Der Niedergang Deutschlands

 

 


Ein Nachwort zu Jost Bauchs „Abschied von Deutschland“

Karl Albrecht Schachtschneider

Die Politik der Gegenwart ist der Kampf um das nationale Prinzip. Sie ist damit der Kampf um Demokratie und Rechtsstaat, der Kampf um die Freiheit, der Kampf um die Bürgerlichkeit der Bürger. Ich habe meine Sicht der Lage in „Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers“, Kopp-Verlag 2017, dargelegt. Der Niedergang der nationalen Staatlichkeit läßt sich an der Veränderung der politischen Institutionen und an der politischen Praxis Deutschlands feststellen (I). Der Niedergang hat Voraussetzungen. Die wichtigste ist die Dekadenz Deutschlands (II.). Es bleibt wenig Hoffnung für das Deutsche Deutschlands (III.).

I.

Demokratie und Rechtsstaat sind in Deutschland schon verloren. Damit fehlen der Freiheit die wichtigsten Einrichtungen. Den Menschen in Deutschland wird ein Leben in Würde verweigert. Die Würde des Menschen, die Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes für unantastbar erklärt, ist seine Freiheit. Freiheit heißt unter dem eigenen Gesetz zu leben, das Gesetz, das der Bürger mit allen anderen Bürgern gemeinsam erkennt und unmittelbar oder mittelbar durch seine Vertreter in den Gesetzgebungsorganen beschließt. Das ist das Fundamentalprinzip der Republik, das demokratische Prinzip. Ohne substantielle Demokratie, wirksame Gewaltenteilung und Bestenauslese in den Ämtern gibt es keinen Rechtsstaat. Freiheit verlangt auch nach der Wirklichkeit des Sozialprinzips.

Die Parteienoligarchie ist keine Demokratie, sondern die Verfallserscheinung der Republik. Allgemeine Wahlen führen zu Parteien. Sie sind für die Willensbildung des Volkes nicht zu vermeiden. Das verfassungsrechtlich bedenkliche Verhältniswahlsystem mit hohen Sperrklauseln erzwingt den oligarchischen Parteienstaat. Parteien sind durch Führung und Gefolgschaft bestimmt, schon weil ihre öffentliche Wahrnehmung ihre Geschlossenheit verlangt. Die Parteien haben den gesamten Staat in der Hand. Aus ihren Reihen werden alle leitenden Organe des Staates besetzt. Das verhindert die verfassungsgebotene Bestenauslese. Die demokratische Legitimität der Vertreter des Volkes ist mehr als schwach. Innere Demokratie der Parteien hat es bislang nie gegeben, obwohl sie nach Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG Verfassungspflicht ist. Man läßt Wahlen und gelegentliche Abstimmungen von Delegierten oder auch der Basis genügen. Aber die Meinungsäußerungsfreiheit wird in den Parteien nicht gelebt. Sie findet in den Parteien keinen wirksamen Rechtsschutz. Die Kandidatenaufstellungen, der wesentliche Akt der demokratischen Legalisierung der Amtswalter, wenn die Mandatsträger den Parteilisten nach deren Reihung entnommen werden, genügt dem demokratischen Prinzip nicht. Das Volk hat auf diese keinen Einfluß. Von den etwa 1,2 Millionen Parteimitgliedern, nicht alles Staatsangehörige, sind nach der Erfahrung nicht mehr als 10 %, also etwa 0, 2 % der Wahlberechtigten, politisch aktiv. Die Wähler wählen nicht die Mandatsträger, sondern je nach erwarteter Politik, vornehmlich ihrer Begünstigung, und der Akzeptanz der Spitzenkandidaten deren Partei und damit deren Liste. Sie wählen die, die schon gewählt sind (Hans-Herbert von Arnim). Das vermag die Direktwahl in den Wahlkreisen nicht zu kaschieren. Zum einen sind die Direktkandidaten regelmäßig auf den Listen abgesichert, zum anderen kann nur eine Partei einen Wahlkreis gewinnen, die anderen entsenden ihre Funktionäre mittels der Listen in die Parlamente. Zudem nimmt das Koalitionswesen den Wahlentscheidungen weitgehend die Wirkung, im Übermaß Große Koalitionen, gar ohne Opposition in den existentiellen Politiken. Das konstruktive Mißtrauensvotum nach Art. 67 GG, wonach der Bundestag nur mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Bundeskanzler ablösen kann, gibt dem Parteienkanzler wegen der Abhängigkeit der Abgeordneten von ihren Parteiführern eine übermäßige präsidiale Macht, die diktatorisch genutzt werde kann.

Deutschland hat die Ausübung seiner Hoheitsrechte entgegen Art. 23 Abs. 1 GG weitgehend der Europäischen Union übertragen, obwohl diese weder demokratischen noch rechtstaatlichen noch sozialen Grundsätzen genügt, das Subsidiaritätsprinzip nicht achtet und keine dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Die Organe der Union handeln ohne demokratische Legalität. Das Europäische Parlament vertritt kein Volk; denn die Unionsbürger sind kein Volk. Die Abgeordneten werden nicht der demokratischen Proportionalität gemäß gewählt. Das Stimmgewicht eines Wählers von Malta ist etwa 1200 % höher als das eines Wählers in Deutschland. Allenfalls eine Abweichung von 30 % ist tolerierbar. Demgemäß sieht selbst das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmen der Europäischen Union durch die Beschlüsse des Europäischen Parlaments allenfalls als demokratisch gestützt an, aber legitimiert nur durch die Parlamente der Mitgliedstaaten, auch nur wenn die Ermächtigungen der Union derart bestimmt sind, daß deren Politik voraussehbar ist. Davon kann keine Rede sein. Die Ermächtigungen sind weit und offen. Das Gericht hat das entgegen seiner eigenen Rechtssätze nie geprüft, sondern lediglich befunden, „noch“ würden die Befugnisse der Union nicht zu weit gehen. Das hat mit rechtserkennender Subsumtion nichts zu tun. Insgesamt ist das demokratische Defizit der Union nicht korrigierbar, weil die Union mit gut 500 Millionen Unionsbürgern viel zu groß und die Mitgliedstaaten viel zu heterogen – kulturell, politisch und vor allem ökonomisch – für die Wirklichkeit des demokratischen Prinzips sind. Demokratie und Rechtsstaat kann es nur in kleinen Einheiten geben (näher mein Die Souveränität Deutschlands, Kopp- Verlag, 2012, S. 201 ff.). Die Divergenz der Mitgliedstaaten hat sich im Laufe der vermeintlichen Integration verstärkt. Freundschaft hat sich nicht entwickelt. Ein deutlicher Beweis war die Opposition Frankreichs, Großbritanniens und auch Italiens gegen die Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der DDR.

Die Union folgt einem Interesse des großen international agierenden Kapitals an grenzenlosen Märkten heterogener Volkswirtschaften, die sich mit dem Schein von Freihandel und Wettbewerb trefflich für die Ausbeutung einerseits sklavenartiger Arbeitsverhältnisse armer Völker und andererseits (noch) kaufkräftiger Bevölkerungen vermeintlich reicher Völker eignen. Dieses Interesse wird von der an sich gegenläufigen egalitaristischen Ideologie gestützt, deren Wortführer alle Unterschiede der Menschen und der Völker einebnen wollen und darum nach Kräften die „Eine Welt“ anstreben. Ein Auswuchs dieser Ideologie ist der Öffnung der Grenzen für alle, die ihr ‚Vaterland‘ in den Wohlstandsländern suchen, vor allem in Deutschland mit dem „freundlichen Gesicht“. Ubi bene ibi patria. Die Völker aufzulösen und eine globale Mischpopulation zu schaffen scheint die Erfüllung des sozialistischen Traums zu sein. Die Zukunftspläne der Vereinten Nationen, wie die Agenda 2030 und die Verträge der Mittelmehrunion, die eine Erweiterung der Europäischen Union in den Vorderen Orient und nach Nordafrika konzipieren, weitestgehend islamische Gebiete, geben beredtes Zeugnis dieser Politik, die die Vernichtung der ebenso christlich wie aufklärerisch geprägten Kultur Europas betreibt. Das ist der eigentliche Grund dessen, daß die Grenzen Deutschlands und Europas nicht wirksam geschützt wurden und werden, nicht etwa ein Versagen der „Getriebenen“ oder ein „Kontrollverslust“. Angela Merkel nicht anders als jetzt auch Emmanuel Macron vollstrecken mit all ihrer Macht und ohne jede Achtung vor dem Recht der Menschen und Völker die One-World-Politik, um die civitas maxima zu schaffen, die eine weltweite Tyrannei hervorbringen wird. Vor Vereinigten Staaten von Europa kann man sich nur fürchten. Die Finalität der Europäischen Union kann um der Freiheit willen nur eine völkerrechtliche Zusammenarbeit uneingeschränkt souveräner Völker Europas sein, aus denen keinesfalls Rußland ausgegrenzt werden darf. Die Türkei gehört nicht dazu, die weiteren Gebiete der Umma erst recht nicht.

Wegen der schmalen demokratischen Legitimation der parteienstaatlichen Parlamente könnte allenfalls verbindliche Plebiszite über alle wichtigen Gesetze, insbesondere die Unionsverträge, Deutschland den Status einer Demokratie geben. Die Schweizer Eidgenossenschaft ist Vorbild. Eine solche verweigern aber die Parteien, die die Gesetzgebung des Bundes beherrschen und wissen, daß ihre permanente Propaganda für ‚Europa‘ die Mehrheit der Menschen, die „schon länger in Deutschland leben“ nicht überzeugt.

Hinzu kommen müßten nicht nur formal, sondern auch personal unabhängige Rechtsprechungsorgane. Diese dürften in keiner Weise von den Parteien beeinflußt werden können, vor allem nicht die Verfassungsgerichtsbarkeit. Das Gegenteil ist der Fall. Im Vereinigten Königreich darf kein Richter einer Partei angehören. Parteimitgliedschaft führt zur Parteilichkeit. Hinzu kommt eine in weiten Teilen geradezu willkürliche Judikatur, die wenig mit Erkenntnis des Rechts zu tun hat. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Laufe seiner Judikatur mehr und mehr ein eigenes Verfassungsgesetz geschaffen, in dem das Grundgesetz kaum noch wiederzuerkennen ist. Genannt sein nur der Menschenwürdesatz, aus dem das Gericht höchst fragwürdige materiale Rechtssätze und sogar subjektive Recht herleitet, obwohl der Satz als leitende Idee der Republik freier und in der Freiheit gleicher Bürger nicht einen der Anwendung im Einzelfall fähigen Rechtssatz hergibt, jedenfalls kein Grundrecht ist, wie der Wortlaut des Art. 1 GG klarstellt. Aber das ebenso machtversessene wie bildungsvergessene Gericht folgt dem Verfassungsgesetz und erst recht der Verfassung, die mit dem Menschen geboren ist, nicht.

Vor allem versteht das Gericht nicht, was Freiheit ist, obwohl Art. 2 Abs. 1 GG sie nicht schlecht formuliert. Es versteht Freiheit als das Recht zu tun und zu lassen, was man will, beschränkt von den Gesetzen. Der philosophische Vater des Grundgesetzes, Immanuel Kant, hat geklärt, Freiheit ist die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür, um unter dem eigenen Gesetz leben zu können, das freilich ein allgemeines Gesetz der Bürgerschaft sein muß. Diese Freiheit kann nur bestehen, wenn alle Bürger sich der Sittlichkeit befleißigen. Das sagt das Sittengesetz, das als Grenze der Freiheit explizit neben den Rechten anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung genannt ist. Das Sittengesetz im aufklärerischen Gemeinwesen ist das Rechtsprinzip. Wer das nicht versteht, dem fehlt die Befähigung zum Richteramt. Ein Beispiel: Das Gericht leitet aus dem Menschenwürdesatz mit für alle anderen Staatsorgane unverrückbarer Verbindlichkeit einen Anspruch jedes Menschen, der legal oder illegal den Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat, auf das „menschenwürdige“ Existenzminimum nach deutschen Maßstäben (etwa Hartz IV) her. Diese Judikatur übt eine außerordentliche Sogwirkung auf Menschen in aller Welt aus, nach Deutschland zu gelangen und dort solange wie nur möglich zu bleiben. Zudem wird gestützt auf den Menschenwürdesatz jede Art von Leben und Handeln nach der eigenen Religion und sei diese noch so verfassungswidrig als höchstrangiges Grundrecht dogmatisiert. Das ist das Einfallstor für die Islamisierung Deutschlands. Für eine solche die freiheitliche Ordnung verändernde und die Souveränität der Bürger beschädigende Judikatur hat das Bundesverfassungsgericht keine Befugnis und ist damit dafür nicht legitimiert.

Gänzlich unvereinbar mit der Freiheit und Souveränität der Deutschen in ihrem Lande ist die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs. Dieses ‚Gericht‘ dehnt seine Befugnisse durch vertragswidrige Entscheidungen stetig aus. Der Vorrang des Unionsrechts gar vor den Verfassungsgesetzen der Mitgliedstaaten steht nicht in den Verträgen und ist mit der Souveränität der Völker schlechterdings nicht vereinbar. Die unmittelbare Anwendbarkeit der sogenannten Grundfreiheiten, Warenverkehrsfreiheit usw., in den Mitgliedstaaten und ein dahingehendes subjektives Recht jedes Unionsbürgers und sogar der jedweden Unternehmens unter gewissen Voraussetzungen, beruhen auf einem Diktat des Gerichtshofs, nicht auf den Verträgen und verletzen essentiell die Souveränität der Bürger. Dieses Organ entbehrt jeden Restes an demokratischer Legalität. Die grenzenlose Kapitalverkehrsfreiheit, die globale Freiheit des Kapitals, ist der europarechtliche Stützpfeiler des internationalen Kapitalismus. Sie ist der wesentliche Grund für die himmelschreiende Ungerechtigkeit der Wirtschafts- und Sozialordnung der Union, in der einige wenige immer reicher und die vielen immer ärmer werden.  Die ‚Richter‘ werden von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten ernannt, der mächtigen Parteiführer, von denen die größte Gefahr für die Freiheit der Bürger ausgeht.

Ein verheerendes Exempel des Unrechts: Die Merkelsche Massenzuwanderung von Fremden im September 2015 und danach, die immer weiter fortgesetzt wird, etwa durch Familienzusammenführung, und so gut wie nicht den Gesetzen gemäß korrigiert wird, wird das Ende des deutschen Deutschlands bringen. Ein schlimmerer Tort konnte Deutschland nicht angetan werden. Keiner der gewählten Vertreter des deutschen Volkes ist der rechtsvergessenen Kanzlerin, der die Deutschen verhaßt sein müssen, in die Arme gefallen, vor allem nicht das Bundesverfassungsgericht, das meine und von mir vertretene Verfassungsbeschwerde gegen die Massenzuwanderung ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen hat – auf Grund einer Vorschrift, § 93 d Abs. 1 BVerfGG, welche den Rechtsstaat dementiert. Eine Gerichtsentscheidung ohne Begründung ist ein Machtspruch, kein Erkenntnis des Rechts. Die offensichtliche Rechtlosigkeit der Prüfung der Aufenthaltsberechtigungen durch die Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge, vorsätzlich oder grob fahrlässig, angewiesen oder hingenommen, hat allerdings gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit der Bescheide bewirkt. Die ‚Flüchtlinge‘ haben kein Recht erlangt, in Deutschland zu bleiben. Aber auch die Abschiebung bewältigt die Verwaltung unseres Landes nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem Europäischen Gerichtshof unterworfen. Judikate dieses Gremiums ultra vires, also kompetenzwidrig, erklärt es in Deutschland nur für unanwendbar (was es noch nie praktiziert hat), wenn der ‚Richterspruch‘ aus Luxemburg auf „einer offensichtlich schlechterdings nicht mehr nachvollziehbaren und daher objektiv willkürlichen Auslegung der Verträge“ beruht (so im OMT-Schlußurteil BVerfGE 142, 123 Rn. 149). Willkürlich sind Entscheidungen, die nicht begründbar sind (so BVerfGE 55, 72 (88), seither st. Rspr.). Willkür ist grobes Unrecht. Das Bundesverfassungsgericht, das das europäische Integrationsprinzip zum Leitprinzip seiner Judikatur erklärt hat, wird niemals den Europäischen Gerichthof, den Motor der Integration, derart drastisch ins Unrecht setzen. Das würde voraussetzen, daß sich das Gericht dem Recht verpflichtet fühlt, nicht einer internationalistischen Politik.

Quintessens ist: Das Leben im Deutschland der Europäischen Union ist entdemokratisiert, entrechtlicht, nicht sozial. Der Parteienstaat wirft noch einen schwachen Schein an Demokratie, weil es noch Wahlen gibt. Wahlen muß man nicht abschaffen, um das rechtlose Herrschaftssystem zu stabilisieren. Wahlen haben sich, so unverzichtbar sie sind, allein als wirkungslos erwiesen, wenn die anderen Einrichtungen des Staates ihnen die Relevanz nehmen: das parteiendominierte Wahlsystem, die rechtsferne Verfassungsgerichtsbarkeit, die hörige Verwaltung, vor allem die propagandistischen, oligarchischen Massenmedien und die globale ökonomische und politische Integration des Staates, insbesondere die in die Europäischen Union. In einem solchen System setzen sich die Oligarchen durch. Es wird zur Plutokratie.

Die Umwandlung der vom Grundgesetz verfaßten freiheitlichen Ordnung Deutschlands in ein demokratiefernes parteienstaatliches Herrschaftssystem ohne relevanten Einfluß der Bürgerschaft auf die Politik folgt dem Interesse der Siegermächte. Wegen der Strukturen von Führung und Gefolgschaft in den Parteien können diese und damit die Politik Deutschlands ohne Schwierigkeiten von fremden Staaten gesteuert werden. Auch die Teilnahme Deutschlands an der Europäischen Union mit den skizzierten demokratie- und rechtsstaatswidrigen Strukturen war und ist das Interesse der Siegermächte, aber auch der anderen Staaten Europas an der „Einbindung“ Deutschlands, um „Sonderwege“ Deutschlands auszuschließen. Die Europäische Union gibt es nur zu Lasten Deutschlands. So kann Deutschland der Weltherrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, immer in „special relationship“ zum Vereinigten Königreich, nicht durch einen Zusammenhalt mit Rußland gefährlich werden. Frankreich, der „Erzfeind“ des Deutschen Reiches, gibt vor, Freund Deutschlands geworden zu sein. Die französische Politik macht das nicht gerade glaubwürdig. Es ist Zweckpropaganda im Interesse der Dominanz Frankreichs in der Europäischen Union trotz dessen wirtschaftlicher Schwäche. Frankreich wie England verfügen über die Atombombe, Deutschland darf sie nicht haben und will sie auch nicht haben – ein Zeichen der Ergebenheit. Die Deutschland entmachtende Integrationspolitik ist gleich nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg eingeleitet worden. Wichtigster Beförderer dieser Politik war Winston Churchill, wichtigster Agent war der französische Unternehmer Jean Monnet. Immerhin hat das Deutschland trotz aller von Bruno Bandulet eindrücklich geschilderten Ausplünderung den vollständigen Vollzug des Morgentauplanes erspart (Beuteland. Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945, Kopp-Verlag, 2016).

Frankreich und andere Unionsländer versuchen nach wie vor, ihre Haushalte mit den Erträgnissen Deutschlands zu finanzieren. Es ist freilich auch einzuräumen, daß die Währungsunion im Verbund mit dem Binnenmarkt Deutschland eine weit unterbewertete Währung beschert hat, die den Unternehmen in Deutschland einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil auf dem europäischen Märkten und dem Weltmarkt verschafft. Dieses welthandelsrechtlich bedenkliche Preisdumping ruft nach Entschädigung, die gewissermaßen mit der Finanzierung der bedürftigen Unionsländer geleistet wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten auch Interesse an einem potenten Pufferstaat gegen die Sowjetunion, eingebunden in die NATO. Die führenden deutschen Politiker, angefangen mit Konrad Adenauer bis hin zu Helmut Kohl und Angela Merkel haben die Souveränität der Deutschen nie befördert – vielleicht durften sie es nicht. Das Grundgesetz hat sie daran nicht gehindert, ganz im Gegenteil.

Diese Politik war ohne das wenigstens formale Einverständnis der Deutschen nicht möglich. Dieses wurde in der regelmäßigen Wahl vor allem der Partei, die das Nachkriegsschicksal Deutschlands im Wesentlichen bestimmt hat, bekundet, der CDU und deren Schwester CSU. Die Deutschen wurden mit allen Mitteln der Propaganda, zumal der Reeducation, gefügig gemacht. Das Deutsche Reich hatte unter der Führung Adolf Hitlers mit millionenfachem Mord auch kaum vorstellbare Schuld auf sich geladen, für die fraglos Deutschland die Verantwortung zu tragen hat. Nur schmälert das nicht die Freiheit der Deutschen, ihre Souveränität.

II.

Die eigentliche Voraussetzung der Entmachtung Deutschlands ist die Veränderung des deutschen Volkes, dessen zunehmende Dekadenz. In dem Buch, das der Kopp-Verlag hier vorlegt, hat Jost Bauch mit brillanter Feder den „Abschied von Deutschland“, den Abschied der Deutschen vom Deutschen, als „Politische Grabschrift“ ausgebreitet. In großer Kenner- und Könnerschaft zeigt uns Jost Bauch die Eigenarten des Menschen und des gemeinsamen Lebens von Menschen, das der Soziologe als Gesellschaft begreift, die zu dem Niedergang eines Volkes führen.

Die genetisch und stammesgeschichtlich kaum änderbaren Verhaltensweisen des Menschen lassen sich doch im gemeinsamen Leben derart durch äußere Umstände beeinflussen, daß der Charakter eines Volkes sich wesentlich verändert. Aus einem seiner Stärke bewußten Volk kann eine Bevölkerung werden, die sich als Volk aufgibt, seine Abwehrkraft verliert und nur noch das Wohlleben jedes einzelnen sucht. Carl Schmitt hat die „politische Einheit des Volkes“ in dessen Fähigkeit gesehen „Freund und Feind zu unterscheiden“. Der politische Feind ist der Fremde (Verfassungslehre, 1928, S. 214 f.; Der Begriff des Politischen, 1932, S. 20 ff., 45 ff.  u. ö.). Wenn ein „Volk aus dem Zustand politischer Existenz in den unterpolitischen zurücksinkt, ist die Folge“, daß es „ein bloß kulturelles, bloß ökonomisches oder bloß vegetatives Dasein führt und einem fremden politisch aktiven Volke dient“. Für Deutschland ist dieser Verlust der existentiellen Identität augenscheinlich. Ich habe bisher den republikanischen Politikbegriff Kants präferiert, nämlich: „Politik ist ausübende Rechtslehre“ (Zum ewigen Frieden, ed. Weischedel Bd. 9, S. 229). Aber Kants Politikbegriff ist normativ, nicht existentiell. Die Invasion des Islam nach Deutschland und Europa drängt zum Umdenken. Erst in der existentiellen Lage überzeugt die Schmittsche Dogmatik. Starke Kräfte betreiben den Niedergang des Deutschen, gegen die sich der Einzelne nicht wehren kann. Die Persönlichkeit eines jeden ist in die Entwicklung seines Volkes oder eben der Gesellschaft, in der er lebt, integriert. Das Volk besteht aus seinen Bürgern und ist so stark und so schwach wie diese in der Gesamtheit aller Einzelnen. Aber umgekehrt ist der Bürger auch Teil seines Volkes und ist so stark und so schwach wie dieses. Der Deutsche ist heute anders als der Deutsche in früheren Jahrhunderten, als der Preuße, als der Reichsbürger im Dritten Reich. Viele sind froh darüber, aber die Schwäche geht so weit, daß die Deutschen gar nicht mehr Deutsche sein wollen. Wer das Deutsche hervorkehrt, wird ausgegrenzt. Schwerlich würde heute jemand auf den Gedanken kommen, die Deutschen das „Volk der Dichter und Denker“ zu nennen.

Das geistige Niveau jedenfalls in der deutschen Öffentlichkeit ist derart abgesunken, daß der  „Philosophiejournalist“ (Peter Sloterdijk) Richard David Precht sich Philosoph nennen läßt. Philosophieprofessoren betreiben Professorenphilosophie (Schopenhauer). Das macht sie noch nicht zu Philosophen. Dazu gehört mehr. Man kann nur hoffen, daß die Ingenieurskunst im deutschen Mittelständ noch lange höchsten Ansprüchen genügt. Die vierte industrielle Revolution führt jedenfalls nicht Deutschland an, sondern Amerika, das sich die besten Köpfe ins Land holt, dicht gefolgt von China, das sich die USA zu überholen anschickt, mit immensem Fleiß und zunächst mittels gekonnter Plagiate.

Die Dekadenz der Deutschen hat vielerlei Gründe. Ich spreche einige der Gründe an:

Der wichtigste Grund ist der verlorene Krieg. Eine solche Niederlage ändert jedes Volk. Schließlich hat Deutschland ein Drittel seines Staatsgebietes (faktisch) eingebüßt. Die jahrzehntelange kulturelle, ökonomische und politische Bevormundung der Deutschen vor allem durch die Amerikaner hat die Deutschen weitgehend amerikanisiert, nicht zu ihrem Vorteil. Die Unterdrückung der Deutschen in der DDR durch die Sowjetunion hat eine solche Verfremdung nicht bewirkt. Der permanente Schuldvorwurf bleibt auch nicht ohne Wirkung.

Der Verlust der religiösen Sittlichkeit ist nicht durch aufklärerische Sittlichkeit, durch praktische Vernunft, deren Gesetz der kategorische Imperativ ist, ausgeglichen. Die christlichen Kirchen haben ihre einstige Autorität eingebüßt. Gott ist tot. Der Glaube ist erloschen (Friedrich Nietzsche). Es gibt noch ein Christentum, allemal kulturell, manchmal auch religiös. Es gibt noch die Kirchen, ein gutes Geschäft mit dem Moralismus und den alten Bräuchen. Bürgerliche Sittlichkeit ist das Prinzip der Republik, des Gemeinwesens von Bürgern, die in Freiheit die Gesetze erkennen und beschließen, die allen ein gutes Leben ermöglichen. Diese christlich geprägte, dem Liebesprinzip der Bergpredigt genügende, Lebensweise überfordert die meisten Menschen, vor allem die Politiker.

Die Zerstörung der Ehe, der der kulturferne Gesetzgeber die Verbindlichkeit genommen hat, hat auch der Familie die Grundlage entzogen. Wenn Paare überhaupt noch heiraten, lassen sie sich vielfach, meist ohne jeden triftigen Grund, scheiden. Die Familie ist für Friedrich Wilhelm Hegel die Institution der „Sittlichkeit“. Er postuliert, daß die „Gesetzgebungen die Möglichkeiten der Auflösung“ der Ehe „aufs Höchste erschweren müssen, und das Recht der Sittlichkeit gegen das Belieben aufrecht erhalten“ (Rechtsphilosophie, § 163). Die Opfer einer Scheidung sind die (seltenen) Kinder. Das Bundesverfassungsgericht hat die Kinder in seinem Urteil zum scheidungsrechtlichen Zerrüttungsprinzip nicht mit einem Wort erwähnt (BVerfGE 53, 224 ff.). Der Gesetzgeber hat die elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge (§§ 1626 ff. BGB) ersetzt und damit den intermediären Status der Familie beseitigt. Die Gewalt des Staates hat er damit zum staatlichen Totalitarismus erweitert. Jetzt ist das Leben gänzlich in der Hand des Staates und damit der wenig an Sittlichkeit orientierten Parteien. Auch die soziale Verantwortung hat der Staat weitgehend an sich gezogen. Die Kosten der durch die Scheidung oder die Ehelosigkeit meist in Armut lebenden alleinerziehenden Mütter etwa hat er den Steuerzahlern auferlegt. Dafür gibt es jetzt die ‚Ehe für alle‘, ein Ergebnis des völligen sittlichen Verfalls und eindeutig verfassungswidrig. Die Ehe ist die lebenszeitige Verbindung von Mann und Frau. Ihr eigentlicher Zweck ist die Aufzucht von Kindern. Die Entkriminalisierung der homosexuellen Praxis war rechtlich geboten, aber das rechtfertigt nicht den Kult der Homosexualität. Die Antikonzeptiva haben den eigentlichen biologischen Zweck der Sexualität verfremdet, die Zeugung von Kindern. Die ‚sexuelle Revolution‘ hat dem Leben die Ordnung genommen. Der weitestgehend straflose Abbruch der Schwangerschaften, die Abtreibung, minimiert zusätzlich die Geburten. Gegen die Kinderarmut der Deutschen vermögen die Kirchen, deren Botschaft nur noch selten geglaubt wird, nichts auszurichten. Ein Volk, das sich nicht reproduziert, ist dem Untergang geweiht.

Die vitalen Völker explodieren, auch wegen der verbesserten medizinischen Versorgung, und suchen sich neue Lebensräume. Der ‚reiche‘ Westen entfaltet eine kaum widerstehbare Sogwirkung für die vielen Kinder der vitalen Völker. Das religiös fundierte politische System, das jedenfalls die islamische Umma mit aller Härte durchsetzt, läßt weder Schwangerschaftsverhütung noch deren Abbruch zu. Die vielen Menschen suchen ein besseres Leben und finden es in Deutschland, das sich ihnen auch wegen der selbstverschuldeten Kinderarmut bereitwillig mit allen Vergünstigungen eines ‚reichen‘ Landes geradezu andient. Die Invasion fremder Völker kann nur mit Gewalt abgewehrt werden, etwa mit der Gewalt von Grenzanlagen. Dazu ist Deutschland, von Globalismus, Egalitarismus und Multikulturalismus verblendet, nicht bereit. Ein Volk, das die Vitalität verloren hat, hat Völkern, die vor Lebenskraft strotzen, wenig entgegenzusetzen. Die Muslime bauen eine Moschee nach der anderen. Diese sind Allah geweihtes heiliges Land. Deutlicher kann eine Landnahme nicht versteinert werden.

Produktion und Konsum bestimmen das Leben der im Übermaß individualisierten Menschen. Den Sinn des Lebens sehen die meisten Deutschen in ihrem Wohlleben – panem et circenses, nach mir die Sintflut. Ein Tempel der Berliner ist das KaDeWe. Eine Verantwortung für das eigene Volk wird kaum noch gespürt. Menschen drängen in die Politik, nicht um das Wohl des Volkes zu mehren, sondern vornehmlich ihr eigenes Wohl. Die Vorteile politischer Ämter sind verführerisch, zumal für all die Politiker, die keine Befähigung für die anspruchsvollen Aufgaben haben, in die sie sich drängen. Voraussetzungen für die Amtsübernehme gibt es im Egalitarismus kaum. Von Bestenauslese kann keine Rede sein, meist macht sich eine Negativauslese in den Parlamenten und politischen Führungsämtern der Exekutive breit. Es gibt Ausnahmen.

Die Bildung ist der Führungsschicht weitestgehend abhanden gekommen, vor allem in den Parlamenten und Regierungen. Auch in den Gerichten bis zum Bundesverfassungsgericht wird der Bildungsmangel immer offensichtlicher. So wußte ausweislich der Urteile und der Kommentare niemand, was Art. 4 Abs. 1 GG mit dem Wort Bekenntnis meint, die Confessio nämlich, so daß das Bekenntnis mit verheerenden Folgen für Deutschland mit dem Bekennen verwechselt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit das Grundrecht zu leben und zu handeln, wie es der Glaube gebietet, hergeleitet. Das nutzt jetzt der Islam, der sich durch das Grundgesetz berechtigt fühlt, nach der mörderischen Scharia zu leben, weil das seine ‚Religionsfreiheit‘ schütze (Kritik in meiner Schrift Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam, Duncker & Humblot, 2. Aufl. 2011). Der Islam ist zwar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar, aber das festzustellen hat das Bundesverfassungsgericht bisher tunlichst vermieden.Wem sind diese Richter eigentlich verpflichtet?

Bildung, die zu höheren Ämtern befähigt, ist etwas anderes als Ausbildung von Fertigkeiten. Das Deutsche Gymnasium, das die kirchlichen Lateinschulen abgelöst hat und in seiner Eigenart von dem Gräzisten Philipp Melanchthon auf Anregung Martin Luthers in Nürnberg begründet wurde, war die bestmögliche Vorbildung für Studien, deren Absolventen im höheren Dienst amtsfähig waren. Der Erfolg des Deutschen Gymnasiums war in aller Welt anerkannt. Die heutigen höheren Schulen, entgegen ihren Bildungsansprüchen immer noch Gymnasium genannt, dienen vornehmlich einer Beschulung, deren Anspruch den der früheren Volksschulen nicht übertrifft. Demgemäß wird mehr als der Hälfte der Geburtenjahrgänge das Abitur aufgedrängt (1960 noch 5 %), eine Sozialleistung, die dem sozialistischen Egalitarismus genügt, aber keine leistungsfähige Führungsschicht sichert. Fast jeder will ‚studieren‘. Nur hat das, was die vielen Hochschulen anbieten, mit einer Teilnahme an Forschung und Lehre, einem akademischen Studium, wenig zu tun. Die Nivellierung der Leistungsanforderungen hat sich auch in den Universitäten in  den meisten Studiengänge breitgemacht. Aber fast alle Prüfungen werden mit gut oder sehr gut bewertet. Die Juristen machen das freilich nicht mit. Die Deutsche Universität hatte vor allem im 19. Jahrhundert Weltruf. Deutschland war die führende Wissenschaftsnation. In der Wissenschaft wurde Deutsch gesprochen. Jetzt halten es viele Studiengänge in Deutschland für hilfreich, ihren Unterricht in Broken English abzuhalten. Von Lehre kann nur noch selten die Rede sein; denn die setzt Forschung, eigene Forschung, voraus. Die Fachhochschulen, mehr und mehr in geschäftsorientierter privater Trägerschaft und auf Fernstudien begrenzt, wollen möglichst den Universitäten gleichgestellt werden. Sie drängen nach dem Promotionsrecht, obwohl mangels Habilitation kaum ein Fachhochschullehrer dafür die fachlichen Voraussetzungen hat. Mangels hinreichender eigener Forschung fehlt diesen Lehrern regelmäßig der vertiefte Einblick in ihr Wissensgebiet. Alle sollen Akademiker sein, aber immer weniger ‚Akademiker‘ verfügen über eine akademische Bildung. Fortschritt durch Wissenschaft ist in einem derart abgesenkten ‚Bildungswesen‘ nicht zu erwarten. Die Erfindungen werden heute anderswo gemacht, das Wissen anderswo erweitert. Der Schaden des qualitativen Bildungsverfalls, der spezifisch auf die quantitative Überdehnung der vermeintlich höheren Bildung zurückzuführen ist, ist unermeßlich.

III.

Der Einfluß der 68iger auf den Niedergang Deutschlands wird überschätzt, auch von Jost Bauch. Wer 1968 und die Jahre danach nicht mitgemacht hat, sondern von ihnen nur gehört oder gelesen hat, kann diese Zeit schlecht beurteilen. Ich war wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität, mit Lehraufgaben betraut, kurz vor der Promotion und dem Zweiten juristischen Staatsexamen. Ich war mittendrin, kannte viele der ‚Revolutionäre‘, kannte die Studenten, die Professoren und Assistenten, habe an vielen ‚revolutionären‘ Veranstaltungen in ganz Berlin, auch an Demonstrationen teilgenommen, habe rechtlich beraten, gehörte aber zu den gemäßigten Kräften, zu Rosali, war trotz Krawatte bei den 68igern anerkannt. Damals war es nicht klar, daß die wesentlichen Akteure Agenten aus der DDR, vielfach des Staatssicherheitsdienstes, waren. Sie sollten eine revolutionäre Stimmung entfachen. Das ist ihnen nicht gelungen. Die Kommune 1 war zwar Bürgerschreck, aber politische bedeutungslos. In den Universitäten gab es viel Aufgeregtheit und manche Störungen, aber die institutionellen Änderungen wurden bald wieder zurückgenommen, vor allem durch das Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 79 ff.). Willy Brandt, seit 1957 Regierender Bürgermeister Berlins, wurde 1966 Außenminister in der Großen Koalition unter Georg Kiesinger und 1969 Bundeskanzler in der SPD/FDP-Koalition. Das wäre auch ohne die 68iger nicht anders gelaufen. Willy Brandt hatte Charisma, das den meisten Politkern fehlt. „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ hat er nicht wegen der 68iger gesagt, die dann durch Terror, vor allem 1977 im Deutschen Herbst, belastet waren. Die Stärkung der demokratischen Wirklichkeit war überfällig. Gelungen ist sie nicht, bis heute nicht – im Gegenteil. Es sind die anderen Komponenten, nicht die 68iger, die Deutschland ruiniert haben und weiter ruinieren.

Der sittliche Niedergang und die im Übermaß nachgiebige Gesetzgebung haben sich gegenseitig gestärkt. Es gab und gibt eine Wechselwirkung. Hätte der Gesetzgeber ein stärkeres Beharrungsvermögen gezeigt, insbesondere in der Ehe- und Familienpolitik, aber auch in der Sexualpolitik, hätte der Niedergang Deutschlands verzögert, vielleicht verhindert werden können. Die Vermietung einer Wohnung an unverheiratete Paare war nun keine Kuppelei mehr, der Kinobesuch der Brauteltern keine schwere Kuppelei (Mindeststrafe ein Jahr Zuchthaus), wenn die Tochter während dessen ihren Verlobten in die Wohnung ließ und das geschah, was sich jeder denken kann. Die Politiker jedoch hatten keine sittliche Substanz. Sie waren oft selbst korrupt und sittenlos. Sie wollten auch sich das Leben erleichtern und Zustimmung der Wähler gewinnen, die einem strengen Staat abgeneigt zu sein pflegen, solange bis der Niedergang des Gemeinwesens auch ihr Wohlergehen belastet. Der kraftvolle Feminismus tat das Übrige. Frauen durften Pfarrer werden und sind inzwischen, meist per Quote, in alle Führungspositionen vorgedrungen. Die Kirchen waren ohne Macht, vor allem ohne Glauben. Sie haben entgegen ihrem geistlichen Amt Politik getrieben, meist weltliche Politik gegen die praktische Vernunft, die Protestanten mehr als die Katholiken. Es hat sich die Schwäche der liberalistischen wählerabhängigen Parteienoligarchie gezeigt, die Deutschland jetzt an den Rand des Untergangs gebracht hat. Ein solches System darf nicht mit einer Republik verwechselt werden, die das Grundgesetz als freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verfaßt. Das Grundgesetz ist nicht im Ansatz verwirklicht, schon weil sein Freiheitsbegriff nicht verstanden wird. Der verfaßte vornehme Bürgerstaat ist eine schäbige Parteienherrschaft geworden. Es gibt jetzt eine Chance für eine bürgerliche Alternative. Es versteht sich, daß diese bei den Nutznießern des grundgesetzwidrigen Systems verhaßt ist.

Für eine Renaissance des Deutschen in Deutschland fehlt es an einer Führenden Schicht, die die Bildung hat, zu wissen, was für die Deutschen in Deutschland, in Europa und in der Welt gut ist, aber auch zu wissen, welche Voraussetzungen ein gelingendes freiheitliches Gemeinwesen hat, nämlich die hinreichende Homogenität der Bevölkerung, die Chance, daß die Menge der Menschen im Lande ein Volk sind. Anders sind Demokratie und Rechtsstaat nicht zu haben. Die als Demokratie ausgegebene Wirklichkeit ist ein autoritärer Parteienstaat mit demokratischen Elementen, vor allem den Wahlen. Der Rechtsstaat besteht institutionell, aber Verfassung und Gesetze haben ihre Unverbrüchlichkeit verloren, und nicht jeder, der einen Richterstuhl besetzt, fühlt sich dem Recht verpflichtet. Mehr und mehr setzt sich der Eindruck durch, daß es vor allem für die Verfassungsrichter wichtigere Maximen gibt als das Recht. „Die höchste Ungerechtigkeit ist, daß man gerecht scheine, ohne es zu sein“ (Platon, Politeia/Der Staat, 361a). Es gibt viele Menschen in Deutschland, auch in den Ämtern, die befähigt sind, zur Führenden Schicht zu zählen, aber es gibt eben diese Schicht nicht. Sie müßte zumindest den Höheren Dienst dominieren. In dem haben zu viele Parteigänger sich eingenistet, denen dafür alle Voraussetzungen fehlen, vor allem die charakterlichen. Man spricht von Negativauslese.

Viele Bürger, die in der Führung Deutschlands gebraucht werden und die sich der Verantwortung stellen, haben sich in einer  Opposition zusammengefunden. Sie versuchen zu retten, was zu retten ist, jedenfalls wollen sie nicht kampflos, sondern mit fliegenden Fahnen untergehen. Sie haben noch keine Macht, obwohl sie die Lage Deutschlands schon verändert haben. Ob sie rechtzeitig die Mehrheit in den Parlamenten Deutschlands erringen, bevor der Islam die Geschicke der Islamischen Republik Deutschland bestimmt, ist abzuwarten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Meine sehr persönlichen Bemerkungen versuchen, die grundlegenden Gedanken von Jost Bauch zu unterstützen. Jost Bauch hat immer schon den Mut gehabt, seine fachlichen Erkenntnisse nicht einer Karriere zu opfern. Er gehört zu den Bürgern, die eine Republik braucht, die die Freiheit als die Würde des Menschen zu ihrer Leitidee erklärt hat. Nur wer hat schon die Persönlichkeit eines Jost Bauch?

Berlin 23. Mai 2018