Kant – Vater des Grundgesetzes und die Verfassungswirklichkeit in Deutschland
Immanuel Kant – Vater des Grundgesetzes
und
die Verfassungswirklichkeit Deutschlands
Karl Albrecht Schachtschneider
Inhalt
- Einführung
- Würde des Menschen
- (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG) 7
- Freiheit versus Herrschaft
- (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) 35
- Wille und Willkür 44
- Sittengesetz und Moralität
- (Art. 2 Abs. 1 GG) 51
- Freiheit der Meinungsäußerung
- (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG) 55
- Volk und Staat
- (Art. 20 Abs. 2 GG) 61
- Parteienstaat als Demokratie
- (Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 21, Art. 38 Abs. 1 GG) 66
- Republik und Parteienstaat
- (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 GG) 83
- Recht und Gesetz
- (Art. 20 Abs. 3, Art. 94 Abs. 4 GG, Art. 97 Abs. 1 GG) 89
- Europäische Union 97
- (Art. 23 Abs. 1 GG)
Einführung
Immanuel Kant (1724 bis 1804) war und ist Aufklärer. Der revolutionäre Metaphysiker Kant ist der Lehrer der Freiheit und des Rechts an und für sich. Jean- Jacques Rousseau (1712 bis 1778) hat ihn beeinflußt.
Kant hat seine Freiheits- und Rechtslehre auf der Grundlage seiner Kritik der reinen Vernunft, 1781/1787 (KrV) in Schriften zum Staatsrecht untersucht, in: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784 (Idee); Kritik der praktischen Vernunft, 1788 (KpV); Der Streit der Fakultäten, 1789; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1786 (GzMdS); Metaphysik der Sitten, Erster Theil. Metphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 1797/ 1798 (MdS); Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793 (ÜdG); Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, 1795/96 (ZeF); Logik, 1800. Die Transzendentalphilosophie Kants näher darzulegen ist in der gebotenen Kürze nicht möglich. Der Mühe des Kantstudiums muß sich jeder, der ihn verstehen will, selbst unterziehen. Eigentlich ist es ein Frevel, Sätze von Kant aus ihrem Zusammenhang zu reißen. Jeder der Sätze Kants ist für das Verständnis seiner Philosophie wichtig. Kant ist ein Meister definitorischer Sprache und stringenter Argumentation.
Ich zitiere die für das Verständnis des Grundgesetzes relevanten Sätze Kants. Verschiedentlich zitiere ich auch Sätze anderer Philosophen. Auch die Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts zu den fundamentalen Prinzipien des Grundgesetzes gebe ich nach Möglichkeit in Zitaten des Gerichts zur Kenntnis. Danach äußere ich meine Kritik an den Widersprüchen der vom Bundesverfassungsgericht durchgesetzten Verfassungswirklichkeit zum Grundgesetz in dessen kantianischem Verständnis.
Immanuel Kant ist der Denker, dessen Freiheits- und Rechtsphilosophie dem Grundgesetz, der Verfassung Deutschlands, zugrundeliegt. Die schwerlich zu widerlegenden Textgrundlagen dafür sind Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG, der die „Würde des Menschen für unantastbar“ erklärt, und Art. 2 Abs. 1 GG, der als Grenze „Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit“, die „Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz“ nennt. Die Würde des Menschen ist es, unter dem eigenen Gesetz als dem allgemeinen Gesetz zu leben, die Freiheit also. Das Bundesverfassungsgericht hat die Menschenwürde in politischen Maximen materialisiert und praktiziert das „Sittengesetz“ als die Generalklausel gute Sitten. Das Sittengesetz ist der kategorische Imperativ. Ohne die Sittlichkeit, deren Triebfeder die Moral der allgemeinen Freiheit ist, ist ein freiheitliches Gemeinwesen nicht möglich. Das Verfassungsgericht hat beide für Deutschland essentiellen Freiheitsgrundsätze aus seiner Judikatur eliminiert. Freiheit ist Autonomie des Willens, die praktische Vernunft, nicht die Willkür, von wem auch immer. Gesetz ist der Wille. Form des Willens ist die Allgemeinheit desselben. Der Wille muß erkannt und beschlossen werden.
Die Republik ist ein Staat der allgemeinen Freiheit, nicht eine herrschaftliche Demokratie. Voraussetzung der Republikanität ist für Kant die Gewaltenteilung. Diese wird im Parteienstaat unterlaufen. Im Parteienstaat wird nicht der Allgemeinwille Gesetz, sondern die Willkür von Mehrheiten. Kant hat im Völkerstaat, wie es die Europäische Union, jetzt noch ein Staatenverbund, werden will, die Gefahr der Despotie erkannt und einen Völkerbund vorgeschlagen. Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts hat den Deutschen ihre Verfassung genommen.
Ich habe meine kantianische Verfassungslehre in verschiedenen Schriften dargelegt, insbesondere in: Res publica res populi. Grund-legung einer allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994; Prinzipien des Rechtsstaates, 2006; Freiheit in der Republik, 2007; Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre, 2015.
Kants Schriften benutze ich in der Ausgabe von Wilhelm Weischedel, Immanuel Kant, Werke in zehn Bänden, 1968. Ich zitiere im Text die Schriften mit den üblichen Abkürzungen.trong>
Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG)
Ich erörtere die Materialisierung des konstitutionellen Prinzips der Würde des Menschen mit Judikaten als Beispielen, weil sie die folgenreichste Umgestaltung des Grundgesetzes von einem Staat, dessen Gewalt vom Volke ausgeht, in einen Staat, der von seinem Verfassungsgericht beherrscht wird, ist. Diese Judikatur wird der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie das Grundgesetz geschaffen hat, nicht gerecht.
Kant: Die „Idee der Würde“ ist die „eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt“ (GzMdS, S. 67). Die „Qualität des Menschen ist es, sein eigener Herr, sui iuris, zu sein,“ (MdS, S. 345) „unter dem eigenen Gesetz zu leben“ (GzMdS, S. 67).
„Die Würde ist die Menschheit des Menschen und damit die Autonomie des Willens“ (GzMdS, S. 87 ff.; Kritik der praktischen Vernunft, 1788, KpV, S. 218). Sie ist „die Freiheit, die mit dem Menschen geboren ist“ (KrV, S. 335 ff, 385 f., 492 ff.). Darum gibt es ein „naturgesetzliches Recht auf eine bürgerliche Verfassung“ (Metphysik der Sitten, MdS, S. 374).
BVerfG: BVerfGE 27, 1 ff., 1969, Mikrozensus: Rn. 32: „In der Wert-ordnung des Grundgesetzes ist die Menschenwürde der oberste Wert (BVerfGE 6, 32 [41, Rn. 24]). Wie alle Bestimmungen des Grundgesetzes beherrscht dieses Bekenntnis zu der Würde des Menschen auch den Art. 2 Abs. 1 GG. Der Staat darf durch keine Maßnahme, auch nicht durch ein Gesetz, die Würde des Menschen verletzen oder sonst über die in Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Schranken hinaus die Freiheit der Person in ihrem Wesensgehalt antasten. Damit gewährt das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist (BVerfGE 6, 32 [41], 389 [433])“. Rn. 35: „Nicht jede statistische Erhebung über Persönlichkeits- und Lebensdaten verletzt jedoch die menschliche Persönlichkeit in ihrer Würde oder berührt ihr Selbstbestimmungsrecht im innersten Lebensbereich“.
BVerfGE 30, 1 ff., 1970, Abhörung: Die „Behandlung“ des Menschen darf „die Subjektqualität“ nicht „prinzipiell in Frage stellen“ oder „im konkreten Fall eine willkürliche Mißachtung der Würde des Menschen“ sein, darf nicht „Ausdruck der Verachtung des Wertes, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, also in diesem Sinne eine ‚verächtliche Behandlung‘ sein“.
BVerfGE 30, 173 ff., 1971, Mephisto: „Das Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde verbürgt Schutz vor solchen Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre, durch die zugleich der Mensch als solcher in seinem Eigenwert, seiner Eigenständigkeit verletzt ist“.
BVerfGE 32, 98 ff., 1971, Gesundbeter: Rn. 21:„In einem Staat, in dem die menschliche Würde oberster Wert ist und in dem der freien Selbstbestimmung des Einzelnen zugleich ein gemeinschaftsbildender Wert zuerkannt wird, gewährt die Glaubensfreiheit dem Einzelnen einen von staatlichen Eingriffen freien Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht. Insofern ist die Glaubensfreiheit mehr als religiöse Toleranz, d. h. bloße Duldung religiöser Bekenntnisse oder irreligiöser Überzeugungen (BVerfGE 12, 1 [3]). Sie umfaßt daher nicht nur die (innere) Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten (vgl. BVerfGE 24, 236 [245]). Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln“. Rn. 26: „Als Teil des grundrechtlichen Wertsystems ist die Glaubensfreiheit dem Gebot der Toleranz zugeordnet, insbesondere auf die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Würde des Menschen bezogen, die als oberster Wert das ganze grundrechtliche Wertsystem beherrscht ((BVerfGE 6, 32 [41]; 27, 1 [6]; vgl. auch BVerfGE 30, 173 [193])“.
BVerfGE 33, 23 ff., 1972, Eidesverweigerung: Rn. 13: „Als spezifischer Ausdruck der in Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde schützt Art. 4 Abs. 1 GG gerade auch die vereinzelt auftretende Glaubensüberzeugung, die von den Lehren der Kirchen und Religionsgemeinschaften abweicht. Dem Staat ist es verwehrt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren oder den Glauben oder Unglauben seiner Bürger zu bewerten“.
BVerfGE 39, 1 ff., 1975, Schwangerschaftsabbruch: Rn. 124: „Das menschliche Leben stellt, wie nicht näher begründet werden muß, innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte.“ Rn. 126: „Bei einer Orientierung an Art. 1 Abs. 1 GG muß bei der Abwägung beider Verfassungswerte in ihrer Beziehung zur Menschenwürde die Entscheidung zugunsten des Vorrangs des Lebensschutzes für die Leibesfrucht vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren fallen. Diese kann durch Schwangerschaft, Geburt und Kindeserziehung in manchen persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt sein. Das ungeborene Leben hingegen wird durch den Schwangerschaftsabbruch vernichtet“.
BVerfGE 45, 187 ff., 1977, lebenslange Freiheitsstrafe: Rn.: 136 „Freilich kann in das Recht der persönlichen Freiheit gemäß Art. 2 II 3 GG aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden“… „Der Gesetzgeber muß bei der Ausübung der ihm erteilten Ermächtigung sowohl die Unantastbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 I GG), das oberste Prinzip der verfassungsmäßigen Ordnung, als auch weitere Verfassungsnormen, insbesondere den Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und das Gebot der Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit (Art. 20 I GG) beachten. Ist schon die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus besonders gewichtigem Grund eingeschränkt werden darf, so bedarf der lebenslange Entzug dieser Freiheit einer besonders strengen Prüfung am Maßstabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“. Rn. 144: „Der Satz, ‚der Mensch muß immer Zweck an sich selbst bleiben‘, gilt uneingeschränkt für alle Rechtsgebiete; denn die unverlierbare Würde des Menschen als Person besteht gerade darin, daß er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt“. Rn.145: „Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, auf dem höchste Anforderungen an die Gerechtigkeit gestellt werden, bestimmt Art. 1 I GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne. hat den Rang eines Verfassungssatzes (BVerfGE 20, 323 [331]). Jede Strafe muß in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen (BVerfGE 6, 389 [439]; 9, 167 [169]; 20, 323 [331]; 25, 269 [285 f.]). Das Gebot zur Achtung der Menschenwürde bedeutet insbesondere, daß grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen verboten sind (BVerfGE 1, 332 [348]; 6, 389 [439]). Der Täter darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wertanspruchs und Achtungsanspruchs gemacht werden (BVerfGE 28, 389 [391]). Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen erhalten bleiben. Aus Art. 1 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist daher – und das gilt insbesondere für den Strafvollzug – die Verpflichtung des Staates herzuleiten, jenes Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht. Mit einer so verstandenen Menschenwürde wäre es unvereinbar, wenn der Staat für sich in Anspruch nehmen würde, den Menschen zwangsweise seiner Freiheit zu entkleiden, ohne daß zumindest die Chance für ihn besteht, je wieder der Freiheit teilhaftig werden zu können“.Rn.176 „Dieses Resozialisierungsinteresse ergibt sich für den Straftäter aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 GG.“ Rn. 191: „Der Kern der Menschenwürde wird getroffen, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung, seine Freiheit wiederzuerlangen, aufgeben muß“.
BVerfGE 52, 223 ff., 1979, Glaubensfreiheit: Rn.: „Als Teil des grundrechtlichen Wertsystems ist die Glaubensfreiheit dem Gebot der Toleranz zugeordnet, insbesondere auf die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Würde des Menschen bezogen, die als oberster Wert das ganze grundrechtliche Wertsystem beherrscht (BVerfGE 6, 32 [41]; 27, 1 [6]; 32, 98 [108]), und damit dem Gebot der Toleranz zugeordnet. “.
BVerfGE 82, 60 ff., 1990, Steuerfreies Mindesteinkommen: Rn. 88: „Zwingend ist lediglich, daß der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft“.
BVerfGE 102, 370 ff., 2000, Zeugen Jehovas: Rn. 84:„Art. 79 Abs. 3 GG entzieht die in Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze jeglicher Änderung. Das Grundgesetz erklärt damit neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde und den von ihm umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 84, 90 [120 f.]; 94, 12 [34 ]) auch andere Garantien für unantastbar, die in Art. 20 GG festgehalten sind. Dazu gehören die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie (vgl. BVerfGE 89, 155 [182]; 94, 49 [103]). Eine systematische Beeinträchtigung oder Gefährdung dieser vom Grundgesetz auf Dauer gestellten Grundsätze darf der Staat nicht hinnehmen, auch nicht von Seiten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaft“.
BVerfGE 109, 279 ff., 3. März 2004, Großer Lauschangriff (Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13) vom 26. März 1998 (BGBl. I S. 610): Ls. 2 „Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG gehört die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. In diesen Bereich darf die akustische Überwachung von Wohnraum zu Zwecken der Strafverfolgung (Art. 13 Abs. 3 GG) nicht eingreifen.“ Rn. 118: „Würde der Staat in ihn eindringen, verletzte dies die jedem Menschen unantastbar gewährte Freiheit zur Entfaltung in den ihn betreffenden höchstpersönlichen Angelegenheiten. Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 34, 238 [245])“. Ls 2: „In diesen Bereich darf die akustische Überwachung von Wohnraum zu Zwecken der Strafverfolgung (Art. 13 Abs. 3 GG) nicht eingreifen“. Ls. 3: „Nicht jede akustische Überwachung von Wohnraum verletzt den Menschenwürdegehalt des Art. 13 Abs. 1 GG“. Ls. 5: „Führt die auf eine solche Ermächtigung gestützte akustische Wohnraumüberwachung gleichwohl zur Erhebung von Informationen aus dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, muss sie abgebrochen werden und Aufzeichnungen müssen gelöscht werden; jede Verwertung solcher Informationen ist ausgeschlossen.“
Rn. 112: „Der Wesensgehalt ist aber nicht mit dem Menschenwürdegehalt eines Grundrechts gleichzusetzen. Eine mögliche Kongruenz im Einzelfall ändert nichts daran, dass Maßstab für eine verfassungsändernde Grundrechtseinschränkung allein der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Menschenwürdegehalt eines Grundrechts ist“.
Rn. 116: Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass es mit der Würde des Menschen nicht vereinbar ist, ihn zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfGE 30, 1 [25 f. und 39 ff.]; 96, 375 [399]). So darf ein Straftäter nicht unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs behandelt und dadurch zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung und Strafvollstreckung gemacht werden (vgl. BVerfGE 45, 187 [228]; 72, 105 [116])“. Rn. 117: „Allerdings sind der Leistungskraft der Objektformel auch Grenzen gesetzt. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird“. Rn. 124: „Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nur dort als weitere Einschränkung heranzuziehen, wo eine Abhörmaßnahme die Menschenwürde nicht verletzt“.
BVerfGE 115, 118 ff., 2006, Luftsicherheitsgesetz: Rn. 119: Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. auch oben unter C I). Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im Lichte dieses Grundrechts und der damit eng verknüpften Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1 [42]; 72, 105 [115]; 109, 279 [311]). Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status (vgl. BVerfGE 87, 209 [228]; 96, 375 [399]). Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209 [228]). Das gilt unabhängig auch von der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens (vgl. BVerfGE 30, 173 [194] zum Anspruch des Menschen auf Achtung seiner Würde selbst nach dem Tod“. Rn. 121: „Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch den Staat selbst (vgl. BVerfGE 1, 97 [104]; 107, 275 [284]; 109, 279 [312])“. Rn. 124: „Dies macht sie (sc., die Passagiere) zum Objekt nicht nur der Täter.“ „Sie sind dem Staat wehr- und hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten“. Rn. 130: „Auch wenn sich im Bereich der Gefahrenabwehr Prognoseunsicherheiten vielfach nicht gänzlich vermeiden lassen, ist es unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, gegebenenfalls sogar unter Inkaufnahme solcher Unwägbarkeiten vorsätzlich zu töten“.
BVerfGE 123, 267 ff, 2009, Lissabon: Rn. 257:„Das Sozialstaatsprinzip begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“… „Der Staat hat lediglich die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen (vgl. BVerfGE 82, 60 [80]; 110, 412 [445]).“. Rn. 259: „Namentlich die Existenzsicherung des Einzelnen, eine nicht nur im Sozialstaatsprinzip, sondern auch in Art. 1 Abs. 1 GG gegründete Staatsaufgabe, muss weiterhin primäre Aufgabe der Mitgliedstaaten bleiben, auch wenn Koordinierung bis hin zur allmählichen Angleichung nicht ausgeschlossen ist“.
BVerfGE 125, 175 ff., 2010, Hartz IV, Ls. 1: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozial-staatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind“. Ls. 2: „Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung…Ausländische Staatsangehörige verlieren den Geltungsanspruch als soziale Individuen nicht dadurch, dass sie ihre Heimat verlassen und sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf Dauer aufhalten“. Rn. 135: „Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (vgl. BVerfGE 120, 125 [155 f.]), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfGE 80, 367 [374]; 109, 279 [319]; auch BVerwGE 87, 212 [214])“.
BVerfGE 132, 134 ff., 2012, Asylbewerberleistungsgesetz: Rn. 62: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern“. Rn. 63:„Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt (vgl. BVerfGE 87, 209 [228]) und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann (vgl. BVerfGE 125, 175 [222f.). Rn. 64: „Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfGE 125, 175 [223] m.w.N.)“. Rn. 65:„Die Gewährleitung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein“.
BVerfGE 161, 299 ff., Beschluß vom 27. April 2022, Impfnachweis Covid-19: Rn. 91:„Eine mögliche Verletzung der durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Menschenwürde ist nicht aufgezeigt. Die Beschwerdeführenden legen nicht nachvollziehbar dar, weshalb die Nachweispflicht sie zum bloßen Objekt des Schutzes vulnerabler Personen machen sollte, obwohl keine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Impfpflicht besteht und es darum geht, ein gerade von ihnen ausgehendes Risiko der Übertragung von Infektionen auf vulnerable Personen zu vermeiden.“ Rn. 92: „Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs.1 GG) aufgrund der von § 20a Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 IfSG vorgesehenen Übermittlung von personenbezogenen Daten der Beschwerdeführenden an das Gesundheitsamt wird ebenfalls nicht substantiiert dargelegt“.
BVerfG, Beschluss v. 23. September 2024 – 1 BvL 9/21, Existenzsicherung: Ls.1:„Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sichert die menschenwürdige Existenz derjenigen, die hierzu selbst nicht in der Lage sind, und ist auf die dazu unbedingt notwendigen Mittel beschränkt. Er besteht nicht, wenn diese Bedürftigkeit etwa durch Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätig-keit beendet oder vermieden werden kann, auch wenn dann die Ausübung bestimmter grund-rechtlicher Freiheiten wie die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Durchführung eines Hochschulstudiums nicht möglich sein sollte“.
Die Zitate[1] erscheinen mir notwendig, um die Umwälzung der grundgesetzlichen Ordnung Deutschlands durch die Materialisierung des Begriffs der Menschenwürde vor Augen zu führen. Die Zitate sind um der Kürze willen vielfach nur Teile der umfangreicheren Texte der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
KAS: Die Würde des Menschen ist nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG unantastbar. Dieses Leitprinzip des Grundgesetzes vermag keine subjektiven Rechte zu begründen[2]. Absatz 3 des Art. 1 GG spricht von den „nachfolgenden Grundrechten“, die „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden“. „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ ist, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG). „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Absatz 2 des Art. 1 GG). Das Würdeprinzip gehört nach diesen Sätzen des Grundgeset-zes erklärtermaßen nicht zu den Grundrechten, als das es das Bundesverfassungsgericht praktiziert. Nur dieser Zugriff hat die vielen Materialisierungen des Menschenwürdesatze ermöglicht. Die Würde des Menschen ist ein fundamentales Prinzip, das die staatliche Gewalt Deutschland, also den Staat der Deutschen, nicht spezifisch leiten soll (i. d. S. BVerfGE 5, 85 (209)[3], sondern unverrückbar der politischen Freiheit verpflichtet.
Gut zwei Jahrzehnte hat es das Bundesverfassungsgericht mit dem Argument, Sozialpolitik sei wegen des Demokratieprinzips Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 59, 231, Rn. 68; 82, 60, Rn. 88; 100, 271 Rn. 59; 110, 412, Rn. 96), abgelehnt, aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (Ich spreche vom Sozialprinzip[4]) verteilungsrechtliche Rechtssätze oder gar Rechtsansprüche abzuleiten (BVerfG ebenda), zu Recht, allein schon wegen der mit der Sozialpolitik verbundenen Kosten und den damit steuerlichen und fiskalischen Entscheidungen. Es hat jedoch schon früh erklärt, daß der Staat „für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“ habe (vgl. BVerfGE 59, 231, Rn. 68; 100, 271, Rn. 59). Dem Staat hat das Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum zugemessen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Den hat es mit seiner Würdejudikatur mehr und mehr eingeengt.
Seit 1970 wird der Menschenwürdeschutz zur Verfassungsgrundlage für die verschiedensten Politiken aktiviert, für die auch die Schutzpflicht, die das Bundesverfassungsgericht aus den Grundrechten hergeleitet hat[5], zur Verfügung stand und steht. Insbesondere haben die Grundrechte Gesetzesvorbehalte, die der Politik Gestaltungsmöglichkeiten lassen. Das Bundesverfassungsgericht schafft mittels seiner Materialisierung des Menschenwürdeprinzips ohne textliche Grundlage im Grundgesetz unantastbare Verfassungssätze.
Die Würde des Menschen ist ganz im Sinne der „Idee der Freiheit“ Kants die Freiheit des Menschen. Die Väter des Grundgesetzes haben dem Grundgesetz die Ethik der Stoa zu Grunde gelegt[6], die Zenon von Kition, 300 ante Christum natum begründet hat und nach vielen anderen Autoren des Hellenismus wirkungsvoll der späte Stoiker Cicero (106 bis 43 a. Ch. n. in: De officiis. Vom pflichtgemäßen Handeln[7], 44 a. Ch. n. gelehrt hat. Ciceros Maximen sind prudentia, iustitia, fortitudo, temperantia. Das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, die Freiheit also, ist u. a. durch die Grenze des Sittengesetzes definiert; das sind nicht die guten Sitten (so aber BVerfGE 6, 389 (434 ff.); 49, 286 (299))[8]. Die freiheitliche Ethik des Grundgesetzes ist nicht liberalistisch, sondern republikanisch[9]. Das Sittengesetz ist der kategorische Imperativ Kants. Dieser in der Philosophie unangefochtene Begriff des Sittengesetzes ist nur mit einem formalen Würdebegriff vereinbar, der die Würde des Menschen darin sieht, unter dem eigenen Gesetz zu leben, das zugleich das Gesetz all derer ist, die mit ihm in einen Staat zusammenleben (Kant, GzMdS, S. 64 ff., 67, 69[10]). Das allgemeine Gesetz verwirklicht als volonté générale den Allgemeinwillen, das Recht. Ohne Freiheitslehre gibt es keine Bürgerlehre, keine Republiklehre und keine demokratische Souveränitätslehre[11]. Die Souveränität gibt dem Bürger das Recht auf Recht.
Das folgt auch aus dem Willensbegriff des Grundgesetzes (dazu 3). Das Sittengesetz ist der Schlüsselbegriff des Grundgesetzes, ohne oder gegen den die fundamentale Entscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit unverständlich ist (dazu auch 2).
Das Bundesverfassungsgericht materialisiert demgegenüber, wie gesagt, den Begriff der Würde des Menschen. Das führt zu einer gänzlich anderen Verfassung Deutschlands als die des Grundgesetzes. Die politische Freiheit ist aufgegeben. ‚Bürger‘ ist der mit begrenzten, grundrechtsgeschützten Rechten ausgestattete Untertan. Seine Obrigkeit ist die Parteienoligarchie[12], zu der das Bundesverfassungsgericht gehört. Das erweist sich in der ständigen Praxis des Gerichts. Mein Vortrag in vielen Verfassungsprozessen, Rechte des Bürgers auf seine politische Freiheit zu stützen, ist stetig zurückgewiesen worden. Insbesondere ist deswegen meine Verfassungsbeschwerde vom 30. Januar 2016 (2 BvR 242/16) gegen die Grenzöffnung vom 5. September 2015 nicht zur Entscheidung angenommen worden. Das hat dazu beigetragen, den Weg in den Niedergang Deutschlands zu ebnen.
Das Gericht hat sich mittels der Materialisierung des Menschenwürdeprinzips zum Verfassungsgeber Deutschlands aufgeschwungen. Seine Rechtssätze, die es als Gebote oder Verbote der unantastbaren Würde des Menschen praktiziert, haben unabweisbaren Verfassungsrang; denn weder der Gesetzgeber, noch die vollziehende Gewalt noch die Rechtsprechung dürfen diese ‚Erkenntnisse‘ mißachten (Art. 1 S. 2 GG), auch das Bundesverfassungsgericht nicht, soweit diese Erkenntnisse nicht derart offen formuliert sind, daß sie modifizierte Interpretationen der Würde des Menschen zulassen. Diese Rechtslage ist zusätzlich verbösert worden, seit § 31 BVerfGG durch Änderung des Grundgesetzes vom 29. Januar 2009 als Art. 94 Abs. 4 GG n. F in das Verfassungsgesetz übernommen worden ist. Nach diese Vorschriften binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die „Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gericht und Behörden“. Dieser Mißgriff kann nur noch mit den zur Verfassungsänderung erforderlichen Zweidrittelmehrheiten des Bundestages und des Bundesrates geändert werden. Zudem dürfen Sätze des Grundgesetzes wegen der Einheit der Verfassung nicht an der Würde des Menschen, wie diese das Bundesverfassungsgerichts versteht, sprich: verkennt, gemessen werden. Verfassungswidrige Verfassungsnormen gibt es nach herrschender Lehre und Praxis nicht. Das Bundesverfassungsgerichts identifiziert seine Interpretationen des Grundgesetzes mit dem Grundgesetz. Es stellt die Richtigkeit seiner Erkenntnisse nur mit großer Zurückhaltung in Frage. Praktisch gelten diese Erkenntnisse, solange der Zeitgeist sich nicht geändert hat. Der wird freilich vom Bundesverfassungsgericht tatkräftig beeinflußt. Die Rechtssätze, die vom Bundesverfassungsgericht als Würde des Menschen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ‚erkannt‘, sprich hineingelesen, werden, sind trotz Art. 79 Abs. 1 GG wegen Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich.
Die Materialisierung des Begriffs der Würde des Menschen entmachtet alle Staatsorgane Deutschlands außer dem Gericht selbst. Deutschland ist damit entdemokratisiert und hat seine Rechtsstaatlichkeit verloren. Das Bundesverfassungsgericht hat den Volksstaat (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) in einem langsam fortschreitenden ‚Umsturz‘ zu einen Richterstaat gemacht. Die Deutschen sind nicht mehr Herr ihrer Verfassung, geschweige denn ihrer Gesetze. Sie sind „Objekte“ der Richter des Bundesverfassungsgerichts, nicht wie es der Würde des Menschen genügt, Subjekte ihrer Gesetze. Sie sind nicht mehr die Souveräne ihres Staates.
Es geht darum, wer die Politik bestimmt, der Gesetzgeber, demokratisch vom Volk legitimiert, oder das Bundesverfassungsgericht, dem Gesetz nach “im Namen des Volkes”, der Sache nach ‘im eigenen Namen’. Es verkündet als die Würde des Menschen das ‘Recht’, nicht anders als jede Predigt eines Pfarrers, die das Wort Gottes von der Kanzel verkündet, vielfach sozialpolitisches Gerede. Es soll nicht geleugnet werden, daß sich das Bundesverfassungsgericht meist an die Gesetze anlehnt. Sonst würde die Gefahr drohen, daß die ‘Herrscher’ des Volkes, die plurale Parteienoligarchie, die Verfassungsgerichtsbarkeit abschafft, von der sie die Legitimierung ihrer Herrschaft erwartet. Das Volk läßt seine richterliche Staatsgewalt auch vom Bundesverfassungsgericht ausüben (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, Art. 93 GG). Das bedeutet nicht, daß es nicht vom Gesetzgeber die Gesetze geben lassen will, sondern von Richtern, wenn auch vom Bundesverfassungsgericht. Das widerspräche und widerspricht Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 70 ff. GG. Die Befugnis zur Selbstermächtigung des Bundesverfassungsgerichts steht nicht in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG.
Die Materialisierung des Würdebegriffs bindet die Bürgerschaft und deren Staat unabänderlich in Sätzen, als seien diese Rechtsätze, solange die Deutschen sich nicht eine neue Verfassung gegeben haben. Das wird kommen, aber aus einem anderen Grund als der fehlgeleiteten Judikatur des Bundesverfassungsgericht, nämlich durch die Islamisierung Deutschlands; denn der „Islam gehört zu Deutschland“, wie es nach dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble der Bundespräsident Christian Wulff und die Bundekanzlerin Merkel ‚klargestellt‘ haben – schon jetzt. Wenn die Muslime durch deren viele Einbürgerungen die Macht in Deutschland haben werden, werden sie eine neue Verfassung durchsetzen, wie das in anderen Staaten schon geschehen ist, in Deutschland schlicht durch Abstimmungen gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG.
Die Würde des Menschen ist das Fundamentalprinzip des Grundgesetzes, aber kein Grundrecht, das den Menschen in Deutschland Rechte einzuräumen und Pflichten aufzuerlegen vermag. Das stellen Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 GG mit aller Klarheit fest. Die Judikatur hat sich mittels der kulturfernen Materialisierung des Begriffs der Menschenwürde nicht nur zum Herren über Deutschland gemacht, sondern das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, gänzlich von deren Texten gelöst. Kein Rechtssatz des Grundgesetzes entfaltet noch seine von den Vätern der Verfassung bezweckte republikanische, nämlich freiheitliche, rechtsstaatliche und demokratische Verbindlichkeit. Die Kluft zwischen dem Grundgesetz und der Verfassungswirklichkeit ist unüberbrückbar. Ein Zurück zu einer „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, wie sie 1949 durch das Grundgesetz verfaßt worden ist, verlangt nach einer neuen Verfassung, welche die Deutschen sich geben. Textliche Änderungen des Grundgesetzes genügen dafür nicht, weil die Auslegung des Grundgesetzes, auch die Materialisierung des Menschenwürdeprinzips, nach der insofern ‚logischen‘ Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts die Verfassung selbst ist.
Die Würde des Menschen ist seine Freiheit, unter, wie oben zitiert, dem eigenen Gesetz zu leben (Kant, GzMdS, S. 67), sein eigener Herr zu sein, sui iuris (Kant, MdS, S. 345), „nicht der Untertan von ‚Verfassungsrichtern‘, die die von Parteien beherrschten Legislativorgane in das Verfassungsgericht gewählt haben. Eine Judikatur, die nicht an Gesetze gebunden ist, ist mit den Prinzipien eines freiheitlichen Rechtstaates unvereinbar (Art. 97 Abs. 1 GG). Die Bürger sind durch das Bundesverfassungsgericht entmündigt. Das Gericht hat das wesentliche Prinzip rechtstaatlicher Rechtsprechung verkannt, die Bindung der Richter an die Gesetzes. Nur diese Bindung rechtfertigt die Unabhängigkeit der Richter. Die Bindung an die Gesetze setzt aber deren Bestimmtheit voraus. Das ist jedoch ein materialisierter Begriff der Menschenwürde durch nichts. Der Begriff der Würde des Menschen benennt die Kultur eines aufklärerischen Gemeinwesens. Die aber läßt sich schlechterdings nicht judizieren. Ihr fehlt jede Subsumibilität. Anstelle des Wortes Würde des Menschen hätten die Väter der Verfassung auch formulieren können: Der Wille Gottes ist unantastbar. Der Rat der Hohenpriester stellt diesen fest. Er ist unfehlbar wie der Pabst (Erstes Vatikanisches Konzil, 1870). Aber der Staat ist nicht die Kirche, sondern säkularisiert.
Die Materialisierung des Menschenwürdebegriffs ist nolens volens Machtusurpation. Sie war in keiner Weise nötig, um die ‚Politik‘ durchzusetzen, der sich das Bundesverfassungsgericht durch den Zeitgeist verpflichtet gefühlt haben dürfte. Die ‚Richtersprüche‘ hätten durchgehend auf die Grundrechte gestützt werden können, die im Grundgesetz stehen. Wenn der Gesetzgeber diese auf Grund des Gesetzesvorbehalts allzu sehr eingeschränkt hätte, hätte die ‚Wesensgehaltsgarantie‘ des Art. 19 Abs. 2 GG genügt, um den Gesetzgeber zu disziplinieren. Diese Wesensgehaltsgarantie ist ausweislich des Art. 79 Abs. 3 GG nicht „unantastbar“, schon gar nicht deren Materialisie-rungen. Abwägungen zwischen der Abwehr- und der Schutzwirkung[13] der ohnehin nur wenig bestimmten Grundrechte und die Verhältnismäßigkeitsprüfungen, die das Bundesverfassungsgericht stetig praktiziert[14], geben jedwede Möglichkeit, den Gegebenheiten der Lage grundrechtlich gerecht zu werden.
Alle Grundrechte sind Menschenrechte, wie die Absätze 2 und 3 des Art. 1 GG erweisen. Hinzu kommt die Praktizierung des Rechtsprinzips an und für sich, des aristotelischen Prinzips des rechten Maßes[15], das in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtssätze überlagert[16], seien diese textlos der Unantastbarkeit der Würde des Menschen entnommen oder den Grundrechtstexten. Ohnehin gilt der Satz von Chief-Justice Charles Evans Hughes von 1905 (oder 1907):
„We are under a Constitution, but the Constitution is what the judges say it is, and the judiciary is the safeguard of our property and our liberty and our property under the Constitution“.
Die oben zitierten Sätze aus der Judikatur des Bundesverfassungsge-richts machen deutlich: Das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Art. 2 Abs. 1 GG bedarf entgegen BVerfGE 27, 1 ff. (Mikrozensus) und BVerfGE 30, 98 ff. (Mephisto) keiner Stär-kung seines Verfassungsranges durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG, die Un-antastbarkeit der Würde des Menschen. Das Grundrecht hat seine Grenzen im Soweitsatz: „die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz“. Das Gericht hat das Grundrecht ohnehin den politischen Bedürfnissen so angepaßt, wie es sie für ge-boten hält. Der Gesetzgeber hätte ohne diese Judikatur die ihm auf-gegebene Gestaltungsaufgabe, der Lage gerecht zu werden. Das muß und darf das Bundesverfassungsgericht ihm nicht abnehmen. Es ver-letzt damit insbesondere die Gewaltenteilung.
Exemplifikation: Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG, seine Mei-nung frei zu äußern… und dessen Schranken geben hinreichenden Schutz für die menschengemäße Kommunikation. Die „allgemeinen Gesetze“ (Satz 2) muß und darf nicht das Bundesverfassungsgericht geben, wie im Abhörurteil (BVerfGE 30, 1 ff.). Das ist wiederum Sache des Gesetzgebers. Das Gericht hat zu prüfen, ob die Gesetze die Meinungsäußerungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung sachgerecht und ohne die Freiheit zu mißachten einschränken. Das Gericht löst sich mit seiner Menschenwürdejudika-tur von den textlichen Grenzen des Grundrechtes, ohne daß das ei-nen materieller Freiheitsgewinn bringt oder gar die Würde des Men-schen stärkt. Die Judikatur wird von der jeweiligen Sachlage und den politischen Erwägungen bestimmt, welche Texte auch immer zugrun-de gelegt werden. Auch die Religionsgrundrechte des Art. 4 GG genügen allemal, um Religiosität und religiöses Handeln zu regeln (BVerfGE 32, 98 ff., Gesundbeter; BVerfGE 33, 23 ff., Eidesver-weigerung; BVerfGE 52, 223 ff., Glaubensfreiheit). Die „ungestörte Religionsausübung“ (Art. 4 Abs. 2 GG) unterliegt ohnehin einem Gesetzesvorbehalt (Art. 140 GG in Verb. mit Art 136 Abs. 1 WRV) . Der Schutz der Religiosität durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG macht, wenn deren Unantastbarkeit ernst genommen wird, die Ab-wehr der Islamisierung so gut wie unmöglich. Der Würdeschütz wird darüber hinaus denn auch nach Bedarf relativiert, auch und insbe-sondere durch Abwägungen mit anderen Grundrechten, denen Men-schenwürderang zugesprochen wird. Art. 13 GG erklärt die Woh-nung für unverletzlich. Dieses Grundrecht schützt das Leben in der Wohnung hinreichend vor dessen Überwachung mit technischen Vor-richtungen. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht die unantast-bare Würde des Menschen aktiviert (BVerfGE 109, 279 ff., 2004, Großer Lauschangriff), um dem Staat Vorschriften für Überwachung zu geben. Das Gericht hat für denkbar viele Fallgestaltungen von Überwachungen die Schutzansprüche und deren Grenzen dekretiert, als hätte ein Ministerialbeamter eine Vorlage für ein Überwachungs-gesetz ausgearbeitet. Wenn Vorschriften für Überwachungsmaßnah-men fehlen oder zu weit gehen, kann das Bundesverfassungsgericht deren Grundrechtswidrigkeit an Hand der in Art. 13 GG geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung feststellen, allemal an dem Wesens-gehalt dieses Grundrechts. Die Gesetzgebung hat das Gericht dem Gesetzgeber zu überlassen. Der Schutz des Lebens und der körperli-chen Unversehrtheit ist ein elementares Menschenrecht (Art. 3 A-EMR und Art. 6 Abs. 1 IPBPR). Diesen Schutz gibt das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (BVerfGE 39, 1 ff., Schwangerschaftsab-bruch; BVerfGE 115, 118 ff., Luftsicherheitsgesetz; BVerfGE 161, 299 ff., Impfnachweis Covid-19). Der Gesetzesvorbehalt des Satzes 3 des Grundrechts ist dennoch für die geschützten Grundrechte nicht verzichtbar. Würden Leben und körperliche Unversehrtheit zur Wür-de des Menschen gehören, mußte diese entgegen Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG angetastet werden, wenn die Rechtsordnung lebensgerecht sein soll. Die Verteidigung des Landes müßte einerseits unterbleiben, an-dererseits überhaupt erst in geeigneter Weise ermöglicht werden. Die unantastbare Würde des Menschen läßt keinen Gesetzesvorbehalt zu. Es geht wiederum darum, wer die Politik bestimmt, der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG schützt auch gegen nicht tragbare Besteue-rung (BVerfGE 80, 60 ff., 1990, Steuerfreies Mindesteinkommen). Besteuerung verletzt die Würde des Menschen nicht. Steuerpflichten machen Menschen allenfalls zu Untertanen der Obrigkeit (Lutherbi-bel, Römer 13, 1), wenn sie nur noch für die Finanzierung des Staates arbeiten und dadurch nicht mehr Herr ihrer selbst sind. Die Existenz-sicherung (BVerfGE 123, 267 ff, Lissabon-Urteil; BVerfGE 125, 175 ff., Hartz IV; BVerfGE 132, 134 ff., Asylbewerberleistungsge-setz; BVerfG, Beschluss vom 23. September 2024, Arbeitsverweige-rung) ist Lebenssicherung. Diese bedarf des Würdeschutzes aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG nicht. Sie findet eine hinreichende Rechtsgrundlage in dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG. Zur Existenzsicherung sind nach BVerfGE 132, 134 ff., Rn. 104 „die Werte für die sich aus den Sonderauswertungen für den Regelbedarf nach §§ 5 bis 7 RBEG ergebenden regelbedarfsre-levanten Verbrauchsausgaben für die Abteilungen 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke), 3 (Bekleidung und Schuhe), 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) und 6 (Gesundheitspflege) zu berücksichtigen.“ Das Existenzminimum bemißt sich nach den Sozial-leistungen, die in Deutschland bedürftigen Menschen gewährt wer-den müssen (Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, §§ 19 ff SGB II).
Die Folge der sozialpolitischen Materialisierung des Würdebegriffs und dessen Funktionalisierung als ein subjektives Recht auf Sozialleistungen führt wegen dessen finanzieller Sogwirkung auf Zuwanderer zum unerbittlichen Niedergang Deutschlands. Das ‚Bürgergeld‘ geht weit über den Lebensbedarf, das Existenzminimum, hinaus. Die illegalen Zuwanderer überweisen eine Großteil ihres ‚Bürgergeldes‘ an ihre Familien im Heimatland. Sie benötigen augenscheinlich diese Zahlungen für die Sicherung ihrer Existenz nicht. Auch in all den Ländern mit einer vernunftgeleiteten Praxis sterben die ‚Flüchtlinge‘, die sogenannten Asylbewerber, nicht, sondern leben in den Einrichtungen, die ihnen der Aufenthaltsstaat bereitstellt. Die Zuwanderer sind nun einmal keine Bürger Deutschlands, solange ihnen nicht die Staatsangehörigkeit Deutschlands zugesprochen worden ist. Dem illegalen Grenzübertritt der Zuwanderer wurde lange so gut wie nichts entgegengestellt. Angela Merkel: „Jetzt sind sie nun einmal hier“. Die Bundesregierung unter Friedrich Merz unternimmt einige, aber wenig wirksame, Versuche, die illegale Zuwanderung zu unterbinden, weil dessen Partei, die CDU, aber auch die CSU, sonst die Zustimmung ihrer Wähler zu verlieren befürchten. Die Massenzuwanderung gefährdet augenscheinlich die Existenz Deutschlands. Diese Politik mißachtet den wesentlichen Zweck eines Staates, die Sicherheit des Volkes im Innern und nach außen. Sie ist Ausdruck der Dekadenz eines untergehenden Gemeinwesens, wie das auch vom Untergang Römischen Imperiums in der Spätantike berichtet wird[18]. Ein Anspruch darauf, leben zu können, folgt für die Zuwanderer, solange sie, wenn auch illegal, im Land sind, aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Unterlassen des Staates, das Leben jedermanns zu erhalten, ist eine Beeinträchtigung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. In dieses Recht darf nach S. 3 des Art. 2 Abs. 2 GG durch ein Gesetz eingegriffen werden. In Betracht kommt der Schutz des Wesensgehalts des Grundrechts nach Art.19 Abs. 2 GG. Das Recht ist somit nicht als Materie der Menschenwürde unantastbar. Sozialleistungen können auf das Sozialstaatsprinzip, besser Sozialprinzip, des Art. 20 Abs. 1 GG gestützt werden und müssen vom Gesetzgeber geregelt werden. So hat das auch des Bundesverfassungsgericht, wie schon angesprochen, wegen des Demokratieprinzips jahrzehntelang praktiziert (BVerfGE 59, 231 ff., Rn. 68; 82, 60 ff., Rn. 88; 100, 271 Rn. 59; 110, 412 ff., Rn. 96). Die Regelungen müssen sachgerecht sein und können fraglos danach unterschieden werden, ob der Schutzbedürftige ein Inländer oder ein Ausländer ist, der verpflichtet ist, das Land zu verlassen. Alle Länder dieser Welt außer Deutschland unterscheiden zwischen Lebenssicherung und Sozialleistungen. Die gleichheitsrechtlichen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG stehen einer unterschiedlichen Versorgung der Bürger Deutschlands und der Zuwanderer aus Ländern, die nicht zur Europäischen Union gehören, nicht entgegen. Die unterschiedliche Behandlung ist keine Diskriminierung, weil die Zuwanderer das Land zu verlassen haben. Sie sind noch nicht abgeschoben oder nur geduldet[19]. Das Unterlassen, die Grenzen gegen unberechtigte Zuwanderung zu schützen und die Abschiebung trotz Art. 16 a Abs. 2 GG durch die Abschiebungsverbote des § 60 Aufenthaltsgesetz und deren Praxis so gut wie unmöglich zu machen[20], gefährdet die innere Sicherheit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands existentiell.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber kleinteilige Vorschriften gemacht (BVerfGE 125, 175 ff., 2010, Rnn. 132 ff.) und in der Sache die Gesetzgebung selbst übernommen. Die Rechtsprechung hätte die ‚Politik’ auch in ihre Schranken weisen können, ohne sich zum Gesetzgeber aufzuschwingen. Die Grundrechte ziehen der Politik Grenzen. Die Grundrechte sind Rechte und haben einen hinreichend bestimmten Text, der den Gerichten eine juridische Anwendung erlaubt, um den Gesetzgeber in seine Schranken zu verweisen, aber nicht durch gänzliche Unbestimmtheit die Gerichtsbarkeit geradezu zur Gesetzgebung zwingt, wie die Materialisierung des Menschenwürdebegriffs, der keine näher entfaltbare Weisung an den Gesetzgeber bereithält. Sachlichkeit richtet sich gegen Willkür, aber welche Sache gebietet ein Verfassungsbegriff ohne materiale Sachaussage? Die Würde des Menschen gebietet eine Form der Materialisierung, die freiheitliche Gesetzgebung des Volkes. Die Grundrechte dürfen nach Art. 19 Abs. 2 GG nicht in ihrem Wesensgehalt angetastet werden. Das verlangt einen materiellen Gegenstand, wie er auch den Grundrechtstexten entnommen werden kann. Als verfassungsrechtlicher Sollenssatz ermöglicht die Unantastbarkeit der Würde des Menschen dem Bundesverfassungsgericht, jedwede zeitgeistliche Empörung als Verletzung der Würde des Menschen zu verfassungsrangiger Rechtsetzung zu nutzen. Mit Rechtsprechung hat das nichts zu tun. Verfassungsändernde Gesetze und eine Änderung der Verfassungsrechtsprechung hätten Fehlentwicklungen korrigieren können. Zeitgeistlicher Eifer hat die Verfassungsrichter verführt, selbst die Rechtsetzung in die Hand zu nehmen, sogar mit unabänderlichem Verfassungsrang. Ein Verfassungsstaat bedarf eines Verfassungsgerichts. Aber ein solches muß die Tugend von Richtern haben, die fraglose Unparteilichkeit. Das verbietet eine Mitgliedschaft in politischen Parteien aus. Die ‚Bescheidenheit‘, sich den Gesetzen zu unterwerfen, wie das Art. 97 Abs. 1 GG den Richtern vorschreibt, hätte Deutschland vor dieser, möglicherweise ungewollten, Machtergreifung bewahrt. Aber Bescheidenheit ist nicht die Tugend von Parteifunktionären, die alle Verfassungsrichter, wenn auch Juristen mit meist guten Examensnoten, waren und noch sind.
Weiterhin: BVerfGE 160, 336 ff., 2022, Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen: Im Eilverfahrensbeschluß vom 10. Februar 2022 hat der Erste Senat seine Dogmatik zum Lebensschutz als Unantastbarkeit der Menschenwürde zu Rn. 19 nicht herangezogen, die er im Fall der Luftverkehrssicherheit von 15. Februar 2006 (BVerfGE 115, 118 ff.) mit dogmatischer Konsequenz zur Geltung gebracht hat. 2006 hat er zu Lasten des Lebens der weitaus größeren Zahl von Menschen entschieden, weil die Tötung auch einer geringeren Zahl von Menschen durch die Bundeswehr, also den Staat, durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ausnahmslos verboten sei. Im Beschluß vom 10. Februar 2022 hat der Senat die Pflicht des Staates, das Leben der einen zu schützen, dem Verbot, das Leben der anderen zu opfern, vorgezogen, weil die Gruppe der Ersteren weitaus größer sei als die der zweiten Gruppe. Beide Gruppen sind in ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrem Leben gefährdet. Die erste Gruppe hat der Staat vor der Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die Gesundheit und Leben zu gefährden vermag, zu schützen vorgezogen. Mitglieder der zweiten Gruppe können durch den Impfzwang, den der Staat mit der Impfpflicht bewirkt, auch Gesundheit und Leben verlieren[21]. Das Gericht bevorzugt die Vielen gegenüber den Wenigen, obwohl Schaden für Leben und Gesundheit jedes einzelnen Mitgliedes beider Gruppen möglich ist. Allerdings bezieht der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seine Abwägung auch ein, daß die erste Gruppe durch Alter, Krankheit usw. stärker gefährdet sei als die zweite Gruppe aus jüngeren Menschen im Arbeitsleben, aber auch die hohe Infektionsgefahr durch das Coronavirus SARS-CoV-2 gegenüber der äußerst seltenen Gefahr der Impfung. BVerfGE 160, 336 ff., 1 Rn. 23:
„Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber“.
Diese Abwägung ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Der Senat löst sich von der langjährigen Judikatur zum Lebens- und Gesundheitsschutz durch die Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Unantastbarkeit des Wesensgehalts der Grundrechte. Jeder Mensch hat das Recht zu leben und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, jeweils als seine Grundrechte in deren unantastbaren Wesensgehalt geschützt. Im Übrigen genügen die auf die Grundrechte gestützten Schutzpflichten des Staates für den Schutz des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit[22]. Das Verbot, daß der Staat auch nur einen Menschen tötet, um das Leben vieler Menschen zu retten, das das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz (BVerfGE 115, 118 ff.) 2006 festgestellt hat, hat das Gericht im Hauptsachebeschluß vom 27. April 2022 (BVerfGE 161, 299 ff.) zum Impfnachweis Covid-19 in das Gegenteil verkehrt und dem Leben der Vielen, deren Leben ohne die allgemeine Impfpflicht als gefährdet angesehen wurde, gegenüber dem Leben der Wenigen, die wegen Impfdurchbrüchen zu Tode kommen konnten, den Vorzug gegeben. Die größere Lebensgefahr für die vulnerablen Menschen durch Infektion von nicht geimpften Menschen ist allemal größer als die durch die Impfung, wie das der Senat zu Rnn. 228 ff. des Beschusses ausführt. Aber es gibt auch Impfdurchbrüche und Erkrankungen an Long Covid, die Menschen das Leben oder die Gesundheit kosten können[23]. Freiwillige Impfungen hätten dem Staat den Vorwurf der Verletzung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erspart. Zu vermerken ist, daß diese Rechtslage in der Öffentlichkeit so gut wie nicht bekanntgemacht wurde. Ohne Impf-pflicht sind im Übrigen auch nicht mehr Menschen gestorben als mit Impfpflicht, wie die Praxis Schwedens erwiesen hat. Aber das Judikat war zeitgeistgemäß und entsprach der unablässigen Propaganda Deutschlands für die Impfung und die Impfpflicht. Es war ‚sicher nicht‘ den Geschäftsinteressen der Pharmaunternehmen geschuldet.
Dem Bundesverfassungsgericht scheint es langsam klar zu werden, daß es den Fehlgriff, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen entgegen dem Text des Art. 1 GG und trotz der gänzlichen Unbestimmtheit dieses ethischen Fundamentalprinzips als Grundrecht zu praktizieren, zu weit geht.
Außerdem: Fast durchgehend hat das Bundesverfassungsgericht den Grundrechtsschutz auf den „Kern“ der Grundrechte reduziert, was immer das sei. Einen Rechtsbegriff des ‚Kerns‘ gibt es nicht.
So hat das Gericht den Schutz des Rechts an der eigenen Persönlichkeit durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG auf dessen unbedingt schutzbedürftigen und darum unantastbaren Kern der Menschenwürde beschränkt (st. Rsp.[24]). Das ist Dogmatik von Willkürjudikatur, die an Stelle von textgebundener Begrifflichkeit der Rechtsprechung (Art. 97 Abs. 1 GG) Vertrauen in die ‚Weisheit‘ des Gerichts einfordert.
- Freiheit und Herrschaft (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG)
Kant: Die Freiheit ist das „einzige, ursprüngliche“, „jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“, ein „angeborenes Recht“ (MdS, S. 345 f.). Freiheit, auf der alles Recht gründet und welche durch Gesetze des Rechts Wirklichkeit findet, ist ein Begriff der reinen Vernunft einer die Erfahrung übersteigenden „transzendentalen Idee der Freiheit“, der Kausalität einer „absoluten Spontaneität der Ursachen“ (KrV, S. 488 ff.[25]). „Die Freiheit ist nur eine Idee der Vernunft, deren objektive Realität an sich zweifelhaft ist, Natur aber ein Verstandesbegriff., der seine Realität an Beispielen der Erfahrung beweiset und notwendig beweisen muß“ (GzMdS, S. 92). Die dritte Antinomie, nämlich: „Es gibt keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur“ (KrV, S. 427, 495 ff.) einerseits und andererseits: „Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werde können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zu Erklärung derselben anzunehmen notwendig“ (KrV, S. 426, 428). „Die Freiheit im praktische Verstande ist die Unabhängigkeit der Willkür von der Nötigung durch Antriebe der Sinnlichkeit“ (KrV, S. 489). „Beide Thesen sind ohne Widerspruch und die Antinomie nicht auflösbar“ (KrV, S. 331 ff., 426 ff.).
„Das moralische Sollen ist also eigenes notweniges Wollen als Gliedes einer intelligiblen Welt, und wird nur so fern von ihm als Sollen gedacht, als er sich zugleich wie ein Glied der Sinnenwelt betrachtet“ (GzMdS, S. 91).
Die Idee des homo noumenon, die Idee der Freiheit, die Idee der Vernunft offenbart sich uns allerdings im Faktum des Sollens, im Gewissen (MdS, S. 573, u. ö.). Das „sittliche Gesetz“ ist in der „reinen Philosophie zu suchen“; ohne diese „Metaphysik“ kann es keine „Moralphilosophie“ geben (GzMdS, S.14)[26].
Für den politischen und folglich staatsrechtlichen Zweck müssen hier zwei Sätze genügen, der zweite nur in einem Teil:
„Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Rücksicht, wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so, als ob sein Wille auch an sich selbst, und in der theoretischen Philosophie gültig, für frei erklärt würde “ (GzMdS, S. 83). „.., denn Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe“ (GzMdS, S. 86). Wohlgemerkt: „…eigene Gesetzgebung des Willens“ ist nicht die subjektive Willkür eines Menschen (dazu zu 3 und 4). Der Wille gibt die Gesetze, die volonté générale Rousseaus, der objektive Allgemeinwille zum Richtigen für das allgemeine Wohl auch der Grundlage der Wahrheit. Wenn die Ursache des Geschehens ausschließlich die Natur ist, gibt es kein Handeln, keine Praxis. Die „Autonomie des Willens“ besagt; der Wille ist selbstgesetzgebend, nicht etwa der Mensch. Der hat nur die Möglichkeit, den Willen zu erkennen. Kants Rechtslehre ist kognitivistisch, nicht dezisionistisch[27] (dazu zu 4).
„Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“ (MdS, S. 345). Das ist die äußere Freiheit.
„Der bürgerliche Zustand also, bloß als rechtlicher Zustand betrachtet, ist auf folgende Prinzipien gegründet:
- Die Freiheit jedes Gliedes der Sozietät, als Menschen.
- Die Gleichheit desselben mit jedem anderen, als Untertan.
- Die Selbständigkeit jedes Gliedes eines gemeinen Wesens, als Bürger.“
„Diese Prinzipien sind nicht sowohl Gesetze, die der schon errichtete Staat gibt, sondern nach denen allein ein Staatserrichtung, reinen Vernunftprinzipien des äußeren Menschenrechts überhaupt gemäß, möglich ist. Also…“ (ÜdG, S. 145):
„Der bürgerliche Zustand also, bloß als rechtlicher Zustand betrachtet, ist auf folgende Prinzipien a priori gegründet“, die Kant näher erörtert (ÜdG, S. 145 ff.), ich aber zu 1., 2., 3. nur in Kernsätzen anführe:
- „Die Freiheit als Mensch…“ „Eine Regierung, die auf dem Prinzip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder gerichtet wäre, d. i. eine väterliche Regierung (imperium paternale), wo …: ist der größte denkbare Despotismus (Verfassung, die alle Freiheit der Untertanen, die alsdann gar keine Rechte haben, aufhebt).“
- „Die Gleichheit als Untertan“.. „Es ist aber alles, was unter den Gesetzen steht, in einem Staat Untertan, mithin dem Zwangsrechte, gleich allen anderen Mitgliedern des gemeinen Wesens, unterworfen“…
- „Die Selbständigkeit (sibisufficientia) eines Gliedes des gemeinen Wesen als Bürgers, d. i. als Mitgesetzgebers.“
Freiheit, Gleichheit und Selbständigkeit sind eine Einheit (vgl. MdS, S. 432 ff.; ÜdG, S. 150 ff.).
„Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heißt ein Bürger (citoyen), d. i. Staatsbürger, nicht Stadtbürger, bourgeois“. „Die dazu erforderliche Qualität ist, außer der natürlichen (daß er kein Kind, kein Weib sei), die einzige: daß er sein eigener Herr sei (sui iuris, mithin irgend ein Eigentum habe…“ (ÜdG, S. 151).
„Es müssen aber auch alle, die dieses Stimmrecht haben, zu diesem Gesetz der öffentlichen Gerechtigkeit zusammenstimmen;…. Wenn also das erstere von einem ganzen Volk nicht erwartet werden darf, mithin nur eine Mehrheit der Stimmen und zwar nicht der stimmenden selbst unmittelbar (in einem großen Volk), sondern nur der dazu Delegierten, als Repräsentanten des Volks, dasjenige ist, was allein man als erreichbar voraussehen kann: so wird doch selbst der Grundsatz, sich diese Mehrheit genügen zu lassen, als mit allgemeiner Zustimmung, also durch einen Kontrakt angenommen, der oberste Grund der Errichtung einer bürgerlichen Verfassung sein müssen“ (ÜdG, S. 152 f.). Bemerkung: Das ist „die Idee des Sozialkontrakts“ (ÜdG, S. 159).
Zur Freiheit als die Autonomie des Willens siehe auch zu 4.
Die innere Freiheit ist die Sittlichkeit, deren Gesetz das Sittengesetz, der kategorische Imperativ, ist (dazu 3).
BVerfG: „Die Ausübung der Staatsgewalt durch die Organe des deutschen Volkes ist staatliche Herrschaft“ (BVerfGE 2, 1 (12); seither st. Rsp.[28]). Das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehört zur allgemeine Handlungsfreiheit (BVerfGE 34, 238 (247). Der Gesetzgeber darf die Grundrechte durch Gesetze einschränken. „Die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz“ sind die „Schrankentrias“ des Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Freiheit der Bürger sieht das Bundesverfassungsgericht durch Art. 2 Abs. 1 GG nicht geschützt[29]. Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat (BVerfGE 7, 198 (204); st. Rsp.; BVerfGE 97, 350 (370 ff.) und zugleich Schutzpflichten des Staates aus demselben Grundrechtstext (BVerfGE 39, 1 (42, Rn. 124)[30]. Abwehr und Schutz werden gegeneinander nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips abgewogen, nämlich der Legitimität einer Maßnahme, deren Geeignetheit und Notwendigkeit, den Zweck der Maßnahme zu erreichen, und dem rechte Maß derselben (BVerfGE 28, 243 ff., Rn. 71; st. Rsp.[31]). Der Wesensgehalt eines Grundrechts, der nach Art. 19 Abs. 2 GG in keinem Fall angetastet werden darf, ist nicht mit dem Menschenwürdegehalt eines Grundrechts gleichzusetzen“ (BVerfGE 109, 279 ff., Rnn. 112, 116 ff.)[32].
KAS: Kant entwirft, unschwer erkennbar, die Verfassung einer Republik, eines Gemeinwesens der Freiheit, Gleichheit und Selbständigkeit.
Die Rechtsprinzipien a priori folgert Kant aus der Ethik als der Lehre von der Freiheit[33], nicht aus der empirischen Natur des Menschen, dem homo phaenomenon, ab. Diese werde als determiniert erfahren (KrV, S. 426 ff., 495 ff., 500, 505; Der Streit der Fakultäten, 1789, S. 364)[34].
Keine Herrschaftsdogmatik hält die freiheitliche Unterscheidung der „respublica noumenon“ von der „respublica phaenomenon“ durch[35], deren Notwendigkeit Kant klargestellt hat (etwa: Der Streit der Fakultäten, 1789, S. 364[36]). Die meist empiristischen Herrschaftslehren stilisieren das ewige Phänomen der Herrschaft von Menschen über Menschen zu einer legitimierenden oder auch denunzierenden Ideologie von Herrschaft. Dem Begriff Herrschaft gebührt jedoch neben dem der Freiheit keine normative Kraft (des Faktischen)[37]. Vielmehr darf keine Mühe gescheut werden, die Wirklichkeit dem Recht, also der allgemeinen Freiheit, anzupassen, d. h. „Herrschaft von Menschen über Menschen“[38] zu bekämpfen[39]. Das aber erfordert eine Lehre von einem herrschaftsfreien Gemeinwesen, von der Republik (Kant, Idee, S. 40 f.; auch ders., ZeF, S. 204 ff.). Jede Herrschaftsideologie gibt die Chance irrationaler Argumentation. Darin liegt ihr verführerischer Reiz, aber: „Mit der Republik endet die Geschichte der Herrschaft und ihrer rechtsstaatlichen Milderung, endet gleichsam die republikanische Embryologie. Mit der Republik beginnt die Geschichte der Vernunft“[40].
Freiheit ist die Würde des Menschen, nämlich unter dem eigenen Gesetz, das zugleich ein allgemeines Gesetz ist, zu leben (dazu zu 1). Bestimmte Rechte eines freiheitlichen Gemeinwesens werden durch die Grundrechte des Grundgesetzes verfassungsbeschwerdefähig (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG) geschützt. Gesetze verwirklichen die Freiheit. Sie schränken die Freiheit nicht ein, sondern begrenzen die Ausübung der Freiheit[41]. Politische Freiheit ist die Bürgerlichkeit des Bürgers[42].
Herrschaft ist das Gegenteil von Freiheit (dazu vor allem 6 und 7).
Abwehrrechte und Schutzpflichten auf dieselben Grundrechtstexte zu stützen, erzwingt die Abwägung zwischen dem Abwehr- und dem Schutzzweck der Grundrechte und nimmt diesen die subsumible Materie. Abwägung ist dezisionistische Politik des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht mißt die Richtigkeit seiner Politik am Verhältnismäßigkeitsprinzip. Mit dieser Judikatur ermächtigt sich das Gericht zu einer Sachlichkeit, die es selbst als richtig empfindet. Es unterwirft sich nicht den Gesetzen. Die Unabhängigkeit haben Richter aber nur im Rahmen der Gesetzesbindung (Art. 97 Abs. 1 GG). Die Verfassungsrichter übernehmen die Funktion des Verfassungsgebers; denn die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden nach § 31 Abs. 1 BVerfGG, Art. 94 Abs. 4 GG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden wie das geschriebene Verfassungsgesetz, das Grundgesetz, selbst. Zur Verfassungsgebung hat das Bundesverfassungsgericht weder die Befugnis noch die demokratische Legitimation. Das Gericht mißachtet damit das Rechtsstaatsprinzip, zumal die Gewaltenteilung. Richterliche Gesetzgebung ist herrschaftliche Willkür. Eine solche Praxis, zumal das grundrechtliche Abwägungsprinzip, macht die Grundrechte wirkungs-los. Schutzpflichten erwachsen dem Sicherheitszweck des Staates, nicht den Grundrechten. Das Gericht hat zu prüfen, ob die Schutzmaßnahmen die grundrechtsgeschützten Rechte verletzen. Es ist an deren Texte gebunden[43].
Das Bundesverfassungsgericht, der vermeintliche Hüter der Verfassung, beschränkt sich nicht darauf die Freiheit zu schützen. Es hat mittels seines letzten Wortes über Recht und Unrecht die Herrschaft in Deutschland in seine Hände genommen.
- Wille und Willkür
- J. Rousseau: „Die bürgerliche Freiheit“ ist „durch den Gemeinwillenbegrenzt.“ … „zum Erwerb des bürgerlichen Standes“ gehört „die sittliche Freiheit“, „die allein den Menschen zum wirklichen Herrn seiner selbst macht …“ … „der Gehorsam gegen das selbstgegebene Gesetz ist Freiheit.“ (Contract social (Vom Gesellschaftsvertrag), I, 8, S. 22 f.) [44]
Die Minderheit irrt sich über die volonté générale, den Allgemeinwillen. Die irrende Minderheit will, was die Mehrheit beschlossen hat (Contract social, IV 2, S. 116 ff., u. ö.[45]). Der Beschluß der Mehrheit ist vom Irrtum frei. Mit dieser Erkenntnis, einer notwendigen Fiktion, hat Rousseau die Philosophie der Freiheit den Weg geebnet. Kant ist ihm gefolgt.
Kant: „Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei“ (GzMdS, S. 91).
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille“ (GzMdS, S. 18).
„Da zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anders, als praktische Vernunft“ (GzMdS, S. 41).
„Daher sind Imperativen nur Formeln, das Verhältnis objektiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjektiven Unvollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z. B. des menschlichen Willens, auszudrücken“ (GzMdS, S. 43).
„Der Wille ist schlechterdings gut, der nicht böse sein kann, mithin dessen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetz gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten kann“ (GzMdS, S. 70).
Die „Form des Willens“ ist die „Allgemeinheit desselben“ (GzMdS, S. 70).
„Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? wo nicht, so ist sie verwerflich, und das zwar nicht um eines dir, oder auch anderen, daraus bevorstehenden Nachteils willen, sondern weil sie nicht als Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann, für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: daß es eine Schätzung des Wertes sei, welcher allen Wert dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und daß die Notwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Beweggrund weichen muß, weil sie die Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Wert über alles geht.“ (GzMdS, S. 30)
„Moralität ist also das Verhältnis der Handlungen zur Autonomie des Willens, das ist, zur möglichen allgemeinen Gesetzgebung durch die Maximen desselben.“ (GzMdS, S. 73 f.) … „Der Wille, dessen Maximen notwendig mit den Gesetzen der Autonomie zusammenstimmen, ist ein heiliger, schlechterdings guter Wille. Die Abhängigkeit eines nicht schlechterdings guten Willens vom Prinzip der Autonomie (die moralische Nötigung) ist Verbindlichkeit.“ (GzMdS, S. 74) … „Die objektive Notwendigkeit einer Handlung aus Verbindlichkeit heißt Pflicht“ (GzMdS, S. 74).
„…; was kann denn wohl die Freiheit des Willens sonst sein, als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein. Der Satz aber: der Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Prinzip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines Gesetz zum Gegenstand haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des kategorischen Imperativs (dazu 4) und das Prinzip der Sittlichkeit: also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei“ (GzMdS, S. 81 f.).
„Die Freiheit der Willkür ist jene Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe; dies ist der negative Begriff derselben. Der positive Begriff ist: das Vermögen der reinen Vernunft, für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter die Bedingung der Tauglichkeit der ersteren zum allgemeinen Gesetze“ (MdS, S. 318; vgl. auch S. 519 f.).
„Von dem Willen gehen die Gesetze aus; von der Willkür die Maximen. Die letztere ist im Menschen eine freie Willkür; der Wille, der auf nichts anderes, als bloß aufs Gesetz geht, kann weder frei noch unfrei genannt werden, weil er nicht auf Handlungen, sondern unmittelbar auf die Gesetzgebung für die Maxime der Handlungen (also die praktische Vernunft selbst) geht, daher auch schlechterdings notwendig und selbst keiner Nötigung fähig ist. Nur die Willkür also kann frei genannt werden“ (MdS, S. 332).
„Nun kann der einseitige Wille in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen, Besitzes nicht zum Zwangsgesetz für jedermann dienen, weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch tun würde. Also ist nur ein jeden anderen verbindender, mithin kollektiv-allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, welcher jedermann Sicherheit leisten kann“…“Also kann es nur im bürgerlichen Zustande ein äußeres Mein und Dein geben“ (MdS, S. 365 f.)
BVerfG: Rousseauismus und Kantianismus sind dem Bundesverfassungsgericht fremd.
Das Gericht kennt den „natürlichen Willen“ (etwa BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. November 2024 – 1 BvL 1/24 – , durchgehend) und den „freien Willen“ (Rn. 100)
BVerfGE 142, 313 (339 f. Rnn. 74 ff., 80): „Der Gesetzgeber muss für Fälle, in denen drohende erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich einer Lebensgefahr durch nicht zu eingriffsintensive Behandlungen mit hohen Erfolgsaussichten abgewehrt werden können, die Betroffenen aber aufgrund ihrer krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit mit ihrem natürlichen Willen eine solche Behandlung ablehnen, die Möglichkeit einer medizinischen Zwangsbehandlung vorsehen. Die staatliche Schutzpflicht hat bei erheblicher Gesundheitsgefährdung einer zum eigenen Schutz selbst nicht fähigen Person besonderes Gewicht“.
KAS: Kant unterscheidet den Willen von der Willkür. Die Freiheit ist es, das Gesetz, das Richtige für das gemeinsame Leben der Bürger, für die Republik also, auf der Grundlage der Wahrheit, zu verwirklichen. Der Wille ist autonom. Kant handelt nicht von einer Autonomie, sondern gemäß dem griechischen Wort αὐτονομία von einer „Autonomie des Willens“. Das heißt der Wille ist sich selbst Gesetz. Der Wille als der Allgemeinwille ist die praktische Vernunft (dazu KAS, Res publica res populi, S. 521 ff.). Das Gesetz ist ein Obiectivum, das Richtige für das Volk, das Gemeinwohl, die volonté générale. Die Gesetze müssen auf der Grundlage der Wahrheit mit Hilfe der Besten des Volkes erkannt werden.
Die Willkür der Mehrheit bei Abstimmungen legitimiert nicht die Herrschaft über das Volk. Die Dogmatik des Willens als des Allgemeinwillens ergibt sich aus der Existentialität des Gemeinwesens, das um des Gemeinwohls willen einen Gemeinwillen haben muß, um miteinander in Frieden leben zu können. Aristoteles, Politik[46], Erstes Buch, 1253 a 2 f., S. 49: „Der Mensch ist von Natur ein staatenbildendes Wesen“, ζῷον πολιτικόν. Das ist die ‚Logik‘ der Politik. Der Gegenstand der Politik ist das Wohl aller Bürger, der πόλις als der Bürgerschaft, dem Staat. Das Gemeinwohl ist der Wille jedes Bürgers als Bürger des Gemeinwesens, des Staates, als homo noumenon, nicht als Tyrann oder Sklave. Die Verwirklichung des Gemeinwohls ist der Gegenstand der Gesetze, der νόμοι. Die Allgemeinverbindlichkeit ist der Begriff des Gesetzes. Sie folgt aus der Gleichheit der Bürger als Bürger, die demgemäß vor dem Gesetz gleich sind (Art. 3 Abs. 1 GG). Welches ist dieser Wille? Er ergibt sich aus der Lage, nicht aus der Willkür die Vielen, deren „Habsucht, Ehrsucht und Machtsucht“ als homines phainomenoi, als „Sinnenwesen“ (Kant, MdS, S. 332 f.). Der Wille ist das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit[47]. Den Allgemeinwillen müssen die Bürger als homines noumenoi erkennen. Der Kategorische Imperativ der Transzendentalphilosophie Kants entspricht in allen seiner drei Formeln dieser existentiellen Logik (dazu 4). Wie das Naturgesetz muß das politische Gesetz, das als Gesetz durch seine Allgemeingültigkeit gekennzeichnet ist, erkannt werden.
Es sei wiederholt: Die gesetzgeberische Wille in der Republik ist in Rousseaus und Kants Lehren begrifflich allgemein, wie die obigen Zitate erweisen, nicht etwa der eines einzelnen Bürgers. In der absoluten Monarchie ist das gemäß der Natur des Sache der Wille des Herrschers.
Den Willensbegriff des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, wonach die Parteien an der „politischen Willensbildung des Volkes mitwirken“ hat das Bundesverfassungsgericht nicht eigens zu erfassen versucht.
Den Begriff des „freien Willens“ verbindet das Gericht nicht mit dem „Maßstab objektiver Vernünftigkeit“ oder der praktischen Vernunft. Den Willen hält das Gericht für frei, ohne daß Entscheidungen am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtet sein müssen. Der freie Wille besteht, unabhängig davon, ob der Mensch fähig ist, den Willen zu erkennen, also selbstbestimmt über sein Leben entscheiden zu können.
Die Begrifflichkeit des Bundesverfassungsgerichts hat keinerlei Nähe zur kantischen Philosophie der Autonomie des Willens. Die Dogmatik des Gerichts zu den Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes legt die Annahme nahe, daß das Bundesverfassungsgericht einen Begriff des freien Willens als Willensbegriff praktiziert, der dem kantianischen Begriff der Willkür entspricht, ohne sich über die Begriffe Klarheit verschafft zu haben. „Willkür“ versteht das Gericht als grobe Unsachlichkeit, die, am Gerechtigkeitsgedanken orientiert, den Gleichheitssatz verletzt (BVerfGE 54, 11 (25 f.); 71, 39 (58 f.); st. Rsp.; KAS, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 329 ff.). Willkürliches Handeln, das dem Sittengesetz genügt, ist frei und gerade nicht verboten. Sittlichkeit folgt Maximen des Handelns, die der Gesetzlichkeit fähig sind. Willkür ist notwendig, wenn Handeln nicht lediglich Gesetzesvollzug ist, aber sie soll frei sein, also sittlich oder eben dem autonomen Willen genügen.
Sittlichkeit ist ein Imperativ, eine Pflicht, deren Erfüllung im Gegensatz zur Gesetzlichkeit des Handelns nicht erzwungen werden kann. Willkür ist somit im kantianischen Verständnis nur ein Gleichheitsverstoß, wenn sie dem Sittengesetz nicht genügt und deswegen nicht freiheitlich ist. Dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes wird gewissermaßen das Prinzip der Sittlichkeit der Gesetze abgewonnen, entgegen dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG, der nur die „Gleichheit vor dem Gesetz“ gebietet, also die Gleichheitlichkeit der Gesetzesanwendung, nicht aber eine Gesetzgebungsgleichheit (dazu KAS, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 329 ff.). Die Mißachtung des Gleichheitsprinzips durch den Gesetzgeber nimmt das Bundesverfassungsgericht nicht hin, weil sie ‚ungerecht‘ ist.
Die gleichheitswidrige ist Unrecht, weil sie den Allgemeinwillen verkennt oder nicht achtet. Daß das Bundesverfassungsgericht sich mittels des ‚Erkenntnisses‘ der Gleichheitswidrigkeit eines Gesetzes zum Gesetzgeber macht, ist augenscheinlich; denn allgemeiner als das der Gerechtigkeit kann ein Rechtsprinzip nicht sein. Diese ‚Rechtsprechung‘ hat die Unterwerfung unter die Gesetze (Art. 97 Abs. 1 GG) abgeschüttelt. Ihr fehlt die demokratische Legitimation. Der Sachgerechtigkeit der Gesetzgebung im Parteienstaat, der durch die Negativauslese der in die Parlamente abgeordneten Parteifunktionäre gekennzeichnet ist, scheint selbst das Bundesverfassungsgericht nicht zu vertrauen.
Nur Freiheit ist Frieden, nämlich, wie zu 2 zitiert, die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ (Kant, MdS, S. 345). Die Willkür der Mehrheit, die volonté des tous, schafft keine Gesetze, sondern setzt Vorschriften durch, die ein Instrument der Herrschaft sind. Das Grundgesetz institutionalisiert „Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung“, die, wenn es nicht durch Abstimmungen geschieht, die Staatsgewalt des Volkes ausüben. Die „Vertreter des ganzen Volkes“ „sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Sie sollen nämlich den Willen des Volkes als den Allgemeinwillen erkennen und beschließen und nicht die Willkür der Mehrheit zum Gesetz machen, es sei denn diese ist frei, also der Allgemeinwille[48]. Die Mehrheit hat kein Recht, die Minderheit zu beherrschen. Es gibt in der Republik kein Mehrheitsprinzip[49] (dazu 7). Der Republikanismus der freiheitlichen Erkenntnis des allgemeinen Willens des Volkes bedarf der Mehrheitsregel in den Organen, wie jeder Kognitivismus, etwa die Rechtssprüche der Kollegialgerichte[50]. Führer entscheiden dezisionistisch, auch die kleinen Führer in Parteien und Unternehmen.
- Sittengesetz und Moralität (Art. 2 Abs. 1 GG)
Kant: Das Sittengesetz ist die universalisierte Fassung der biblischen lex aurea (GzMdS, S. 25; KpV, S. 113; MdS, S. 586 ff.): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; denn ich bin der Herr“ (3. Mose 19,18).“Der oberste Grundsatz der Sittenlehre ist also: handle nach einer Maxime, die zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann. – Jede Maxime, die sich hiezu nicht qualifiziert, ist der Moral zuwider“ (MdS, S. 332).
Das Sittengesetz ist der Kategorische Imperativ. Die drei Formeln sind:
Die deontische Formel: „…Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde“ (GzMdS, S. 51), oder: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ (KpV, S. 140).
Die Naturgesetzformel: „…Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte“ (GzMdS, S. 51).
Die Selbstzweckformel: „…Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person jedes andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (GzMdS, S. 61).
Das „allgemeine ethische Gebot“ ist: „Handle pflichtmäßig, aus Pflicht“ (MdS, S. 521, 523). Moralität ist nicht erzwingbar (MdS, S. 508 ff., 511 ff., 520 ff., 527 ff.). Um es zu wiederholen: „Die „Wissenschaft“ „von der Freiheit“ „ist Ethik“ (GzMdS, S. 11). „Das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen (‚vor welchem sich seine Gedanken einander verklagen oder entschuldigen‘) ist das Gewissen“ (MdS, S. 573).
„Die Tugendpflicht ist von der Rechtspflicht wesentlich darin unterschieden: daß zu dieser ein äußerer Zwang moralisch-möglich ist, jene aber auf dem freien Selbstzwange allein beruht“ (MdS, S. 512). „Ein anderer kann mich zwar zwingen, etwa zu tun, was nicht mein Zweck (sondern nur Mittel zum Zwecke eines anderen) ist, aber nicht dazu, daß ich es mir zum Zwecke mache, und doch kann ich keinen Zweck haben, ohne ihn mir zu machen“ (MdS, S. 510 f.) „Aber sich selbst einen Zweck zu setzen, der zugleich Pflicht ist, ist kein Widerspruch; weil ich da mich selbst zwinge, welches mit der Freiheit gar wohl zusammen besteht“ (MdS, S. 511).
„Zwecke, die zugleich Pflichten sind“: „Eigene Vollkommenheit – Fremde Glückseligkeit“ (MdS. S. 515). Die „eigene Vollkommenheit“ „kann also nichts anders sein als Kultur seines Vermögens (oder der Naturanlage), in welchem der Verstand, als Vermögen der Begriffe, mithin auch deren, die auf Pflicht gehen, das oberste ist, zugleich aber auch seines Willens (sittlicher Denkungsart), aller Pflicht überhaupt ein Genüge zu tun“ (MdS, S. 516). „Glückseligkeit, d. i. Zufriedenheit mit seinem Zustand, sofern man der Fortdauer derselben gewiß ist, sich zu wünschen und zu suchen ist der menschlichen Natur unvermeidlich; eben darum aber auch nicht ein Zweck, der zugleich Pflicht ist“ (MdS, S. 517).
Die Republik braucht den „moralischen Politiker, nicht den politischen Moralisten“ (ZeF, S. 233).
BVerfG: Das Sittengesetz in Art. 2 Abs. 1 GG sind die guten Sitten (BVerfGE 6, 389 (434 ff.); st. Rsp.). Die kantianische Moral- und Tugendlehre scheinen dem Bundesverfassungsgericht unbekannt.
KAS: Ohne Moralität gibt es keine Sittlichkeit, ohne Sittlichkeit kein Rechtlichkeit.
Der Schlüssel zum Verständnis des Grundgesetzes ist das Sittengesetz. Die Sittlichkeit gemäß dem Sittengesetz ist das zentrale Prinzip des Grundgesetzes, weil die Verbindlichkeit des Sittengesetzes zur Ethik als der „Wissenschaft“ der „Freiheit“ (GzMdS, S. 11) und folglich zum Begriff der Freiheit gehört (Art. 2 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat das Sittengesetz aus der Verfassungswirklichkeit entfernt. Die Freiheit ist entgegen der Unantastbarkeit der Menschenwürde zu einem entpolitisierten Schutzrecht von Untertanen vor unverhältnismäßigen Maßnahmen der Obrigkeit, der pluralen Parteienoligarchie[51], abgewertet. Das Bundesverfassungsgericht leugnet die politische Verantwortung, die das Grundgesetz den Bürgern mit dem kantianischen Freiheitsbegriff zugewiesen hat. Die Bürger genannten Untertanen dürfen konsumieren, solange die Wirtschaft sie versorgt und die politische Klasse ihnen die Mittel dafür nicht nimmt, auch um Interessen zu unterstützen, die Deutschland nichts angehen, wie fremde Kriege[52]. Damit hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassung geschaffen, jedenfalls immanente Verfassungsänderungen zugelassen, die mit dem Grundgesetz nichts mehr gemein hat, außer Verfahrensregelungen. Auch den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht die politische Bedeutung im Wesentlichen abgesprochen. Es hat sie zu einem Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsprinzip nivelliert und damit seiner mehr und mehr parteilichen Politik unterworfen (dazu 3). Das Gericht hat die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu einer Herrschaftsordnung mit wegen des Abwägungs- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips so gut wie wirkungslosen Abwehrrechten gegen den Staat und wenig hilfreichen Schutzpflichten des Staates gemacht[53]. Die Bürger sind durch einen liberalistischen, republikfernen Freiheitsbegriff entbürgerlicht[54]. Die Bürger haben nach wie vor das Wahlrecht, das demokratische Minimum. Aber durch die vom Bundesverfassungsgericht nicht abgewehrte Parteienoligarchie (dazu 7 und 8) haben die Wahlen nur noch geringe politische Bedeutung. Es ist für die Bürger ziemlich gleichgültig, welche Parteifunktionäre in den Parlamenten sitzen und wer die Regierung bildet. Wirkliche Opposition wird derzeit durch die plurale Parteienoligarchie der vermeintlich ‚demokratischen‘ Parteien mittels Ächtung und Mißbrauch des Verfassungsschutzes nach Kräften aus der Politik ausgegrenzt. Die Politik ist wieder einmal nicht Sache der ‚Bürger‘.
- Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 und
Abs. 2 GG)
Kant: Kant unterscheidet Wissen, Meinen und Glauben (KrV, 1781/1787, Transzendentale Methodenlehre, S. 687 ff.; Logik, 1800, S. 494 ff.). „Das Meinen ist ein problematisches, das Glauben ein assertorisches und das Wissen ein apodiktisches Urteilen“ (Logik, S. 494). „Wahrheit aber beruht auf der Übereinstimmung mit dem Objekte, in Ansehung dessen folglich die Urteile eines jeden Verstandes einstimmig sein müssen (consentienta uni tertio, consentiunt inter se)“ (KrV, S. 688). „Meinen ist ein mit Bewußtsein sowohl subjektiv, als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten“ (KrV, S. 689). „Es kann als ein vorläufiges Urteil (sub conditione suspensivs ad interim) angese-hen werden, dessen man nicht leicht entbehren kann“ (Logik, S. 495). „Ist das letztere (sc.: das Meinen) nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben (KrV, S. 689; Logik, S. 496 ff.). Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zureichende Fürwahrhalten das Wissen“ (KrV, S. 689; Logik, S. 499 ff.).
Die „angeborene Gleichheit“…„endlich auch die Befugnis, das gegen andere zu tun“,…“dergleichen ist, ihnen bloß seine Gedanken mitzuteilen, ihnen etwa zu erzählen oder zu versprechen, es sei wahr und aufrichtig, oder unwahr und unaufrichtig (veriloquium aut falsiloquium), weil es bloß auf ihnen beruht, ob sie ihm glauben wollen oder nicht; – alle diese Befugnisse liegen schon im Prinzip der angeborenen Freiheit, und sind wirklich von ihr nicht (als Glieder der Einteilung unter einem höheren Rechtsbegriff) unterschieden“ (MdS, S. 345 f.).
BVerfG: Meinung ist „Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens“. „Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt“ (BVerfGE 90, 241 (247, Rn. 26). „Tatsachenbehauptungen sind dagegen im strengen Sinne keine Meinungsäußerungen. Im Unterschied zu diesen steht bei ihnen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund. Insofern sind sie auch einer Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zugänglich. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Da sich Meinungen in der Regel auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, sind sie durch das Grundrecht jedenfalls insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet“ (daselbst, Rn. 27). „Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die bewußt oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfaßt wird. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet und auch zulässige Äußerungen aus Furcht vor Sanktionen unterlassen werden“ (daselbst, Rn. 28). „Die Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt sie den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre ergeben. Doch ist bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzen, die sich beschränkend für die Meinungsfreiheit auswirken, der Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen“ (daselbst, Rn. 30; vgl. schon BVerfGE 7, 198 (208 f.). „Das erfordert in der Regel eine im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Normen vorzunehmende fallbezogene Abwägung zwischen dem eingeschränkten Grundrecht und dem Rechtsgut, dem das grundrechtsbeschränkende Gesetz dient“ (Wechselwirkungsdogmatik; daselbst, Rn. 30).
KAS: Eine Meinungsäußerung ist ein Beitrag zur Wahrheit und Richtigkeit. Die Wahrheit ist die bestmögliche Annäherung der nicht widerlegten Theorie an die Wirklichkeit[55]. Die Richtigkeit ist das Sollen. Nur auf der Grundlage der Wahrheit kann das Sollen richtig sein. Das Sollen ergibt sich aus den Gesetzen und dem Sittengesetz.
Das „Recht, seine Meinung in Wort, Schrift oder Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), findet seine „Schranke“ vor allem „in den Vorschriften der allgemeine Gesetze“, insbesondere den Strafgesetzen (Absatz 2 des Art. 5 GG). Das gilt auch für die Pressefreiheit und die Rundfunkfreiheit (für die Presse BVerfGE 66, 116 (134, 136 ff.); für den Rundfunk BVerfGE 97, 298 (310 ff.)). Die Wech-selwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts relativiert sowohl die durch das Grundrecht geschützten Rechte als auch deren Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG, die das Bundesverfassungsgericht aufgeführt hat (vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f., 210 f.); 91, 125 (136 f.)). Folge der Wechselwirkungsdogmatik ist entgegen der rechtstaatlichen Gewaltenteilung Einzelfalljudikatur, nicht Richtersprüche auf Grund textabhängiger Subsumtion unter die Gesetze. Das Gericht hat auf diese Weise den Persönlichkeitsschutz in politischen Auseinandersetzungen gegenüber der Pressefreiheit im Übermaß zurückgedrängt[56].
Die Freiheit politischer Meinungsäußerungen ist essentiell für die ‚Demokratie‘[57]. Sie besteht in praxi nur begrenzt. Wer mit seinen Meinungsäußerungen den Rahmen der herrschenden Ideologie überschreitet oder zu überschreiten verdächtig ist oder auch nur verdächtigt wird, wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem oder gar als „gesichert rechtsextrem“ denunziert oder/ und, vor allem von den Staatsmedien, geächtet[58]. ‚Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten‘ gesteht das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich den gleichen Grundrechte-status zu wie den privaten Medien[59]. Das ist die Grundlage der Mediokratie in Deutschland. Mit dem Grundrechtsschutz staatlicher Medien, wie das die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sind[60], hat die Judikatur das politische System des Grundgesetzes geändert und ändert es weiter. Das Grundgesetz schließt einen Grundrechtsschutz des Staates aus[61]. Daran ändert die begriffsferne Gleichschaltung der Rundfunkfreiheit sowohl der privaten Unternehmen und als auch der staatlichen Anstalten als „dienender Freiheit“ (so BVerfGE 95, 220 (236); 119, 181 (214); 136, S. 9 ff., Rn. 29) nichts. Es ist der Zweck des Staates, dem Volk zu dienen. Die Staatlichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigt sich in der allgemeinen Beitragspflicht. Diese ist funktional eine Steuer (a. A. BVerfGE 149, 222 ff., Rnn. 50 ff., 58)[62]. Der ‚Staatsrundfunk‘ ist eine wirkungsvolle Einrichtung des vormundstaatlichen Staates. Den Staatsmedien eignet keine Freiheit, schon gar nicht die Meinungsäußerungsfreiheit und die Pressefreiheit. Ihre Aufgabe ist die Information der Öffentlichkeit, nicht deren Indoktrination.
Das Herrschaftssystem Deutschlands besteht aus dem ‚Bündnis‘ von politischen Parteien mit mächtigen Medien‚ zumal den ‚Staatsmedien‘. Die letzteren sichern den, vermeintlich allein ‚demokratischen‘, Parteien, der pluralen Einheitspartei, die Macht (dazu 7). Die Wahlentscheidungen der Bürger bewegen sich mehr oder weniger im Rahmen der von den Medien gesteuerten Meinungen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die den maßgeblichen Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung haben, sorgen für eine Bezahlung der Redakteure, deren ‚Bestechungsfunktion‘ augenscheinlich ist. Jedenfalls sind deren Gehälter und Honorare im Verhältnis zu ihren Leistungen im Vergleich zum allgemeinen öffentlichen Dienst exorbitant hoch. Mit irgendwelchen privatistischen Konstruktionen der öffentlichen Dienstverhältnisse läßt sich das nicht kaschieren. Die etablierten Parteien und Staatspropagandisten hassen alternative Parteien und social media als Eindringlinge in ihre ‚Festungen‘. Sie fürchten um ihre Pfründen. Die privaten Medien sind gehalten, sich im Wettbewerb der Medien durchzusetzen. Dadurch haben sich, dem wirtschaftlichen Wettbewerb gemäß, Medienoligopole entwickelt. Der Staat wagt nicht einzugreifen. Hinreichend vertiefen kann ich hier diese Medienlage nicht.
Nicht substantiierte ‚Feststellungen“ eines „Extremismus“ eines Bürgers oder einer Gruppe von Bürgern bringen die Bürger zum Schweigen, weil sie in Beruf und Gesellschaft, vor allem aber in der Politik, zur ‚Unberührbarkeit‘ führen soll und vielfach führt. Derartige Vorwürfe können allenfalls erhoben werden, wenn Bürger bestimmte Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbrauchen“ (Art. 18 GG) oder Parteien „nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen/ausgerichtet sind, diese Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“ (Art. 21 Abs. 2 GG). Darüber muß das Bundesverfassungsgericht entscheiden (Art. 21 Abs. 4 GG). Dieser Verfassungsschutz wird den Bürgern gegenüber den Staatsmedien verweigert. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist, wie gesagt, demokratisches Essentiale einer Republik (Lüth-Urteil, 1958, BVerfGE 7, 198 (208)). Ein Staat, der dieses Grundrecht stetig verletzt, ist nicht demokratisch. Das gilt auch für die politischen Parteien, die staatliche Institutionen sind[63]. Parteien haben den „Rang verfassungsrechtlicher Institutionen“. Sie sind „Faktoren des Verfassungslebens“ (zuletzt BVerfGE 144, S. 20 ff., Rn. 522). Die Parteien sind grundrechtsverpflichtet, zumal ihre innere Ordnung. Sie unterbinden aber die von der Parteilinie abweichenden Meinungsäußerungen und betreiben deswegen Parteiausschlußverfahren[64].
Freiheit gibt es nur in einem Land, in welchem Bürger und Staat stets den aufklärerischen Satz Voltaires beherzigen:
„Je ne suis pas d’accord avec ce que vous dites, mais je me battrai jusqu’à la mort pour que vous ayez le droit de le dire“. „Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Sie sagen, aber ich würde bis zum Letzten dafür kämpfen, dass Sie das Recht haben, es zu sagen“.
- Volk und Staat (Art. 20 Abs. 2 GG)
Aristoteles: „Der Mensch ist von Natur ein staatenbildendes Wesen“, ζῷον πολιτικόν, wie schon zu 3 zitiert. Marcus Tullius Cicero: „Est igitur …res publica res populi, ….“ (De re publica, Liber primus[65], 25). Populus war das Volk Roms. Die plebeii (Plebejer, die einfachen Leute), waren Bürger Roms (der pleps), nicht nur die patres (Patrizier) und die equites (Ritter), keinesfalls alle Menschen, die in Rom lebten, nicht die Frauen und Kinder, nicht die Sklaven und Ausländer. Aurelius Augustinus von Hippo (354 bis 430): „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“ (De Civitate Dei, 426, hrsgg. von H. U. Baltasar, 1960, IV, 4-6, S. 115). Papst Benedikt der XVI hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011 auf den Satz des Kirchenvaters hingewiesen.
Thomas Hobbes: „Homo homini lupus. Homo homini deus est.“ (De cive. Epistola dedicartoria, 1651, ed. Mayer/Diesselhorst 1970/80). Dieses Wissen rechtfertigt den Leviathan.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel: “Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee – der sittliche Geist, als der offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille, der sich denkt und weiß und das, was er weiß und insofern er es weiß, vollführt“. „Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens, die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbstbewußtsein hat, das an und für sich Vernünftige. Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck, in welchem die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt, so wie dieser Endzweck das höchste Recht gegen die Einzelnen hat, deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des Staats zu sein“ [66] .
Theodor Mommsen:
„Ich wünschte ein Bürger zu sein.“[67]
Friedrich Naumann: „Der Staat, das sind wir“[68].
Bürger der DDR 1989: „Wir sind das Volk“ (Parole der Befreiung von der Despotie in Mitteldeutschland 1989).
Carl Schmitt: „Der Begriff der Rechtsordnung enthält zwei völlig verschiedene Elemente: das normative Element des Rechts und das seinsmäßige Element der konkreten Ordnung. Die Einheit und Ordnung liegt in der politischen Existenz des Staates, nicht in Gesetzen, Regeln und in irgendwelchen Normativitäten“[69].
Kant: „Volk“ ist „eine Menge von Menschen, …, die im wechselseitigem Einflusse gegen einander stehend, des rechtlichen Zustandes unter einem sie vereinigenden Willen, einer Verfassung (constitutio) bedürfen, um dessen, was Rechtens ist, teilhaftig zu werden“ (MdS, S. 429).
„Unter dem Wort Volk (populus) versteht man die in einem Landstrich vereinigte Menge Menschen, in sofern sie ein Ganzes ausmacht. Diejenige Menge oder auch der Teil derselben, welcher sich durch gemeinschaftliche Abstammung für vereinigt zu einem bürgerlichen Ganzen erkennt, heißt Nation (gens); der Teil, der sich von diesen Gesetzen ausnimmt (die wilde Menge in diesem Volk) heißt Pöbel (vulgus), dessen gesetzwidrige Vereinigung das Rottieren (angere per turbas) ist; ein Verhalten, welches ihn von der Qualität eines Staatsbürgers ausschließt.“ (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Über Pädagogik, 1798, 2. Aufl. 1800, S. 399 ff., 658 f.). Kant hat den Staatsbürger, den citoyen, vom Stadtbürger, den bourgeois, unterschieden (ÜdG, S. 151, zu 2 zitiert).
Wegen der „Erfahrung“…“, so liegt es doch a priori in der Vernunftidee eines solchen (nicht-rechtlichen) Zustandes, daß, bevor ein öffentlich gesetzlicher Zustand errichtet worden, vereinzelte Menschen, Völker und Staaten niemals vor Gewalttätigkeit gegen einander sicher sein können, und zwar aus jedes seinem eigenen Recht, zu tun, was ihm recht und gut dünkt, und hierin von der Meinung des anderen nicht abzuhängen; mithin das erste, was ihm zu beschließen obliegt, wenn er nicht allen Rechtsbegriffen entsagen will, der Grundsatz sei: man müsse aus dem Naturzustande, in welchem jeder seinem eigenen Kopfe folgt, herausgehen und sich mit allen anderen (mit denen in Wechselwirkung zu geraten er nicht vermeiden kann) dahin vereinigen, sich einem öffentlich gesetzlichen äußeren Zwange zu unterwerfen, also in einen Zustand treten, darin jedem das, was für das Seine anerkannt werden soll, gesetzlich bestimmt, und durch hinreichende Macht (die nicht die seinige, sondern eine äußere ist) zu Teil wird, d. i. er solle vor allen Dingen in einen bürgerlichen Zustand treten.“ (MdS, S. 430)
„Der Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ (MdS, S. 431).
„Ein paternalistischer Staat ist „der größte denkbare Despotismus“ (ÜdG, S. 145 f.).
BVerfG: Der Staat ist „die Einheit von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt“ (BVerfGE 123, 267 ff., Rnn. 298, 344 f.[70]).
Staatsvolk sind die Staatsangehörigen, in Deutschland die Deutschen (Art. 116 Abs. 1 GG; BVerfGE 83, 37 ff., Rn. 56). Die Staatsgewalt des Volkes ist die „Volkssouveränität“ (BVerfGE 77, 137 (150 ff.); 83, 37 ff., Rn. 53). Souverän ist der Staat (BVerfGE 123, 267 ff., Rnn. 216, 298 f., passim[71]).
KAS: Der Wille der in einem Gebiet lebenden Menschen, ein Staat zu sein, erwächst dem existentiellen Interesse an der Sicherheit. Sicher-heit ist Staatszweck (Hobbes, Leviathan, 13. Kap. S. 112 ff., 17. Kap., 151 ff., 18. Kap., 156 ff.[72])
Kant hat alles Wesentliche zum Staatsbegriff gesagt. Der Staat ist die Organisation der Bürger zur Verwirklichung des guten Lebens aller Bürger in allgemeine Freiheit (KAS, Res publica res populi, S. 299 ff., 350 ff., 573 ff., 625 ff.; Freiheit in der Republik, S. 142, 484 ff., u. ö.).
Die Staatsangehörigen sind die Bürger. Bürger ist, wer zum Staat, dem Gemeinwesen, gehört, der Staatsangehörige (BVerfGE 83, 37 (50 f.); 83, 60 (76, 81); 107, 59 (87); 123, 267, Rn. 229). Die Homogenität der Bürgerschaft als Kulturvolk (Sprache, Geschichte, Religion usw.) ist Bedingung demokratischer Verhältnisse. Sonst bildet sich kein Allgemeinwille und das Gemeinwohl läßt sich nicht verwirklichen (dazu KAS, Souveränität, passim; Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil, 1. Kap. 1 S. 6 ff. und 2. Kap., S. 40 ff., 2. Teil, 1. Kap. S. 129 ff.).
Die Bürger sind souverän, jeder einzelne (KAS, Souveränität, S. 312 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 1. Kap., S. 129 ff., 2. Kap. 1, S. 150 ff. ), nicht der Staat. Viele Jahrzehnte wurde in der Bundesrepublik Deutschland die Souveränität des Bürgers der Republik nicht erkannt[73].
Der Staat übt die Souveränität der Bürger gemeinschaftlich aus. Er vertritt die Bürgerschaft in deren Souveränität, außer bei den aktiven Wahlen (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) und Abstimmungen, die freilich auf Bundesebene noch nie durchgeführt worden sind. In Art. 20 Abs. 2 GG steht:
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“.[74]
- Parteienstaat und Demokratie (Art. 20 Abs. 1 und 2,
Art. 21, Art. 38 Abs. 1 GG)
Das antike Athen war in der klassischen Zeit in der heutigen Begrifflichkeit eine aristokratische Oligarchie der δεσπόται, der Grundeigentümer als die Vollbürger, keine Demokratie. Frauen, Metöken und Sklaven hatten kein Stimmrecht in der ἐκκλησία,der Volksversammlung, sondern nur die δεσπόται, die Gemeinschaft der Grundeigentümer als der Hausherren einer οικογένεια, einer Familie, der κοινωνία πολιτική, der staatlichen/städtischen Gemeinschaft, der πόλις, der Bürgerschaft/des Staates. Die δεσπόται waren nicht nur frei und gleich, sondern auch homogen. Sie waren als δῆμος die πόλις, der Staat, den sie durch Abstimmungen gestaltet haben. Amtswalter, zumal die Richter, wurden durch Los bestimmt, allerdings nicht die Heerführer (οι στρατηγοί).
Kant: „Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen. Denn, da von ihr alles Recht ausgehen soll, so muß sie durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht tun können. Nun ist es, wenn jemand etwa gegen einen anderen verfügt, immer möglich, daß er ihm dadurch unrecht tue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließt (denn volenti non fit inuria). Also kann nur der übereinstimmende und vereinigte Wille aller, so fern ein jeder über alle und alle über einen jeden eben dasselbe beschließen, mithin nur der allgemeinen vereinigte Volkswille gesetzgebend sein“ (MdS, S. 432). „Nur die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualifikation zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die Selbständigkeit dessen im Volk voraus, der nicht bloß Teil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d. i. aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit anderen handelnder Teil desselben sein will.“ (MdS, S. 432 f.).
Zur despotischen Eigenart der Demokratie nach der Staatslehre Kants, weil der demokratischen Staatsverfassung mangels Repräsentation die Gewaltenteilung fehle, siehe zu 8 mit Zitaten vor allem aus der Schrift Kants: Zum ewigen Frieden.
BVerfG: „Das Grundgesetz bezeichnet die von ihm geschaffene Staatsordnung als eine freiheitliche Demokratie. Es knüpft damit an die Tradition des ‚liberalen bürgerlichen Rechtsstaats‘ an, wie er sich im 19. Jahrhundert allmählich herausgebildet hat und wie er in Deutschland schließlich in der Weimarer Verfassung verwirklicht worden ist“ (KPD-Urteil 1956, BVerfGE 5, 85 (197).
Die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ ist eine Ordnung, „die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“ (BVerfGE 2, 1 (12 f.).
Deutschland ist eine „repräsentative Demokratie“ (BVerfGE 1, 2 ff., Ls 2 Rn. 35; st. Rsp.; BVerfGE 123, 267 ff., Rnn. 215, 286, 288; so auch Art. 10 Abs. 1 EUV). Die „Demokratie“ bedarf der „Repräsentation“ (BVerfGE 123, 267 ff., Rnn. 215, 286, 288; so auch Art. 10 Abs. 1 EUV). Parteien hat das Gericht als „verfassungsrechtlich notwendigen Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ bezeichnet (BVerfGE 1, 208 (223 ff. st. Rsp.[75]). So steht das, dieser Judikatur folgend, auch in § 1 Abs. 1 S. 1 ParteienG. „Das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“ gehören zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (BVerfGE 1, 2 ff, LS 2, S. 12 f., Rn. 35; st. Rsp.[76]). Fraktionen der Parteien sind Organe des Bundestages (BVerfGE 140, 115 ff., Rn. 56). „Im Zeichen der Entwicklung der Parteiendemokratie sind sie notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung (BVerfGE 80, 188 (219). Die Parteien sind „Wahlvorbereitungsorganisationen“ (BVerfGE 20, 56 (113); 61, 1 (11)). Die politischen Parteien üben in der Massendemokratie „entscheidenden Einfluß auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus“ (BVerfGE 52, 63 (83).
„Die Ausschüsse des Parlaments sind grundsätzlich gemäß der Fraktionsstärke zu besetzen (Spiegelbildlichkeit; BVerfGE 84, 304 (323 f.). Fraktionen sind „unverzichtbar“ (BVerfGE 1, 208 (224 ff.); 4, 144 (149 ff.); st. Rsp.; BVerfGE 80, 188 (217 ff.).
„Nach Maßgabe des deutschen Wahlrechts wird die verfassungsrechtlich geforderte repräsentative Parlamentsherrschaft dadurch erreicht, dass der Wählerwille in der Sitzverteilung möglichst proportional abgebildet wird. Eine Mehrheitsentscheidung im Parlament repräsentiert zugleich die Mehrheitsentscheidung des Volkes. Jeder Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes und deshalb Mitglied in einer Vertretung der Gleichen (Art. 38 Abs. 1 GG), die unter gleichheitsgerechten Bedingungen zu ihrem Mandat gelangt sind. Das Grundgesetz verlangt, dass jeder Bürger frei und im Rechtssinne (vor dem Gesetz) gleich ist. Für das Demokratiegebot bedeutet dies, dass jedem Staatsangehörigen, der aufgrund seines Alters und ohne den Verlust seines aktiven Wahlrechts wahlberechtigt ist, ein gleicher Anteil an der Ausübung der Staatsgewalt zusteht (vgl. BVerfGE 112, 118 (133 f.)). Die Gleichheit der Wahlbürger muss sodann auf weiteren Stufen der Entfaltung demokratischer Willensbildung, insbesondere im Status des Abgeordneten, fortwirken. Zum Status der Abgeordneten gehört deshalb das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung (vgl. BVerfGE 43, 142 (149); 70, 324 (354); 80, 188 (218); 96, 264 (278); 112, 118 (133])“ (BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 214).
„Der verfassungsrechtliche Schutz der Opposition wurzelt im Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfGE 142, 24 ff., Rn. 86; vgl. auch BVerfGE 2, 1 (13); 44, 308 (321); 70, 324 (363)). Aus dem Mehrheitsprinzip nach Art. 42 Abs. 2 GG und den – eine punktuelle Durchbrechung des Mehrheitsprinzips darstellenden – parlamentarischen Minderheitenrechten nach Art. 23 Abs. 1 a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45 a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG folgen der Respekt vor der Sachentscheidung der parlamentarischen Mehrheit und die Gewährleistung einer realistischen Chance der parlamentarischen Minderheit, zur Mehrheit zu werden (vgl. BVerfGE 5, 85 (198 f.); 44, 308 (321); 70, 324 (363); 123, 267 (367)). Dahinter steht die Idee eines – inner- wie außerparlamentarischen – offenen Wettbewerbs der unterschiedlichen politischen Kräfte, welcher namentlich voraussetzt, dass die Opposition nicht behindert wird (vgl. BVerfGE 123, 267 (341 f.)). Demgemäß ist die Bildung und Ausübung einer organisierten politischen Opposition konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (199); 123, 267 (367)“ (BVerfGE 142, 24 ff., Rn. 86).
KAS: Das Grundgesetz verfaßt die „Bundesrepublik Deutschland“ nicht als Demokratie, einer Herrschaftsform, sondern als Republik, als „demokratischen und sozialen Bundesstaat“ (Art. 20 Abs. 1 GG). Von „Demokratie“ ist im Grundgesetz nirgends die Rede, sondern von einer „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (u. a. Art. 18, Art. 21, Art. 87 a, Art. 91 GG). Ein Adjektiv hat einen anderen Bedeutungsgehalt als das Substantiv desselben Wortstammes. Die Identifizierung des Adjektivs „demokratisch“ in Art. 20 Abs. 1 GG mit dem Substantiv Demokratie verändert die Staatsform Deutschlands grundlegend. Sie verletzt die freiheitliche demokratische Grundordnung der „Bundesrepublik Deutschland“ und mißachtet Art. 79 Abs. 3 GG.
Der Begriff der „repräsentativen Demokratie“ versucht, den Parteienstaat als Demokratie auszugeben. „Repräsentation“ ist wiederum eine systemverändernde Qualifizierung der Volksvertretung. Vertretung wird als Repräsentation auch sprachgeschichtlich zur Herrschaft (Adalbert Podlech, Repräsentation, 1984[77], S. 509). Herrschaft ist das Gegenteil von Freiheit (dazu 2). Die Demokratie wird als Herrschaft des Volkes ausgegeben. Eine solche Herrschaft gibt es nicht und hat es nie gegeben, auch im antiken Athen nicht. Das war, wie gesagt, eine Oligarchie. Die „Vertretung des ganzen Volkes“ ist keine Herrschaft des Volkes (so aber BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 214). Die Willenserklärung, die ein privatrechtlicher Vertreter im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar für den Vertretenen. Das gilt auch für Rechtsakte der Vertreter des Volkes, die im Namen des Volkes ergehen. Sie sind gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG Rechtsakte des Volkes (KAS, Res publica res populi, S. 707 ff., 714 ff.), nicht Legitimation von Herrschaft über das Volk. Die Staatsgewalt des Volkes wird, wenn nicht durch Abstimmungen des Volkes selbst (die im Bund noch nie durchgeführt worden sind) vom Volke durch besondere Organe ausgeübt, logisch im Namen des Volkes. Der privatrechtlich Vertretene kann dem Vertreter Weisungen erteilen und ihm jederzeit die Vertretungsmacht entziehen. Das Volk kann das nicht. Der ‚Wille‘ des Privaten ist dessen Willkür.
Der Wille des Volkes ist der Allgemeinwille (dazu 3), der keine Will-kür der Bürger sein darf. Das wäre grobes Unrecht. Der Vertreter nach Art 38 Abs. 1 S. 2 GG ist „Vertreter des ganzen Volkes.“ Er hat den Allgemeinwillen zu erkennen, die volonté générale der citoyens, nicht die volonté des tous, die Willkür aller Einzelnen, der bourgeois. Ein Privater muß sich nicht vertreten lassen, ein Bürger ist nicht befugt, außer als Wähler, allein zu handeln, sondern muß sich mit allen anderen Bürgern zusammen bei der Erkenntnis und dem Beschluß des Gemeinwohls in der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und Recht-sprechung vertreten lassen (KAS, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff.). Die „Vertreter des ganzen Volkes“ sind (der Rechtslage nach) „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Das hat alles mit einer Demokratie, in der alle über alles entscheiden, nichts zu tun, sondern gehört zur Republik, so wie das Grundgesetz es in Art. 20 Abs. 1 GG denn auch regelt (KAS, Res publica res populi, S. 10 ff., 23 ff., passim).
Das Wort Demokratie ist ein populistischer Euphemismus für alle möglichen Staats- und Regierungsformen, die eines gemeinsam haben, daß das Volk, der δῆμος, nichts zu sagen hat. Es kann die wählen, die schon gewählt sind (H. H. von Arnim, Das System. Die Machenschaften der Macht, 2002/2004, S. 262 ff.; Wählen wir unsere Abgeordneten unmittelbar, JZ 2002, 578 ff.). Die Wähler können die jeweils herrschenden Parteien durch die Wahl anderer Parteien ersetzen, die im Zweifel dieselbe Politik fortsetzen, wie gegenwärtig in Deutschland.
Die Staatsform der Alleinherrschaft des Deutschen Reiches, die Monarchie, ist in der Novemberrevolution von 1918 durch die Staats-form der Republik abgelöst worden. 15 Jahre danach haben die Deutschen einem Führer, Adolf Hitler, akklamiert. Die ‚demokratischen‘ Parteien haben die ‚Bürgerkriegslage‘ der Weimarer Republik nicht zu bewältigen vermocht. Der Reichspräsident hat versagt. Adolf Hitler hat Deutschland ruiniert.
Die Republik ist die Staatsform der Freiheit der Bürger. Eine solche Republik muß demokratisch sein, wie sie auch Art. 20 Abs. 1 GG verfaßt, nämlich eine freiheitliche und demokratische Republik (KAS, Res publica res populi, S. 14 ff.). Auch die Weimarer Reichsverfassung kannte das Wort Demokratie nicht.
Die Verfassungswirklichkeit Deutschlands ist die eines oligarchischen Parteienstaates[78].
Gerhard Leibholz, von 1951 bis 1971 Richter des Bundesverfassungsgerichts, hat auf die Entwicklung der Verfassungsjudikatur systemverändernden Einfluß ausgeübt. Er hat mit seiner „phänomenologischen“ Parteienstaatslehre, eine offen ideologische Parteienstaatsdoktrin, den Parteienstaat zu legalisieren und in weiten Teilen der Bürgerschaft zu legitimieren vermocht[79]:
Der „durch die Parteien gebildete Volks- und Gemeinwille in der parteienstaatlichen Demokratie wird nicht mit Hilfe des Prinzips der Repräsentation, sondern mit Hilfe des Prinzips gebildet, das auch in der plebiszitären Demokratie zur volonté générale führt“. „Wie in der plebiszitären Demokratie der Wille der Mehrheit der Aktivbürgerschaft mit dem jeweiligen Gesamtwillen des Volkes identifiziert wird, wird im funktionierenden parteienstaatlichen Demokratie der Wille der jeweiligen Parteienmehrheit in Regierung und Parlament mit dem Volks- und Gemeinwillen identifiziert“. Die Parteien sind „plebiszitäres“ “Surrogat der unmittelbaren Demokratie im Flächenstaat“[80]. Gerhard Leibholz hatte keinen Zweifel daran, daß der Parteienstaat mit der Weimarer Verfassung unvereinbar sei, und Art. 21 GG als „partei-enstaatliche Revolution“ eingestuft[81]. Er hat richtig den „Volks- und Gemeinwillen“ als Gegenstand der Willensbildung erkannt, aber den rousseauschen Begriff der volonté générale verkannt, nämlich die Objektivität des Allgemeinwillens, die Autonomie des Willens, den Kognitivismus der politischen Willensbildung, deren Erkenntnishaftigkeit (dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 2, S. 194 ff.). Irgendeine interessierte Parteienmehrheit vermag Erkenntnisse, die ihrem Begriff nach wissenschaftlich sein müssen, nicht zu surrogieren.
Der Parteienstaat läßt den Bürgern entgegen Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG keine Chance, ihre Staatsgewalt auszuüben. Die Parteienoligarchie entmachtet die Bürger. Ihre primäre Maxime ist ihre Macht, nicht das Wohl des Volkes, vom dem allenfalls ihre Macht abhängt. Das Recht der Bürger, in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen Vertreter des ganzen Volkes in den Deutschen Bundestag zu wählen (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG), ist im oligarchischen Parteienstaat pervertiert. Nur die Parteien können auf Bundesebene Wahllisten einreichen (§ 27 Abs. 1 BWahlG). Die passiven Wahlen genügen somit im Parteienstaat den wahlrechtlichen Grundsätzen des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, die für das aktive und das passive Wahlrecht gelten (BVerfGE 11, 266 (277); 60, 162 (168); 89, 243 (251), nicht, weil die Nominierung der Kandidaten faktisch gänzlich und rechtlich für die Listen der Verhältniswahl verbindlich bei den Parteien monopolisiert ist[82]. Die Kandidatenaufstellung ist nicht allgemein, nicht gleich, nicht frei, weil sie an Parteien gebunden ist. Die „innere Ordnung“ der Parteien muß „demokratischen Grundsätzen entsprechen“ (Art 21 Abs. 1 S. 3 GG). Keine Parteiordnung in Deutschlands relevanten Parteien erfüllt diese Postulat[83], das zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört. Abstimmungen werden auf Bundesebene entgegen dem Grundgesetz gar nicht erst durchgeführt.
Das parteiliche Verhältniswahlsystem, nicht im Grundgesetz verankert, sondern durch Gesetz eingeführt, verletzt die wesentlichen Wahlprinzipien und führt unvermeidlich zum Parteienstaat. Es werden nicht „an Aufträgen und Weisungen nicht gebundene und nur ihrem Gewissen unterworfene“ Abgeordnete (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) gewählt, sondern Parteien und damit mittelbar Parteifunktionäre. Es wird eine plurale Einheitspartei legitimiert, deren Herrschaft essentielle Opposition nicht zu dulden bereit ist. Nur eine wirkliche und wirksame Opposition vermag die Politik der Parlamentsmehrheit zu beeinflussen, solange diese Wahlen fürchten muß[84]. Die Wähler haben im Verhältniswahlsystem in ihrer Gesamtheit lediglich Einfluß darauf, wie stark eine Partei im Parlament vertreten ist. Die Sperrklauseln verhindern eine gleichheitliche Vertretung der Wählerschaft im Parlament. Die Grundmandatsklausel, die die Sperrklauseln relativieren, ist fragwürdig[85]. Eine demokratische Willensbildung erfordert das wahlrechtliche Mehrheitsprinzip, wenn es auch regelmäßig zum Zweiparteiensystem führt. Zum Demokratismus des Parteienstaates gehört das freiheits- und demokratiewidrige Verhältniswahlrecht. Das Verhältniswahlsystem mit Parteilisten hat Deutschland in einen oligarchischen Parteienstaat verwandelt[86]. Das Mehrparteienprinzip zählt das Bundesverfassungsgericht, im Parteienstaat zu Recht, zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (BVerfGE 1, 2 ff., LS 2, Rn. 35, S. 12 f.). Diese qualifiziert das Gericht allerdings, wie schon gesagt, als ein Herrschaftssystem und dementiert damit die Freiheitlichkeit der Verfassung Deutschlands.
Im Lissabon-Urteil (BVerfGE 123, 267 ff.), dessen Ausführungen zur Rn. 214 oben zitiert sind, bemüht sich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts um die Apologie des Parteienstaates. Die Sätze des Senats haben nicht nur keine Grundlage im Grundgesetz, sondern sind auch dogmatisch unhaltbare Fiktionen. Das sei so knapp als möglich skizziert: Das Grundgesetz fordert keine „repräsentative Parlamentsherrschaft“, sondern die Wirklichkeit der Freiheit aller Bürger durch Gesetze, die dem Allgemeinwillen des Volkes gerecht werden. Erstens gibt es keinen „Wählerwillen“, sondern nur einen Allgemeinwillen, dem die Wählerschaft und somit die Vertreter des ganzen Volkes verwirklichen sollen.. Zweitens läßt sich der „Wählerwille“ nicht „proportional abbilden.“ Die Sitze im Parlament werden auf einen Teil der Parteien gemäß deren Stimmanteilen bei den Wahlen verteilt. Das hat mit dem Wählerwillen nichts zu tun. Daß eine „Mehrheitsentscheidung im Parlament zugleich die Mehrheitsentscheidung des Volkes repräsentiert“, ist reine Fiktion. Zudem ist eine „Mehrheitsentscheidung des Volkes“ nicht auch die Entscheidung der Minderheit. Sie führt vielmehr zur Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit und ist somit mit deren Freiheit unvereinbar. Die freiheitliche Dogmatik des Allgemeinwillens ist zu 3 dargelegt. Die Abgeordneten sind als Vertreter des ganzen Volkes nicht eine „Vertretung der Gleichen“. Das ist wiederum eine Fiktion. Sie sind Funktionäre einer Partei und bemüht, deren Interessen durchzusetzen. Den wahlberechtigten Staatsangehörigen steht in keiner Weise „ein gleicher Anteil an der Ausübung der Staatsgewalt zu“. Die Staatsgewalt wird vom Volk insgesamt oder von Organen des Volkes ausgeübt. Diese gesamthänderische Gewaltausübung läßt sich nicht wie ein Kuchen in „Anteile“ stückeln. Die „Gleichheit der Wahlbürger“ wirkt nicht bei der „Entfaltung demokratischer Willensbildung“ fort. Nach der Wahl der Parteien haben die Bürger keinen geregelten Einfluß mehr auf die Willensbildung des Staates. Einen Einfluß haben allenfalls mehr als fragwürdige Meinungsumfragen. Nicht einmal das Recht der Abgeordneten auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung ist gewährleistet. Dem steht schon das Fraktionswesen entgegen, aber auch viele weitere Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages. Die Apologie des Parteienstaates ist nicht nur sprachlich sondern vor allem dogmatisch völlig mißlungen.
Die „politische Willensbildung des Volkes“ begrenzen die Parteien im Wesentlichen auf den dauerhaften Kampf um die Mandate in den Parlamenten. Um ihre jeweilige Akzeptanz sind die Parteien stetig bemüht, vor allem weil im Bundestaat Deutschland ständig Wahlen in den vielen Ländern und im Bund abgehalten werden und die relevanten Parteien bundesweit agieren. Die Parteien bemühen sich notgedrungen bundesweit um die Akzeptanz der Bürger, weil sie trotz ihrer Landesverbände eine jeweilige bundesweite Einheit sind und als solche von der Öffentlichkeit für ihre ‚Politik‘ verantwortlich gemacht werden und die ständig von Demoskopen gemessene Akzeptanz auf lange Dauer für ihre berufsmäßig ausgeübte Parteiarbeit benötigen.
Die Bürger, die nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG die Staatsgewalt auszuüben das ‚Amt‘ haben[87], sind der praktischen Vernunft, dem Gemeinwohl, verpflichtet. Sie werden als Bürger für die politische Willensbildung des Volkes allenfalls zum Schein in Anspruch genommen. Das Sittengesetz ist für die Bürger auch bei den Wahlen verbindlich; denn die Wahlen sind u. a. „frei“ (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG). Faktisch bringen die Wähler ihr Interesse, sprich: ihre Willkür zur Geltung, nicht ihre freie, also sittliche, Erkenntnis der praktischen Vernunft, des objektiven Willens des Gemeinwesens (vgl. KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 2, S. 194 ff.).
Die den Parteien durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG zugestandene „Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes“ ist geradezu unausweichlich zur alleinigen politischen Willensbildung durch die Parteien geworden. Die Macht der Medien ist, wie schon zu 5 angesprochen, entgegen den geringen Sachkenntnissen der Journalisten und trotz deren regelmäßig gänzlichen Mangels an Rechtskenntnissen, geradezu erdrückend. „Politik ist ausübende Rechtslehre“ (Kant, ZeF, S. 229). Die Klage über den Mangel an Befähigung der Abgeordneten zur parlamentarischen Vertretung der Bürger ist alt, aber die „Herrschaft des Rechts“[88] sollte auch nicht zur ausschließlichen Herrschaft der Richter werden. Die Staatsangehörigen sind, soweit es möglich bleibt, Deutschland eine ‚Demokratie‘ zu nennen, entbürgerlicht (zur Bürgerlichkeit 2). Es ist decouvrierend, daß die ‚demokratische Elite‘ sich genötigt gesehen hat, jeweils am 15. September einen Internationalen Tag der Demokratie zu ‚feiern‘, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2007 beschlossen haben, um weltweit für die Grundsätze der Demokratie zu werben. Die Bürger haben allenfalls einen begrenzten Einfluß auf die Mehrheitsverhältnisse der Parteien im Parlament. Der Rechtsstaat ist unverzichtbar und ohne demokratisches Prinzip gibt es keinen Rechtsstaat, wie es auch ohne Rechtstaat keine demokratischen Verhältnisse gibt[89].
Ihre Einflußmöglichkeiten nehmen die Bürger wahr, ohne wirklich zu wissen, was sie tun. Sie werden nicht, jedenfalls unzureichend, über die Politik der Parteien informiert, sondern von diesen mittels Propaganda indoktriniert. Allein schon das Fraktions- und Koalitionswesen im Parlament macht den politischen Willen der Wähler, den sie bei ihrer Wahl zum Ausdruck bringen, weitestgehende irrelevant. Eine begrenzte Orientierung der Parteien und damit des Staates am Gemeinwohl und somit an der praktischen Vernunft ergibt sich daraus, daß die Parteien sich der Allgemeinheit oder zumindest einem Teil derselben zuwenden müssen, um gewählt zu werden. Die Parteien müssen somit nach Möglichkeit dem Allgemeinwillen gerecht werden, den sie allerdings auch zu lenken versuchen. Die bloße Willkür von Wählern wird somit auch durch die ‚parteiendemokratische Repräsentation‘ des Volkes abgewehrt. Nur fragt sich, ob dieses System noch demokratisch ist oder eben oligarchisch? Die Antwort versteht sich von selbst. Man kann so gut wie jedes politisches System demokratisch nennen. So geschieht das denn auch, selbst wenn nicht mehr gemäß den unverzichtbaren Wahlgrundsätzen gewählt werden darf oder gar einem großen Teil der Wähler durch antidemokratische Ächtung ihrer Wahl der Einfluß auf die Politik verwehrt wird.
Die Parteifunktionäre sollen den Parteiwillen durchsetzen. Dem dient die Geschlossenheitsmaxime der Parteien[90]. Die Parteien bestimmen, wer einen Listenplatz bekommt und damit die Chance hat, in das Parlament gewählt zu werden. Die ersten Listenplätze in Parteien, die regelmäßig in das Parlament einziehen, ‚garantieren‘ den Bewerbern die Parlamentsmandate. Die Wähler haben darauf keinen Einfluß. Die Abgeordneten unterwerfen sich deshalb einer demokratiefernen ‚Herrschaftselite‘, statt ihrer Pflicht nachzukommen, in Vertretung des ganzen Volkes den Allgemeinwillen der Volkes zur Geltung zu bringen.
Der Allgemeinwille kann nur von den ‚Besten‘ auf Grund der Wahrheit erkannt werden (dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 2, S. 194 ff.). Die Abgeordneten sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Davon kann im Parteienstaat keine Rede sein. Allein die Koalitionsverträge widersprechen dem Grundsatz. Verpflichtungen, deren Verletzungen nicht sanktioniert werden, sind keine Rechtspflichten; denn „Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“ (Kant, MdS, S. 338 f.)
In keiner Partei „entspricht die innere Ordnung demokratischen Grundsätzen“, wie das Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG den Parteien vor-schreibt. Insbesondere besteht in den Parteien keine Meinungsäußerungsfreiheit[91] (dazu 5). Die „politische Willensbildung des Volkes“ erfolgt in den Führungsgremien der Parteien, ausnahmeweise in ‚Urabstimmungen‘ der Parteimitglieder. Deren Politik ist regelmäßig für ihre Fraktionen, faktisch, nicht rechtlich, verbindlich, in ‚Koalitionsverträgen‘ festgelegt[92] (Kanzler- und Koalitionsdemokratie), richtiger wäre zu sagen: Koalitionsabsprachen. Verträge sind ihrem Begriff nach verbindlich, Absprachen nicht. Oft bleiben sie geheim. Im Parteienstaat herrschen die Führer oder Führungsgruppen der Parteien.
Die Macht der Mehrheit der Wähler ist der Sache nach immer die Macht einer kleinen Minderheit in den Parteien. Diese Macht wird in Legislativakte in der Form der verfassungsgebotenen Gesetzgebung zur Geltung gebracht. Äußerlich sind diese Gesetze auch für die Minderheit der Wähler verbindlich, innerlich meist nicht. Die ‚Mehrheit‘ der Wähler ist ohnehin selten die Mehrheit der Bürger. Eine Mehrheitsherrschaft verletzt die Würde des Menschen (dazu 1 und 4). Die Rousseausche Irrtumslehre (dazu 3) ist dogmatisch richtig, aber praktisch wenig bedeutsam. Das Argument des Bundesverfassungsgerichts, daß die Minderheit zur Mehrheit werden könne (wie oben zitiert, BVerfGE 142, 24 ff., Rn. 86) ist brüchig. Solange die Mehrheiten sich nicht verändert haben, bleibt die Minderheit ‚Untertan‘ der Mehrheit. Es gibt zudem Minderheiten, die nie zur Mehrheit werden, weil sie nicht homogen der Mehrheit sind. Wenn die Wähler einer Minderheit so zahlreich werden, daß deren Partei oder Parteien die Mehrheit im Parlament bilden, werden die alten Mehrheiten zur untertänigen Minderheit. Der Heterogenität können mancherlei nicht oder kaum änderbare Unterschiedlichkeiten zu Grunde liegen, insbesondere der nationale, religiöse oder wirtschaftliche Status. Das Argument des Gerichts setzt umfassende Integration aller Bürger voraus, etwa die Überwindung der Unterschiede, die nach Art. 3 Abs. 3 GG eine Bevorzugung oder Benachteiligung verbieten. Wollte man dieses Verbot auf die Wahlen anwenden, wäre das das Ende der Wahlfreiheit und damit das Ende des Versuchs, ‚demokratische‘ Verhältnisse zu schaffen. Ohne Homogenität der Bürgerschaft[93] haben die hehren Prinzipien des Grundgesetzes keine Verwirklichungschance. Das Postulat der Vielfalt der Religionen usw. ist der Weg in die Unterdrückung durch den Staat in der Hand einer Mehrheitsoligarchie.
Hans Herbert von Arnim hat die vielfältigen Fragwürdigkeiten des Parteienstaates bestens dargelegt (vor allem: Das System. Die Machenschaften der Macht, 2001, S. 250 ff., 262,; u. ö). Werner Mäder hat wesentliche Gründe dafür genannt (Die Zerstörung des Nationalstaates aus dem Geist des Multikulturalismus, 2015, insb. S. 43 ff.).
Karl Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik? Tatsachen, Gefahren, Chancen, 1966, 10. Aufl. 1988, S. 131, 143 f.:
„Selbst die Wahlen sind keine eigentlichen Wahlen, sondern Akklamationen zur Parteienoligarchie.“
„Die Parteienoligarchie will die Sicherung ihrer selbst. Sie identifiziert sich mit dem Staat an sich und mit dem Volke. Die Sicherung der Parteienoligarche tötet schließlich das politische Leben der bundesdeutschen Bevölkerung.“
Das Bundesverfassungsgericht hat außer den Wahlgrundsätzen alle Regelungen des Grundgesetzes zur politischen Willensbildung um eines tragfähigen Parteienstaates willen vergewaltigt. Die Verfassung Deutschlands hat mit dem Grundgesetz nur noch wenig zu tun.
Der demokratische Parteienstaat ist die Verfallsform der Republik. Er macht den rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und auch kulturellen Niedergang unausweichlich[94]. Kein Staatsdenker von Format, von Platon, Aristoteles und Cicero über Hobbes, Locke und Montesquieu bis zu Kant, Hegel, Nietzsche und Carl Schmitt und in der Gegenwart Hans Herbert von Arnim hat den Parteien Kritik, vernichtende Kritik, erspart. Aber der Parteienstaat bleibt, bis ihn eine meist despotische Autokratie, gegebenenfalls mit Scheinparteien, beseitigt. Robert Michels Gesetz der Oligarchie (Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, 1911) bewahrheitet sich immer aufs Neue. Dem Ethos der Freiheit lassen die Bündnisse keine Chance, wenn es um die Macht geht. Die Herrschaft der Wenigen über die Vielen ist die ewige Wirklichkeit in großen Gemeinschaften.
- Republik und Parteienstaat (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 und
Abs. 3 GG)
Kant: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein. Die erstlich nach Prinzipien der Freiheit der Glieder einer Gesellschaft (als Menschen); zweitens nach Grundsätzen der Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung (als Untertanen); und drittens, die nach dem Gesetz der Gleichheit derselben (als Staats-bürger) gestiftete Verfassung – die einzige, welche aus der Idee des ursprünglichen Vertrages hervorgeht, auf der alle rechtliche Gesetzgebung eines Volks gegründet sein muß – ist die republikanische“ (ZeF, S. 204). „Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muß folgendes bemerkt werden. Die Formen eines Staats (civitas) können entweder nach dem Unterschiede der Personen, welche die oberste Staatsgewalt inne haben, oder nach der Regierungsart des Volkes durch sein Oberhaupt, er mag sein welcher er wolle, eingeteilt werden; die erste heißt eigentlich Form der Beherrschung (forma imperii), und es sind nur drei derselben möglich, wo nämlich entweder nur einer, oder einige unter sich verbunden, oder alle zusammen, welche die bürgerliche Gesellschaft ausmachen, die Herrschergewalt besitzen (Autokratie, Aristokratie und Demokratie, Fürstengewalt, Adelsgewalt und Volksgewalt). Die zweite ist die Form der Regierung (forma regiminis), und betrifft die auf die Konstitution (den Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge ein Volk wird) gegründete Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht: und ist in dieser Beziehung entweder republikanisch oder despotisch. Der Republikanism ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden; der Despotism ist das der eigenmächtigen Vollziehung des Staates von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, sofern er von dem Regenten als sein Privatwille gehandhabt wird. – Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Wortes, notwendig ein Despotism (Kant, ZeF, S. 206 f.), weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider einen (der also nicht mit einstimmt) mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeine Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist“ (ZeF, S. 207). Die „Demokratie“ macht eine „repräsentative Regierungsart“ unmöglich,“ (ZeF, S. 206 f.; i. d. S. auch MdS, S. 464 f.).
„Alle Regierungsform nämlich, die nicht repräsentativ ist, ist eigentlich eine Unform, weil der Gesetzgeber nicht in einer und derselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens sein (so wenig wie das Allgemeine des Obersatzes in einem Vernunftschlusse zugleich die Subsumtion des besonderen unter jenen im Untersatz) sein kann, und, wenn gleich die zwei anderen Staatsverfassungen so fern immer fehlerhaft sind, daß…“ „dahingegen die demokratische“ (sc. „Regierungsart“) „ es unmöglich macht, weil alles da Herr sein will“ (ZeF, S. 207; siehe auch MdS, S. 431 f., 435 f.).
„Ein jeder Staat enthält drei Gewalten in sich, d. i. den allgemeinen Willen in dreifacher Person (trias politica): Die Herrschergewalt (Souveränität), in der des Gesetzgebers, die vollziehende Gewalt, in der des Regierers (zu Folge dem Gesetz) und die rechtsprechende Gewalt (als Zuerkennung des Seinen eines jeden nach dem Gesetz), in der Person des Richters (potestas legislatoria, rectoria et iudicaria …“ (MdS S. 431 f., siehe auch S. 434 ff.). „In ihrer Vereinigung besteht das Heil des Staats (salus reipublica suprema lex est); … (MdS, S. 437).
Die Dogmatik Kants folgt der Gewaltenteilungslehre von Charles de Secondat, Baron de Montesquieu, L’esprit des loix, 1748.
BVerfG: „Die Gewaltenteilung ist ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes. Seine Bedeutung liegt in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft. Dieses Prinzip ist jedoch nirgends rein verwirklicht. Auch in den Staatsordnungen, die das Prinzip anerkennen, sind gewisse Überschneidungen der Funktionen und Einflußnahmen der einen Gewalt auf die andere gebräuchlich“ (BVerfGE 3, 225 (247). Die Gewaltentrennung ist die Voraussetzung der Gewaltenhemmung, die durch „zahlreiche Gewaltenverschränkungen und – balancierungen“ die „gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“ bewirkt und dem Mißbrauch der Ämter entgegenwirkt. BVerfGE 15, 1 (15). Der „Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar“ (ebenda).
Die Republikanität Deutschlands hat das Bundesverfassungsgericht aus seiner Staatslehre ausgeblendet.
KAS: Wegen der Repräsentation ist Deutschland nach der Staatslehre Kants entgegen der zu 7 belegten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, Deutschland sei eine „repräsentative Demokratie“, keine Demokratie, sondern eine Republik, ein Freistaat. Das entspricht auch der Benennung des deutschen Staates: „Bundesrepublik Deutschland“
Der Parteienstaat (näher zu 7) ist weder republikanisch noch demokratisch. Er mag in Grenzen liberal sein, ist aber nicht freiheitlich (dazu KAS, Res publica res populi, S. 253 ff., 441 ff.)
Im Parteienstaat hat die horizontale Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) keine Wirklichkeit, wenn die Gesetzgebung die Willkür der parlamentarischen Mehrheit, sprich der Mehrheitsparteien, verbindlich macht, also, um mit Kant zu sprechen, deren „Privatwillen“, mit Rousseau die volonté des tous. Das Gegeneinander der Regierungsmehrheit und der Opposition gilt als Neuer Dualismus (dazu KAS, Res publica res populi, S. 802 ff.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 178 ff.). Gegenüber einer wirksamen Opposition bilden die Mehrheitsparteien eine plurale Einheitspartei.
Die Staatsform Deutschlands ist die der Bundesrepublik (Art. 20 Abs. 1 GG), also die der Republik sowohl des Bundes als auch der Länder. Der Parlamentarismus und die Gewaltenteilung, die das Grundgesetz verfaßt, sind republikanisch. Die Wahlen sind wegen des Verhältniswahlsystems nicht demokratisch, sondern parteienstaatlich (dazu 7). Wegen der Demokratiewidrigkeit der Gesetzgebung, vor allem der der Europäischen Union (dazu 10), sind auch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nicht rechtsstaatlich. Ein Rechtsstaat setzt eine demokratisch legitimierte Gesetzgebung voraus (dazu auch 7; Hinweise in Fn. 89). Aber der Parteienstaat nimmt diesen Verfassungsgrundsätzen die Substanz. Die Republikanität Deutschlands wird von der herrschenden Lehre, dogmengeschichtlich ignorant, darauf reduziert, daß Deutschland keine Monarchie sei[95]. Damit ist das Grundgesetz entgegen der Geschichte der Republiken, zumal der des antiken Roms, vor allem aber entgegen dem Freiheitsprinzip der Aufklärung und der deutschen Klassik verkannt (KAS, Res publica res populi, S. 1 ff., 11 ff. mit Hinweisen). Aus den von politischen Parteien zu verantwortenden Katastrophen der Weimarer Republik und des Dritten Reichs, des Führerstaates, werden keine Lehren gezogen.
Eine republikanische, freiheitliche Gesetzgebung verlangt nach der Erkenntnis des Allgemeinwillens (Kant), der volonté générale (Rousseau). Der Allgemeinwillen ist der Wille des Volkes[96], nicht der von irgendwelchen Parteien, die die Mandate ihrer Funktionäre nutzen, um ihre Interessen, meist die an Macht (Mandate und andere Ämter) und Geld (der Steuerzahler), zu verwirklichen. Der Wille des Volkes ist Gesetz. Die Legislative, vom Grundgesetz als Gesetzgeber bezeichnet Art. 70 ff. GG), stellt durch den Beschluß des Gesetzes verbindlich den Willen des Volkes fest. Die Exekutive, die vollziehende Gewalt, verwirklicht den Willen des Volkes, indem sie die Gesetze ausführt (Art 83 ff. GG). Die Judikative, die Rechtsprechung (Art. 92 ff. GG), schützt den Willen des Volkes durch Richtersprüche, die sie gemäß den Gesetzen nach Maßgabe des Rechts trifft (Art. 20 Abs. 3 GG). Diese klassische Gewaltenteilung regelt Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG in Verbindung mit den soeben genannten drei Staatsgewalten. Verbindlich ist nicht mehr der im Gesetz ausgesprochene Wille des Monarchen, sondern der objektive Wille des Volkes, der von dem/den Gesetzgeber/n erkannt und beschlossen wird. Das ist die Dogmatik einer Republik.
Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 10:
„Die Einheit des Deutschen Reiches beruht nicht auf jenen 181 Artikeln (sc.: der Weimarer Reichsverfassung) und ihrem Gelten, sondern auf der Existenz des deutschen Volkes. Der Wille des deutschen Volkes, also etwas Existenzielles, begründet, über alle systematischen Widersprüche, Zusammenhangslosigkeiten und Unklarheiten der einzelnen Verfassungsgesetze hinweg, die politische und staatsrechtliche Einheit.“
Carl Schmitt wird gern mißverstanden (dazu KAS, Res publica res populi, S. 735 ff.), aber seine Lehre ist im Kern rousseauisch und kantianisch, nämlich republikanisch.
Koalitionsparteien, die die Mehrheit der Parlamentssitze haben, bestimmen die Mitglieder in allen Staatsorganen, in den Gesetzgebungsorganen die Mehrheit der Mitglieder, in den Regierungen deren Mitglieder und in der vollziehenden Gewalt außer den Ministern in der Regel auch die Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, bei längerer Herrschaft fast alle Bediensteten, die sich von der Parteimitgliedschaft Förderung ihre Karrieren erhoffen können. Einen begrenzten Schutz gegen Entlassungen aus parteilichen Gründen gibt außer für politische Beamte der Beamtenstatus, aber auch die Unkündbarkeit gemäß dem Arbeitsrecht (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG).
Der Einfluß der Parteien auf die zweite und dritte Gewalt, zumal bei der Personalpolitik, ist mit einer Gewaltenteilung unvereinbar. Die Staatspraxis führt das alltäglich vor Augen. Im Einvernehmen wählt die plurale Einheitspartei auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts aus, die folglich diesen Parteien so weit als irgend möglich gefällig judizieren. Auch das widerspricht dem Grundsatz der materieller Gewaltenteilung (zur Gewaltenteilung, besser: Funktionenteilung, KAS, Res publica res populi, S.168 ff., 560 f.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 167 ff., 176 ff.)
Die Vielheit der Länder im Bundesstaat mit eigenen Staatsgewalt (BVerfGE 1, 14 (34); st. Rsp.; BVerfGE 81, 310 (331); KAS, Souveränität, S. 403 ff.), der Föderalismus, gehört zur vertikalen Gewaltenteilung. Diese wird im Parteienstaat auch wegen des Bundesrates, dessen Mitglieder den Bundestagsparteien anzugehören pflegen, weitgehend unterlaufen.
Mit der Gewaltenteilung ist im Parteienstaat ein Eckstein der freiheitlichen rechtsstaatlichen Republik, wenn man so will, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, abhandengekommen. Freiheitliche Volksvertretung (dazu 7) und rechtsstaatliche Gewaltenteilung sind essentielle Institutionen einer Republik.
- Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 94 Abs. 4 GG,
Art. 97 Abs. 1 GG)
Kant: „Von dem Willen gehen die Gesetze aus; von der Willkür die Maximen…“ (MdS, S. 332, dazu 3).
„Allgemeines Prinzip des Rechts“: „Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann etc. (MdS, S. 337).
„Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“ (MdS, S. 337; vgl. auch ÜdG, S. 144).
„Also ist das allgemeine Rechtsgesetz: handle äußerlich so, daß der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne, zwar ein Gesetz, welches mir eine Verbindlichkeit auferlegt, aber ganz und gar nicht erwartet, noch weniger fordert, daß ich, ganz um dieser Verbindlichkeit willen, meine Freiheit auf jene Bedingungen selbst einschränken solle, sondern die Vernunft sagt nur, daß sie in ihrer Idee darauf eingeschränkt sei und von andern auch tätlich eingeschränkt werden dürfe; und dieses sagt sie als ein Postulat, welches gar keines Beweises weiter fähig ist“ (MdS, S. 338).
„Das Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“ (MdS, S. 338 f., vgl. auch S. 527; vgl. auch ÜdG, S. 144 f., 146 f.). Der Zwang ist eine „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit“ (MdS, S. 338 f., vgl. auch S. 527).
„Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen. Denn, da von ihr alles Recht ausgehen soll, so muß sie durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht tun können. Nun ist es, wenn jemand etwas gegen einen anderen verfügt, immer möglich, daß er ihm dadurch unrecht tue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließt (denn volenti non fit iniuria). Also kann nur der übereinstimmende und vereinigte Wille aller, so fern ein jeder über alle und alle über einen jeden ebendasselbe beschließen, mithin nur der allgemein vereinigte Volkswille gesetzgebend sein“ (MdS, S. 432; vgl. auch ÜdG, S. 150 ff.).
„Da aber der Mensch doch ein freies (moralisches) Wesen ist, so kann der Pflichtbegriff keinen anderen als den Selbstzwang (durch die Vorstellung des Gesetzes allein), wenn es auf die innere Willensbestimmung (der Treibfeder) angesehen ist, denn dadurch allein wird es möglich, jene Nötigung (selbst wenn sie eine äußere wäre) mit der Freiheit der Willkür zu vereinigen, wobei aber alsdann der Pflichtbegriff ein ethischer sein wird.“ (MdS, S. 508 f., auch S. 512, vgl. auch S. 338 f.).
„Eben dieselbe Bewandtnis hat es auch mit dem allgemeinen ethischen Gebot: („Handle pflichtmäßig, aus Pflicht“ (MdS, S. 521).
„Kultur der Moralität in uns: Die größte moralische Vollkommenheit des Menschen ist: seine Pflicht zu tun und zwar aus Pflicht (daß das Gesetz nicht bloß die Regel sondern auch die Triebfeder der Handlungen sei“) (MdS, S. 523; dazu zu 3).
„ …(denn der Souverän, der sie (sc.: die Gesetze) gibt, ist gleichsam unsichtbar; er ist das personifizierte Gesetz selbst, nicht Agent.) (ÜdG, S. 149).
„Alles Recht hängt nämlich von Gesetzen ab“ (ÜdG, S. 150).
„Sondern es ist eine bloße Idee der Vernunft, die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat: nämlich jeden Gesetzgeber zu verbinden, daß er seine Gesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten Willen eines ganzen Volkes habe entspringen können, und jeden Untertan, so fern er Bürger sein will, so anzusehen, als ob er zu einem solchen Willen mit zusammen gestimmt habe“ (ÜdG, S. 153).
„Der Satz: Salus publica suprema civitatis lex est, bleibt in seinem unverminderten Wert und Ansehen; aber…“ (ÜdG, S. 154).
„Was ein Volk nicht über sich selbst beschließen kann, das kann der Gesetzgeber auch nicht über das Volk beschließen“ (ÜdG, S. 162).
Die „Gesetze sind von mir durch bloße Vernunft erkennbar“ (ZeF, S. 205).
Jedermann kann die Gesetze erkennen, wenn er „nur Verstand hat“, „selbst ein Volk von Teufeln“ (ZeF, S. 224).
Politik ist „ausübende Rechtslehre“ (ZeF, S. 229). „Die wahre Politik kann also keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben,…“ (ZeF, S. 243).
BVerfG: Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet gemäß Art. 20 Abs. 3 GG „Gesetz und Recht“ (BVerfGE 3, 58 (119); 54, 53 (67 f.); st. Rspr.). Die „Formel in Art. 20 Abs. 3 GG hält das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken“ (BVerfGE 9, 338 (349); 34, 269 (286 ff.)). Das Gericht leitet aus dem Wort „Recht“ die Befugnisse des Richters „zur schöpferischen Rechtsfindung her, welche verfassungsmäßige Wertvorstellungen, die in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen Ausdruck erlangt haben, ohne Willkür nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft verwirklicht“ (daselbst). Das Gericht lehnt erklärtermaßen einen „engen Gesetzespositivismus“ ab (daselbst) .
KAS: Recht ist das Richtige für das allgemeine Wohl des Volkes auf der Grundlage der Wahrheit (KAS, Res publica res populi, S. 567 ff., 978 ff.; Prinzipien des Rechtstaates, S. 21 f.). Recht ist der Allgemeinwille, der Wille des Volkes, die praktische Vernunft, die Sittlichkeit des kategorischen Imperativs. Frei ist, wer unter dem eigenen, aber der Idee der Freiheit gemäß, allgemeinen Gesetz lebt (KAS, Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff., 325 ff., 410 ff., 441 ff.; Freiheit in der Republik. S. 34 ff.)
Freiheit ist Gesetzlichkeit, wie schon zu 2 erörtert. Die Judikatur und Lehre, die dogmatisiert, daß die Gesetze die Freiheit einschränken, widerspricht nicht nur dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern ist, wenn man so will, rechtsphilosophisch, abwegig (KAS, Res publica res populi, S. 441 ff., Freiheit in der Republik, S. 115 ff., 274 ff., 343 ff.).
Friedrich Kaulbach. Die rechtsphilosophische Version der transzendentalen Deduktion[97], S. 54:
„Rechtliches Handeln beruht nicht auf der Willensentscheidung für Normen, die als recht erkannt wurden; vielmehr tragen Normen dann rechtlichen Charakter, wenn sie gesetzgeberisch vom Rechtswillen, der zugleich gemeinschaftlicher Wille ist, zur Geltung gebracht werden“
Die Gesetzgeber von Bund und Ländern sind an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und demgemäß dem Recht verpflichtet. Der Begriff der „verfassungsmäßigen Wertvorstellungen“ ist nicht identisch mit dem der „verfassungsmäßigen Ordnung“, der in den Grundrechtstexten steht. Die „verfassungsmäßige Ordnung“ ist die des Grundgesetzes, die die Staatsorgane zu beachten haben. „Verfassungsmäßige Wertvorstellungen“, wie sie das Bundesverfassungsgericht anspricht, sind Materialisierung der „praktischen Vernunft“, diskursive Erkenntnis des Allgemeinwillens, der volonté générale, der Gerechtigkeit. KAS, Res publica res populi, S. 995 und ff.:
„Gerechtigkeit ist Gesetzlichkeit, wenn das Gesetz Recht schafft.“
Die Erkenntnis des Rechts bezeichnet das Gericht als „schöpferische Rechtsfindung“. Diese verlangt φρόνησις, prudentia, Klugheit und Vernunft. Das folgt auch daraus, daß die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG). Wesentlich ist, daß ein Rechtsstaat, der Deutschland sein soll und sein will, an das Recht gebunden ist. Nur das Recht, die praktische Vernunft als der Allgemeinwille, verwirklicht den Willen des Volkes, dessen Freiheit. Die Verfassung ist die existentielle Grundlage des Staates, wie Art. 79 Abs. 3 GG erweist. Das Verfassungsgesetz ist ein Akt der Politik, dessen Rechtlichkeit nicht gewährleistet ist. Es gibt verfassungswidrige Verfassungsgesetze (BVerfGE 109, 279 ff., Rnn. 367, 370, von der Senatsmehrheit abweichende Meinung).
Die Aussetzung der Schuldenbremse des Art. 109 Abs. 3 GG und des Art. 115 Abs. 2 GG gehört genausowenig wie die Schuldenbremse selbst zur Verfassung, sondern beide sind bloße Verfassungsgesetze, welche mit den qualifizierten Mehrheiten des Art. 79 Abs. 2 GG geändert werden können. Sie haben keine existentielle Relevanz für Deutschland, wie die Praxis zeigt. Kreditaufnahmen allerdings, um einen fremden Krieg oder gar eines Angriffskrieg zu unterstützen, wie es die Finanzierung und die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Rußland, ohne eine Bündnisverpflichtung, sind (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 3. Kap. 5 a, S. 321 ff.), bringen die existentielle Gefahr mit sich, daß Deutschland Kriegspartei wird, wenn es das nicht schon ist. Ein Krieg bedroht die Existenz (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 3. Kap. 4, S. 311 ff. zum Feindstaat Deutschland).
Das Recht wird durch Gesetze, aber auch durch Gewohnheitsrecht, Völkerrecht und weitere Rechtsquellen einschließlich der Rechtsprechung, insbesondere der Verfassungsrechtsprechung, materialisiert. Die Rechtlichkeit der Gesetze hängt von der Sittlichkeit des Gesetzgebers und diese von der Moralität der Abgeordneten ab (KAS, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 f., 637 ff, insb. S. 707 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 2. Kap. 2, S. 194 ff.). Die Gesetzgebung muß die grundgesetzliche Ordnung der Zuständigkeiten und Verfahren einhalten. Über die Rechtlichkeit der Gesetze entscheidet jedes Gericht, letztlich das Bundesverfassungsgericht mit Bindungswirkung für die „Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Behörden und Gerichte (Art. 94 Abs. 4 GG; § 31 Abs. 1 BVerfGG), wenn die Verletzung des Grundgesetzes in Frage steht (KAS, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 244 ff.). Diese lange Zeit einfachgesetzliche Vorschrift, die in der 20. Legislaturperiode in das Grundgesetz aufgenommen worden ist, macht das Bundesverfassungsgericht zum Verfassungsgeber (KAS, Res publica res populi, S. 951 ff.) und überträgt ihm, nolens volens, aber entgegen der Verfassung der Deutschen (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kapitel 1 und 2) die Souveränität Deutschlands auf Kosten der Souveränität der Bürger. Die Bürger haben aber ein Recht auf Recht (KAS, Res publica res populi, S. 819 ff.[98]).
Das Bundesverfassungsgericht mißbraucht mehr und mehr die Macht, die ihm aus der Befugnis zur verbindlichen Erkenntnis des Rechts (Art. 94 Abs. 4 GG ;§ 31 Abs. 1 BVerfGG) erwächst. Es hat fast allen Rechtssätzen des Grundgesetzes die rechtsstaatlich gebotene subsumtionsfähige Bestimmtheit genommen (KAS, Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A, II, S. 28 ff.) und damit Deutschland einer rechtsstaatsfernen ‚Verfassung‘, anders formuliert, einem parteienstaatlichen Verfassungsgericht unterworfen. Dessen weitgehend die materiellen Rechtssätze ersetzenden Entscheidungsmaximen: „Wer-te“, „Höchstwert“, „Kernbereich“, „Abwägung“, „Verhältnismäßigkeit“ u. a. mögen um Sachlichkeit bemüht sein, relativieren aber die Rechtsbegriffe und ermöglichen dem Gericht politische Willkür. So beschränkt es den Schutz der Gewaltenteilung auf den „Kernbereich der Exekutive“ (BVerfG, Beschluß vom 19. November 2021, 1 BvR 781/21 u. a.). Die Gesetze müssen, dem Recht gemäß, die Gesetzgebungsorgane geben. Das Gericht hat sich vom Hüter der Verfassung nicht nur zum Schutzherren des Parteienstaates entwickelt, sondern auch zum ‚Verfassungsgeber‘ (Kritik auch von Rupert Scholz, Das Bundesverfassungsgericht: Hüter der Verfassung oder Ersatzgesetzgeber? III, APuZ 16/1999 19. August 2002).
Das Bundesverfassungsgericht hat seine Bindung an das Grundgesetz und die Gesetze (Art. 97 Abs. 1 S. 1 GG) weitgehend abgeschüttelt und praktiziert, was es für gerecht hält, als Recht, hat aber keine Definition dessen, was Recht ist. Durch rechtswissenschaftliche Dogmatik läßt sich das machtvolle Organ nicht binden. Das Gericht macht was es will, „im Namen des Volkes“, so wie jeder Souverän, wie jeder Herrscher, wie jeder Tyrann.
Das Grundgesetz, zumal die Grundrechte, wie sie im Grundgesetz stehen, haben ihre Wirkkraft eingebüßt.
- Europäische Union (Art. 23 GG, EUV)
Kant: „Völker, als Staaten, können wie einzelne Menschen beurteilt werden, die sich in ihrem Naturzustand (d. i. in der Unabhängigkeit von äußeren Gesetzen) schon durch ihr Nebeneinandersein lädieren, und deren jeder, um seiner Sicherheit willen, von den anderen fordern kann und soll, mit ihm in eine, der bürgerlichen ähnliche, Verfassung zu treten, wo jedem sein Recht gesichert werden kann. Dies wäre ein Völkerbund, der aber gleichwohl kein Völkerstaat sein müßte“ (ZeF, S. 208 f.).
„ – so muß es einen Bund von besonderer Art geben, dem man den „Friedensbund, foedus pacificum“, nennen kann, der vom Friedensvertrag (pactum pacis) darin unterschieden sein würde, daß dieser bloß einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. Dieser Bund geht auf keinen Erwerb einer Macht des Staats, sondern lediglich auf Erhaltung und Sicherung der Freiheit eines Staats, für sich selbst und zugleich anderer verbündeten Staaten, ohne daß diese sich deshalb (wie Menschen im Naturzustand) öffentlichen Gesetzen, und einem Zwange unter denselben, unterwerfen dürfen. – Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll, und so zum ewigen Frieden hinführt, läßt sich darstellen“ (ZeF, S. 211).
„Für Staaten, im Verhältnisse unter einander, kann es nach der Vernunft keine andere Art geben, aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als daß sie, eben so wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen, und so einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat (civitas gentium), der zuletzt alle Völker der Erde befassen würde, bilden. Da sie diese aber nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin, was in thesi richtig ist, in hypothesi verwerfen, so kann an die Stelle der positiven Idee der Weltrepublik (wenn nicht alles verloren gehen soll) nur das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden, und sich immer ausbreitenden Bundes den Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs (Furor impius intus – fremit horridus ore cruento. Vergil)“ (ZeF, S. 212 f.).
„Die Idee des Völkerrechts setzt die Absonderung vieler voneinander unabhängiger Staaten voraus, und, obgleich ein solcher Zustand an sich schon ein Zustand des Krieges ist (wenn nicht eine föderative Vereinigung derselben dem Ausbruch der Feindseligkeiten vorbeugt): so ist doch selbst dieser, nach der Vernunftidee, besser als der Zusammenschmelzung derselben, durch eine die andere überwachende, und in eine Universalmonarchie übergehende Macht; weil die Gesetze mit dem vergrößerten Umfang der Regierung immer mehr an ihrem Nachdruck einbüßen, und ein seelenloser Despotism, nachdem er die Keime des Guten ausgerottet hat, zuletzt doch in Anarchie verfällt. Indessen ist dieses das Verlangen jedes Staates (oder seines Oberhauptes), auf diese Art sich in den dauernden Friedenszustand zu versetzen, daß er, wo möglich, die ganze Welt beherrscht. „Aber die Natur will es anders“. Sie bedient sích zweier Mittel, um Völker von der Vermischung abzuhalten und sie abzusondern, der Verschiedenheit der Sprachen und der Religionen, die zwar den Hang zum wechselseitigen Hasse, und Vorwand zum Kriege bei sich führt, aber doch, bei anwachsender Kultur und der allmählichen Annäherung der Menschen zu größerer Einstimmung in Prinzipien, zum Einverständnis in einen Frieden leitet, der nicht, wie jener Despotism (auf dem Kirchhofe der Freiheit), durch Schwächung aller Kräfte, sondern durch ihr Gleichgewischt, im lebhaftesten Wetteifer derselben, hervorgebracht und gesichert wird“ (ZeF, S. 225 f.).
„Daß ein Volk sagt: ‚Es soll unter uns kein Krieg sein; denn wir wollen uns zu einem Staat formieren, d. i. uns selbst gesetzgebende, regierende und richtende Gewalt setzen, die unsere Streitigkeiten friedlich ausgleicht‘ – das läßt sich verstehen“ (ZeF, S. 212).
Eine „Universalmonarchie“ (civitas maxima, Weltstaat) wäre „die größte Gefahr für das Recht und ein seelenloser Despotism, nachdem er die Keime des Guten ausgerottet hat, zuletzt doch in Anarchie verfällt“ (ZeF, S. 225).
Europäische Union (EU):
Art. 23 Abs. 1 GG: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und eine diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen der vertraglichen Grundlagen oder vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Art. 79 Abs. 2 und 3.“
Diese verhängnisvolle Änderung es Verfassungsgesetzes hat die Verfassungswirklichkeit Deutschlands grundlegend verändert. Die Deutschen sind nicht gefragt worden, ob sie unter dieser neuen Verfassung leben wollen. Deutschland ist seit dieser Regelung, die die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union trägt, ein anderes Land als es vorher war. Seine Nationalität und seine Souveränität, sprich: die Souveränität der Deutschen, haben durch die Mitgliedschaft im „Staatenverbund“ Europäische Union schweren Schaden genommen. Ich kann in dieser kleinen Schrift darauf nicht näher eingehen. Ich habe dazu Bücher und Aufsätze geschrieben. Genannt seien: Souveränität, S. 460 ff. und Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 5. Kapitel, S. 355 ff. Ich habe die weichenstellenden Verfassungsstreitigkeiten wegen der Europäischen Union geführt, zumal den Maastricht-Prozeß (BVerfGE 89, 155 ff.), aber auch die Verfassungsklage gegen den Lissabon-Vertrag geschrieben und eingereicht (BVerfGE 123, 267 ff., 2009). Auch die Euro-Klage habe ich erarbeitet und vertreten. Die Grundlagenverträge der Europäischen Union und die Richtlinien und Verordnungen derselben, deren ‚Gesetze‘, die überbordende Bürokratie der Union und insbesondere der Europäischen Gerichthof haben der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschlands, wie sie das Grundgesetz 1949 verfaßt hatte, die Substanz genommen. Keines der Organe der Europäischen Union ist demokratisch legitimiert (dazu vor allem meine Schriften „Souveränität“, 2015, 466 ff. und „Nationalstaat und Souveränität“, 2025, 2. Teil 5. Kap. 2, S. 367 ff.). Wir Deutschen leben weitgehend im Unrecht. Die illegale Massenzuwanderung erweist, daß Deutschland wegen der Mitgliedschaft in der EU nicht einmal die Sicherheit seiner Grenzen und damit seiner Bürger zu gewährleisten vermag (dazu auch zu 1).
Ich erwarte nicht, daß uns einer der vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder gar diese Union selbst in der Not beistehen wird, ganz abgesehen davon, daß die Union nicht über die „militärischen Fähigkeiten“ verfügt, eine militärische Mission (Art. 24, Art. 42 ff. EUV) durchzuführen, jedenfalls nicht erfolgreich. Sie kann eine solche auch nur durchführen, wenn alle Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union zustimmen oder eine Minderheit der Staaten sich enthält (Art. 31, 42 und 44 EUV mit nähren wenig unionalen und praktikablen Regelungen). Dann agiert faktisch nicht mehr die EU, sondern eine ‚Koalition der Willigen‘, ein seltsames Bündnis. Deutsch-land ist zudem nach wie vor „Feindstaat“ (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 3. Kap. 4)
Das „Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“ und auch „die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ (Art. 5 Abs. 1 EUV) schützen die Souveränität der Mitgliedstaaten und damit die Freiheit ihrer Bürger nicht hinreichend, schon gar nicht deren „jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen… zum Ausdruck kommt“ (Art. 4 Abs. 2 EUV). Insbesondere die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG dürfen nicht berührt werden. Dazu gehört die Staatsgewalt des Volkes als die Souveränität der Bürger. „Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (Art. 23 ff., Art. 42 ff.) wahrt nach den Regelungen die Souveränität der Mitgliedstaaten. Nach Maßgabe des Art. 48 Abs. 2 bis 5 EUV können völkerrechtliche Verträge die Gründungsverträge ändern (ordentliches Änderungsverfahren). Bestimmte Vorschriften des Arbeitsvertrages (AEUV) „über die internen Politikbereiche der Union“ können nach Maßgabe des Art 48 Abs. 6 und 7 EUV von dem Europäischen Rat, den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, nach Zustimmung des Europäischen Parlaments (nur einstimmig) getroffen werden (vereinfachtes Änderungsverfahren).
BVerfG: Die Mitgliedstaaten „wirken zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mit“, „um einen Teil ihrer Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen und insoweit ihre Souveränität gemeinsam auszuüben“ (vgl. Art. 23 Abs. 1 GG). Zu diesem Zweck haben Deutschland wie auch die anderen Mitgliedstaaten Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Deutschland hat einen, „allerdings weit zurückgenommenen, Souveränitätsvorbehalt“. Deutschland wie jeder Mitgliedstaat kann aus der EU austreten (Maastricht-Urteil‘, BVerfGE 89, 155 (200 ff., 204), von mir im Namen des bayerischen FDP-Politikers Manfred Brunner erstritten, danach in Art. 50 EUV geregelt. „Die EU ist kein Staat, kein Bundesstaat“ (BVerfGE 22, 293 (296); 89, 155 (188)). Sie ist ein „Staatenverbund souveräner Staaten.“ (BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.); 123, 267 ff., LS. 1, Rnn. 229, 233, 294). Es gibt entgegen Art. 9 EUV und Art. 20 AEUV keine Unionsbürger; denn es gibt kein Unionsvolk (BVerfGE 89, 155, Ls. 8, Rn. 97; 123, 267 ff., Rnn. 179, 224, 263, 346). Die ‚Gesetze‘ der EU werden vom deutschen Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) legitimiert. Das Europäische Parlament ist „kein Repräsentationsorgan eines souveränen europäischen Volkes“. Es „stützt“ die demokratische Legitimation (BVerfGE 89, 155 (186); 123, 276, Rnn. 262, 271).
Deutschland ist an die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gebunden, es sei denn, daß die „Auslegung der Verträge“ „offensichtlich schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich“ ist (BVerfGE 142, 123 ff., Rn. 149).
Die EU darf sich über die ihr zugedachten Eigenmittel hinaus durch Kredite – auch der Europäischen Zentralbank – finanzieren (BVerfG, Urteil vom 06. 12. 2022, BVerfGE 164, 193 ff., LS. 2, Rnn. 120 ff., 186 ff., abweichende Meinung des Richters Müller, Rnn. 19 ff.). Es sind derzeit 750 Mrd. Euro. Weitere Kreditaufnahmen von 800 Mrd. Euro sind geplant.
KAS: Die Europäische Union widerspricht trotz gewisser Nähe Kants Schrift zum „ewigen Frieden“.
Die EU zielt auf die „Verwirklichung eines vereinten Europa“, eines freiheitsfernen Großstaates. Die EU ist nicht etwa Europa, wie seit einiger Zeit die mediale Propaganda sie nennt. Zu Europa gehört u. a. die Schweiz, das Vereinigte Königreich, auch die Russische Föderation. Letztere wird derzeit auf dem Boden der Ukraine von den USA und der EU, zumal Deutschland, mittels Waffenlieferungen, Ausbildung ukrainischer Soldaten und Kriegspropaganda sowie Finanzmitteln von vielen Milliarden Dollar, Pfund und Euro bekämpft. Deutschland gehört somit nach dem Kriegsvölkerrecht zu den Kriegsparteien des Ukrainekriegs (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 3. Kap. 5 a, S. 321 ff., streitig). Die EU ist ein internationalistisches Unrechtssystem. Sie respektiert die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht, nicht einmal deren Verfassungen (KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 5. Kap. 4, S. 303 ff.). Sie achtet die Grenzen der Übertragungen von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten nicht. Die EU hat, obwohl sie die ‚Demokratie‘ in Art. 2 EUV zu ihren „Werten“ zählt, ein unüberwindliches Demokratiedefizit aller ihrer Organe (KAS, Souveränität, S. 460 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 5. Kap. 2, S. 367 ff.). Die Herrschaft der EU entdemokratisiert die Mitgliedstaaten und nimmt deren Bürgern die Würde (dazu zu 1), weil diese unter ‚Gesetzen‘ leben müssen, die sie nicht selbst gegeben haben, sondern überwiegend Regierungen, Parlamentsabgeordnete und Kommissionsmitgliedern aus anderen Staaten als wäre die EU ein „Völkerstaat“. Das Bundesverfassungsgericht phantasiert, die demokratische Legitimation der EU-Vorschriften liege darin, daß Bundestag und Bundesrat, wenn sie Hoheitsrechte auf die EU übertragen, „voraussehen und verantworten“ könnten (BVerfGE 89, 155 (187), welche Maßnahmen die EU treffen werde. Das ist abwegig.
Ohne die weitgehende Finanzierung der Mitgliedstaaten durch die EU mit ‚Eigenmitteln‘ (entgegen Art. 123 Abs. 1 AEUV) aus Krediten der EZB (vgl. BVerfG, Urteil vom 06. 12. 2022, BVerfGE 164, 193 ff., LS. 2, Rnn. 120 ff., 186 ff.) wäre die EU längst aufgelöst (dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 2. Kap. 5 b, S. 253 ff.)
Die Zusage der Bundeskanzlerin Merkel, Deutschland werde mit allen Mitteln verhindern, daß das Bundesverfassungsgericht vertragswidrige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Deutschland für unanwendbar erklärt, wofür die Kommission ihre Rechtsaufsichtsklage wegen des durchaus unionsfreundliche PSPP-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 (BVerfGE 154, 17 ff.) zurückgenom-men hat, war ein schwerer Verfassungsverstoß gegen die Unabhängigkeit der Richter ausgerechnet des Bundesverfassungsgerichts (Art. 97 Abs. 1 GG). Kein Verfassungsorgan Deutschlands hat dem schmutziger ‚Deal‘ widersprochen. Deutschland hat sich den demokratisch nicht legitimierten Maßnahmen der EU unterworfen. Die Deutschen hätten der Kommissionsmaßnahme mit dem Austritt aus der rechtsfernen EU begegnen müssen. Die Briten sind diesen souveränitätsbewußten Weg gegangen, um nicht den Judikaten des rechtsfernen Europäischen Gerichtshof ausgeliefert zu sein.
Die Währung der EU, der Euro, schadet vor allem dem wirtschaftlichen Wettbewerb aller Mitgliedstaaten. Ihr Wert ist für jeden Mitgliedstaat falsch. Die Preisstabilität durch Haushaltsdisziplin, Begrenzung der öffentlichen Defizits und Staatsverschuldung nach Art. 126 AEUV wurde nie verwirklicht und wird seit langem ignoriert, auch von Deutschland[99]. Die ‚Schuldenbremse‘ des Art. 109 Abs. 3 GG wird, wenn es nötig erscheint, ausgesetzt (KAS, Staatsschulden, S. 106 ff., 126 ff. 137 ff.)[100]. Jetzt (März 2025) ist gar das Grundgesetz, prozedural und materiell verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig geändert worden, um die Staatsverschuldung zur Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit, des Zivil- und Bevölkerungsschutzes sowie für die Nachrichtendienste ohne jede Grenze und zur Finanzierung der Reparatur der maroden Infrastruktur um 500 Mrd. Euro erweitern zu können. Aus diesen Mitteln sollen 100 Mrd. Euro für Investitionen in die Infrastruktur der Länder und 100 Mrd. Euro als Sondervermögen für einen Klima- und Transformationsfonds (KTF) genutzt werden dürfen. Das Kreditaufnahmeverbot des Art. 109 Abs 3 GG für die Länder ist analog der Verschuldensregelung für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG gelockert worden. Von der letzteren Maßnahme hat die Partei Bündnis 90/Die Grünen ihr Zustimmung zu der Verfassungsänderung abhängig gemacht (dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap 5 b, S. 253 ff.). Diese Verfassungsänderung läßt Schlimmes ahnen. Deutschland will sich befähigen, einen Krieg zu führen, möglicherweise sogar einen verfassungswidrigen Angriffskrieg (Art. 87 a Abs. 1 GG) gegen die Russische Föderation, einer Atommacht, der zur Zerstörung Deutschlands führen kann und zu führen droht. Die herrschenden politischen Parteien sind wegen der kaum zu vermeidenden Negativauslese ihrer Funktionäre für Deutschland eine existentielle Gefahr geworden (dazu 7 und 9). Die Alternative der praktischen Vernunft wird nicht verstanden und nicht geachtet, obwohl 25 Prozent der Wähler die Verantwortung für das Gemeinwohl Deutschlands lieber in ihrer Hand sähen. Die große Masse der Deutschen lassen sich nach allen Erfahrungen der jüngeren Geschichte, aber auch der Gegenwart, von der Propaganda des Staates leiten. Sie sind die ‚ewigen‘ Untertanen, wie Heinrich Mann das der Welt deutlich gemacht hat (Der Untertan, 1914). Sie wagen es nicht, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Das wäre Aufklärung (Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 1783, S. 53 ff.).
Die EU kennt keine horizontale Gewaltenteilung. Die Vorschriften werden, wenn nicht von der Kommission allein, gemeinsam auf Vorschlag der Kommission durch den Rat der EU und das Parlament der EU gegeben. Der Europäische Gerichtshof genügt mangels demokratischer Legitimation und wegen der Ernennung der ‚Richter‘ durch die Regierungen der Mitgliedstaaten, die die Unabhängigkeit der Richter in Frage stellt, nicht den Kriterien eines Gerichts (KAS, Souveränität, S. 460 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 5. Kap. 3, S. 292 ff.). Die unmittelbare Wirkung seiner Judikate in den Vertragsstaaten läßt sich nicht rechtfertigen.
Vertikale Gewaltenteilung stützt die Freiheit weitaus mehr als die horizontale. Die EU nimmt jedoch auf die vertikale Gewaltenteilung im deutschen Bundesstaat wenig Rücksicht, obwohl die „Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grund-sätze“, also die Bundesstaatlichkeit, nach Art. 79 Abs. 3 GG auch durch eine Änderung des Grundgesetzes unzulässig ist. Art. 23 GG regelt die Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat an den Maßnahmen der EU. Vertreter der Länder wirken in den unzähligen Gremien der EU mit. Das verschafft Aufgaben und (einträgliche) Ämter ohne größere politische Relevanz, auf die sich nicht einzugehen lohnt. Die Souveränität der Länder, von deren Bürgerschaften in der „Bundesrepublik Deutschland“ die Staatsgewalt der Länder ausgeht[101], ist durch die ‚Integration‘ Deutschlands in die EU weitgehend verloren gegangen. Die Bürger haben durch die großstaatliche, demokratiefeindliche Herrschaft von keinesfalls nur der Sache verpflichteten ‚Eurokraten‘ einen wesentlichen Teil ihrer politischen Freiheit eingebüßt. Die Regelungen zur Stärkung des Einflusses der Länder auf die Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der EU (Integrationsverantwortungsgesetz vom 22. September 2009) können den Souveränitätsverlust der Länder mindern, aber nicht ausgleichen. Deutschland vermag seine Verfassung in der EU nicht zu verwirklichen. Es ist zum Austritt aus der EU verpflichtet, im Übrigen auch aus anderen Gründen[102].
Die EU ist als ‚Universaloligarchie‘ eine große Gefahr für das Recht. Kant hat vor einer „Universalmonarchie“ gewarnt (Zum ewigen Frieden, S. 225 f.).
Schriften: K. A. Schachtschneider: Das Sittengesetz und die guten Sitten, Festschrift für Werner Thieme, 1993; Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994; Freiheit – Recht – Staat. Eine Aufsatzsammlung zum 65. Geburtstag, 2005; Freiheit in der Republik, 2007; Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung mit Weltwirtschaftsordnung, 2010; Kants Verfassung der Freiheit. Das heutige Prinzip des Rechts, 2012; Souveränität, Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Ein Beitrag zum deutschen Staats- und Völkerecht, 2015; Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers, 2017; Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2017, Homepage Downloads; auch Studienzentrum Weikersheim, Homepage, Publikationen, 2018; Staatsrecht in der Corona-Pandemie. Normalzustand und Ausnahmezustand, 2024, Homepage, Abhandlungen; Nationalstaat und Souveränität. Beispiel Deutschland, 2025. Weitere Schriften siehe meine Homepage: KASchachtschneider.de
Werner Mäder, Die Zerstörung des Nationalstaates aus dem Geist des Multikulturalismus, 2015; Grundrechte und Grundunrecht–Richterdämmerung –2021
Berlin, 15. September 2025
Schriften: K. A. Schachtschneider: Das Sittengesetz und die guten Sitten, Festschrift für Werner Thieme, 1993; Res publica res populi, Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre, 1994; Freiheit – Recht – Staat. Eine Aufsatzsammlung zum 65. Geburtstag, 2005; Freiheit in der Republik, 2007; Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2, Wirtschaftsverfassung mit Weltwirtschaftsordnung, 2010; Kants Verfassung der Freiheit. Das heutige Prinzip des Rechts, 2012; Souveränität, Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre, 2015; Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2017, Homepage Downloads; auch Studienzentrum Weikersheim, Homepage, Publikationen, 2018; Staatsrecht in der Corona-Pandemie. Normal-zustand und Ausnahmezustand, 2024, Homepage, Abhandlungen; Nationalstaat und Souve-ränität, 2024. Weitere Schriften siehe meine Homepage: KASchachtschneider.de
[1] Siehe auch KAS, Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2017, Homepage Downloads, auch Studienzentrum Weikersheim, Homepage, Publikationen, 2018; Staatsrecht in der Corona-Pandemie, 2024, Teil A I, 1, Teil C V 1, S. 320 ff., Homepage
[2] KAS, Res publica res populi, Grundlegung einer allgemeinen Republiklehre, 1994, S. 369 f.
[3] KAS, Res publica res populi, S. 7 f. mit Fn. 26.
[4] KAS, Das Sozialprinzip. Zu seiner Stellung im Verfassungssystem des Grundgesetzes, 1974
[5] Kritik KAS, Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III, S. 48 ff., Teil C, IV, S. 227 ff
[6] Reinhold Zippelius, Bonner Kommentar, Drittbearbeitung, 1989, Art. 1 Abs. 1 und 2, Rn. 6; auch Carlo Schmid, Erinnerungen, 1979, S. 372
[7] Übersetzt, kommentiert herausgegeben von Heinz Gunermann, Reclam 1976
[8] Dazu KAS, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, S. 363 ff.; Res publica res populi, S. 271 ff., passim; Freiheit in der Republik, 2007, S. 256 ff.; vgl. Dietrich Murswiek/Stephan Rixen, Kommentierung des Art. 2 GG, in: M. Sachs, GG Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rnn. 94 ff., die wie das Bundesverfassungsgericht und die Mehrheit der Lehre nicht einmal darauf kommen, daß mit dem Sittengesetz dem Wortlaut gemäß der kategorische Imperativ Kants gemeint sein könnte, und folglich dieser systembestimmenden Definition der Freiheit keine Bedeutung beimessen. Sie identifizieren allerdings das Sittengesetz nicht mit den guten Sitten.
[9] KAS, Res publica res populi, S. 441 ff.; Freiheit in der Republik, S. 343 ff.; Parteiausschluß und Verfassung, 2021, S. 33 ff., 42 f.
[10] Auch KpV, S. 110; MdS, S. 432 ff.; ZeF, S. 204; dazu KAS, Res publica res populi, S. 290 ff., 303 ff., 325 ff., 410 ff., 519 ff.; Freiheit in der Republik, S. 48 f., 318 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2025, im Erscheinen, jetzt schon in meiner Homepage unter Abhandlungen, 2. Teil 1 Kap. 1, S. 183 ff. und 2 Kap. 2, S. 194 ff.
[11] KAS, Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre, 2015, S. 236 f., 321 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2025, passim..
[12] Dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 3, S. 203 ff.
[13] Zur Abwägungsdogmatik BVerfGE 28, 243 ff., Rn. 71; st. Rsp.; BVerfGE 96, 56 (64); KAS, Staatsrecht in der Coronapandemie, Teil A II und III, S. 28 ff., 48 ff. mit Hinweisen.
[14] KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A II 3 und 4, S. 37 ff.
[15] Nikomachische Ethik, übersetzt und herausgegeben von O. Gigon, 6. Aufl. 1986. 2. Buch, 1106, 24 ff., S. 89 ff.; dazu auch KAS, Freiheit in der Republik, S. 436 ff.
[16] KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A II 4, S. 41 ff.; III 4 d, S. 56 f.; V 3 b, S. 252 ff.
[17] KAS, Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam, 2010/11, S. 49 ff., 53 ff.
[18] David Engels, Auf dem Weg ins Imperium. Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der römischen Republik. Historische Parallelen, 2014 (Originaltitel: Le Déclin. La crise de l’Union européenne et la chute de la République romaine – analogies historique)
[19] Dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2025, Teil I, 3. Kap. 2 d, S. 125 ff., Homepage; zur Problematik KAS, Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2017, Homepage
[20] KAS, Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil, III 3 d, S. 125 ff.
[21] KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, S. 323 ff.
[22] KAS, Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III, S. 48 ff.
[23] Zur Impfpflicht kritisch, KAS, Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil C VIII, S. 293 ff.
[24] BVerfGE 65, 1 (41 f., Ls. 1, Rnn.. 151 ff.); 78, 77 (84); 80, 367 (378); 100, 313 (358 f.); ebenso BVerfGE 109, 279 ff., Großer Lauschangriff, 2004, Ls. 2, Rn. 104; BVerfG Beschluß vom 19. November 2021, Ls. 2, Rnn. 105, 110, 112, 166, 188, 219, 251, 295.
[25] Hinweise auf weitere Schriften Kants KAS, Freiheit in der Republik, S. 36 ff.
[26] O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 90 ff., insb. S. 100 ff., 111 ff.
[27] J. Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik, in: ders., Erläuterungen zur Diskursethik, 1991, S. 191 ff., 120 ff.; ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskursethik des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, 1992, S. 187 ff; W. Kersting, Der Geltungsgrund von Moral und Recht bei Kant, 2000, S. 332; KAS, Freiheit in der Republik, S. 424 ff., 429; Souveränität, 59 f.
[28] BVerfGE 83, 37 (52); 83, 60 (72), 89, 155 (188 ff.); 129, 124 , Rn. 98; u. ö. Rsp.; so auch fast die gesamte Lehre, die regelmäßig schlicht als richtig ausgibt, was das Bundesverfassungsgericht praktiziert.
[29] A. A. KAS, Res publica res populi, S. 207 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2007, S. 606 ff.
[30] Auch BVerfGE 88, 203 ff., Rnn. 150, 153 f., 156, und viele weitere Judikate; kritisch Walter Leisner, Der Abwägungsstaat, Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit? 1997; KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III 4, S. 51 ff.
[31] BVerfGE 96, 56 (64); BVerfGE 159, 223 ff., Rn. 299); Bericht und Kritik KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III 4, S. 51 ff.
[32] Dazu KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III 3 b, cc, S. 53 f.
[33] Kant, GzMdS, S. 13 ff.; dazu ders., MdS, S. 337 f.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144 f., 148; O. Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 108; F. Kaulbach, Immanuel Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“, Werkinterpretation, 1988, insb. S. 195 ff.; ders., Studien, zur späten Rechtsphilosophie Kants und ihrer transzendentalen Methode, 1982, S. 75 ff., auch S. 191 ff.
[34] K. Jaspers, Plato, Augustin, Kant – Drei Gründer des Philosophierens, 1957, S. 275 f.; E. Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1961, 2. Aufl. 1980, S. 184; D. Henrich, Ethik der Autonomie, in: ders., Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen Philosophie, 1982, S. 11 ff.; F. Kaulbach, Immanuel Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“, S. 120 ff. u. ö.
[35] Etwa O. Höffe, Politische Gerechtigkeit, 1987, passim.
[36] Dazu W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, 1984, S. 288 ff.
[37] Zu diesem (verfehlten) Argumentationsgesichtspunkt G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, 7. Neudruck 1960, S. 337 ff.; Staatslehre ist auch Wirklichkeitswissenschaft (H. Heller, Staatslehre, 1934, 2. Aufl. 1961, S. 37 ff.). Staatsrechtslehre macht Sollen (notwendig auf der Grundlage des Seins) zu ihrem Gegenstand.
[38] Davon spricht der Freiheitslehrer W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, 2. Aufl. 1994, S. 472 ff. u. ö., in seiner Lehre von der „durch Republik gebändigten Demokratie“.
[39] Dazu fordert D. Sternberger, Der alte Streit um den Ursprung der Herrschaft, 1977, S. 26 f. auf.
[40] W. Kersting, Kant über Recht, 2004, S. 141.
[41] KAS, Res publica res populi, S. 441 ff., Freiheit in der Republik, S. 115 ff., 274 ff., 343 ff.
[42] Dazu KAS, Die Bürgerlichkeit des Bürgers – Der Kampf um den Freiheitsbegriff, in: H. Seubert/J. Bauch (Hrsg.) Deutschland und Europa in einer veränderten Welt, Weikersheimer Dokumentation, Bd. I (XXXV), 2013, S. 23 ff.; auch homepage Downloads; Bürgerlichkeit und deren Gefährdungen, in: R. Breuninger, Der erschöpfte Bürger. Ambivalenzen der Demokratie, Bausteine der Philosophie 33, 2014, S. 25 ff.
[43] KAS, Das Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A II und III.
[44] Dazu M. Forschner, Rousseau, 1977, S. 96 ff., 101 ff.; I. Fetscher, Rousseaus politische Philosophie. Zur Geschichte des demokratischen Freiheitsbegriffs, 1960/1975, %. Aufl 1988, S. 134 ff.
[45] Auch II, 3, S. 30 f., II 6, S. 42, IV, 2, S. 114 ff.; KAS, Res publica res populi, S. 120 f.; auch Freiheit in der Republik, S. 163 ff.; Souveränität, S. 180 f.
[46] Übers. u. hrsg. v. O. Gigon, 6. Aufl 1986.
[47] KAS, Res publica res populi, S. 519 ff., 573 ff.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 10, 20, 55 ff., 119 ff.; Freiheit in der Republik, S. 143 ff. u ö.; Souveränität, S. 250 ff., 265 ff.
[48] KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 2. Kap., 2, S. 2, S. 140 ff.
[49] Dazu KAS, Res publica res populi, S. 106 ff.; Freiheit in der Republik, S. 150 ff.
[50] KAS, Res publica res populi, S. 119 ff.; Freiheit in der Republik, S. 163 ff.
[51] KAS, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff., insb. S. 1060 ff., 1086 ff.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 45 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 3 c, S. 215 ff.
[52] Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 5 a, S. 321 ff.
[53] Staatsrecht in der Coronapandemie, Teil A II und III, S. 28 ff., 48 ff.
[54] KAS, Res publica res populi, S. 253 ff., 441 ff.; Freiheit in der Republik, S. 274 ff., 343 ff.
[55] K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, Ein evolutionärer Entwurf, 4. Aufl. 1984, S. 44 ff., 332 ff.. u. ö.
[56] Zum Ganzen KAS, Medienmacht versus Persönlichkeitsschutz, 2005, mit Hinweisen, in: D. I. Siebold/A. Emmerich-Fritsche (Hrsg.), Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit – Recht – Staat. Eine Aufsatzsammlung zum 65. Geburtstag, S. 268 ff.; auch Homepage, Downloads
[57] BVerfGE 5, 85 ff., Rnn. 50, 140, 346, 351, 353, 361; 7, 198 (208); st. Rspr; KAS, Parteiausschluß und Verfassung, 2021, S. 66 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil 1. Kap. 3 b, S. 30 ff.
[58] Vgl. zum Mangel der Medien an Sachlichkeit KAS, Res publica res populi, S. 419, 674 ff., 897 ff., 984 ff., 990 ff.; Freiheit in der Republik, S. 209 ff., 221; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 365 ff., 369 f.
[59] BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (319); 59, 231 ff., Ls., insb. Rnn. 48, 52 ff.; 117, 244 (258).
[60] So in der Sache BVerfGE 12, 205 (260, Rn. 143); auch BVerfGE 31, 314 (322).
[61] BVerfG NJW 1982, 2173 (2175); BVerfGE 21, 362 (369 f.); dazu KAS, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, S. 275 ff.
[62] Zur Problematik Rolf Siekmann, Kommentierung des Art. 104 a GG, im M. Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, zu Rnn. 115 ff.
[63] KAS, Parteiausschluß und Verfassung, 2021, S. 51 ff., 56 f., 58 ff., 65 ff.; a. A. die Praxis der Zivilgerichte, BGHZ 47, 381 ff.; 87, 337 (343 ff.) und die zivilistischen Lehrmeinungen (dazu KAS, daselbst, S. 129 ff.)
[64] KAS, Parteiausschluß und Verfassung, S. 63 ff., 66 ff., 78 ff.
[65] Ed. Büchner, 1979, S. 130 f. u. ö
[66] §§ 257, 258 der Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Bd. 2, Rechtsphilosophie, 1821, ed. K. Löwitz/M. Riedel, 1968).
[67] Dolf Sternberger, „Ich wünschte ein Bürger zu sein“. Neun Versuche über den Staat, 1970.
[68] Friedrich Naumann hat ein Volkskaisertum vertreten, Demokratie und Kaisertum, 1900, Werke Bd. 2, 1964, S. 56, zitiert nach Bernd Schönemann, – Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 7, 1978, Studienausgabe, 2004, Volk, Nation, Nationalismus, Masse, S. 369 ff., 371
[69] Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 10.
[70] Drei Elemente-Lehre, Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, S. 369 ff.; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 145 f.; KAS, Souveränität, S. 267; Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil 1. Kap. 1, S. 6 ff.
[71] Dazu KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 1. Kap. 1, S. 150 ff., 3. Kap. 1, S. 262 ff.
[72] BVerfGE 44, 125 (142); 80. 315 (334); KAS, Res publica res populi, S. 545 ff.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 20; Souveränität, S. 206, 322
[73] KAS, Res publica res populi, S. 207 ff.; Freiheit in der Republik, S. 606 ff.; Souveränität, S. 301 ff.
[74] Bemerkung: Der Wortlaut der Verfassung der Russischen Föderation (Art. 1 und 2) stimmt mit dem des Grundgesetzes überein. Die Verfassungswirklichkeit der Föderation unterscheidet sich von der der Bundesrepublik Deutschlands wesentlich – noch. Bei der ‚diktatorischen’ Abwehr der Corona-Pandemie war das bereits anders (dazu KAS, Das Staatsrecht der Corona-Pandemie, 2024).
[75] BVerfGE 4, 144 (149); 5, 85 (388); vgl. auch BVerfGE 20, 56 (113 f.) 41, 399 (416); 73, 40 (85)).
[76] BVerfGE 1, 208 (223 ff.); 4, 144 (149); 5, 85 (388); vgl. auch BVerfGE 20, 56 (113 f.); 41, 399 (416); 73, 40 (85); u. ö.; kritisch KAS, Das Hamburger Oppositionsprinzip. Zum Widerspruch des entwickelten Parteienstaates zur republikanischen Repräsentation, Der Staat 28 (1989), S. 173 ff.
[77] In: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, 1984.
[78] Dazu KAS, Res publica res populi, S. 637 ff., insb. S. 772 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil, 2. Kap. 3, S. 203 ff.; u. ö.
[79] Das Wesen der der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 3. Aufl. 1966; Die politischen und juristischen Hauptformen der Demokratie, 1956, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 48 ff.; Der moderne Parteienstaat, 1960, in: ders, Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 68 ff.
[80] Die politischen und juristischen Hauptformen der Demokratie, 1956, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 58 f.; dazu KAS, Res publica res populi, S. 763 ff.; Souveränität, S. 167.
[81] Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 3. Aufl. 1966, S. 94, 98 ff., 224 ff., 254 ff.; Der moderne Parteienstaat, 1960, in: Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 68 ff., 83; so schon Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 83 ff.; näher KAS, Res publica res populi, 735 ff., 763 ff.
[82] KAS, Das Nominationsmonopol der Parteien in Berlin, JR 1975, 89 ff.
[83] KAS, Parteiausschluß und Verfassung, S. 78 ff. zu den Regelungen des Parteiausschlusses.
[84] Zum Oppositionsprinzip BVerfGE 1, 2 (LS 2, Rnn. 35, S. 12 f.; KAS, Res publica res populi, S. 634, 802 ff. mwH.
[85] Dafür BVerfGE 1, 208 (254, 258 f.); 4, 31 (40 f.); 95, 408 ff., Rn. 56. Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundmandatsklausel im Urteil vom des Zweiten Senats vom 30. Juli 2024 (2 BvF 1/23, Rnn. 1-293[85]) aufrechterhalten, weil es den Versuch des Gesetzgebers (BWahlG geändert durch Art. 1 G v. 7. März 2024 (BGBl I Nr. 91), in der Neufassung des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 der Novelle die Grundmandatsklausel aufzuheben, im angeführten Verfassungsgerichtsverfahren hat scheitern lassen.
[86] KAS, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff., 1147 ff.; Prinzipien des Rechtsstaates, S. 45 ff.; anders BVerfGE 1, 208 (246 f.); 21, 355 (355 f.); 66, 291 (304).
[87] KAS, Parteiausschluß und Verfassung, S. 56 ff.
[88] Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof, Hrsg., Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 22, S. 887 ff., 921 ff., 937 ff.; Martin Kriele, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971) S. 49 ff., 81; KAS, Res publica res populi, S. 129 f.
[89] Zur Einheit von Demokratie und Rechtsstaat J. Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskursethik des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, 1992, S. 151 ff.; 154; ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, 1996, S. 251 („Normativ gesehen gibt es keinen Rechtsstaat ohne Demokratie“), S. 277 ff., 293 ff.; anders C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 214 ff., 238 ff. (243, 247), 258 ff.
[90] KAS, Res publica res populi, S. 816 f., 1069 f., 1076, 1099 ff., 1110 f.
[91] KAS, Parteiausschluß und Verfassung, 2021, S. 63 ff.
[92] Koalitionsverträge sind politisch, nicht rechtlich verbindlich, KAS, Res publica res populi, S.807. Sie sind verfassungswidrig, weil sie entgegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG die Unabhängigkeit der Abgeordneten und darüber hinaus die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers (Art. 65 GG) beeinträchtigen, dazu Hans Herbert von Arnim, Fetter Bauch regiert nicht gern, S. 196.
[93] Dazu KAS, Res publica res populi, S. 1177 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil 1. Kap. 3, S. 22 ff., 2. Kap., 5, S. 83 ff..
[94] KAS, Nationalstaat und Souveränität, 1. Teil 2. Kap 4, S. 225 ff.
[95] Michael Sachs, Kommentierung des Art. 20 GG, in: M. Sachs, GG. Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 9 f.
[96] KAS, Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 2. Kap. 1 und 2, S. 183 ff., 194 ff.
[97] In: Studien zur späten Rechtsphilosophie Kants und ihrer transzendentalen Methode, 1982.
[98] Auch KAS, Freiheit in der Republik, S. 76, 136, 150, 174 f., 260; Staatsrecht in der Corona-Pandemie, Teil A III 2, S. 49 ff.; i. d. S. BVerfGE 7, 198 (206 f.); st. Rspr., insb. BVerfGE 97, 298 (313); anders aber BVerfGE 97, 350 (370 ff.), Euro-Beschluß).
[99] KAS, Souveränität, S. 501 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 4. Kap. 5 a und b, S. 250 ff., 253 ff.
[100] KAS, Souveränität, S. 484 ff.; Nationalstaat und Souveränität, 2. Teil 4. Kap. 5 b, S. 253 ff.
[101] KAS, Souveränität, S. 402 ff.
[102] KAS, Souveränität, S. 460 ff.