gegen Staaten eingerichtet werden. Das verletzt die Souveränität der mittels ihrer Staaten verklagten Völker. Zu den Menschenrechten gehört die Sicherheit und damit die Vorsorge für Umwelt und Gesundheit, also das Vorsorgeprinzip. Nur im Rahmen der Verträge ist die Union befugt, „die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch den schrittweisen Abbau internationaler Handelshemmnisse“, wie das Art. 21 Abs. 2 lit e EUV anspricht. Vor allem kann nur die sachgerecht Vorsorge „zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beitragen, um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen“, wie das Buchstabe f dieser Vorschrift postuliert, nicht aber ein umweltliches und gesundheitliches trial and error, das dem kanadischen und amerikanischen Nachsorgeprinzip gemäß ist.

Das Vorsorgeprinzip gehört zur Identität der Verfassung der Deutschen. Es dient dem Leben und der Gesundheit und es dient der langfristigen Erhaltung der Lebensgrundlagen. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit ist menschenrechtliche Pflicht des Staates[210], die Menschenrechte aber gehören ausweislich Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG zur Identität des Grundgesetzes. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit ist der wesentliche Zweck des Staates und wird besonders durch das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt. Wenn er diesen vernachlässigt, verliert er seine Berechtigung. Diese Schutzpflicht ist Kern der Verfassung eines Volkes an und für sich. Die Gefahren bestimmter Produktionsweisen sind unermeßlich. Die Gentechnik etwa vermag die Natur in einer Weise zu verändern, deren Folgen für die Menschen wie für Flora und Fauna unabsehbar sind. Nur eine Vorsorge, welche den Einsatz von Techniken, deren Gefahrlosigkeit nicht wissenschaftlich erwiesen ist, verbietet, genügt der Schutzpflicht für Leben und Gesundheit. Dabei ist der sicherheitsrechtliche Grundsatz zu beachten: In dubio pro securitate[211]. Die Gefahrlosigkeit der Gentechnik aber ist nicht erweisbar. Das Defizit theoretischer Gefahrenfeststellung oder gar empirischen Gefahrennachweises folgt aus der wissenschaftspraktischen Unmöglichkeit des Nachweises und damit auch einer Theoretisierung, die mehr leistet als die Hypothesenbildung. Die Falsifizierung der Hypothese ist praktisch nicht möglich, die Verifizierung erst recht nicht; denn die dafür erforderlichen Langzeitstudien sind nicht möglich. Das aber hebt die Gefahr nicht auf, sondern begründet diese und rechtfertigt das Verbot dieser Technik. Es genügt, daß die Hypothese wissenschaftlichen Standards genügt. Darüber muß jedes Staat in eigener Verantwortung entscheiden und entscheiden dürfen. Er darf daran nicht durch die Möglichkeit von Schadensersatzpflichten gehindert werden.

E

Grundrechtswidrige Verfassungsidentitäts-, Souveränitäts- , Demokratie- und Rechtsstaatsverletzung der im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen

I

Die Regelungen des CETA über den Wettbewerb der öffentlichen Unternehmen

CHAPTER SEVENTEEN

COMPETITION POLICY

Article 17.1

Definitions

For the purposes of this Chapter:

anti-competitive business conduct means anti-competitive agreements, concerted practices or arrangements by competitors, anti-competitive practices by an enterprise that is dominant in a market, and mergers with substantial anti-competitive effects; and,

service of general economic interest means, for the European Union, a service that cannot be provided satisfactorily and under conditions, such as price, objective quality

characteristics, continuity, and access to the service, consistent with the public interest, by an undertaking operating under normal market conditions. The operation of a service of general economic interest must be entrusted to one or more undertakings by the state by way of a public service assignment that defines the obligations of the undertakings in question and of the state.

Article 17.2

Competition policy

1. The Parties recognise the importance of free and undistorted competition in their trade relations. The Parties acknowledge that anti-competitive business conduct has

the potential to distort the proper functioning of markets and undermine the benefits

of trade liberalisation.

2. The Parties shall take appropriate measures to proscribe anti-competitive business

conduct, recognising that such measures will enhance the fulfilment of the objectives

of this Agreement.

3. The Parties shall cooperate on matters relating to the proscription of anti-competitive

business conduct in the free trade area in accordance with the Agreement between the European Communities and the Government of Canada Regarding the Application of their Competition Laws, done at Bonn on 17 June 1999.

4. The measures referred to in paragraph 2 shall be consistent with the principles of

transparency, non-discrimination, and procedural fairness. Exclusions from the

application of competition law shall be transparent. A Party shall make available to the other Party public information concerning such exclusions provided under its competition law.

Article 17.3

Application of competition policy to enterprises

1. A Party shall ensure that the measures referred to in Article 17.2.2 apply to the

Parties to the extent required by its law.

2. For greater certainty:

(a) in Canada, the Competition Act, R.S.C. 1985, c. C-34 is binding on and applies

to an agent of Her Majesty in right of Canada, or of a province, that is a corporation, in respect of commercial activities engaged in by the corporation in competition, whether actual or potential, with other persons to the extent that it would apply if the agent were not an agent of Her Majesty. Such an agent may include state enterprises, monopolies, and enterprises granted special or exclusive rights or privileges; and

(b) in the European Union, state enterprises, monopolies, and enterprises granted special rights or privileges are subject to the European Union’s rules on competition. However, enterprises entrusted with the operation of services of general economic interest or having the character of a revenue-producing monopoly are subject to these rules, in so far as the application of these rules does not obstruct the performance, in law or in fact, of the particular tasks assigned to them.

Article 17.4

Dispute settlement

Nothing in this Chapter shall be subject to any form of dispute settlement pursuant to this Agreement.

CHAPTER EIGHTEEN

STATE ENTERPRISES, MONOPOLIES, AND

ENTERPRISES GRANTED SPECIAL RIGHTS OR PRIVILEGES

Article 18.1

Definitions

For the purposes of this Chapter:

covered entity means:

(a) a monopoly;

(b) a supplier of a good or service, if it is one of a small number of goods or services

suppliers authorised or established by a Party, formally or in effect, and the Party

substantially prevents competition among those suppliers in its territory;

(c) any entity to which a Party has granted, formally or in effect, special rights or

privileges to supply a good or service, substantially affecting the ability of any other

enterprise to supply the same good or service in the same geographical area under

substantially equivalent conditions, and allowing the entity to escape, in whole or in part, competitive pressures or market constraints;24 or

(d) a state enterprise;

designate means to establish or authorise a monopoly, or to expand the scope of a monopoly to cover an additional good or service;

in accordance with commercial considerations means consistent with customary business practices of a privately held enterprise in the relevant business or industry; and

non-discriminatory treatment means the better of national treatment and most-favourednation treatment as set out in this Agreement.

Article 18.2

Scope

1. The Parties confirm their rights and obligations under Articles XVII:1 through

XVII:3 of the GATT 1994, the Understanding on the Interpretation of Article XVII

of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994, and Articles VIII:1 and VIII:2

of GATS, all of which are hereby incorporated into and made part of this Agreement.

2. This Chapter does not apply to the procurement by a Party of a good or service

purchased for governmental purposes and not with a view to commercial resale or

with a view to use in the supply of a good or service for commercial sale, whether or

24 For greater certainty, the granting of a licence to a limited number of enterprises in allocating a scarce

resource through objective, proportional and non-discriminatory criteria is not in and of itself a special

right.

not that procurement is a “covered procurement” within the meaning of Article 19.2

(Scope and coverage).

3. Articles 18.4 and 18.5 do not apply to the sectors set out in Article 8.2 (Scope) and

Article 9.2 (Scope).

4. Articles 18.4 and 18.5 do not apply to a measure of a covered entity if a reservation

of a Party, taken against a national treatment or most-favoured nation treatment

obligation, as set out in that Party’s Schedule to Annex I, II, or III, would be

applicable if the same measure had been adopted or maintained by that Party.

Article 18.3

State enterprises, monopolies and enterprises granted special rights or privileges

1. Without prejudice to the Parties’ rights and obligations under this Agreement,

nothing in this Chapter prevents a Party from designating or maintaining a state

enterprise or a monopoly or from granting an enterprise special rights or privileges.

2. A Party shall not require or encourage a covered entity to act in a manner inconsistent with this Agreement.

Article 18.4

Non-discriminatory treatment

1. Each Party shall ensure that in its territory a covered entity accords nondiscriminatory

treatment to a covered investment, to a good of the other Party, or to a service supplier of the other Party in the purchase or sale of a good or service.

2. If a covered entity described in paragraphs (b) through (d) of the definition of “covered entity” in Article 18.1 acts in accordance with Article 18.5.1, the Party in

whose territory the covered entity is located shall be deemed to be in compliance

with the obligations set out in paragraph 1 in respect of that covered entity.

Article 18.5

Commercial considerations

1. Each Party shall ensure that a covered entity in its territory acts in accordance with

commercial considerations in the purchase or sale of goods, including with regard to

price, quality, availability, marketability, transportation, and other terms and conditions of purchase or sale, as well as in the purchase or supply of services, including when such goods or services are supplied to or by an investment of an investor of the other Party.

2. Provided that a covered entity’s conduct is consistent with Article 18.4 and Chapter

Seventeen (Competition Policy), the obligation contained in paragraph 1 does not

apply:

(a) in the case of a monopoly, to the fulfilment of the purpose for which the monopoly has been created or for which special rights or privileges have been granted, such as a public service obligation or regional development; or,

(b) in the case of a state enterprise, to the fulfilment of its public mandate.

II

Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union für öffentliche Unternehmen

Die Regelungen des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, sind zugunsten Kanadas und dessen Unternehmen denen für öffentliche Unternehmen als Wettbewerber und Dienstleistungen von allgemeinwirtschaftlichem Interesse des Arbeitsvertrages der Europäischen Union nachgebildet.

1. Öffentliche und monopolartige Unternehmen als Wettbewerber

Art. 106 Abs. 1 AEUV unterwirft auch die „öffentlichen Unternehmen“ und die „Unternehmen, denen sie (sc.: die Mitgliedstaaten) besondere oder ausschließliche Rechte gewähren“ dem Wettbewerbsprinzip; denn die Mitgliedstaaten dürfen nach den Texten in Bezug auf diese Unternehmen keine „Maßnahmen treffen oder beibehalten“, welche „diesem Vertrag und dessen Artikeln 18 und den Artikeln 101 bis 109 (AEUV) widersprechen“. Für die genannten Unternehmen soll somit nicht nur der gesamte Vertrag gelten, sondern ins­besondere das Diskriminierungsverbot und die Wettbewerbsregeln, d. h. das Kartellverbot, das Mißbrauchsverbot und damit auch die Fusionskontrollordnung sowie die Regelung über die staatlichen Beihilfen[212]. Diese Regelung wird vom Europäischen Gerichtshof unmittelbar angewandt und gibt dem Einzelnen Rechte[213]. Weil die Eigentumsordnung nach Art. 345 AEUV unberührt bleiben soll[214] und darum nach der Dogmatik des Vertrages auch die öffentliche Hand Unternehmen betreiben kann, jedenfalls aber Unternehmen privilegieren und mittels ihrer Unternehmen die Vertragspflichten umgehen kann, soll Art. 106 Abs. 1 AEUV bewirken, daß dadurch der gemeinschaftsweite, „wirksame unverfälschte Wettbewerb“ nicht beeinträchtigt wird[215]. Um das durchzusetzen, ermächtigt Art. 106 Abs. 3 AEUV die Kommission „erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder. Beschlüsse an die Mitgliedstaaten zu richten“.

Den öffentlichen Unternehmen stellen Art. 106 Abs. 1 AEUV die „Unternehmen“ gleich, „denen sie (sc.: die Mitgliedstaaten) besondere oder ausschließliche Rechte gewähren“. „Ausschließliche Rechte“ sind Monopolrechte, etwa Hafendienstleistungen, aber nur, wenn in einem Hafen nicht mehrere Unternehmen Hafendienste anbieten[216], aber auch und insbesondere Konzessionen[217]. „Besondere Rechte“ haben Unternehmen, welche mit besonderen Aufgaben betraut sind, etwa technische Überwachungsvereine, welche als beliehene Unternehmer bezeichnet werden[218]. Meist dienen diese Unternehmen der Daseinsvorsorge, wie die Versorgungswirtschaft (Elektrizität, Gas, Wasser), öffentlicher Rundfunk, öffentliches Bankwesen[219] und Telekommunikation[220]. Auch für diese Unternehmen sollen die Mitgliedstaaten wie für öffentliche Unternehmen keine (unmittelbaren oder mittelbaren) Maßnahmen treffen, die dem Vertrag und insbesondere dem Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV und den Wettbewerbsregeln der Art. 101 bis 109 AEUV widersprechen[221].
2. Begriff öffentlicher Unternehmen

Der Arbeitsvertrag der Europäischen Union von Lissabon enthält genauswenig wie vordem der Gemeinschaftsvertrag eine Legaldefinition des wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriffs[222]. Der Europäische Gerichtshof praktiziert einen weiten funktionalen Unternehmensbegriff[223], um den europäischen Wettbewerbsregeln (Art. 101 ff. AEUV, vordem Art. 81 ff. EGV) möglichst weitgehende Wirkung zu verschaffen. Demzufolge sieht er als Unternehmen im Sinne der Art. 101, 102 AEUV (vordem Art. 81, 82 EGV) jede eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit an, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung[224]. Dieser weite Begriff ermöglicht keinerlei Abgrenzung, so daß der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts stetig ausgedehnt werden kann und wird[225]. Der funktionale Unternehmensbegriff ermöglicht es, auch Einheiten, die nur partiell wirtschaftlich tätig sind und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, als Unternehmen zu qualifizieren[226]. Allerdings muß ein Entgelt (im weiten Sinne) gefordert werden[227]. Nicht wirtschaftlich soll hoheitliche Tätigkeit sein[228], aber schon wegen Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist jede staatliche Tätigkeit hoheitlich, nämlich Ausübung von Staatsgewalt[229]. Sie ist hoheitlich, weil sie der Staat ausübt. Was Menschen tun können, kann auch der Staat tun, und was der Staat tut, können Menschen tun, auch nicht als Staat, sondern als Private. Tätigkeiten lassen sich als solche nicht als privat oder staatlich qualifizieren. Es ist eine Frage der Rechtsordnung, was dem Staat übertragen wird und was privat bleibt. Die Unterscheidungen der Praxis, zumal des Europäischen Gerichtshofs, sind reine Willkür. Wesentliches Kriterium der Unternehmenseigenschaft soll sein, daß die Tätigkeit auch von einem privaten Unternehmen ausgeübt werden könne[230]. Weil der Begriff „wirtschaftlich“ („jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“[231]) nicht geeignet ist, privates Handeln von staatlicher oder hoheitlicher Verwaltungstätigkeit zu unterscheiden und nahezu jede Tätigkeit auch eine wirtschaftliche Bedeutung hat, fällt fast jede staatliche Verwaltung unter den Begriff des „Unternehmens“ der Art. 101 ff. AEUV und damit unter die Wettbewerbsregeln. So hat der Europäische Gerichtshof die Verwaltung der Bundesanstalt für Arbeit, die nicht gewinnorientiert war, zumindest die Vermittlung von Führungskräften, als „Unternehmen“ eingestuft[232]. Der Gerichtshof hat mittels des wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriffs die deutsche Verwaltungsstruktur umgewälzt. Die Wettbewerbsregeln sind durch den unbestimmten Begriff des Unternehmens zu unbegrenzten und unbegrenzbaren Ermächtigungen gemacht worden, staatsadäquat hoheitliche Verwaltungen funktional zu privatisieren. Demzufolge werden viele Verwaltungen auch material privatisiert, meist durch die Umstrukturierungspolitik der Kommission, fragwürdig gestützt auf den früheren Art. 86 Abs. 3 EGV, der im Lissabon-Vertrag Art. 106 AEUV geworden ist, veranlaßt[233]. Teilweise werden Sozialversicherungen als Unternehmen im Wettbewerb qualifiziert[234], teilweise wird ihre Unternehmenseigenschaft oder auch die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln abgelehnt[235]. Die Gemeinschaftsrechtsprechung nutzt zur Materialisierung des Unternehmensbegriffs ausweichende Kriterien, wie das der rein sozialen Zwecksetzung (Solidarität) verbunden mit Gesetzlichkeit der Beiträge und Leistungen, die unterschiedlich gewichtet und durch andere Elemente (etwa das Kapitalisierungsprinzip) überlagert werden können[236]. Eine solche Begriffsbildung ist ohne Maßstab und darum willkürlich[237].

Öffentlich sind die Unternehmen, die entweder Teil des Staates, also einer der Gebietskörperschaften, sind oder deren Träger der Staat/die Gebietskörperschaften sind, aber auch Unternehmen in privater Rechtsform, auf die der Staat/die Gebietskörperschaften bestimmenden („beherrschenden“) Einfluß haben[238]. Auf die Rechtsform kommt es nicht an[239]. Eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts kann genauso ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Art. 106 Abs. 1 AEUV sein wie eine Aktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder ein Verein. Klarheit (nach verschiedenen Änderungen) sollte die Transparenzrichtlinie der Kommission 80/723 EWG v. 25. Juni 1980 (ABl. 1980 L 195/35) schaffen. Sie ist mehrfach geändert worden, zuletzt durch die Richtlinie der Kommission 2000/52 EG v. 29. Juli 2000 (ABl. 2000 L 193/75) neu gefaßt[240].
3. Privatheitliches Wettbewerbsrecht als staatswidriges Verwaltungsrecht

a) Art. 106 Abs. 1 AEUV unterwirft staatliche Einrichtungen dem privatheitlichen Wettbewerbsrecht und verändert damit grundlegend die Staatsordnung der Mitgliedstaaten, zwar nicht vertrags-, aber verfassungswidrig. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union wie schon der Gemeinschaftsvertrag will wegen des Marktprinzips mit dem damit verbundenen Wettbewerbsprinzip durchsetzen, daß die Mitgliedstaaten nicht durch öffentliche Unternehmen den Wettbewerbsregeln ausweichen und das „System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“ (vormals Art. 3 lit. g EGV), konterkarieren[241]. Das Postulat der Gleichbehandlung (Chancengleichheit) der öffentlichen und der privaten Unternehmen, das mit der Ausnahmehaftigkeit der „übertragenen besonderen Aufgaben“ nach Art. 106 Abs. 2 EGV verbunden wird[242], ist mit der Zugehörigkeit der öffentlichen Unternehmen zum Staat unvereinbar. Wenn die öffentlichen Unternehmen gemeinschaftsrechtlich durch Gleichbehandlung mit privaten Unternehmen funktional privatisiert werden dürften, gäbe es wegen des Privat­heitsprinzips keinen Grund mehr, daß der Staat sie betreibt[243]. Die Verträge stellen das Markt- und Wettbewerbsprinzip über das Staatsprinzip und verändern damit jedenfalls das deutsche Verfassungsgesetz, das Grundgesetz, grundlegend. Das ist gewissermaßen die Logik des Binnenmarktes, der um des unverfälschten Wettbewerbs willen Unterschiede der Mitgliedstaaten nicht zulassen will, Unterschiede, die in Republiken demokratisch, dem Sozialprinzip verpflichtet, begründet sind.

Einem solchen Vertrag dürfte Deutschland nicht zustimmen, weil er Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG mißachtet. Wettbewerblichkeit und Staatlichkeit als Ausübung von Staatsgewalt sind unvereinbar. Der Staat ist kein Wettbewerber von Unternehmen, ganz gleich, in welcher Organisationsform oder in welcher Handlungsform er agiert[244]. Unternehmen sind ihrem Begriff und Wesen nach privatheitlich[245]. Öffentliche Unternehmen sind Einrichtungen des Staates, also Staat[246]. Der Wettbewerb ergibt sich aus dem Handeln der Unternehmer, also aus deren Privatheit. Das Wettbewerbsrecht dient in der (fragwürdigen[247]) funktionalistischen Praxis der Steuerung der Unternehmen zum Wettbewerb und im Wettbewerb. Aus Rechtsstaatsgründen kommt nur das Verbot bestimmter Wettbewerbsbeschränkungen in Betracht[248]. Privatheit ist durch das Recht zur freien Willkür definiert[249]. Privatheit gibt somit äußerlich das Recht zur freien Willkür, um die innere Freiheit als die Sittlichkeit alleinbestimmt leben zu können. Dem Staat ist jede Art von Privatheit verwehrt. Er hat nicht nur kein Recht zur (äußeren) Willkür, ihm ist vielmehr jede Willkür strikt untersagt (Willkürverbot)[250]. Staatliches Handeln ist im Rechtsstaat außer Gesetzgebung und Rechtsprechung ausweislich Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ausschließlich Gesetzesvollzug[251]. Die Gesetze müssen den Vollzug der Verwaltung hinreichend bestimmt regeln, sonst sind sie rechtsstaatswidrig[252]. Unternehmerisches Handeln des Staates ist ein Widerspruch in sich. Staatliches Handeln dem Wettbewerbsrecht zu unterwerfen, ist nichts anderes als Entstaatlichung des Staates. Der Staat wird dadurch funktional privatisiert, meist auch formell[253] und schließlich vielfach auch material. Die materiale Privatisierung überläßt die Lebensbewältigung wieder der Privatheit, so daß sie unternehmerisch und damit auch wettbewerblich verwirklicht werden kann. Die funktionale und formelle Privatisierung, welche mit der Fiskusdoktrin zu rechtfertigen versucht wird, ist verfassungswidrig. Hinzu kommt, daß ein Wettbewerb zwischen dem Staat/den Gebietskörperschaften einschließlich seiner/ihrer Einrichtungen und den Unternehmern die wesentliche wettbewerbsrechtliche Voraussetzung fehlt, nämlich die hinreichende Gleichheit am Markt[254].

Es ist absurd, wenn eine staatliche Verwaltung wie die Kommission die Verwaltungen der Mitgliedstaaten administrativ in den Wettbewerb zwingen will (und soll), obwohl die Mitgliedstaaten eine Aufgabe des gemeinsamen Lebens staatlich bewältigen wollten, also durch staatsadäquate Verwaltung. Es versteht sich, daß der Staat bei all seinem Handeln, auch dem vermeintlich unternehmerischen Handeln, das gesamte Recht, das den Staat bindet, insbesondere die Grundrechte, zu beachten hat[255] und im übrigen gemäß dem Privatheitsprinzip[256] die Verwaltungen material privatisieren muß, die staatlich zu bewältigen nicht mit hinreichenden Gründen gerechtfertigt werden kann[257]. Solange jedoch ein Mitgliedstaat eine Aufgabe staatlich bewältigen will und dafür hinreichende Gründe hat, ist es verfassungswidrig, diese Entscheidung unter einen Gemeinschafts/Unionsvorbehalt zu stellen und diesen Staat der Politik der Kommission und letztlich des Gerichtshofs auszusetzen, zumal mit einer gänzlich unbestimmten Regelung, welche nur willkürhaft verwirklicht werden kann, wie aufgrund des vormaligen Art. 86 Abs. 1 EGV und des Art. 106 Abs. 1 AEUV. Diese Vorschriften stellen die Staatlichkeit der Aufgabenbewältigung zur Disposition der Gemeinschaft/Union und entziehen die Aufgabenbewältigung dadurch auch und insbesondere dem demokratischen Prinzip, also dem Einfluß der Bürgerschaften. Art. 106 Abs. 1 AEUV wie vordem Art. 86 Abs. 1 EGV ermächtigt die Union, den Wechsel von der staatlichen zur privatheitlichen und damit wettbewerblichen Lebensbewältigung zu erzwingen, nur um größtmögliche Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit herzustellen, ein Markt- und Wettbewerbsfundamentalismus, der mit dem Sozialprinzip des Grundgesetzes schlechterdings unvereinbar ist.

b) Widersprüchlich ist es, den öffentlichen Unternehmen als Einrichtungen des Staates zuzugestehen, sich auf die Grundfreiheiten und die Grundrechte der Gemeinschaft zu berufen, so daß sie in gewissen Grenzen grenzüberschreitend agieren dürfen[258]. Der Staat ist kein Mensch, der frei wäre oder Grundrechte, die besondere Freiheiten oder das Eigentum schützen, für sich hätte. Der Staat hat Gesetze zu geben und zu vollziehen. Richtig weist das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsberechtigung von öffentlichen Unternehmen in ständiger Rechtsprechung zurück[259]. Die öffentlichen Unternehmen verlieren durch den (fragwürdigen) Art. 106 AEUV, der sie den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsregeln unterwirft, nicht ihre Eigenschaft, Teil des Staates zu sein. Sie werden nicht gemeinschaftsrechtlich privat. Die staatswidrige Maxime, die öffentlichen gleich den privaten Unternehmen zu behandeln, legt die Grundrechtsberechtigung auch der öffentlichen Unternehmen nahe; doch dann sind letztere entstaatlicht. Unternehmenshafte Verwaltungen des Staates sind eben den privaten Unternehmen nicht gleich[260]. Sie sind überhaupt keine Unternehmen, weil sie nicht privat sind und können sich weder auf die Grundrechte noch auf die diesen strukturgleichen Grundfreiheiten berufen. Weil sie als Teil des Staates den Grundfreiheiten verpflichtet sind, müssen sie etwa das binnenmarktliche Privatheitsprinzip respektieren, dürfen also nicht agieren, wenn nicht besondere Gründe, genauer: zwingende Gründe des Allgemeininteresses, ihre Tätigkeit rechtfertigen[261]. Weil sie aber auch durch die Grundfreiheiten berechtigt sein sollen, können sie sich selbst auf das Privatheitsprinzip berufen, also ihre Tätigkeiten nach unternehmerischen Interessen ausdehnen. Der Widerspruch ist klar.

c) Besonders fragwürdig ist die Praxis zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 1 EGV und damit Art. 106 Abs. 1 AEUV übergegangen[262] und hat sich damit außerordentlich weitgehend zur Umwälzung der mitgliedstaatlichen Strukturen ermächtigt. Der Wortlaut der Vorschriften läßt unschwer erkennen, daß diese Vorschriften lediglich eine Absichtserklärung der Mit­gliedstaaten enthält, ihre öffentlichen Unternehmen nicht zu mißbrauchen, um die privaten Unternehmen anderer Mitgliedstaaten zu benachteiligen, notfalls die öffentlichen Unternehmen material zu privatisieren. Nach der eigentlichen Konzeption des Gemeinschaftsvertrages kam ohnehin ein Wettbewerb privater Unternehmen mit den öffentlichen Unternehmen nicht in Betracht, weil und insoweit die (sogenannten) öffentlichen Unternehmen private Lebensbewältigung nicht zuließen, wie etwa bis zu der Fehlentscheidung des Europäischen Gerichtshofs[263] die Bundesanstalt für Arbeit in der „hoheitlichen“ Arbeitsvermittlung. Erinnert sei daran, daß das Bundesverfassungsgericht die ausschließliche Befugnis („das Monopol“) der Bundesanstalt für Arbeit zur Arbeitsvermittlung auch für Führungskräfte der Wirtschaft als ein „besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“, nämlich „einerseits die Arbeitslosigkeit durch den Nachweis offener Stellen und andererseits den Mangel an Arbeitskräften der Wirtschaft und Verwaltung zu vermeiden und zu beheben“, eingestuft hat, welches die objektive Schranke der Berufswahl des „selb­ständigen Arbeitsvermittlers“ als „gewerblichen Unternehmer“ „insbesondere im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip“ rechtfertige[264]. Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber dieses (sogenannte) Arbeitsvermittlungsmonopol als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung am Gemeinsamen Markt im Sinne des Art. 86 EWGV (Art. 82 EGV) gegeißelt[265], eine Mißachtung einer „dem Staat obliegenden, ihm durch das Gebot der Sozialstaatlichkeit vom Grundgesetz auch besonders aufgegebenen Daseinsvorsorge“[266], zu der der Gemeinschaftsvertrag schwerlich ermächtigt haben dürfte.

Auch die Praxis in Deutschland hält an der Fiskusdoktrin fest, welche die Anwendung privatrechtlicher Rechtsinstitute, wie vor allem das Wettbewerbsrecht, auf staatliche Verwaltungen mit sich bringt[267]. Diese Praxis folgt den Interessen vornehmlich der Parteigänger, die auf diese Weise entgegen den beamtenrechtlichen Laufbahn- und Gehaltsprinzipien mittels privatrechtlicher Verträge in den (sogenannten) öffentlichen Unternehmen hohe Einkommen erzielen. Diese öffentlichen Unternehmen bieten eine Fülle von Pfründen. Es ist typisch für Parteienstaaten, daß die Ämter, die der Staat zu bieten hat, nicht ausreichen, um die Interessen der Parteigänger zu befriedigen, zumal die meisten von diesen für ordentliche staatliche Ämter nicht hinreichend qualifiziert sind. Diese illegitimen Interessen finden in Art. 106 EUV eine machtvolle Unterstützung.

Nicht zu bestreiten ist es, daß die Teilung der privaten und der staatlichen Lebensbewältigung in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich war und ist[268] und daß es ein Interesse der Gemeinschaft/Union gab und gibt, im Interesse des Binnenmarktes einheitliche Verhältnisse in allen Mitgliedstaaten zu schaffen. Ein tragfähiger Weg wäre es gewesen, wenn sich die Mitgliedstaaten vertraglich auf die materiale Privatisierung bestimmter Verwaltungen (öffentliche Unternehmen) geeinigt hätten[269]. Diese Politik, welche einem völkerrechtlichen Vertrag vorbehalten ist, macht der Europäische Gerichtshof, der sich dazu durch extensive Begriffsbildung und Umwandlung völkerrechtlicher Verpflichtungen in verfassungsartige Prinzipien („Verbot und Legalausnahmen“[270]) selbst ermächtigt hat, und dekretiert, welche der staatlichen Tätigkeiten unternehmerisch und welche hoheitlich sind. Art. 106 AEUV ist nach wie vor Kritik und Ablehnung ausgesetzt[271], zu Recht. Die Vertragsregelung ist verfassungswidrig, demokratiewidrig und souveränitätswidrig.
4. Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten

Die Gleichstellung der Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, mit den öffentlichen Unternehmen in Art. 106 Abs. 1 AEUVV soll die besonderen oder ausschließlichen Rechte der Unternehmen vor allem wettbewerbsrechtlich neutralisieren. Auch diese Regelung ist wegen des unbestimmten Begriffs der Unternehmen fragwürdig, weil Verwaltungen des Staates/der Gebietskörperschaften typisch Alleinstellungen (regelmäßig die alleinige Befugnis) haben, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, regelmäßig gebietlich begrenzt. Diese staatsgemäßen Alleinstellungen werden vielfach als Monopole bezeichnet, ein ökonomistischer Ausdruck, der der Ausübung von Staatsgewalt nicht gerecht wird. Ein Beispiel war das Gerede vom Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit[272], weil durch § 37 Abs. 1 AVAVG (Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, später § 4 Arbeitsförderungsgesetz, anders jetzt § 296 SGB III, der den privaten Arbeitsvermittlungsvertrag regelt) die private Arbeitsvermittlung verboten war. Wenn man, wie das der Europäische Gerichtshof entschieden hat[273], die Bundesanstalt für Arbeit als ein Unternehmen, nämlich ein öffentliches Unternehmen, im Sinne des Art. 90 EWGV (jetzt Art. 106 AEUV) behandelt, hat dieses (vermeintliche) Unternehmen das besondere Recht der Arbeitsvermittlung, obwohl es richtigerweise eine Anstalt des öffentlichen Rechts war, welche die ihr durch Gesetz übertragene staatliche Aufgabe mit den ihr eingeräumten staatlichen Befugnissen wahrgenommen hat. Die oben dargelegte Kritik, daß die staatliche Verwaltung als Ausübung der Staatsgewalt dem staatswidrigen Wettbewerbsprinzip unterworfen wird, trifft auch für diese Regelung zu. Der Staat der Union erweist sich wiederum wesentlich als Markt, der sich dem Wettbewerbsprinzip verpflichtet hat, freilich durch die industriepolitische und allgemeinpolitische Überlagerung inkonsequent und rechtsstaatswidrig.
5. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse

a) Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV sollen für „Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder der Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln“ nur „gelten, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“. Dabei darf allerdings „die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft“. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 106 Abs. 2 AEUV gilt, obwohl der Europäische Gerichtshof diese vor langer Zeit verneint hat[274], als ungeklärt[275]. Der Sache nach ist die Vorschrift zu einer von den Mitgliedstaaten und deren Gerichten zu praktizierenden Legalausnahme (vorher Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) mutiert[276]. Art. 106 Abs. 2 AEUV erfaßt nicht nur öffentliche, sondern alle Unternehmen, die den Tatbestand erfüllen[277].

b) Die Staatswidrigkeit des wettbewerbsfundamentalistischen Grundsatzes des Absatz 1 des Art. 106 Abs. 1 AEUV soll Absatz 2 dieser Vorschriften mildern. Als „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ werden im Wesentlichen die staatliche Daseinsvorsorge (Deutschland) oder der service public (Frankreich) angesehen, ohne daß die ohnehin allenfalls deskriptiven und legitimierenden Begriffe[278] mit dem Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ identifiziert würden[279]. Die Kommission versteht unter diesen „Dienstleistungen marktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden“[280]. Diese Dienstleistungen sind (jedenfalls auch) öffentliche Dienste, wie die Dienste der Bahn, der Post, der Telekommunikation, der Elektrizitäts-, Gas-, Wasserversorgung, aber auch öffentliche Kreditinstitute und vor allem Rundfunksendungen, jedenfalls der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland[281]. Die Mitgliedstaaten haben einen gewissen Spielraum zur Definition des (vermeintlich gemeinschaftsrechtlichen Begriffs des) allgemeinen wirtschaftlichen Interesses, dürfen ihre Einschätzungsprärogative der eng begrenzten Bereichsausnahme für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben[282] aber nicht mißbrauchen[283]. Zu den meisten Diensten der Daseinsvorsorge sind, gestützt auf Art. 86 Abs. 3 EGV, Richtlinien und Entscheidungen der Kommission an die Mitgliedstaaten ergangen, welche die Dienste liberalisieren sollen und weitgehend im Interesse des gemeinschaftsweiten Wettbewerbs zur formellen oder gar materialen Privatisierung veranlassen, wenn nicht zwingen[284]. Die Universaldienste, d.i. unverzichtbare Grundversorgung[285], wird durch besondere Regelungen der Richtlinien gesichert, etwa im Bereich der Telekommunikation[286], auch als Rechtsangleichung auf Art. 94, 95 EGV oder die Dienstleistungsfreiheit gestützt[287].

Die Unternehmen müssen mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse „betraut“ sein, d. h. diese müssen den Unternehmen durch Gesetz, Verwaltungsakt oder Vertrag vom Staat/den Gebietskörperschaften oder deren Einrichtungen übertragen sein (eine Konzession kann genügen)[288]. Dabei sind Transparenz und hinreichende Öffentlichkeit (Ausschreibung) zu wahren und jede Art von Diskriminierung zu vermeiden[289]. Das soll einen Wettbewerb um den Markt, genauer um das „Monopol“ schaffen. Typische Fälle bilden die Beleihungen, etwa mit der technischen Überwachung oder mit Vermessungsaufgaben[290].

„Den Charakter eines Finanzmonopols“ haben Unternehmen, die aufgrund eines Ausschließlichkeitsrechts des Staates (Monopols) Einnahmen für den Staatshaushalt erzielen sollen[291], etwa Branntwein-, Zündwaren, Sprengstoffmonopole. Derartige Monopole sind weitestgehend abgeschafft[292]. In

Deutschland besteht nur noch das Branntweinmonopol.

c) Die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, gelten nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nur insoweit, als deren Anwendung „nicht die Erfüllung der ihnen (sc.: den Unternehmen) übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert“. Weitestmöglich sollen also die Vorschriften der Verträge und allen voran die Wettbewerbsregeln Anwendung finden. Nur wenn die besonderen Aufgaben, die diesen Unternehmen übertragen sind, wegen des Vertragsrechts, insbesondere den Wettbewerbsregeln, nicht erfüllt werden können, sei es rechtlich oder tatsächlich, geht die Aufgabenerfüllung vor. Die bloße Erschwerung der Aufgabenerfüllung genügt nach der tendenziell restriktiven, aber schon unter dem Eindruck des Art. 16 EGV in der Fassung des Vertrages von Amsterdam, 1999, schwankenden Rechtsprechung nicht, sondern nur deren Verhinderung[293]. Die Beweislast wird den Unternehmen oder den Mitgliedstaaten zugeschoben, die sich auf die Bereichsausnahme berufen[294]. Die gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge, welche in Art. 106 Abs. 2 AEUV eine letzte Verteidigungslinie vor dem Wettbewerbsprinzip hat, wird durch Art. 14 AEUV gestärkt:

„ … in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihrer Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge, daß die Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art, für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können“.

Art. 14 AEUV präzisiert die vorherige Regelung und gibt dem Europäischen Parlament und dem Rat die Befugnisse, durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die „Grundsätze und Bedingungen“ „unbeschadet der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten diese Dienste im Einklang mit den Verträgen zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren“, festzulegen (Satz 3) – eine weitere Entmachtung der Mitgliedstaaten.

Freilich gilt diese Aufforderung, die mehr eine Erklärung des guten Willens ist, nur „unbeschadet des Art. 4 des Vertrages über die Europäische Union und der Artikel 93, 106 und 107 dieses Vertrages“ und damit auch des weitestgehenden Vorrangs des Wettbewerbsprinzips vor dem, wenn man so will, Staatsprinzip der Lebensbewältigung[295]. Die Kommission präferiert die „Daseinsvorsorge durch Wettbewerb“[296].

d) Der Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ ist gänzlich unbestimmt[297]. Nicht nur Verwaltung des Staates/der Gebietskörperschaften ist nach allgemeinem ökonomischen Sprachgebrauch, der von den Unionsverträgen genutzt wird, Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, sondern auch die Leistungen der Unternehmen im eigentlichen Sinne (also nicht der öffentlichen Unternehmen) sind Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, jedenfalls weitestgehend, schon weil sie, wenn sie nicht zur notwendigen Versorgung der Bevölkerung beitragen, Arbeit und damit Arbeitsplätze schaffen. Auch kulturelle und Sportveranstaltungen kann der Charakter als Dienstleistung im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse nicht abgesprochen werden, wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland („das Sommermärchen“) deutlich vor Augen geführt hat. Darum kämpfen die Staaten um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft wie um die der Olympischen Spiele und anderen Großereignisse des Sports, weil diese beachtliche Investitionen und auch einträglichen Tourismus mit sich zu bringen pflegen. Der Begriff der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist somit ungeeignet, eine Regelung zu treffen. Er gibt der Kommission und dem Gerichtshof und all denen, die das Gemeinschaftsrecht anzuwenden haben, die Möglichkeit willkürlicher Entscheidungen, wenn auch einzuräumen ist, daß die Richtlinien der Kommission ein gewisses Maß an Bestimmtheit des Sekundärrechts und damit der rechtsstaatsnahe Handhabung dieser Vorschriften ermöglichen. Die Kommission selbst aber ist wie der Europäische Gerichtshof nicht begrenzt ermächtigt, sondern unbestimmt. Angesichts des ebenso unbestimmten Unternehmensbegriffs, der die Verwaltungen des Staates/der Gebietskörperschaften weitestgehend als Unternehmen zu definieren erlaubt, ermächtigt Art. 106 Abs. 2 AEUV die Politik zur weitgehenden Umgestaltung der demokratisch gestalteten Lebensbewältigung in den Mitgliedstaaten, wie schon Absatz 1 der Vorschriften, und leistet keinen hinreichenden Schutz der jeweiligen Gemeinwohlverwirklichung derselben vor dem Wettbewerbsprinzip. Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsprinzip genügt das keinesfalls[298].

Nur wenn „die Erfüllung der ihnen (sc.: den Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind usw.) übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich und tatsächlich verhindert wird, müssen die Vertragsvorschriften, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit zurückstehen, wie das notwendig ist, um die besondere Aufgabenerfüllung zu ermöglichen[299]. Die Aufgabenerfüllung wird somit gegenüber der Verwirklichung des Wettbewerbsprinzips und der anderen Vertragsbestimmungen auf ein Mindestmaß zurückgedrängt, welches der Aufgabe noch gerecht zu werden vermag, nach der Formel etwa, soviel Wettbewerb und sonstige Vertragsverwirklichung wie möglich und soviel Erfüllung der besonderen Aufgabe wie nötig. Die Kommission nimmt, gestützt durch den Gerichtshof, dafür das Verhältnismäßigkeitprinzip in Anspruch[300]. Die Unbestimmtheit der Abgrenzung liegt auf der Hand, weil allein schon, wie dargestellt, die Wettbewerbsregeln angesichts der Offenheit der wirtschaftspolitischen Zielsetzung der Gemeinschaft, welche deren Prinzip Wettbewerb steuern, erst recht aber im Verbund mit den vielfältigen sonstigen Vertragsvorschriften nicht zu erkennen erlaubt, inwieweit die besonders übertragenen Aufgaben den selbst unbestimmten Maßstab verändern, also relativeren. Zudem ist es denkbar unklar, nach welchen Kriterien die Erfüllung der besonderen Aufgaben rechtlich und tatsächlich als verhindert anzusehen ist. Das läßt sich allenfalls nach einer gewissen Zeit der Erprobung bestimmter Reglementierungen, sei es durch Richt­linien oder Beschlüsse an die Mitgliedstaaten, welche die Kommission nach Art. 106 Abs. 3 AEUV zu treffen ermächtigt ist, beurteilen. Von derart ungewissen Kriterien kann aber nicht die Geltung von Vorschriften abhängig sein. Solche Kriterien kann ein Verfassungsstaat als Leitentscheidungen für die Gesetzgebung oder auch ein Unternehmen für die Unternehmensleitung formulieren, nicht aber ein demokratischer Rechtsstaat für die Verwaltung. Wenn die Erfüllung besonderer Aufgaben der Gemeinwohlverwirklichung Einrichtungen des Staates/der Gebietskörperschaf­ten übertragen ist, muß die Aufgabenerfüllung staatlichen Verwaltungsprinzipien folgen. Diese sind mit dem Wettbewerbsprinzip unvereinbar[301]. Ein Mischsystem staatlicher und privatheitlicher Prinzipien der Aufgabenbewältigung ist, wenn diese dem Staat/den Gebietskörperschaften (unmittelbar oder mittelbar) übertragen ist, verfassungswidrig, insbesondere demokratiewidrig. Die Qualifizierung von Verwaltungseinheiten als Unternehmen ist schon kritisiert. Sie ist der eigentliche Mißgriff des Art. 106 AEUV. Wenn die Lebensbewältigung institutionell privatheitlich ist[302], also Unternehmen im eigentlichen Sinne überlassen ist, diesen aber, ihrer allgemeinen Pflicht gemäß (argumentum aus Art. 14 Abs. 2 GG) die Gemeinwohlverwirklichung übertragen werden soll, so kann dies nur durch Gesetze geschehen, welche derart bestimmt sind, daß sie verwaltungsgemäß angewandt werden können. Jedes Gesetz muß, wenn es ein Gesetz des Rechts sein will, das Gemeinwohl verwirklichen. Gesetzlichkeit privaten Handelns verwirklicht im freiheitlichen Gemeinwesen, in der Republik, notwendig zugleich das gemeine Wohl[303]. Die Gesetze müssen aber, auch weil sie immer die allgemeine Freiheit des Grundrechts des Art. 2 Abs. 1 GG oder auch andere Grundrechte einschränken, allen Verfassungsprinzipien, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, genügen. Daß der Gesetzgeber, wenn er das Gemeinwohl durch Gesetze zu verwirklichen sucht, das Privatheitsprinzip zu achten hat[304], ergibt einen Vorrang der aus dem Privatheitsprinzips folgenden Markt­lichkeit und Wettbewerblichkeit, schon weil die Gesetze das Verhältnismäßigkeitsprinzip achten müssen, die Regelungen des Staates also notwendig sein müssen, um das Gemeinwohl zu verwirklichen[305]. Weil der Wettbewerb Faktum privaten Handelns ist[306], regelt Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht mehr als das Privatheitsprinzip, dessen Verwirklichung Sache des Gesetzgebers ist.

e) Bedeutsam ist, daß die Praxis dieser Vorschriften die Entscheidungen über die Verwirklichung des Privatheitsprinzips den Gesetzgebern der Mitgliedstaaten und deren Gerichten aus der Hand nehmen und der Kommission und der Gerichtsbarkeit der Europäischen Union überantworten, welche auch für diese Verwaltung und Rechtsprechung nicht demokratisch legitimiert sind. Die Notwendigkeiten des Gemeinwohls zu bestimmen ist eine Aufgabe, die demokratisch legitimiert bewältigt werden muß. Die kritisierte Praxis ermöglicht es Unionsorganen trotz eines gewissen Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten[307] zu bestimmen, was deren Gemeinwohl ist. Das ist Fremdbestimmung, zudem mangels Bestimmtheit der Kriterien rechtsstaatswidrige Fremdbestimmung. Die Mitgliedstaaten haben sich wiederum einen wesentlichen Teil ihrer Hoheit nehmen lassen. Die deutschen Gerichte pflegen das Privatheitsprinzip, das meist Subsidiaritätsprinzip genannt wird[308], nicht zu judizieren, sondern die Entscheidung über die privatheitliche oder staatliche Lebensbewältigung dem Gesetzgeber zu überlassen. Das ist grundrechtlich bedenklich[309], aber die Usurpation der Entscheidungen durch die Kommission und die Gerichte der Gemeinschaft ist demokratiewidrig und staatswidrig. Die kritisierte Rechtsstaatswidrigkeit kommt hinzu.

Das rechtsstaatliche Prinzip der Gesetzlichkeit wird keinesfalls dadurch verwirklicht, daß die Kommission Richtlinien oder Beschlüsse an die Mitgliedstaaten richten kann (Art. 106 Abs. 3 AEUV)[310]. Die Kommission ist als Vollzugsorgan der Union allenfalls ein demokratisch tragfähiger Gesetzgeber, wenn sie in engen Grenzen zur Rechtsetzung befugt ist, nicht aber durch ein gänzlich unbestimmtes Wettbewerbsprinzip, das sie gegenüber der Gemeinwohlpolitik der Mitgliedstaaten durchzusetzen ermächtigt ist.

f) Die sogenannte Schranken-Schranke des Satz 2 des Art. 106 Abs. 2 AEUV, wonach „die Entwicklung des Handelsverkehrs (sc.: durch die Erfüllung der besonderen Aufgaben) nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft“[311], erweist noch einmal, daß das Gemeinschaftsinteresse über das jeweilige mitgliedstaatliche Interesse gestellt wird. Das Interesse der Gemeinschaft ergibt sich aus deren Zielen und deren Prinzipien[312], auch den Grundfreiheiten und dem unverfälschten Wettbewerb, ist also gänzlich unbestimmt. Das unionsrechtliche Wettbewerbsprinzip vermag sich danach gegenüber dem Gemeinwohl der Mitgliedstaaten, das deren Völker unmittelbar oder mittelbar durch ihre Organe definieren, durchzusetzen. Selbst wenn und insoweit das gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsprinzip durch die allgemeinen Ziele des Vertrages überlagert wird, ist dieser Vorrang mit der Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes, der der marktlichen Sozialwirtschaft[313], unvereinbar, weil die Verwirklichung des Sozialprinzips schlechterdings Sache der Völker sein muß, die allein die Politik, zumal die Sozialpolitik, demokratisch gestalten können. Das Wettbewerbsprinzip der Union ist mit dem demokratierechtlichen Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung keinesfalls vereinbar, schon gar nicht in der Offenheit dieses Prinzips für die unterschiedlichsten Unionszwecke. Das Binnenmarktprinzip, der Kern der europäischen Integration, ist insgesamt weder mit dem demokratischen Prinzip noch mit dem Rechtsstaatsprinzip, genausowenig mit dem Sozialprinzip des Grundgesetzes vereinbar. Er ist Ausdruck des globalen Ökonomismus, der die europäische Kultur, die Kultur der Demokratie, des Rechts- und des Sozialstaates, also die Kultur der Republik und damit die Kultur der Freiheit zugunsten eines ebenso demokratie- wie sozialwidrigen, insgesamt rechtlosen ‚Neoliberalismus‘, verdrängt und durch einen Wettbewerbsfundamentalismus zu ersetzen versucht, der nicht einmal konsequent durchgehalten wird, ein Wettbewerbsfundamentalismus, den Konrad Lorenz als „Wettlauf mit sich selbst“, als „Teufelskreis des kommerziellen Wettbewerbs“ zu den acht Todsünden der zivilisierten Menschheit zählt[314].

III Die Ausdehnung der Unionsregelungen für öffentliche Unternehmen auf Kanada und dessen Unternehmen

Art. 17.3 dehnt in der Sache den Regelungsbereich des Art. 106 AEUV auf Kanada und dessen Unternehmen aus. Der Artikel lautet, um diesen noch einmal zu zitieren:

“Article 17.3

Application of competition policy to enterprises

1. A Party shall ensure that the measures referred to in Article 17.2.2 apply to the

Parties to the extent required by its law.

2. For greater certainty:

(a) in Canada, the Competition Act, R.S.C. 1985, c. C-34 is binding on and applies

to an agent of Her Majesty in right of Canada, or of a province, that is a corporation, in respect of commercial activities engaged in by the corporation in competition, whether actual or potential, with other persons to the extent that it would apply if the agent were not an agent of Her Majesty. Such an agent may include state enterprises, monopolies, and enterprises granted special or exclusive rights or privileges; and

(b) in the European Union, state enterprises, monopolies, and enterprises granted special rights or privileges are subject to the European Union’s rules on competition. However, enterprises entrusted with the operation of services of general economic interest or having the character of a revenue-producing monopoly are subject to these rules, in so far as the application of these rules does not obstruct the performance, in law or in fact, of the particular tasks assigned to them“.

Die Staatswidrigkeit des Unionsrechts der öffentlichen Unternehmen, das die materiale Privatisierung der öffentlichen Unternehmen weitgehend durch deren Unterwerfung unter die Wettbewerbsregeln der Art. 101 ff. AEUV erzwingt, wird in der Wirkung auf Kanada und die kanadischen Unternehmen ausgedehnt. Auch Kanada und die kanadischen Unternehmen können auf Grund der Vereinbarungen im Chapter 17 des CETA den öffentlichen Körperschaften, zumal Bund, Ländern und Gemeinden, vorwerfen, vertragswidrig die Wettbewerbsregeln zu verletzen, indem sie etwa ihre Unternehmen steuerlich begünstigen oder sonstwie finanziell oder administrativ unterstützen. Unternehmensrechtlich bilden die öffentlichen Körperschaften mit den Unternehmen, die sie betreiben oder in denen sie bestimmenden Einfluß haben, Konzerne[315]. Die Körperschaften haben schon wegen der Finanzierung durch Steuern niemals den gleichen privatheitlichen Status wie materiell privatheitliche Unternehmen und Konzerne. Dem Wettbewerb fehlt die entscheidende Voraussetzung, die Privatheitlichkeit. Damit verbunden ist, daß die für den Wettbewerb unverzichtbare Gleichheitlichkeit nicht besteht und nicht hergestellt werden kann. Die öffentlichen Unternehmen können somit den besonderen Aufgaben, die die öffentlichen Körperschaften mit ihrer Einrichtung verbinden, jedenfalls meist verbinden, nicht vertragsgemäß nachkommen. Diese Besonderheit besteht regelmäßig auch, wenn die öffentlichen Unternehmen nicht unter die Ausnahmevorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV subsumiert werden. Das ist Sache der Rechtsprechung, vornehmlich der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs. Diese Judikatur tendiert zur Willkürhaftigkeit. Es hat gute Gründe, daß das Bundesverfassungsgericht den öffentlichen Unternehmen, selbst Unternehmen, an denen die öffentliche Hand nur mit gewissem Einfluß beteiligt ist, die Berufung auf die Grundrechte versagt hat[316]. Der Grund ist, daß diese nicht material privat sind, weil ihr Träger oder ihr maßgeblicher Träger Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Die Unterwerfung der öffentlichen Unternehmen unter die Wettbewerbsregeln ist und bleibt ein Mißgriff, schlimmer noch, er ist staatswidrig, insbesondere demokratiewidrig und damit souveränitätswidrig. Die Wirkungen dieser Verstöße gegen die grundgesetzliche Verfassung im Kern, als der Verfassungsidentität, wird durch die Ausdehnung dieser „Ordnung“ auf Kanada und dessen Unternehmen, der die Ausdehnung auf die USA und deren Unternehmen im TTIP folgen wird, extrem verbösert.

Wenn die öffentlichen Körperschaften als die Träger der öffentlichen Unternehmen etwa diese Einrichtungen in die sachgerechte staatsrechtliche Form überführen wollen, wie es vom Grundgesetz geboten ist, kommen sie in Konflikt nicht nur mit dem Unionsrecht, sondern auch mit Kanada und dessen Unternehmen wegen des Freihandelsabkommens CETA. Zwar steht in Art. 17.4 des Vertrages „Nothing in this Chapter shall be subject to any form of dispute settlement under the Agreement”, aber der Ausschluß des dispute settlement wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbspolitik schließt nicht aus, daß eine kanadisches Unternehmen auf den Investitionsschutz beruft und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegen Deutschland oder dessen Körperschaften geltend macht, weil seine Investitionen in seine in Deutschland eingerichteten oder in Deutschland tätigen Unternehmen durch Maßnahmen der körperschaftlichen Träger der öffentlichen Unternehmen geschädigt worden sind. Es würde, um den Investitionsschutz geltend machen zu können, genügen, wenn kanadische Investoren sich an gemischt finanzierte Unternehmen, die Unternehmen der öffentlichen Hand sind, beteiligt haben und solche Unternehmen von Maßnahmen der öffentlichen Hand durch investitionsschädigende Wirkungen betroffen worden sind. Eine solche Maßnahme kann insbesondere die Überführung des Unternehmens in eine öffentlich-rechtliche Handlungsform sein, wenn man so will, deren formelle Verstaatlichung (einschließlich der Kommunalisierung). Das ist die einzig sachgerechte Organisationsform staatlicher Agenda. Wenn eine solche Maßnahme vorgenommen wird, ist damit regelmäßig verbunden, daß Privatunternehmen mit dem gleichen Geschäftsfeld nicht mehr erlaubt sind oder jedenfalls der vermeintliche Wettbewerb Verhältnissen ausgesetzt ist, die dem wettbewerblichen Gleichheitsgebot nicht mehr genügen. Richtigerweise besteht kein Wettbewerbsverhältnis zwischen staatlichen und privaten Agenda. Beide Akteure sind andersartig und folgen von Rechts wegen unterschiedlichen Maximen. So ist der öffentlichen Hand die Gewinnmaxime untersagt[317], während sie für Unternehmen von Privaten nicht nur die normale Maxime ist, sondern auch eine notwendige Maxime, weil diese sonst nicht existieren können. Es gibt nur ein Argument gegen staatliche Agenda, daß diese nämlich gegen das Privatheitsprinzip[318], das sogenannte Subsidiaritätsprinzip, verstoßen. Dagegen können davon betroffene Unternehmen Rechtsschutz, auch Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen[319]. Dem Staat und seinen staatlichen und kommunalen Körperschaften steht darüber, ob sie zur Verwirklichung des Gemeinwohls eine Aufgabe übernehmen, ein so gut wie unbeschränkter Entscheidungsspielraum zur Verfügung. Viele vertreten die Ansicht, diese Entscheidungen seien nicht judiziabel[320]. Jedenfalls geben die Souveränität der Bürger in Bund, Ländern und Gemeinden diesen die weitgehende Gestaltungshoheit für die gemeinsame Lebensbewältigung. Daneben müssen private Unternehmungen zurückstehen. Diese haben nur eine Unternehmensfreiheit in dem Bereich, der nicht staatlicher Lebensbewältigung überantwortet ist. Es kann private Unternehmen neben staatlichen Einrichtungen geben, die beide denselben Zweck der Lebensbewältigung verfolgen. Aber das sind unterschiedliche Weisen der Lebensbewältigung, die nicht in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.

So gibt es neben den staatlichen Schulen auch Privatschulen. Auf beiden kann ein Jugendlicher nach der Gesetzeslage gleichartige Schulabschlüsse erzielen. Aber wenn etwa eine Kommune eine staatliche Schule einrichtet, die eine Privatschule erübrigt, jedenfalls dieser die Schüler als Kunden verlorengehen, darf das nicht zu Schadenersatzansprüchen des Privatschulveranstalters führen und führt das bisher auch nicht. Der Investitionsschutz des CETA würde das in Zukunft zugunsten kanadischer Unternehmen ändern, weil das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada auch die staatlichen Schulen als Unternehmen einzustufen erlaubt und diese in ein gleichheitliches Wettbewerbsverhältnis stellt. Fast alle Agenden der öffentlichen Hand können so zugeordnet werden, weil alle menschliche Lebensbewältigung sind, die nun einmal staatlich oder privat bewältigt werden kann. Neben den staatlichen Hochschulen, zumal den Universitäten, gibt es auch private Hochschulen. Deren Anspruchsprofil erreicht jedenfalls in Deutschland in keiner Weise das der staatlichen Hochschulen, wie sehr diese auch ihr Niveau vor allem im Zuge der Europäisierung der Abschlüsse abgesenkt haben mögen. der Das ist allein schon wegen der Geschäftlichkeit der privaten Hochschulunternehmen nicht erreichbar. Sie brauchen Kunden, die sie nicht mit Anforderungen werben können, die auch ein Scheitern des Studiums zur Normalität geringer Studienerfolge machen. Der Staat stattet die privaten Hochschulen aus guten Gründen nicht immer mit den gleichen Befugnissen aus, die staatliche Hochschulen haben, so regelmäßig nicht mit der Promotionsbefugnis und erst recht nicht mit der Habilitationsbefugnis. Das mindert die unternehmerischen Chancen der privaten Ausbildungsunternehmen. Viele der privaten Hochschulen Deutschlands suchen promotionsähnliche oder promotionsgleiche Graduierungsmöglichkeiten durch Kooperation mit Hochschulen in anderen Staaten der Europäischen Union, weil deren gegenseitige Anerkennung weitgehend möglich ist. Die privaten Hochschulen haben als Unternehmen einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber den staatlichen Unternehmen, die unschwer als Unternehmen einzustufen wären, wenn sie nicht staatlich wären. Die Staatlichkeit macht den Unterschied aus und rechtfertigt die unterschiedliche Befugnisausstattung, gerade weil die staatlichen Hochschulen kein Gewinnziel verfolgen, jedenfalls nicht verfolgen dürfen. Wenn die staatlichen Hochschulen zu Unternehmen umgestaltet werden, was mit der Unterwerfung unter das Wettbewerbsprinzip geschieht, verlieren jedenfalls die Universitäten endgültig den besonderen Charakter der „Deutschen Universität“. Das wäre ein verfassungsrechtlich wegen Art. 5 Abs. 3 GG bedenklicher Verlust deutscher Hochschulkultur mit unabsehbaren Folgen für die Freiheit der Wissenschaft und die Leistungsfähigkeit deutscher Akademiker.

Dennoch bleibt die staatliche, also hoheitliche Lebensbewältigung immer Ausübung von demokratisch legalisierter Staatsgewalt und die private Lebensbewältigung immer privatautonomes besonderes Geschäft. Staat und Private sind nicht gleich, schon gar nicht ein Staat und ausländische Unternehmer, die nicht einmal der staatsnahen, richtigerweise staatlichen, wenn auch nicht demokratisch legalen, Europäischen Union[321] angehören. Allein die irrige Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses trägt den möglichen Investitionsschutz, weil das Wettbewerbsverhältnis die Gleichheitlichkeit der öffentlichen mit den privaten Unternehmen impliziert. Wenn die sogenannten öffentlichen Unternehmen als Ausübung der Hoheit der Bürger und damit als Ausübung von Staatsgewalt begriffen werden, wie das in einer Republik geboten ist, kommen derartige Abirrungen vom Recht gar nicht erst in den Blick.

Der zitierte Art. 17. 4schließt den Rechtsschutz kanadischer Unternehmen durch die nationalen Gerichte und den Europäischen Gerichtshof nicht aus. Das folgt schon aus dem Grundprinzip des Handelsabkommens, dem Prinzip der Inländergleichbehandlung.

II Grundrechtsverletzungen des Beschwerdeführers in dem Recht aus Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG und in der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die Verfassungsidentitäts-, Souveränitäts-, Demokratie- und Rechtsstaatsverletzung der im Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, ausgehandelten Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen.

Das Recht auf Demokratie des Beschwerdeführers umfaßt auch das Recht darauf, daß Bund, Länder und Gemeinden über die Gestaltung der gemeinsamen Lebensbewältigung der Bürger entscheiden können. Dazu gehört substantiell die Entscheidung, eine Aufgabe der gemeinsamen Lebensbewältigung staatlich einschließlich kommunal wahrzunehmen. Es ist ein elementarer Unterschied, ob eine Aufgabe, die das Gemeinwohl durchzuführen gebietet, staatlich gestaltet wird oder privat. Staatlich muß nicht nur die Übernahme der Aufgabenbewältigung demokratisch legalisiert sein, sondern auch die Art und Weise der Aufgabenerledigung des Staats oder der Kommunen muß den staatsrechtlichen Prinzipien genügen, vor allem der Zuständigkeitsordnung von Bund, Ländern und Gemeinden, der Bestimmung der Verfahren und Mittel, der Finanzierung, der Teilhabe der Bürger, den Grundrechten usw. Die private Aufgabenbewältigung folgt den privaten Maximen, regelmäßig den privatwirtschaftlichen Maximen und damit vornehmlich der Gewinnmaxime. Insbesondere gilt für privatmäßige Tätigkeit das Wettbewerbsprinzip. Somit kommt auch die Betätigung kanadischer Unternehmer in Betracht, soweit das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada das erlaubt. Das führt zu Investitionen kanadische Unternehmer, die den Investitionsschutz des Handelsabkommens beanspruchen können. Dadurch wird eine Gestaltung der Aufgabendurchführung nach dem Willen der Bürger in Bund, Ländern oder Gemeinden so gut wie ausgeschlossen. So mag es sein, daß die Bürger einer Gebietskörperschaft eine Energiegewinnung durch Fracking ablehnen. Sie können diese verhindern, wenn die Energiegewinnung in der Hand etwa ihres Landes oder ihrer Kommune liegt, indem sie eine solche nicht beschließen. Ist die privatwirtschaftliche Energiegewinnung erlaubt und das Fracking durch Bundesgesetz erlaubt (Art. 74 Nr. 11 GG), können die jeweiligen Bürger diese in ihrem Lebensbereich nicht verhindern. Auch die Dienstverhältnisse der Aufgabendurchführung müssen den Prinzipien des Staatlichen genügen, also denen des öffentlichen Dienstes. Das gilt auch und insbesondere für die Entgelte für die Leistungen. Die öffentliche Hand ist an das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip gebunden und darf keinesfalls ein Gewinninteresse verfolgen, ganz im Gegensatz zur privatwirtschaftlichen Betätigung. Die Verhältnisse der Aufgabenbewältigung sind somit durch und durch unterschiedlich. Im Rahmen des Privatheitsprinzips (Subsidiaritätsprinzips) hat jeder Bürger nicht nur ein Interesse an der jeweiligen Form der Aufgabenerfüllung, sondern auch ein Recht darauf, diese mit den anderen Bürgern seiner Körperschaft zu bestimmen. Das gehört zu seinem politischen Status als Bürger und ist somit durch das Recht auf Demokratie geschützt. Durch Abkommen mit dritten Staaten darf dieser demokratische Status des Bürgers und damit der des Beschwerdeführers nicht geschmälert werden.

Die Einbeziehung der öffentlichen Unternehmen in die Wettbewerbspolitik des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada in Art. 17 f. des Abkommens verletzt auch das Grundrecht des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht umfaßt auch und vor allem die politische Freiheit. Diese wird verletzt, wenn die Organisation der Ausübung der Staatsgewalt die Verfassungsidentität, mißachtet. Dazu gehören insbesondere das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Die Verletzung dieser Prinzipien ist dargetan. Die Bürger in Bund, Ländern und Gemeinden werden durch das Abkommen, das sich die Verfassungsverletzungen des Unionsrechts in Art. 106 AEUV zu eigen macht und deren Geltungsbereich und Wirksamkeit auf Kanada (und demnächst erwartungsgemäß die USA) ausweitet, in ihrer politischen Freiheit verletzt, die Bewältigung des gemeinsamen Lebens durch die öffentliche Hand zu organisieren, auch durch unternehmensartige Verwaltungen. Derartige Verwaltungen unterscheiden sich essentiell von privaten Unternehmen, die durch ihre Privatheit, vor allem durch die Gewinnmaxime, aber auch durch die Wettbewerblichkeit, bestimmt sind. Staatliche Agenden sind nicht wettbewerbsfähig, weil sie nicht der Verdrängung vom Markt durch private Unternehmen ausgesetzt werden dürfen, insgesamt, weil sie den privaten Unternehmen in jeder Weise ungleich sind. Staatlichkeit und Privatheit sind wesensverschieden. Staatlichkeit ist durch die Bürgerschaft allgemeinbestimmt, nämlich durch die Gesamtheit der Bürger, vornehmlich durch Gesetze, Privatheit im Rahmen der Gesetze durch den jeweils Handelnden, etwa den Unternehmer, alleinbestimmt. Staatlichkeit ist ausschließlich gemeinwohlverpflichtet, Privatheit im Rahmen der Gesetze am jeweils Eigenen orientiert, meist am Gewinn, an der Bereicherung auf Kosten anderer. Der Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen scheitert bereits an der Heterogenität der Handlungsmaximen und Handlungsordnungen. Er ist mit dem demokratischen Prinzip der Gemeinwohlverwirklichung unvereinbar. Privatheit verträgt keine demokratische Bestimmung des Handelns, Staatlichkeit keine Privatmäßigkeit. Staatliche Agenda im Wettbewerb mit privaten Unternehmen ist ein Widerspruch zur Republikanität des Staates, die durch das demokratische Prinzip der Willensbildung des Volkes als der Bürgerschaft, des Souveräns also, gekennzeichnet ist. Dieser Widerspruch zur Republikanität wird durch die Ausdehnung auf fremde überseeische Staaten in einen unter dem Grundgesetz nicht hinnehmbaren Umfang verbösert, wenn er auch schon in der Europäischen Union untragbar ist. Das Rechtsprinzip als Kern des Rechtsstaates verbietet es, dem Staat unter die Zwänge eines durch und durch privattypischen Prinzips zu stellen, nämlich dem Wettbewerbsprinzip. Das ist kein Prinzip, das dem Staat das Recht zu geben vermag. Staatliche Lebensbewältigung unterliegt dem Privatheitsprinzip, das privater Lebensbewältigung den Vorrang vor der staatlichen Lebensbewältigung einräumt[322]. Diese Subsidiarität muß jeweils demokratisch, also durch Gesetze, verwirklicht werden. Die entsprechenden Entscheidungen sind allenfalls in äußersten Grenzen judiziabel. Eine privatmäßige Verwirklichung staatlicher Lebensbewältigung jedoch ist ein Widerspruch zum Staatsprinzip und im Rechtsstaat untragbar. Politische Freiheit gibt dem Bürger das Recht, daß sein Staat demokratisch und rechtsstaatlich organisiert ist. Folglich ist dieses Grundrecht der politischen Freiheit des Beschwerdeführers, wie aller Bürger Deutschlands, durch die Ausdehnung der demokratie- und rechtsstaatswidrigen Politik auf Kanada tief verletzt.

Deutschland darf einem solchen Abkommen der Europäischen Union mit Kanada entgegen seiner Schutzpflicht gegenüber dem Beschwerdeführer aus dessen Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Art. 146 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht zustimmen. Es ist vielmehr dem Beschwerdeführer verpflichtet, dieses Abkommen mit allen Kräften zu verhindern.

Der Beschwerdeführer ist durch die Wettbewerbspolitik im CETA unmittelbar, persönlich und gegenwärtig verletzt. Andere Rechtschutzmöglichkeiten als diese Verfassungsbeschwerde wegen des Handelns und Unterlassens der Bundesregierung bei der Entwicklung des Abkommens der Union mit Kanada stehen ihm nicht zur Verfügung.

F

Verletzung des demokratischen Prinzips bei der politischen Willensbildung des Volkes

Richtig hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts um OMT-Programm-Urteil vom 21. Juni 2016 Rn. 173 zur politischen Willensbildung der Bürger und deren Vertretung im Deutschen Bundestag im demokratischen Parlamentarismus ausgeführt:

„Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet nicht nur Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, es schafft vor allem auch die Voraussetzungen für eine Kontrolle durch die Bürger (vgl. BVerfGE 40, 237 <249>; 70, 324 <355>; 131, 152 <205>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. September 2015, a.a.O., Rn. 92). Entscheidungen von erheblicher Tragweite wie die Entschließung darüber, welche Wege zur Wiederherstellung der Kompetenzordnung beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 <397 Rn. 53>), muss deshalb grundsätzlich ein Verfahren vorausgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 <403 f.>; 95, 267 <307 f.>; 108, 282 <312>; 130, 318 <344>; 131, 152 <205>)“.

Die Vertragsverhandlungen der Europäischen Union mit Kanada des Freihandelsabkommens CETA werden auf Seiten der Europäischen Union von der Kommission der Union geführt. Die Abfassung des Abkommens ist in englischer Sprache erfolgt. Eine Übersetzung des umfangreichen Textes in die deutsche Sprache gibt es bisher, abgesehen von nicht amtlichen Teilübersetzungen für die Bundestagsfraktion der DIE LINKEN, nicht. Es war für die Bürgerschaft Deutschlands und für deren Vertreter im Deutschen Bundestag, aber auch im Bundesrat darum bisher nicht möglich, das Abkommen verantwortlich zur Kenntnis zu nehmen. Das geht nur in der Amtssprache Deutschlands, also in deutscher Sprache. Es soll ein Abkommen geschlossen, schlimmer noch dessen vorläufige Anwendung beschlossen werden, das für die Lebensverhältnisse in Deutschland essentiell ist, ohne daß dieses Abkommen in der unverzichtbaren Sachlichkeit im Land und in dessen Parlament erörtert werden konnte. So gut wie kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages dürfte über ausreichende englische Sprachkenntnisse in Rechtssachen, zumal dem schwierigen internationalen Wirtschaftsvölkerrecht, verfügen, um das Abkommen seiner politischen Verantwortung für die Geschicke Deutschlands gemäß zu verstehen und zu bearbeiten. Er muß sich darauf verlassen, daß die Kommission der Union und die Bundesregierung das Abkommen dem Recht und den Interessen Deutschlands gemäß erarbeitet haben. Das ist grob pflichtwidrig. Er muß seinem eigenen Gewissen folgen, wenn er mit einer politischen Agenda in seiner Verantwortung als Vertreter des deutschen Volkes befaßt ist. Seinem Gewissen kann nur folgen, wer die Sache, die er zu verantworten hat, selbst versteht. Jedes „blinde“ Vertrauen in die Sachlichkeit anderer ist dem Mandat eines Volksvertreters zuwider. Wenn er zur gewissenhaften Vertretung des Volkes nicht in der Lage ist, muß er sein Mandat niederlegen. Zwar ist streitig, ob die Parlamente der Mitgliedstaaten dem Abkommen CETA überhaupt zustimmen müssen, aber das ändert nichts an ihrer Integrationsverantwortung, die die Verträge, die die Union schließt, einbezieht. Das folgt schon aus Art. 23 Abs. 2 ff. GG, wonach „in Angelegenheiten der Europäischen Union Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mitwirken“, in je unterschiedlicher Weise. Eine sprachliche Abschottung der Union, zumal der Kommission, ist mit dieser Integrationsverantwortung, genauer mit dem demokratischen Prinzip in der Unionspolitik, unvereinbar.

Zwar gehört das Englische zu den Amtssprachen der Europäischen Union, das rechtfertigt aber nicht, daß die Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten und vor allem deren Völker, deren Souveränität den Organen der Union (begrenzt) zur gemeinschaftlichen Ausübung übertragen ist, nicht in die Lage versetzt werden, eine Agenda in eigenen Sprache, also verantwortlich, zu bearbeiten. Zur lebendigen Demokratie, die das Bundesverfassungsgericht zu Recht einzufordern pflegt, gehört, daß alle Bürger die Möglichkeit haben, eine Agenda zu erörtern. Das verlangt danach, daß alle Bürger diese Agenda in ihrer Sprache zur Kenntnis nehmen können und diese ihnen nicht in einer unverständlichen Fremdsprache unterbreitet wird. Schließlich haben die Bürger das Recht und die bürgerliche Pflicht, ihre Bedenken gegen eine Politik, zumal eine schicksalhafte Politik wie das Freihandelsabkommen der Union mit Kanada, das den Binnenmarkt der Union der Sache nach auf Kanada ausdehnen soll, zur Geltung zu bringen. Sie dürfen und sollen ihre Meinung sagen und dürfen und sollen versuchen, diese in jeder legalen Weise durchzusetzen, etwa durch Demonstrationen, Petitionen, Tagungen, Bücher usw. Sie könne auch neue Parteien gründen, um das Schlimmste zu verhindern. Der Widerspruch, ja der Widerstand, den das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika, TTIP, gefunden hat und weiter findet, erweist das Interesse der Bürger in vielen Mitgliedstaaten der Union an diesen Abkommen. Sie sind ja auch von schicksalhafter Bedeutung, vor allem wirtschafts- und sozialpolitisch. Ihre Wirkung für die weitere Entwicklung der Weltpolitik ist unabsehbar. Sie gelten zu Recht als ein Element der One-World-Politik, welche nicht nur die Einzelstaatlichkeit zurückdrängen, wenn nicht beseitigen will, sondern deren Ordnung schlechterdings das Ende der Demokratie bedeuten wird. Die entdemokratisierende Wirkung der europäischen Integration ist trotz aller Bemühungen des Bundesverfassungsgerichts, die Integrationsverantwortung des Deutschen Bundestages um der Demokratie willen zu stützen, augenscheinlich. Dazu gehört auch das für Demokraten unfaßbare Vorgehen der Kommission und des Rates der Europäischen Union bei der Durchsetzung der neokapitalistischen Freihandelspolitik, das diktatorische Züge trägt.

Die Bürger Deutschlands sind über das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada so gut wie nicht informiert. Überhaupt nicht informiert sind sie über das Vorhaben, das Abkommen vorläufig zur Anwendung zu bringen oder gar über die rechtliche Bedeutung der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens. Nicht einmal die Terminierung des Beschlusses über die vorläufige Anwendung ist bekannt, wenn überhaupt schon entschieden. Der Beschluß kann, wie zum Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde im Teil 2 zu H ausgeführt, noch bei Beginn der Ratstagung, etwa am 5. Juli 2016 auf die Tagesordnung gesetzt oder schlicht unter dem Tagesordnungspunkt „weiteres Verfahren CETA“ getroffen werden.

Der Beschwerdeführer wird allein schon durch diese völlig intransparente Handhabung des Vertragsverfahrens der Europäischen Union zu Lasten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, aber auch zu Lasten des deutschen Volkes in seinem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG, aber auch in seinem Grundrecht der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, ja in seiner durch Art.1 Abs. 1 GG geschützten Würde als Bürger Deutschlands verletzt. Schon darum ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Mitwirkung Deutschlands an dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, dem CETA, nicht nur zulässig, sondern auch begründet.

Teil 4

Begründung der Anträge auf einstweilige Anordnung

1. Der Antrag, durch einstweilige Anordnung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, im Rat der Europäischen Union dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens zuzustimmen, bevor nicht durch das Bundesverfassungsgericht geklärt ist, daßeine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu dem Freihandelsabkommen und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens im Rat der Europäischen Union nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 GG, gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gegen Art. 146 GG sowie gegen Art. 23 Abs. 1 GG verstößt und den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt, begründet sich aus dem Status völkerrechtlicher Verträge in Deutschland. An die Übereinkünfte, welche die Europäische Union mit einem Drittland (im Rahmen ihrer Zuständigkeit) schließt, ist Deutschland auf Grund des Art. 216 Absatz 2 AEUV gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine einstweilige Anordnung geboten, um das Zustandekommen eines Deutschland bindenden völkerrechtlichen Vertrages zu verhindern, wenn dessen Verfassungswidrigkeit zu besorgen ist. Das gilt auch für den völkerrechtlichen Beschluß des Rates auf Grund des Art. 218 Abs. 5 AEUV über die vorläufige Anwendung des CETA.

Die Zustimmungsbedürftigkeit durch Deutschland, nämlich die aller Ratsmitglieder, ist unstreitig. Sie folgt aus Art. 207 Abs. 4 AEUV, ergibt sich aber wegen existentiellen Relevanz des CETA für Deutschland wie für alle Mitgliedstaaten der Union aus dem Grenzen des Mehrheitsprinzips, die das Bundesverfassungsgericht schon im Maastricht-Urteil in dogmatischer Materialisierung des Luxemburger Kompromisses als Vetorecht gegen Maßnahmen der Union herausgestellt (BVerfGE 89, 155 (184)) und im OMT-Programm-Urteil vom 21. Juni 2016 in Rn. 171 als Instrumente zum Grundrechtsschutz der Bürger und damit des Beschwerdeführers gegen eine verfassungswidrige Integrationspolitik der europäischen Organe angesprochen hat.

Weil der Beschwerdeführer eine Eilentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen die Beschlußfassung der Organe der Europäischen Union, gegebenenfalls das Europäische Parlament und der Rat, mangels Klagemöglichkeit nicht erreichen kann, kommt als Eilmaßnahme gegen die Beschlußfassung über das Freihandelsabkommen der Union mit Kanada, CETA, nur in Betracht, daß der Bundesregierung untersagt wird, im Rat durch das zuständige Regierungsmitglied dem Abkommen und der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens zuzustimmen. Dann kann dieses nicht wirksam beschlossen werden, bevor nicht das Bundesverfassungsgericht in der Sache entschieden hat. Die Verfassungsverstöße des Abkommens sind gravierend und offensichtlich. Das ist in den vorherigen Teilen dargelegt. Die Zustimmung des zuständigen Bundesministers im Rat ist ein deutscher Rechtsakt. Die Maßnahme der Union wäre ultra vires und zudem materiell eine grobe Verletzung Deutschlands in dessen Verfassungsidentität und demgemäß eine Verletzung der genannten Grundrechte des Beschwerdeführers.

2. Für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht erkennt, daß die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch der Zustimmung Deutschlands bedürfen, ist durch einstweilige Anordnung die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluß des Rates der Europäischen Union zu verhindern, bis durch das Bundesverfassungsgericht geklärt ist, daß der Beschluß des Freihandelsabkommens im Rat der Europäischen Union und der Beschluß der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens nicht gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere nicht gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG, nicht gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, nicht gegen Art. 146 GG sowie nicht gegen Art. 23 Abs. 1 GG, und den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 146 GG verletzt.

Drei Kopien anbei.

Berlin, den 28. Juni 2016

Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider

[1] Grundlegend K. A. Schachtschneider, Anspruch auf Demokratie, Überlegungen zum Demokratierechtsschutz des Bürgers, JR 1975, 401 ff.

[2] Vgl. BVerfGE 111, 307 (319); 123, 267, Rn. 249 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Ein Beitrag zum deutschen Staats- und Völkerrecht, 2015, S. 460 ff.

[3] BVerfGE 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66); 123, 267, Rn. 262 f., 274 ff., 294, 317, 319; kritisch zum Begriff K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 249 ff. u.ö.

[4] BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.); 123, 267, Rn. 262 f., 271 („eine eigenständige zusätzliche Quelle für demokratische Legitimation“) S. 276 ff., 280 ff., 289 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 466 ff.

[5] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2007, S. 343 ff.

[6] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 71 ff., 111 ff., 275 ff., 441 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 44 ff., 67 ff., 115 ff., 318 ff., 391 ff., 405 ff., 440 ff.

[7] Zum Begriff des Bürgers in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 207 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 606 ff.; ders., Souveränität. S. 258 ff.

[8] Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 14 ff., 71 ff., 234 ff., 253 ff., 441 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 15, 22 ff., 28 ff., 97 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 19 ff., 34 ff., 115 ff., 274 ff., 405 ff.

[9] Gegen die Trennung von Staat und Gesellschaft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 207 ff.

[10] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 501 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 391 ff.

[11] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 115 ff.

[12] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 15, 22 ff., 97 ff.; weitere Hinweise in Fn. 116.

[13] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 86 ff., 94 ff.

[14] BVerfGE 6, 32 (37 f.); 19, 253 (257); 63, 88 (108 f.); 80, 137 (153).

[15] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 ff.; ders., Souveränität, S. 326; ders., Res publica res populi, S. 14 ff., 685 ff., 735 ff., passim; i.d.S. J. Habermas, Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, 1992S. 154; ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, 1996, S. 277 ff., 293 ff.

[16] Dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 34 ff., 115ff., 274 ff., 405 ff.; ders., Souveränität, S. 236 ff. (Kurzfassung).

[17] Dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 341 ff.

[18] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 ff.

[19] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 316 ff.

[20] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 312 ff., 321 ff.

[21] Bundesverfassungsgericht, Status-Bericht, JöR N. F. Bd. 6, 1957, S. 145; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 952 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 909 und ff., 936.

[22] Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 117 ff.; ders. auch, Souveränität, S. 490 ff.

[23] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 465 ff.; ders., Der Anspruch aus materiale Privatisierung, S. 67 ff., 75 ff., 153 ff.

[24] Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. Ein Beitrag zur Lehre vom Staat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäische Union von Maastricht, in W. Blomeyer/ ders., Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995. S. 75 ff., 106 f.

[25] Dazu näher K. A. Schachtschneider, Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Ein Beitrag zum deutschen Staats- und Völkerrecht, 2015, S. 275 ff., 301 ff., 321 ff.

[26] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 484 ff.

[27] EuGH v. 31.03.1971 – Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263, Rdn. 15/19, 30/31, auch Rdn. 23/29; EuGH v. 14.07.1976 – verb. Rs. 3, 4 u. 6/76 (Kramer u.a.), Slg. 1976, 1279, Rdn. 12/14 ff. (30/33); EuGH Gutachten 2/91 vom 19.03.1991 (ILO), Slg. 1993, I-1061, Rdn. 7 ff., unter (fragwürdiger) Berufung auf EuGH Gutachten 1/75 v. 11.11.1975 (OECD, lokale Kosten), Slg. 1975, 1355 (1363 f.); auch EuGH v. 15.02.1976 – Rs. 41/76 (Donckerwolke), Slg. 1976, 1921, Rdn. 31/37; EuGH v. 18.02.1986 – Rs. 174/84 (Bulk Oil), Slg. 1986, 559, Rdn. 30 f.; EuGH v. 17.10.1994 – Rs. C-70/94 (Werner), Slg. 1995, I-3189, Rdn. 12; EuGH v. 17.10.1995 – Rs. C-83/94 (Leifer u.a.), Slg. 1995, I-3231, Rdn. 12; vgl. EuGH v. 12.07.1973 – Rs. 8/73 (HZA Bremerhaven/Massey-Ferguson), Slg. 1973, 897, Rdn. 3 ff., wo eine Regelung der Außenhandelsbeziehung im Bereich der Zollunion noch wesentlich auf Art. 235 EWGV gestützt wurde; auch EuGH v. 26.04.1977 – Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds), Slg. 1977, 741, Rdn. 3 ff.; A. Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht. Die Integration des Völkervertragsrechts in die Europäische Gemeinschaftsrechtsordnung am Beispiel des GATT-Vertrags und der WTO-Übereinkünfte, 1997, S. 193 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, 2007, S. 749; dies., Recht und Zwang im Völkerrecht, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 159.

[28] Hinweise in Fn. 27.

[29] So M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 3. Aufl. 2007, Art. 133 EGV, Rdn. 119.

[30] EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267; Rdn. 22 ff., 36 ff., 43 ff. (zum Dienstleistungsverkehr, keine „gemeinsame Handelspolitik“ bei „Auslandserbringung“, „gewerblicher Niederlassung“ und „Niederlassung natürlicher Personen“, Rdn. 47), Rdn. 54 ff. (TRIPS, nur „Verbot der Überführung nachgeahmter Waren in den zollberechtigen freien Verkehr“, gemeinsame Handelspolitik, Rdn. 71), Rdn. 73 ff. (geteilte Zuständigkeit zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, Rdn. 98), Rdn. 99 ff. (geteilte Zuständigkeit zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, Rdn. 105).

[31] EuGH v. 26.04.1977 – Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds), Slg. 1977, 741, Rdn. 3 ff.; EuGH v. 24.03.1995 – Gutachten 2/92 (OECD), Slg. 1995, I-521, Rdn. 32.

[32] EuGH Gutachten v. 19.03.1993 – 2/91 (ILO), Slg. 1993, I-1061, Rdn. 9; EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267, Rdn. 76 f., 95, 102; vgl. auch EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-281/01 (Energy Star), Slg. 2002, I-12048, Rdn. 20 ff. (43 ff.); EuGH Gutachten 2/92 v. 24.03.1995 (OECD), Slg. 1995, I-521, Rdn. 31.

[33] EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267, Rdn. 47.

[34] EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267, Rdn. 54 ff. (71).

[35] BVerfGE 89, 155 (190).

[36] Hinweise in Fn.27; Th. Oppermann, Europarecht. Ein Studienbuch, 3. Aufl. 2005, § 31, Rdn. 4, S. 660 („Selbstverpflichtung der Gemeinschaft”, „Verpflichtung der EG gegenüber den Menschen und den Unionsbürgern“).

[37] Dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 75 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtset­zung, 2000, S. 67 f.

[38] Hinweise in Fn. 27.

[39] In: E. Wohlfarth / U. Everling / J. Glaesner / R. Sprung, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Kommentar zum Vertrag, 1960, Art. 113, Rdn. 3.

[40] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, 2010, § 3, S. 503 f.; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, 2003, S. 55 f., 242, 260.

[41] M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, Art. 134 EGV, Rdn. 1 ff., sah (gemäß der hier kritisierten Befugnislehre) Art. 134 EGV auf enge Ausnahmefälle beschränkt und hielt die Vorschrift bezeichnender Weise für „weitgehend obsolet“ (Rdn. 3). Sie ist durch die Selbstermächtigung der Union, weitestgehend Abkommen auszuhandeln und zu schließen, verdrängt. Konsequent hat der Vertrag von Lissabon auf eine Folgeregelung verzichtet.

[42] Vgl. P. Hilpold, Die EU im GATT-WTO-System. Aspekte einer Beziehung sui generis, 1999, S. 103 f.; vgl. D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 242.

[43] EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267, 5276 ff..

[44] M. Pechstein, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV. Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2003, Art. 2 EUV, Rdn. 14; H.-J. Blanke, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 2 EUV, Rdn. 15; vgl. M. Hilf / E. Pache, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EUV (Januar 2004), Rdn. 20.

[45] Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 30, Rdn. 19, S. 642.

[46] BVerfGE 89, 155 (187 f., 192, 210).

[47] BVerfGE 89, 155 (190).

[48] Grundlegend EuGH v. 31.03.1971 – Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263, Rdn. 15/19, 23/29, 30/31; EuGH v. 11.11.1975 – Gutachten 1/75 (OECD, Lokale Kosten), Slg. 1975, 1355 (1363 f.); weitere Hinweise in Fn. 27,30,32.

[49] Vgl. M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 70, 119 ff. („Handelsmacht EG … in ihrer Außenhandelspolitik kaum noch verhandlungsfähig“, „Balkanisierung“), Rdn. 122 ff. („Selbstbehinderung der Gemeinschaft“); Th. Oppermann, Europarecht, § 31, Rdn. 7,S. 661.

[50] EuGH v. 15.12.1976 – Rs. 41/76 (Donckerwolcke), Slg. 1976, 1921, Rdn. 13 ff.; i.d.S. auch EuGH Gutachten v. 11.11.1975 – 1/75 (OECD, lokale Kosten), Slg. 1975, 1355 (1363 f.), etwa M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 7.

[51] Hinweise in Fn. 31 ff.

[52] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, 2010, § 3, S. 71 ff.

[53] Nämlich grenzüberschreitende Dienstleistungen ohne Personenverkehr, grenz­überschreitenden Dienstleistungen mit Personenverkehr (Auslandserbringung), gewerbliche Niederlassung und Niederlassung natürlicher Personen, vgl. M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 76 mit Fn. 162.

[54] Th. Oppermann, Europarecht, § 31, Rdn. 11, S. 662.

[55] Dazu K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, in: W. Hankel / K. A. Schachtschneider / J. Starbatty (Hrsg.), Der Ökonom als Politiker – Europa, Geld und die soziale Frage, FS Wilhelm Nölling, 2003, S. 279 ff., 289 ff.

[56]Der weitgehende Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem mitgliedstaatlichen Recht ist so gut wie unange­foch­ten; vgl. EuGH – Rs. 26/62 (Van Gend & Loos), Slg. 1963, 1 ff.; EuGH – Rs. 6/64 (Costa/­ENEL), Slg. 1964, 1251 ff.; EuGH – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, 1125 ff.; BVerfGE 37, 271 (279 ff.); 58, 1 (28); 73, 339 (366 ff.); vgl. auch BVerfGE 89, 155 (182 ff., 190 f., 197 ff.); 126, 286 (302 ff.,); 134, 366 (387 f.); OMT-Urteil vom 21. Juni 2016, Rnrn. 115 ff.; P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, 1992, § 183, Rdn, 66; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 64; H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, 1992, § 181, Rdn. 58 ff.; vgl. auch Th. Opper­mann, Europa­recht, § 6, IV, Rdn. 615 ff., S. 228 ff.; A. Bleckmann, Europarecht. Das Recht der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 1997, § 11, S. 361 ff.; D. König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses – Anwendungsbereich und Schranke des Art. 23 des Grundgesetzes, 2000, S. 80 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 81 ff., 116 ff.; ders., Souveränität, S. 34 ff.

[57] Dazu a mit Fn. 30 ff.

[58] R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 2003, Art. 5 EGV, Rdn. 12.

[59] I.d.S. U. Kischel, Souveränität, Einbindung, Autonomie – die Entwicklung der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, in: E. Erbguth / J. Masing (Hrsg.), Die Verwaltung unter dem Einfluß des Europarechts, 2006, S. 16 f.

[60] Vgl. Th. Oppermann, Europarecht, § 6, Rdn. 64, S. 158; vgl. U. Everling, Subsidiaritätsprinzip und „ausschließliches“ Gemeinschaftsrecht – ein „faux problème“ der Verfassungsauslegung, in: J. Burmeister (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit, Festschrift K. Stern, 1997, S. 1227 ff.; vgl. auch R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 5 EGV, Rdn. 16 ff.

[61] So J. H. Bourgeois, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Bd. 3, 6. Aufl. 2003, Art. 133 EG, Rdn. 56; Chr. Vedder / S. Lorenzmeier, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Mai 2008, Art. 133 EGV, Rdn. 123 ff. (nicht recht klar), aber Rdn. 11 (ausschließliche Kompetenz).

[62] Seit dem Vertrag von Amsterdam, vorher nach Art. 28 EGV, nur für „autonome Änderungen und Aussetzungen“.

[63] In der Praxis wird die Befugnis des Rates auf sämtliche Maßnahmen des Gemeinsamen Zolltarifs ausgedehnt; vgl. H. G. Kamann, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 26 EGV, Rdn. 1, 10 („über den Wortlaut hinaus“); Ch. Waldhoff, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 23 EGV, Rdn. 11 ff., Art. 26 EGV, Rdn. 1; EuGH v. 27.09.1988 – Rs. 165/87 (Kommission/Rat), Slg. 1988, 5545, Rdn. 7 bis 13 (Art. 28 und Art. 113 EWGV zusammen).

[64] EuGH v. 18.02.1970 – Rs. 40/69 (Hauptzollamt Hamburg Oberelbe/Bollmann), Slg. 1970, 69, Rdn. 4; EuGH v. 22.04.1999 – Rs. C-109/98 (CRT/France International SA Directeur régional des impôts de Bourgogne), Slg. 1999, I-2237, Rdn. 22; Ch. Waldhoff, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 23 EGV, Rdn. 11 ff.

[65] Vgl. Ch. Waldhoff, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 26 EGV, Rdn. 1 ff.

[66] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, § 3, S. 71 ff., insb. S. 117 ff. u.ö.; ders., Souveränität, 2015, S. 490 ff.

[67] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, § 11, S. 430 ff.

[68] BVerfGE 22, 293 (326); 29, 198 (210); 37, 271 (277 f.); 111, 307 (318); Ch. Amrhein-Hoffmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, 2003, insbesondere S. 296 ff.; zu Art. 300 Abs. 7 EGV vgl. K. Schmalenbach, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 300 EGV, Rdn. 62 ff., insbesondere zum (brüchigen) Monismus des Europäischen Gerichtshofs, vgl. EuGH v. 26.10.1982 – Rs. 104/81 (HZA Mainz/Kupferberg), Slg. 1982, 3641, Rdn. 11 ff. (22 ff., 27); EuGH v. 16.06.1998 – Rs. C-162/96 (Racke/HZA Mainz), Slg. 1998, I-3655, Rdn. 29 ff.; EuGH v. 05.10.1994 – Rs. C-280/93 (Deutschland/Rat, Bananen), Slg. 1994, I-4973, Rdn. 103 ff.; dazu D. I. Siebold, Der Fall Bananenmarktordnung. Die Europäische Gemeinschaft im Streit mit der Welthandelsorganisation, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 238 ff.; dies., Die Welthandelsordnung und die Europäische Gemeinschaft, S. 201 ff., 250 ff., 255 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 156 ff.; dies., Vom Völkerrecht zum Weltrecht, 2007, S. 751 ff.

[69] BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73, 339 (367 f.); 89, 155 (190); 111, 307 (318); dazu K. Doehring, Völkerrecht. Ein Lehrbuch, 1999, § 13, S. 294 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 90 ff.; Ch. Amrhein-Hoffmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, S. 302 ff., 319 ff., 328 ff.

[70] BVerfGE 89, 155 (187 f., 195, 210).

[71] So auch EuGH v. 28.03.1996 – Gutachten 2/94 (Beitritt zur EMRK), Slg. 1996, I-1759, Rdn. 28 ff.

[72] Europarecht, § 30, Rdn. 19, S. 642.

[73] Th. Oppermann, Europarecht, § 31, Rdn. 12. S. 662 f.

[74] R. Mögele, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 300 EGV, Rdn. 82; dazu K. Schmalenbach, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 300 EGV, Rdn. 55 ff..

[75] Dazu M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 77 ff.

[76] Dazu M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 114 ff. (“In der schlechten Tradition des Art. 133 ist der Wortlaut dieses neuen Absatzes mehrdeutig“).

[77] Kritisch insofern auch M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 101.

[78] M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 69 ff.

[79] BVerfGE 89, 155 (187 f., 195, 210).

[80] Vgl. die Hinweise in Fn. 40.

[81] Zu dieser Einschränkung der ursprünglichen handelspolitischen Befugnis aus Art. 113 Abs. 1 bis 4 EGV EuGH v. 15.11.1994 – Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267, Rdn. 46.

[82] W. Heintschel von Heinegg, Ungültigkeit von Verträgen und Fortfall der Vertragsbindung, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 15, Rdn. 10 ff., 20 ff., S. 149 ff.; vgl. Art. 46, 47 WVRK.

[83] Vgl. Fn. 53.

[84] Dazu M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 110 ff. („Logik der Parallelität“).

[85] BVerfGE 89, 155 (187 f.).

[86] Dazu, aber kritiklos, Th. Oppermann, Europarecht, § 6, Rdn. 69, S. 160 f.; für die AETR-Judikatur vgl. EuGH v. 31.03.1971 – Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, 263 ff..

[87] Vgl. EuGH v. 29.11.1956 – Rs. 8/55 (Belgien/Hohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl), Slg. 1955/56, 297 (312).

[88] So M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 104.

[89] Zu dem Unterschied K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, 2006, S. 86 ff.

[90] M. Hahn, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 133 EGV, Rdn. 130.

[91] Zur Souveränität K. A. Schachtschneider, Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Ein Beitrag zum deutschen Staats- und Völkerrecht, 2015.

[92] BVerfG Beschluß vom 14. Januar 2014, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage, ob das OMT-Programm dem Unionsverträgen entspricht, zur Vorabentscheidung vorzulegen, Vorlagebeschluß vom 14. Januar 2014, BVerfG BvR 2739/13; zu den Fragen des Bundesverfassungsgerichts K. A. Schachtschneider , Der OMT-Prozeß. Meine Antworten auf die Fragen des Bundesverfassungsgerichts an den Europäischen Gerichtshof, 4. Dezember 2014, http://www.pour-erika.de

[93] Dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 501 ff.; ders., Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik. Ein Staatsstreich der politische Klasse, 2011.

[94] BVerfGE 123, 267, Rn. , Rn. 179, 228, 263; dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 509 ff.

[95] Dazu K. A. Schachtschneider, Unechter Freihandel, Aufklärung und Kritik, 22. Jg., 1/2015, S. 14-21.

[96] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 25 ff.

[97] Vgl. Kommission, Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes, KOM 85 (310), Rdn. 61 ff.; Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen — Erleichterung des Marktzugangs für Waren in einem anderen Mitgliedstaat: praktische Anwendung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung , ABl. 2003/C 265/27; Th. Oppermann, Europarecht, § 19, Rdn. 18, S. 417; St. Leible, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 14 EGV, Rdn. 3, 18 ff.; W. Schroeder, daselbst, Art. 28 EGV, Rdn. 74; W. Frenz, Europäische Grundfreiheiten, Rdn. 164 ff., S. 69 ff.; Th. Kingreen, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 28-30 EGV, Rdn. 146 ff.; weichenstellend EuGH v. 20.02.1979 – Rs. 120/78 (Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Brannt­wein, Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rdn. 8, 14; EuGH v. 22.10.1998 – Rs. C-184/96 (Kommission/Frankreich), Slg. 1998, I-6197, Rdn. 28; dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 77, auch S. 117 ff. ; ders., Souveränität, S. 490 ff.

[98] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 490 ff.

[99] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 499 ff.

[100] BVerfGE 89, 155 (190); auch BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73, 339 (367 f., 375); 123, 267, Rn. 242, 333, 335, 339, 343; vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 75 ff.; ders., zuletzt: Souveränität, S. 28 f. mit Fn. 20, S. 296 ff. mit Hinweisen, insb. In Fn. 828.

[101] Zu diesen Abkommen K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, § 12, S. 478 ff.

[102] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 581 ff.

[103] Dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 255 ff.

[104] BVerfGE 84, 90 (121); auch schon BVerfGE 3, 225 (232, Rn. 21 ff.); 23, 98 (105 f., Rn. 29 ff.)).

[105] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 612 ff.; vgl. EuGH v. 30.04.1974 – Rs. 181/73 (Haegeman/Belgien), Slg. 1974, 449, Rdn. 2/6; EuGH v. 26.10.1982 – Rs. 104/81 (Kupferberg I), Slg. 1982, 3641, Rdn. 11; K. J. Kuilwijk, The European Court of Justice and the GATT Dilemma, 1996, S. 342; Ch. Herrmann / W. Weiß / Ch. Ohler, Welthandelsrecht, 2. Aufl. 2007, Rdn. 129, S. 72; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 260; dies., Der Fall Bananenmarktordnung, S. 243; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, S. 159; dies., Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 749.

Zum Rangverhältnis der Unionsabkommen zwischen primären und sekundären Unionsrecht R. Streinz, Europarecht, Rdn. 693; Th. Oppermann, Europarecht, § 31, Rdn. 93, S. 685; G.M. Berrisch, Der völkerrechtliche Status der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im GATT. Eine Untersuchung der Sukzession der EWG in die Stellung ihrer Mitglieder als Vertragspartei einer internationalen Organisation am Beispiel des GATT, 1992, S. 56; Ch. Herrmann / W. Weiß / Ch. Ohler, Welthandelsrecht, Rdn. 130, S. 72; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 260; dies., Der Fall Bananenmarktordnung, S. 233; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, S. 160 f.; dies., Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 749 f.

[106] Franz C. Mayer, Stellt das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) ein gemischtes Abkommen dar? Rechtsgutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 28. August 2014.

[107] R. Mögele, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 218, Rn.18.

[108] BVerfGE 89, 155 (185 ff., 191 ff.); 123, 267, Rn. 236 ff.), str. Rechtspr; dazu K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 71 ff.; ders., zuletzt: Souveränität, S. 460 ff.

[109] Grundlegend K. A. Schachtschneider, Anspruch auf Demokratie, Überlegungen zum Demokratierechtsschutz des Bürgers, JR 1975, 401 ff.

[110] BVerfGE 111, 307 (319); 123, 267, Rn. 249 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 460 ff.

[111] BVerfGE 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66); 123, 267, Rn. 262 f., 274 ff., 294, 317, 319; kritisch zum Begriff K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 249 ff. u.ö.

[112] BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.); 123, 267, Rn. 262 f., 271, „eine eigenständige zusätzliche Quelle für demokratische Legitimation“) S. 276 ff., 280 ff., 289 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 466 ff.

[113] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2007, S. 343 ff.

[114] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 71 ff., 111 ff., 275 ff., 441 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 44 ff., 67 ff., 115 ff., 318 ff., 391 ff., 405 ff., 440 ff.

[115] Zum Begriff des Bürgers in der Republik, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 207 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 606 ff.; ders., Souveränität. S. 258 ff.

[116] Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 14 ff., 71 ff., 234 ff., 253 ff., 441 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 15, 22 ff., 28 ff., 97 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 19 ff., 34 ff., 115 ff., 274 ff., 405 ff.

[117] Gegen die Trennung von Staat und Gesellschaft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 207 ff.

[118] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 501 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 391 ff.

[119] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 115 ff.

[120] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 15, 22 ff., 97 ff.; weitere Hinweise in Fn. 116.

[121] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 86 ff., 94 ff.

[122] BVerfGE 6, 32 (37 f.); 19, 253 (257); 63, 88 (108 f.); 80, 137 (153).

[123] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 239.

[124] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff.; Freiheit in der Republik, S. 49 ff., 237, 293 ff., 440 ff. ; ders., Prinzipien des Rechtstaates, S. 50 ff., 94 ff.

[125]K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 297 f., ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 61, 125

[126] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 49 ff., 274 ff., 343 ff., 420 ff.

[127] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 484 ff.

[128] Kritisch K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum Öffentlichen Recht, Produktwarnung, 5. Aufl. 2005, S. 199 ff.

[129] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, 2010, S. 39 f.; vgl. H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 18, Rdn. 17.

[130] Dazu K. A. Schachtschneider, Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung. Glykol-Skandal, in: ders., Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 83 ff., S. 114 ff., 187 ff., Homepage K. A. Schachtschneider.de unter downloads.

[131] BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 50, 290 (338); vgl. auch BVerfGE 25, 1 (19 f.); 30, 292 (317 ff.); 95, 267 (308 f.); so etwa auch U. Scheuner, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, VVDStRL 11 (1954), S. 19 ff., 25; vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 25 f.

[132] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, § 1, S. 25 ff.

[133] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 ff.; ders., Souveränität, S. 326; i.d.S. J. Habermas, Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, 1992, S. 154; ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, 1996, S. 277 ff., 293 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 685 ff., 735 ff., passim.

[134] Dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 34 ff., 115ff., 274 ff., 405 ff.; ders., Souveränität, S. 236 ff. (Kurzfassung).

[135] Dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 341 ff.

[136] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 94 ff.

[137] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 316 ff.

[138] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 312 ff., 321 ff.

[139] Bundesverfassungsgericht, Status-Bericht, JöR N. F. Bd. 6, 1957, S. 145; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 952 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 909 und ff., 936.

[140] Dazu K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 118 f, 123 ff.; ders., Souveränität, S. 329 ff.

[141] K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 484 ff.

[142] BVerfGE 8, 71 (80); 20, 351 (356); 25, 112 (117); 37, 132 (140 f.); 52, 1 (29); 81, 208 (222); 89, 1 (9); 100, 226 (240 f.); 102, 1 (17 f.); K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 537 ff., 573 ff.

[143] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 847 ff., 1023 ff.

[144] EuGH v. 20.02.1979 – Rs. 120/78 (Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Brannt­wein), Slg. 1979, 649, Rdn. 8, 14; EuGH v. 31.03.1993 – Rs. C-19/92 (Kraus/Land Baden Württemberg), Slg. 1993, I-1663, Rdn. 32; ausdrücklich für die Niederlassungs­freiheit nunmehr EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Geb­hard/Consiglio dell’ordine degli avvocati e procuratori di Milano), Slg. 1995, I-4165, Rdn. 35; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, Europäische Grundfreiheiten, 2004, Rdn. 486, S. 183, Rdn. 498 ff., S. 188 ff.

[145] EuGH v. 05.10.1977 – Rs. 5/77 (Tedeschi/Denkavit Commerciale s.r.L.), Slg. 1977, 1555, Rdn. 33/35; EuGH v. 08.11.1979 – Rs. 251/78 (Denkavit Futtermittel GmbH/Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nord­rhein-Westfalen), Slg. 1979, 3369, Rdn. 14; vgl. auch EuGH v. 30.11.1983 – Rs. 227/82 (van Benne­kom), Slg. 1983, 3883, Rdn. 35; W. Frenz, Europäische Grundfreiheiten, Rdn. 350 ff., S. 139 f., Rdn. 540, S. 204, Rdn. 1712 f., S. 647 f.

[146] Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 117 ff.; ders. auch, Souveränität, S. 490 ff.

[147] Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 117 ff.; ders. auch, Souveränität, S. 490 ff.

[148] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 42 (“Optimierungsgebot”, “breiter Gestaltungsspielraum”).

[149] Vgl. EuGH v. 14.07.1998 – verb. Rs. C-284/95 u. C-341/95 (Safety Hi-Tech Srl/S. T. Srl), Slg. 1998, I-4301, Rdn. 37 (relevant nur offensichtliche Beurteilungsfehler); dazu Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 37 ff. (rechtlich verbindliche „Abwägungsgebote“, Rdn. 44).

[150] Vgl. Th. Oppermann, Europarecht, § 29, Rdn. 9, S. 608 f.; dazu Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 40 f. (“Gesamtfolgenabschätzung”).

[151] Diese Regelung ist ein Fingerzeig gegen eine ausschließliche Zuständigkeit der Union, entgegen der AETR-Doktrin; a.A. Th. Oppermann, Europarecht, § 29, Rdn. 15, S. 611; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 50 f., der die AETR-Doktrin als Vertragslage zugrundelegt und folglich die Befugnis aus UAbs. 1 S. 2 als bloße Deklaration versteht und die Klarstellung in UAbs. 2 herunterspielt; EuGH v. 05.11.2002 – Rs. C-476/98 (Open Skies), Slg. 2002, I-9855, Rdn. 80 ff. (89 f.); auch EuGH v. 06.12.2001 – Gutachten 2/00, Slg. 2001, I-9713, Rdn. 20 ff. (45 ff.).

[152] Dazu Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 175 EGV, Rdn. 30 ff. (zu Vollzugsdefiziten, Rdn. 31 ff., „Bürger als Wächter der Umwelt“, Rdn. 35, Rdn. 37 ff. zur Finanzierung).

[153] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 175 EGV, Rdn. 38 ff. (“Rechtsanspruch” auf das Ob” und auf “fehlerfreie Ermessensausübung”, Rdn. 40).

[154] Th. Oppermann, Europarecht, § 29, Rdn. 13, S. 610.

[155] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 176 EGV, Rdn. 1 ff. („Schutzverstärkungsklausel“).

[156] Vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 176 EGV, Rdn. 9 ff.

[157] Th. Oppermann, Europarecht, § 29, Rdn. 16, S. 611 (mittlerer Level); vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 175 EGV, Rdn. 9 ff. (Spannung zwischen Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip).

[158] Zum Risikobegriff O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht. Ermöglichung oder Begrenzung von Innovationen? VVDStRL 63 (2004), S. 266 ff., 273 ff., 277 ff., 290 ff.; grundlegend EuGH v. 09.09.2003 – Rs. C-236/01 (Monsanto Agricultura Italia SpA u.a./Presidenza del Consiglio dei Ministri u.a., Novel-Food), Slg. 2003, I-8105, Rdn. 106 ff.; EuGH v. 05.02.2004 – Rs. C-95/01 (Greenham und Abel), Slg. 2004, I-1333, Rdn. 48.

[159] EuG v. 11.11.2002 – Rs. T-13/99 (Pfitzer Animal Health/Rat), Slg. 2002, II-3305, Rdn. 139 ff.; EuGH v. 09.09.2003 – Rs. C-236/01 (Monsanto Agricultura Italia SpA u.a./Presidenza del Consiglio dei Ministrie u.a., Novel-Food), Slg. 2003, I-8105, Rdn. 106 ff.; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 24.

[160] EuGH v. 09.09.2003 – Rs. C-236/01 (Monsanto Agricultura Italia SpA u.a./Presidenza del Consiglio dei Ministrie u.a., Novel-Food), Slg. 2003, I-8105, Rdn. 106 ff.; EuGH v. 05.02.2004 – Rs. C-95/01 (Greenham und Abel), Slg. 2004, I-1333, Rdn. 47 f.; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 24; O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 276, Fn. 39.

[161] KOM (2000) 1 endg., S. 3; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 24.

[162] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 25, 27; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 2003, Art. 174 EGV, Rdn. 70.

[163] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 27; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 71.

[164] Vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 25, 27; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 71; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, Umweltrecht, 2, § 1, Rdn. 123 f., 127 ff., S. 38 ff.

[165] Vgl. EuGH v. 05.10.199 – verb. Rs. C-175 und C-177/98 (Lirussi u. Bizzaro), Slg. 1999, I-6881, Rdn. 51, 54; EuGH v. 15.06.2000 – Rs. C-418/97 und C-419/97 (ARCO u. Dorpsbelang Hees), Slg. 2000, I-4475, Rdn. 39; vgl. W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 69; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 25.

[166] Vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 26; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 71.

[167] Etwa H.-W. Rengeling, Umweltvorsorge und ihre Grenzen im EWG-Recht. Zu Grenzwerten für Pflanzenschutzmittel in der EWG-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (80/778/EWG), 1989, S. 11 ff.; O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 264 ff., insb. 275 ff., 283 ff., 290 ff.; vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 26.

[168] Ch. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat. Zugleich ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik im Rahmen mehrpoliger Verfassung, 2001, S. 153 ff., 176 ff.; ders., in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 26; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 72 f.

[169] J. Ipsen, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48 (1990), S. 186 ff.; dazu kritisch Ch. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 154 ff.; ders., in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 26; kritisch insb. O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 273 ff.

[170] F. Ossenbühl, Vorsorge als Rechtsprinzip im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz, NVwZ 1986, 165 f.; O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 275 f. mit Fn. 38; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 28.

[171] O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 268 f.; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 72; vgl. auch Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGVV, Rdn. 25.

[172] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 28; auch W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, Umweltrecht, § 1, Rdn. 133, S. 41.

[173] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 28; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, Umweltrecht, § 13, Rdn. 135, S. 41.

[174] O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 268 ff., 271 ff., 290 ff., der die Unterscheidung von Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit des Schadens als deutsche Abgrenzung von Gefahr und Risiko kritisiert (S. 272 ff.); vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 28; ders., Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 153 ff. (S. 176 ff.); vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ im Atom- und im Immissionsschutzrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz und Recht, 1988, S. 86 ff., wo ich die Möglichkeit von Schäden als Gefahr erfasse und die Vorsorgepflicht auf das Restrisiko reduziere (mit Fn. 18).

[175] K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 95 ff., 111 ff.; anders O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 277 ff.

[176] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 29; ders., Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 207 ff.

[177] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 29; ders., Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 223 ff.; vgl. auch O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 298.

[178] EuGH v. 09.07.1992 – Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien; wallonische Abfälle), Slg. 1992, I-4431, Rdn. 34 f.; vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 30, 31.

[179] Wie Fn. 178.

[180] W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 66; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 32.

[181] EuGH v. 29.04.1999 – Rs. C-293/97 (The Queen/Standley u.a.), Slg. 1999, I-2603, Rdn. 51 f.; Richtlinie zur Umwelthaftung RL 2004/35, ABl. 2004 L 143/56; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 81 ff. (85); Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 33 f.; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, Umweltrecht, § 1, Rdn. 144, S. 44.

[182] Dazu W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, Umweltrecht, § 1, Rdn. 149, S. 45.

[183] Empfehlung des Rates, 1. Aktionsprogramm, ABl. 1973 C 112/6, ABl. 1975 L 1941 f.; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 33; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 81.

[184] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 34; kritisch O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 300.

[185] W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 83; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 34.

[186] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 35; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 87; vgl. zum Öko­strom EuGH v. 13.03.2001 – Rs. C-379/98 (PreussenElektra AG/Schleswag AG), Slg. 2001, I-2099.

[187] Etwa EuGH v. 14.07.1998 – Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, I-4301, Rdn. 36; EuGH v. 18.04.2002 – Rs. C-9/00 (Palin Grani Oy), Slg. 2002, I-3533, Rdn. 23; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 46; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 64.

[188] Vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 46; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 65.

[189] EuGH v. 14.07.1998 – Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, I-4301, Rdn. 37 (offensichtlich falsche Beurteilung); Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 46 f.; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 65.

[190] Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 47.

[191] Vgl. EuGH v. 09.07.1992 – Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-4431, Rdn. 34; Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 47; W. Kahl, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 174 EGV, Rdn. 65.

[192] V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 1993, Rdn. 141; W. Martens, Gefahrenabwehr, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Aufl. 1986, S. 232 ff., 245 ff.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 73 ff.; K. A. Schachtschneider, Umweltschutz, S. 316; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 95.

[193] BVerfGE 50, 250 (254); V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 140, 142; W. Martens, Gefahrenabwehr, S. 224; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 61 ff. (wenig klar); so auch J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR, Bd. V, § 111, Rdn. 106; K. A. Schachtschneider, Umweltschutz, S. 317; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 95 ff., zu den verschiedenen die polizeirechtliche Schutzpflicht relativierenden Klauseln, S. 87 f.

[194] VGH BaWü: et 1982, 862 ff.; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 87 f. mit Fn. 16; so auch EuGH v. 23.09.2003 – Rs. C-192/01 (Kommission/Dänemark), Slg. 2003, I-9693, Rdn. 48; EuGH v. 05.02.2004 – Rs. 24/00 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-1277, Rdn. 55.

[195] BVerfGE 49, 89 (143); K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff.

[196] A.A. BVerwGE 72, 300 (315 ff.); K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 87 ff., mit Fn. 16.

[197] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 81 ff. (120 f.); kritisch D. Lohse, Der Rechtsbegriff „Stand der Wissenschaft“ aus erkenntnistheoretischer Sicht am Beispiel der Gefahrenabwehr im Immissionsschutz- und Atomrecht, 1994, S. 68 ff., 110 ff.; ähnlich O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 278 ff. („Am Experiment führt kein Weg vorbei“, S. 282).

[198] BVerfGE 35, 202 (221); 39, 1 (42); 46, 160 (164 f.); 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57); 56, 54 (73, 78, 80); 77, 170 (214); 88, 203 (251 ff.); K. Stern / M. Sachs, Staatsrecht, Bd. III, 1, 1988, S. 943 ff.; I. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR, Bd. V, § 111, Rdn. 80 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Umweltschutz, S. 304 ff.; ders., Res publica res populi, S. 551 ff., 670 ff., 819 ff.; ders. Prinzipien des Rechtsstaates, S. 312, 358, 370; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 83 f.

[199] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 329 ff.

[200] K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, 4. Aufl. 1984, S. 44 ff., 100, 276, 332 ff., 337, 342, der sich auf Alfred Tarski stützt; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 143 f.; schon Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 688.

[201] K. Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949, S. 197 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff., 598 ff., 657 f.; ders., Freiheit in der Republik, S. 164 ff., 202, 207, 432; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 143 f.; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff.

[202] B. Bandulet, Die Klimamacher. Ein Bericht über den Sozialismus des 21. Jahrhunderts, Deutschlandbrief, 13. Jg., Nr. 8/9, August/September 2008; M. Limburg, Klimahysterie – was ist dran? Der neue Nairobi-Report über Klimawandel, Klimaschwindel und Klimawahn, 2009.

[203] K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 126 ff.

[204] Zum Prinzip der kleinen Einheit K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates , S. 90 f., 171; ders., Souveränität, S. 188, 296, 367 ff.

[205] Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro, Juni 1992; vgl. Ch. Calliess, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 6 EGV, Rdn. 13, Art. 174 EGV, Rdn. 4.

[206] So für die Gefahren der Atomkraftwerke D. Lohse, Der Rechtsbegriff „Stand der Wissenschaft“ aus erkenntnistheoretischer Sicht am Beispiel der Gefahrenabwehr im Immissionsschutz- und Atomrecht, S. 110 ff.; i.d.S. grundsätzlich O. Lepsius Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 290 ff., 301 ff.

[207] Der Europäische Gerichtshof läßt „rein hypothetische Erwägung“ als „Risikobewertung“ als Kriterium des Vorsorgeprinzips nicht genügen, EuGH v. 02.12.2004 –Rs. C-41/02 (Kommission/Niederlande), Slg. 2004, I-11397, Rdn. 52; EuGH v. 09.09.2003 – Rs. C-236/01 (Monsanto Agricultura Italia SpA u.a./Presidenza del Consiglio dei Ministrie u.a., Novel-Food), Slg. 2003, I-8105, Rdn. 106; EuGH v. 23.09.2003 – Rs. C-192/01 (Kommission/Dänemark), Slg. 2003, I-9693, Rdn. 49; EuGH v. 05.02.2004 – Rs. C-24/00 (Kommission/Frankreich), Slg. 2004, I-1277, Rdn. 56.

[208] Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), S. 308.

[209] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 36 ff., 173 ff., 318 ff., 405 ff., 440 ff., 449 ff.

[210] BVerfGE 39, 1 (42 ff.); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57 ff.); 56, 54 (73, 80 ff.); 88, 203 (251 ff.); st. Rspr.; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Tech­nik“, S. 83 f., 85 ff.; ders., Res publica res populi, S. 819 ff., insb. S. 822; ders, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2005, Fallstudie Umweltschutz, S. 304 ff., 348, 355; ders., daselbst, Fallstudie zum Atomrecht, S. 385 f.

[211] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ im Atom- und im Immissionsschutzrecht, S. 120 f.; ders., Fallstudie Umweltschutz, S. 321.

[212] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, § 7, S. 294 ff., § 9, S. 374 ff.

[213] EuGH v. 30.04.1974 – Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409, Rdn. 18; EuGH v. 10.12.1991 – Rs. C-179/90 (Porto die Genopve), Slg. 1991, I-5889, Rdn. 23; EuGH v. 17.07.1997 – Rs. C-242/95 (GT-Link), Slg. 1997, I-4449, Rdn. 57; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), Kommentar zum EU-Vertrag und EG-Vertrag, Art. 86 EGV, Rdn. 7.

[214] I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 28.

[215] EuGH v. 13.02.1979 – Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission), Slg. 1979, 461, Rdn. 132; vgl. Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 33, S. 322; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2004, § 31, Rdn. 26 ff., S. 792 ff., § 33, Rdn. 1 ff., S. 833 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 3, 5 f..

[216] Vgl. EuGH v. 19.03.1991 – Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission; Endgeräte), Slg. 1991, I-1223, Rdn. 10, 36; EuGH v. 19.05.1993 – Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993, I-2533, Rdn. 8 f.; EuGH v. 10.02.2000 – Rs. C-147 u. 148/97 (Deutsche Post AG/GZS u. Citicorp), Slg. 2000, I-825, Rdn. 37; vgl. I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 21 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 16; V. Emmerich, Kartellrecht, § 19, Rdn. 10 ff., S. 250.

[217] I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 21; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 15.

[218] Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 16; zum Rechtsinstitut der Beleihung kritisch K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, 2005, S. 246 ff., 264 ff..

[219] E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 40, S. 799.

[220] E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 43, S. 800.

[221] Dazu I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 40 ff. (weite Interpretation des Maßnahmebegriffs); Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 17 ff..

[222] Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 12.

[223] E.-J. Mestmäcker, Staat und Unternehmen im europäischen Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 536; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 18, S. 840; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 6; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 11.

[224] EuGH v. 23.04.1991 – Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron GmbH), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 21; EuGH v. 17.02.1993 – verb. Rs. C-159/91 und C-160/91 (Poucet et Pistre/AGF u.a.), Slg. 1993, I-637, Rdn. 17; EuGH v. 16.11.1995 – Rs. C-244/94 (Fédération française des sociétés d’ assurance u. a./Ministrère de l’Agriculture et de la Pêche), Slg. 1995, I-4013, Rdn. 14; EuGH v. 21.09.1999 – Rs. C-67/96 (Albany International BV/Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie), Slg. 1999, I-5751, Rdn. 77; EuGH v. 22.01.2002 – Rs. C-218/00 (Cisal/INAIL), Slg. 2002, I-691, Rdn. 22; EuGH v. 19.02.2002 – Rs.C-309/99 (Wouters), Slg. 2002, I-1577, Rdn. 46; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 18 ff., S. 840 ff.; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 7; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 11 ff.

[225] Vgl. V. Emmerich, Kartellrecht, 11. Aufl. 2008, § 3, Rdn. 24 ff. (Rdn. 29 „ganz weit“, um privaten Verbrauch, Arbeitsmarkt und Ausübung von Hoheitsgewalt des Staates auszuklammern; das leistet der Begriff keinesfalls), § 19, Rdn. 8 (Abgrenzung bereitet „erhebliche Schwierigkeiten“).

[226] EuGH v. 23.04.1991 – Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron GmbH), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 21 (Bundesanstalt für Arbeit); EuGH v. 29.10.1980 – verb. Rs. 209/78 bis 215/78 und 218/78 (Van Landewyck), Slg. 1980, 3125, Rdn. 88 („Vereinigung ohne Gewinnzweck“); vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 20 f., S. 840 f.; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 18; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 11.

[227] EuGH v. 19.02.2002 – Rs. C-309/99 (Wouters u.a.), Slg. 2002, I-1577, Rdn. 47 f.; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 7.

[228] EuGH v. 19.01.1994 – Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol), Slg. 1994, I-43, Rdn. 18 ff., 27 ff.; EuGH v. 14.12.1995 – Rs. 87/93 (Banchero), Slg. 1995, I-4663, Rdn. 49; EuGH 18.03.1997 – Rs. C-343/95 (Diego Calì & Figli), Slg. 1997, I-1547, Rdn. 16, 22 ff.; EuG v. 12.12.2000 – Rs. T-128/98 (Aéroports de Paris/Kommission), Slg. 2000, II-3929, Rdn. 124; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 28 ff., S. 844 f.; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 8 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 11; W. Weiß, daselbst, Art. 81 EGV, Rdn. 29; I. Pernice / St. Wernicke, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, 2008, Art. 86 EGV (2003), Rdn. 15 ff. (nicht unkritisch, ohne Begriff); Generalanwalt Lenz, Schlußanträge EuGH – Rs. C-298/94 (Henke), Slg. 1996, I-4989, Rdn. 89 (Unterscheidung „kaum leistbar“); D. Ehlers, Empfiehlt es sich, das Recht der öffentlichen Unternehmung im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb national und gemeinschaftsrechtlich neu zu regeln? Gutachten E zum 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. 26; V. Emmerich, Kartellrecht, § 19, Rdn. 8, S. 249 („Abgrenzung … bereitet erhebliche Schwierigkeiten“).

[229] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 253 ff., 261 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 200 ff., insb. S. 213 ff., 225 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 238 ff.; zur Begriffsverwirrung vgl. U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt. Zum dogmatischen Schlüsselbegriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, 591 (nur „Justiz, Polizei, Bundeswehr, Zoll, Strafvollzug, Steuererhebung“, oder Eingriffsverwaltung).

[230] EuG v. 12.12.2000 – Rs. T-128/98 (Aéroports de Paris/Kommission), Slg. 2000, II-3929, Rdn. 124; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 39, S. 848; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 167; ders., in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 32.

[231] EuGH v. 18.06.1998 – Rs. C-35/96 (Kommission/Italien), Slg. 1998, I-3851, Rdn. 36; EuGH v. 24.10.2002 – Rs. C-82/01 (Aéroports de Paris/Kommission), Slg. 2002, I-9297, Rdn. 79; vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 21, S. 841; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 7; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 167; ders., in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 25 ff.

[232] EuGH v. 23.04.1991 – Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron GmbH), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 21, 23; bestätigt durch EuGH v. 11.12.1997 – Rs. C-55/96 (Job Centre), Slg. 1997, I-7119, Rdn. 25 ff.; vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 20, S. 840 f.; W. Weiß, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 29.

[233] Zu den sektorspezifischen Maßnahmen Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 71; Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 40 ff., S. 324 ff.; W. Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128 (2003), S. 91 ff.; ders., Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 390 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 54 ff. (65), 60 ff. („Liberalisierungsinstrument“?).

[234] EuGH v. 23.04.1991 – Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron GmbH), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 23; EuGH v. 16.11.1995 – Rs. C-244/94 (Fédération française des sociétés d’ assurance u. a./Ministrère de l’Agriculture et de la Pêche), Slg. 1995, I- 4013, Rdn. 21 f.; EuGH v. 21.09.1999 – Rs. C-67/96 (Albany International BV), Slg. 1999, I-5751, Rdn. 87; EuGH v. 21.09.1999 – Rs. C-219/97 (Maatschappij Drijvende Bokken BV/Stichting Pensioenfonds voor de Vervoer- en Havenbedrijven), Slg. 1999, I-6121, Rdn. 77; EuGH v. 12.09.2000 – verb. Rs. C-180/98 und C-184/98 (Pavel Pavlov u.a/Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten), Slg. 2000, I-6451, Rdn. 119; vgl. W. Weiß, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 30.

[235] EuGH v. 17.02.1993 – verb. Rs. C-159/91 und C-160/91 (Poucet et Pistre/AGF u.a.), Slg. 1993, I-637, Rdn. 19; EuGH v. 22.01.2002 – Rs. C-218/00 (Cisal di Battistello Venanzio & Co./INAIL), Slg. 2002, I-691, Rdn. 45; EuGH v. 16.03.2004 – Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 u. C-355/01 (AOK Bundesverband u.a./Ichthyol-Gesellschaft Cordes, Hermani & Co. u.a.), Slg. 2004, I-2493, Rdn. 53, 57 f., 63; anders Schlußanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs v. 22.05.2003, der die Unternehmenseigenschaft bejahte; vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 32 ff., S. 845 ff.

[236] Vgl. EuGH v. 16.11.1995 – Rs. C-244/94 (Fédération française des Sociétés d’ assurance u.a.), Slg. 1995, I-4013, Rdn. 20, wo der Gerichtshof zwar auf die “Solidarität” hinweist, daran aber die Unternehmenseigenschaft nicht scheitern läßt; ebenso EuGH v. 21.09.1999 – Rs. C-219/97 (Maatschappij Drijvende Bokken BV/Stichting Pensioenfonds voor de Vervoer- en Havenbedrijven), Slg. 1999, I-6121, Rdn. 71, 77; EuGH v. 12.09.2000 – verb. Rs. C-180/98 und C-184/98 (Pavel Pavlov u.a./Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten), Slg. 2000, I-6451, Rdn. 115, 117 f.; vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 32, S. 845, Rdn. 38, S. 847; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 11 f. (kritisch); kritisch auch M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrecht, EuR 1997, 265; auch W. Weiß, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 30 ff.; kritisch auch V. Emmerich, Kartellrecht, § 3, Rdn. 32, S. 30.

[237] Ganz so Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 12 („politisches Taktieren“, ohne „überzeugende dogmatische Orientierung“).

[238] EuGH v. 06.07.1982 – Rs. 188 bis 190/80 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, 2545, Rdn. 25; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 15 ff.; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 40 ff., S. 848 ff.; Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 31, S. 321 f.; M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrechts, EuR 1997, 266; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 166; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 13.

[239] M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrecht, EuR 1997, 264 f.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 12.

[240] Dazu Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 12. Die Transparenzrichtlinie haben drei Mitgliedstaaten angegriffen, erfolglos, EuGH v. 06.07.1982 – Rs. 188 bis 190/80 (Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich/Kommission), Slg. 1982, 2545 ff.

[241] Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 15; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 1,4; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rdn. 1, 7, S. 833, 835; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 169 (keine „Flucht aus dem EG-Recht …“); Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 1, 3, 5 f.; vgl. EuGH v. 06.07.1982 – verb. Rs. 188 bis 190/80 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, 2545, Rdn. 26.

[242] M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrechts, EuR 1997, 271, 287, 289; W. Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128 (2003), S. 112; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 2 (nur Verbot der Besserstellung), 33, Art. 295, Rdn. 16 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 3; vgl. 2. Erwägungsgrund der Transparenzrichtlinie vom 25.06.1980 (Nr. 80/723/EWG, ABl. 1980 L 195/35); EuGH v. 06.07.1982 – verb. Rs. 188 bis 190/80 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, 2545, Rdn. 20 f.; EuGH v. 21.03.1991 – Rs. C-305/89 (Italien/Kommission), Slg. 1991, I-1603, Rdn. 24; EuGH v. 21.03.1991 – Rs. C-303/88 (Italien/Kommission, ENI-Lanerosi/Textilbeihilfen), Slg. 1991, I-1433, Rdn. 19 f.

[243] Ganz so W. Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128 (2003), S. 95 ff.

[244] Zum Ganzen K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, insb. S. 26 ff., 281 ff., 322 ff., 333 ff., 357 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 183 ff., 300 ff.; W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 418 ff., 444 ff.

[245] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff., 322 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 238 f.

[246] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 49 f., auch S. 209 f.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 238 ff.; M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrecht, EuR 1997, 268; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 170, der daraus keine substantiellen Rechtsfolgen herleitet; ders., Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 357 f., wo er einen funktionalen Ansatz für einen materialen Begriff der Staatsaufgaben für Art. 86 EGV sucht, vergeblich; wenig klar Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 13.

[247] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 262 ff., 294 ff.

[248] Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 262 ff.

[249] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 455 ff., 458 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 240.

[250] BVerfGE 3, 58 (135 f.); st. Rspr.; BVerfGE 55, 72 (88); 102, 254 (299, 302); K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 329 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 411 ff., 420 ff.

[251] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 149 ff.

[252] K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 273 ff.

[253] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., 261 ff., 281 ff.; ders., Der Anspruch auf Privatisierung, S. 185 ff., 190 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 240 ff.; zu den Begriffen Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt. Zum dogmatischen Schlüsselbegriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, 585 ff. (ohne verfassungsrechtliche Bedenken).

[254] Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 322 ff.

[255] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff., ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 217 ff., 308 ff.

[256] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 465 ff.

[257] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 100 ff., 130 ff., 152 ff., 177 ff.; i. d. S. auch W. Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128 (2003), S. 95 ff.

[258] So aber M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrechts, EuR 1997, 285 ff. (287 ff.); W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 171 ff., 173 ff., 175 ff. (180 ff., Grundrechtsberechtigung ablehnend); J. Bröhmer, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 48 EGV, Rdn. 3; auch Th. Kingreen, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 28-30 EGV, Rdn. 33; gegen eine Grundrechtsberechtigung M. Ruffert, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 16 GRCh, Rdn. 3; zu gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen C. Nowak, Grundrechtsberechtigte und Grundrechtsadressaten, § 6, Rdn. 25 f., S. 230 f.(ohne eigene Stellungnahme).

[259] BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (101); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385); G. Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Kommentar, 1977, Rdn. 33 ff. zu Art. 19 Abs. III; H. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, 1985, S. 61 ff.; W. Rüfner, Grundrechtsträger, HStR, Bd. V, 1992, § 116, Rdn. 64 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 19 ff., 275 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 35 f., 49, 203 f.; U. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht. Verhaltensrechtliche Determinanten von wirtschaftsbezogenem Staatshandeln, 1997, S. 171 ff.; im Ergebnis auch W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 182; M. Ruffert, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 16 GRCh, Rdn. 3; differenziert A. v. Mutius, in: GG, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, 1975, Rdn. 87 ff., 114 ff. zu Art. 19 Abs. 3.

[260] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 322 ff., 357 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 300 ff., auch S. 130 ff.; vgl. ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 270 ff.; schon H. Krüger, Das Staatsunternehmen – Ort und Rolle in der Marktwirtschaft, ZBR 1979, 157 ff.

[261] Zum Privatheitsprinzip des Binnenmarktes K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 100 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Das Privatheitsprinzip des Binnenmarktes, EWS 2001, 365 ff. Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten können nur durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden (Hinweise in Fn. 144), Ausnahmen von dem (vermeintlichen) Gleichbehandlungsgebot zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen macht Art. 106 Abs. 2 AEUV nur, wenn anders die besondere Aufgabe zu erfüllen verhindert würde; das ist derselbe Maßstab, freilich gänzlich unbestimmt; zu dem Verhältnis der Schranken M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrechts, EuR 1997, 277 f.; richtig W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 183 ff.; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 37.

[262] Vgl. die Hinweise in Fn. 213; und gibt dem Einzelnen Rechte.

[263] Vgl. Fn. 232.

[264] BVerfGE 21, 245 (251 ff.).

[265] EuGH v. 23.04.1991– Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 21 ff.

[266] BVerfGE 21, 245 (251).

[267] Dazu (ablehnend) K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 ff., 261 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff., 300 ff., 306 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 238 ff. (240 f.), 270 f.

[268] Vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 4, S. 784 f.

[269] In diesem Sinne ein Novellierungsvorschlag des Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft in Europa (CEEP), Wettbewerb und öffentliche Dienstleistungen. Vorschläge zur Änderung des EG-Vertrages und für eine Europäische Charta, ZögU 18 (1994), S. 455 ff.; dazu E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 44, S. 801.

[270] E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 42, S. 800.

[271] Vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 41 ff., S. 799 ff.; vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Gutachten „Daseinsvorsorge im Binnenmarkt“, 2002.

[272] BVerfGE 21, 245 (251) V. Emmerich, Kartellrecht, § 19, Rdn. 11, S. 250.

[273] EuGH v. 23.04.1991 – Rs. C-41/90 (Höfner u. Elser/Macrotron), Slg. 1991, I-1979, Rdn. 21 ff.; auch EuGH v. 11.12.1997 – Rs. C-55/96 (Job Centre), Slg. 1997, I-7119, Rdn. 25 ff.

[274] EuGH v. 14.07.1971 – Rs. 10/71 („Hafen von Mertert“), Slg. 1971, 723, Rdn. 13/16; vgl. E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 42, S. 800, § 34, Rdn. 6, S. 870 f.; Rdn. 84 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 8.

[275] Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 41 f.; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 87; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 8 f.

[276] E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 7 f., S. 871 f.

[277] Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 43.

[278] Dasein (existentia) ist die Anwesenheit, etwa das Leben des Menschen (M. Heidegger, etwa: Kant und das Problem der Metaphysik, 1929, 2. Aufl. 1951, S. 204 ff.; ders., Kants These über das Sein, 1963; vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1787, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 3 und 4, 1968, S. 272 ff.; dazu O. Schwemmer, Dasein, in: J. Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie, Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 1, 1995, S. 430 ff.), Daseinsvorsorge alle Bemühungen um das Leben. Ein materialer Begriff der Daseinsvorsorge, der dem Staat oder den Kommunen bestimmte Aufgaben vorbehält, wie das Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO versucht, ist nicht möglich; i. d. S. auch E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 38 ff., S. 798 f. Als formaler Begriff rechtfertigt Daseinsvorsorge die staatliche oder kommunale Lebensbewältigung, welche die jeweilige Lage erfordert. Wegen des Privatheitsprinzips (K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., ders., Freiheit in der Republik, S. 465 ff.) ist diese Aufgabenübernahme begründungspflichtig. Zum Begriff der Daseinsvorsorge vgl. E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 1 ff., insb. S. 6 ff.; ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 22 ff.

[279] Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 35, S. 322 f.; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 18, S. 876 f.; M. Krajewski, Öffentliche Dienstleistungen im europäischen Verfassungsrecht, DÖV 2005, 665 ff. (667); zur Daseinsvorsorge allgemein H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, 1973, S. 68 ff.; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst. Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag und die Liberalisierung in den Sektoren Telekommunikation, Energie und Post, 2002; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 183 ff. (Identifizierung); Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 36 f. („exakte Definition“ … „gibt es nicht“); allgemein W. Rüfner, Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit, HStR, Bd. III, 1988, § 80, S. 1038 ff.; K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 142 ff.

[280] Mitteilung Kommission: Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001 C 17/4; vgl. Ch. Koenig / J. Kühling, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86, Rdn. 45; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 47, S. 802, § 34, Rdn. 17 ff., S. 876 ff.

[281] EuGH v. 30.04.1974 – Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409, Rdn. 15; EuGH v. 18.06.1991 – Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, I-2925, Rdn. 33; EuGH v. 17.05.2001 – Rs. C-340/99 (TNT Traco/Poste Italiane), Slg. 2001, I-4109, Rdn. 53; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 45, 48; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 58 ff.; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 15, 23, S. 875, 879; Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 36, 46, S. 323, 325; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 40; zu den Rundfunkanstalten vgl. das Amsterdamer Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten zum EGV Nr. 23 (ABl. 1997 C 340/1, 109; BGBl. 1998 II, S. 429 ff.).

[282] Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 34, anders aber Rdn. 37 („denkbar weiter Gestaltungsspielraum“); vgl. auch I. Pernice / St. Wernicke, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim (Hrsg.), Das Recht er Europäischen Union, Bd. II, Art. 86 EGV, Rdn. 53 ff.; M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrecht, EuR 1997, 276 f.

[283] Daseinsvorsorgemitteilung der Kommission vom 20.09.2001 ABl. C 17/4, Rdn. 22; Chr. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 47; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 51, S. 802 f., § 34, Rdn. 4, 18, 22, S. 869, 876, 878 f.; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 185; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 37.

[284] Dazu Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 40 ff., S. 324 ff.; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 99 ff., insb. Rdn. 119 ff.; W. Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128 (2003), S. 120 ff.

[285] Zum Begriff der Universaldienste H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 229 ff., E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 31, Rdn. 43, S. 800 f.

[286] Vgl. Die Universaldienst-Richtlinie (Richtlinie über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsrechten und -diensten) 2002/22/EG, ABl. 2002 L 108/51; vgl. auch Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 21.05.2003, KOM (2003) 270 endg., S. 18 ff., Rdn. 50 ff.

[287] I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 102, 139, 146, 149, 169, 171 u.ö.

[288] EuGH v. 17.03.1974 – Rs. 172/80 (BRT II), Slg. 1974, 313, Rdn. 19/22; EuGH v. 23.10.1997 – Rs. C-159/94 (Kommission/Frankreich, Energiemonopole), Slg. 1997, I-5815, Rdn. 65; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 12, S. 874; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 63; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 52 f. (Konzession (u.a.) kritisch); Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 39.

[289] EuGH v. 07.12.2000 – Rs. C-324/98 (Telaustria und Telefonadress), Slg. 2000, I-10745, Rdn. 60 ff.; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 13, S. 874 f.

[290] Vgl. I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 64.

[291] Art. 105 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 GG; vgl. M. Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. III, 5. Aufl. 2005, Art. 105, Rdn. 44.

[292] I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 67 ff.; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 55.

[293] EuGH v. 17.07.1997 – Rs. C-242/95 (GT-Link), Slg. 1997, I-4449, Rdn. 54; EuGH v. 23.10.1997 – Rs. C-159/94 (Kommission/Frankreich), Slg. 1997, I-5815, Rdn. 52, 59, 96, 101; EuGH v. 30.04.1978 – Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1978, 409, Rdn. 14; EuGH v. 18.06.198 – Rs. 266/96 (Corsica Ferries France), Slg. 1998, I-3949, Rdn. 42; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 56 ff. (für strenge Maßstäbe, die Gefährdung der Aufgabenerfüllung nicht genügen lassen, Rdn. 62 ff.); ebenso Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 44 f. („Unzumutbarkeit“); E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 31, S. 882; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 186 f.

[294] EuGH v. 23.10.1997 – Rs. C-159/94 (Kommission/Frankreich), Slg. 1997, I-5815, Rdn. 94, 101; EuGH 17.05.2000 – Rs. C-340/99 (TNT Traco/Poste Italiane), Slg. 2001, I-4109, Rdn. 59/62; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 46.

[295] Vgl. Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 64; I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 61; Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 39, S. 323; M. Krajewski, Öffentliche Dienstleistungen im europäischen Verfassungsrecht, DÖV 2005, 669 ff.; vgl. Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 49.

[296] Daseinsvorsorgemitteilung 2000, Ziff. 38 ff.; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 64; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003,189.

[297] Generalanwalt Dutheillet de Lamothe, Schlußantrag EuGH Rs. 10/71 (Staatsanwaltschaft Luxemburg/Muller), Slg. 1971, 723, 739, der daraus einen weiten Anwendungsbereich folgert (?); vgl. I. F. Hochbaum / R. Klotz, in: v. d. Groeben / Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 86 EG, Rdn. 60; V. Emmerich, Kartellrecht, § 19, Rdn. 29, S. 256 („bewußt unklar formulierte, Escape-Klausel“), zum Begriff Rdn. 31 ff., S. 257 ff.

[298] Insofern kritisch auch Th. Oppermann, Europarecht, § 15, Rdn. 39, S. 323 („breites Auslegungsermessen“); E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 1, S. 868 („Ungewißheit, Schwankungen und Widersprüche“ der Auslegung); K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 369 ff.

[299] Vgl. die Hinweise in Fn. 293; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 31 ff., 43 ff., S. 882 ff., 887 f.

[300] Daseinsvorsorgemitteilung, 2000, Ziff. 20; J. A. Kämmerer, Privatisierung. Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, 2001, S. 125 f.; M. Burgi, Die öffentlichen Unternehmen im Gefüge des primären Gemeinschaftsrechts, EuR 1997, 277; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 187.

[301] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 300 ff., 306 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 240 f.

[302] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 45 ff.

[303] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 449 ff., 458 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 44 ff.

[304] Dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 465 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.

[305] Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 342 ff.

[306] K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 262 ff.

[307] Hinweise in Fn. 283.

[308] Etwa J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, 1968, S. 264 ff., insb. S. 281 ff.; 313 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 31, Rdn. 51 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 465 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 76, 177.

[309] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 153 ff.

[310] Dazu E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 35, S. 892 ff.; Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 67 ff.; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 54 ff., 60 ff., 63 ff.

[311] Dazu E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 35, S. 892 ff.; W. Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 188; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 50 ff.

[312] Ch. Koenig / J. Kühling, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 65 f.; E.-J. Mestmäcker / H. Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rdn. 52, S. 891; Ch. Jung, in: Ch. Calliess / M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 EGV, Rdn. 52.

[313]K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung und Welthandelsordnung, S. 25 ff.

[314] Die acht Todsünden der zivilisierten Mensch­heit, 20. Aufl. 1989, S. 32 ff., 66.

[315]BGHZ 69, 334 (338), Leitsatz a: „Herrschendes Unternehmen kann auch die Bundesrepublik Deutschland sein“.

[316] Hinweise in Fn. 259.

[317] K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff., 317 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 327 f.; vgl. i.d.S. BVerfGE 61, 82 (100 ff., 107); BGHZ 82, 375 (381 ff.); auch G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1. Aufl. 1969, S. 200 ff.

[318] K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 449 ff., 465 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, 2005, S. 53 ff., 67 ff.

[319] Dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, S. 153 ff., 338 ff.

[320] Wie Fn. 319

[321] Dazu K. A. Schachtschneider, Souveränität, S. 460 ff., 466 ff., 484 ff.

[322] K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 465 ff.; ders., Der Anspruch aus materiale Privatisierung, S. 67 ff., 75 ff., 153 ff.




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